[H] [ICU] "Wanderer" rekrutiert ...nicht

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Er war nackt unter dem Tuch, das er sich lose um die Hüften gewunden hatte - und das auch nur weil er keine Notwendigkeit sah, jetzt wieder in die Hosen zu schlüpfen und gerade so einen Restfunken Anstand besaß, um zu wissen, dass es sich gehörte, nicht vollkommen blank dem Vollmond zu huldigen - immerhin, auf einem Schiff, auf dem es fataler gewesen wäre, weiblich, nackt und unwehrhaft zu sein. Wer wusste schon, was in den einzelnen Köpfen einer Besatzung vorging, die bis in den nächsten Hafen ironischerweise auf dem Trockenen saß.
Leise grinste er in sich hinein, frisch gewaschen und sauber und mit dem gesamten Wohlgefühl eines gesunden Körpers und zufrieden über die Pointe des Witzes in seinem Kopf, klopfte an die schmale Kammertür und öffnete sie einen Spalt breit, bevor er sich umsah und ohne auf Einlass zu warten hineinschlüpfte.
Die junge Elfe saß auf der schmalen Koje und war gerade dabei sich mit offensichtlicher Anstrengung die engen Lederstiefel von den Füßen zu zerren. Des Lederwams hatte sie sich bereits entledigt, trug nur noch das lockere, zur Hälfte aufgeschnürte weiße Hemd und die abgenutzte, alte Hose an welcher sie zu sehr zu hängen schien, um sie endlich zu verbrennen. Sie wirkte blass um die Nase, jedoch bei weitem nicht so schlimm wie während der letzten Seefahrt, die sie beinahe das Leben gekostet hatte. Sie sah überrascht auf und runzelte die Stirn, als Oona, anstandslos wie er war, einfach in die Kammer eintrat. „Suchst du etwas?“ Sie würdigte ihn nur eines kurzen Blickes, ehe sie sich wieder ihren linken Stiefel vornahm und sich auf die Lippe beißend daran herumzerrte. Bei dem Anblick wusste man nicht, ob man lachen oder weinen wollte.
Er drückte die Tür mit flachen Händen und seinem Hinterteil zu. Das Schloss klackte leise ein.
„Klar“, sagte er und zog die Brauen zusammen. „Dich?“ Er trat lautlos näher und senkte das Gesicht auf ihr Dilemma.
„Soll ich dir eben helfen?“
„Das geht schon, ich bin ja schon groß… und stark…“ grummelte sie genervt und ächzte unter der Anstrengung, als würde sie gerade versuchen Gewichte zu stemmen die nicht ihrer Gewichtsklasse entsprachen.
„Heilige Sche*ße!“ Man würde nicht meinen, dass diese Elfe ein so lautes Organ hatte, doch Oona wusste dies bereits, hatte sie in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass bloß weil sie zierlich und zerbrechlich wirkte, dasselbe nicht für ihre Stimme und ihr Temperament galt. Sie raufte sich verzweifelt das Haar und wirkte tatsächlich so, als stünde sie den Tränen nahe. Ohne ein weiteres Wort ließ sie sich einfach nach hinten fallen, stieß einen weiteren Laut der Verzweiflung aus und vergrub ihr Gesicht hinter ihren Händen. Der Kampf schien verloren.
Das leise Geräusch, das er machte, das kurze Ausstoßen von Luft, musste sie nicht sehen um zu wissen, dass er lachte.
Auch ohne Aufforderung sank er auf ein Knie, missachtete das klaffende Handtuch und den Halbschatten darunter und machte sich geduldig und ruhig daran, ihr die Stiefel auszuziehen. Die Geste hatte etwas demütiges, obwohl man mit Sicherheit sagen konnte, dass er keinerlei Demut besaß.
„Sich so vorzubeugen ist gar nicht so gut bei eventueller See-Empfindlichkeit“, bemerkte er beiläufig und zog mit ärgerlicher Mühelosigkeit den ersten Stiefel von ihrem rechten Fuß, bevor er ihn beiseite schob und nach dem anderen griff.
„Du siehst aber besser aus als vor ein paar Wochen.“
Er hob den Kopf nicht und befreite auch ihren linken Unterschenkel besonnen von seinem Stiefelschaft.
Ihre Worte klangen dumpf hinter den Händen hervor, welche noch immer vorsorglich ihr Gesicht verdeckten. „Einer von der Besatzung hat mir etwas angedreht das angeblich gegen die Übelkeit helfen soll, war das ekelerregendste S.auzeug was ich je in meinem Leben getrunken habe, aber ich glaube es hilft tatsächlich ein wenig. Er wollte mir allerdings nicht verraten was drin ist. Ich glaube das will ich auch eigentlich gar nicht wissen.“
Langsam glitten ihre schmalen Hände von ihrem Gesicht und entblößten ein paar leicht geröteter Augen, die aufgrund der blassen Haut umso mehr hervorstachen. Die Ellbogen zu Hilfe nehmend stützte sie sich ab und richtet ihren Oberkörper wieder etwas auf, gerade so weit, dass sie Oona ansehen konnte. „Danke.“ dieses Mal war ihre Stimme so leise und zart, dass man sie nur mit Mühe hätte vernehmen können. Ihrer Mimik war abzulesen, dass es ihr unangenehm war, dass sie sich so aufgeregt und zusätzlich unnötig dämlich mit ihren Stiefeln angestellt hatte.
„Nicht dafür“, antwortete er, schob den zweiten Stiefel zum ersten, stand auf, setzte sich neben ihr auf die Kante der Koje und drehte ihr den Kopf zu. „Gut, dass das Zeug zu wirken scheint.“ Dann sagte er gar nichts mehr. Aber Linndriel konnte die Wärme auf dem Gesicht spüren, die ihr verriet, wo sein Blick lag. Beinahe hätte man vergessen können, wie irritierend es war, dass er Termini wie ‚aussehen‘ verwendete - so als ob nicht ein schwarzer Balken aus Stoff sein Gesicht scharf über dem Nasenrücken teilen würde.
Was auch immer dahinter lag.
„Ja, da sagst du was. Ob du’s glaubst oder nicht, mir hat die letzte Schifffahrt definitv gereicht, das gleiche Theater brauchte ich nicht noch einmal.“ Ein schiefes Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. Gekonnt pustete sie sich eine blonde Locke aus den Augen und richtete ihren Blick auf Oona, dorthin, wo seine Augen sein sollten. Es war merkwürdig ihm nicht in die Augen blicken zu können, es machte ihn auf gewisse Art und Weise unnahbar. Verwirrend und zugleich auch faszinierend. „Was führt dich zu so später Stunde, noch dazu halbnackt, zu mir?“
Er hob eine Schulter, nonchalant, und so als sei es nichts besonderes, dass er hier saß. Gerade jetzt, gerade so. Wahrscheinlich war es das auch nicht für ihn. „Ich wollte nach dir sehen und hatte keine Lust mich anzuziehen. Ich bin sauber, meine Hosen sind es nicht.“ Allein bei dem Gedanken überkam ihn ein juckendes Gefühl und er verzog leicht den Mund, bevor er ihn zu einem schiefen Lächeln formte. Er fragte nicht, ob es sie störte. Es war überhaupt fraglich, ob er sich diese Frage stellte. „Außerdem hatte ich Lust auf deine Gesellschaft.“
War da ein Hauch von Enttäuschung zu erkennen? Vielleicht war es auch nur Einbildung. Für einen Augenblick betrachtete sie fast schon nachdenklich das schiefe Lächeln auf den Lippen des Illidari, ehe sie sich flink aus dem Bett fläzte, die von Oona ordentlich hingestellten Stiefel beiseite kickte und sich an der eigenen, alten Hose zu schaffen machte. Diese bereitete ihr offenbar keine Probleme, hatte sie sich binnen Sekunden von ihr befreit und gleich neben das Schuhwerk geschleudert. „Hast recht, ohne Hose lebt es sich definitv besser.“ Ein breites Schmunzeln machte sich auf ihren Lippen breit. Sie warf sich wieder neben Oona auf die Koje, winkelte die Beine vor ihrem Bauch an und umschlang sie mit ihren dünnen Armen. Das Kinn auf dem Oberarm platzierend sah sie zu ihm herüber und starrte ihn für einen Moment an. „Ich habe dich vermisst. Als ihr weg wart, ohne mich. Du bist einer der nervigsten Wesen die ich kenne und doch ist es schön wenn du da bist.“
„Soll ich bleiben?“ fragte er so übergangslos, als habe er ihr gar nicht zugehört und doch den Kern des Wesentlichen aus allem herausgefiltert. Er klang weder so, als habe er das geplant, noch so, als sei er abgeneigt. Dass sie sich auszog, hatte er nicht explizit verfolgt. Aber das hätte sie sich denken können. Nacktheit was etwas so selbstverständliches für ihn, dass er es wahrscheinlich als völlig natürlich erachtete - noch dazu nachvollziehbar. Schließlich saß er selbst ohne Hosen herum und schien sich daran nicht zu stören. Jetzt lächelte er wirklicher. Sogar auf die Distanz ging Wärme von ihm aus.
Ein einfaches Nicken, mehr Antwort bekam er nicht. Linndriel war nicht der Typ dafür jemandem offen zu sagen, dass sie wollte, dass man blieb. Entweder man tat es aus freien Stücken oder man ließ es bleiben. Darum betteln oder bitten würde sie nicht. Lieber würde sie sich die Zunge abschneiden. Stille machte sich breit, doch wirkte diese nicht unangenehm oder drückend, sondern friedlich. Als bräuchte es gerade in diesem Augenblick keine Worte, nur Sein. Ein feines Lächeln zeigte sich auf den Lippen der Elfe, ein kaum wahrnehmbares Heben des linken Mundwinkels. Sie sah ihn an und erfreute sich im Stillen an seiner Anwesenheit.
Er grinste kurz. Ein heller Streif in der Dunkelheit des Zimmers, dann rutschte er ganz in die Koje, streckte sich an der Bordwand entlang aus und schob den Arm unter den Kopf. Er nahm wenig genug Platz ein, obwohl die Koje nicht für mehrere Personen ausgelegt war und er nötigte sie nicht dazu, sich bewegen zu müssen. „Erzähl mir was du getrieben hast“, verlangte er ohne Bitte und ließ ihr frei, ob sie sich zu ihm legen wollte oder nicht. Er selbst schien es sich offenbar gemütlich einzurichten. Sein Körper entspannte sich und die ohnehin ruhige Stimme hatte einen noch ruhigeren Unterton angenommen.

Annie Lennox - No more „I love you’s“
https://www.youtube.com/watch?v=NSkboTTTmpg

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Ach nein!
Die gibt es auch noch. Oder wieder?
Sehr schön! :purple_heart:

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Endlich gibt es wieder was schönes zu lesen, wurde auch zeit hebt drohend den Zeigefinger und grinst demnoch breit

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Wir haben unsere Seelen für Unsterblichkeit schon vor langer Zeit verkauft.
PS: Das RP ging (für eure Augen unsichtbar) über die gesamten 12 Monate übrigens weiter. Das tut mir ein bisschen leid. Aber… nicht für mich. Ich hatte wirklich, wirklich eine wundervolle Zeit mit meinen drei Göttinnen verbaler Entgleisung.

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:heartpulse:

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[ Flashback ]

Als sie ihn in der Dunkelheit zu sich zog, sagte sie kein Wort.

Sie schmiegte sich eng an seinen Körper und führte die Geste so behutsam aus, als wolle sie ihn damit nicht überfordern.

Überraschung wäre das falsche Wort gewesen. Er fühlte sich keineswegs perplex. Nicht überrumpelt. Als sie sich an ihn schmiegte, so vorsichtig, wie er sich noch vor zählbaren Atemzügen von ihr entfernt hatte, war es noch immer ein Zögern, das ihn innehalten ließ.

Das Pulsieren in ihrem Inneren klang langsam ab, aber ihr Kopf fühlte sich seltsam und nachhaltig schwer an.

Diese einfache Geste wuchs zu etwas so großem und komplexem heran, dass sie ihn zu sprengen drohte. Sein Inneres verlor an Gewicht und hätte schweben mögen. Nie zuvor hatte er sich so schwer und gefangen in diesem so vertrauten Körper aus Knochen, Fleisch, Nerven und Magie gefühlt.

Ihre Gedanken waren so leise und ruhig wie die Oberfläche einer windstillen See.

Niemand wird je verstehen, was ich in dir sehe. Niemand.

Ich selbst erkenne nur Schemen. Und diese Schemen tragen nur die Umrisse deiner Schatten. Deiner Schatten, die ab und an hell in der Dunkelheit funkeln.

Sein Herzschlag war ganz dicht bei ihrem zu spüren.

Ihr Herzschlag war ganz dicht bei seinem zu spüren.

Woher kommst du? Was hast du gemacht? Warum hast du deine Angst verloren? Was siehst du schlussendlich in mir? Warum in mir? Wer bist du? Auf all diese Fragen gibt es keine Antworten, nur Ahnungen, die ich behutsam in meinem Inneren verwahre.

Von allen Personen in meinem Leben kennst du mich am besten. Gleich zu Anfang wusstest du, was ich bin. Selbstmörderisch.

Die gnadenlose, wankelmütige, gefährliche, eigenwillige Saishie ist vor allem eins. Selbstmörderisch.

Du hast Recht. Natürlich hast du Recht.

Vorsichtig schob sie ein Bein über seinen Körper und ließ eine Hand auf seiner Brust ruhen.

Sie schob ein Bein über seinen Körper und ließ eine Hand auf seiner Brust ruhen, als wäre sie es, die Zurückweisung zu fürchten hätte. Tief in seiner Seele begriff er, dass gerade etwas Grundlegendes geschehen war, zu dem er den Stein gelegt hatte. Er schloss die Augen und ließ sie gewähren.

So stark und sicher wie an deiner Seite habe ich mich noch nie gefühlt. Trotzdem verliere ich mich beinahe jedes Mal selbst, wenn ich dich ansehe.

Ich konnte deinen Zorn und deinen Ärger spüren. Deinen Hass. Deine Verzweiflung, als du mich eng an dich gedrückt hast. Dein Bedauern, dein Unverständnis. Hast du je verstanden, was ich will?

Er schien sich nicht gegen die Berührungen wehren zu wollen, aber sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie er diese Art der Nähe tatsächlich empfinden würde.

Obwohl er die Augen nicht wieder öffnete, spürte er ihren Blick auf sich liegen, die stummen Fragen, die ihre Körperspannung ihm mitteilte und die sich in keinem Wort verlautbarten.

Er würde nicht danach fragen.

Manchmal bleibe ich stehen und atme tief ein. Die ganze Welt scheint dann ihren Lauf anzuhalten, nur für mich und die Gedanken an dich.

Ich stehe und warte und warte und warte.

Und ich weiß, wenn du weggehen würdest, würde ich dich finden, eines Tages. Zwischen Tausenden von Fremden würde ich dich finden. Du müsstest nicht einmal ein Wort sagen und ich würde wissen, dass du es bist. Nur du.

Sanft legte sie den Kopf auf seine Schulter.

Geh nicht.

Nie mehr.

Als sie ihren Kopf federleicht an seine Schulter legte, schloss er den Arm um sie. Seine Fingerspitzen zogen das Leintuch höher.

Er drückte seine Wange an ihren Scheitel. Atmete ihren warmen Geruch.

Und hielt sie fest.

26.09.2013

Bon Iver - I can’t make you love me
https://www.youtube.com/watch?v=vp-bPAKLfx4

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Irgendwo hinter sich hörte sie leise Geräusche. Die Masse der Stoffe in dem Labyrinth aus Kleiderstangen und Schränken dämpfte alles. Das Handtuch hatte sie fallenlassen und jetzt verschränkte sie unschlüssig die Arme vor dem flachen Brustkorb.

Sie sah sich um. Ihr Blick huschte von einem zum anderen Kleidungsstück. Es waren tausende - gefühlt. Unter ihren bloßen Füßen spürte sie die fedrige Weichheit des ausgelegten Teppichbodens. Die Luft war trotz der textilen Übermenge kühl.

„Weißt du eigentlich“, sagte sie, ohne sich umzudrehen und vielleicht ziellos, „dass ich heute Geburtstag habe? Was an sich vollkommen unerheblich ist für das alles hier und die Gesamtsituation, für das Drehmoment der Welt, für ihr Ende, für den Zerfall der Gesellschaft und der guten Sitten und das Paradoxon, mit dir in meinem Kleiderschrank zu stehen und das zu diskutieren.“ Sie neigte den Kopf und schickte einen halben Blick zurück über die Schulter, der nichts genau erfasste, nur den Schemen der Gestalt hinter ihr, verschwommene Farbflecken, die sich im Kopf zu einem klaren Phantasiebild zusammenfügten.

„Ich wünschte, mir wäre nach feiern. Und ich wünschte, ich hätte etwas anzuziehen.“

Ein schmunzelndes Lächeln hinter ihr, so hörbar, dass es nicht schwer war, sich dabei seinen Gesichtsausdruck auszumalen, ohne sich umzudrehen. Die Sommersprossen auf dem Nasenrücken und die Augen, deren schelmisches Blitzen den Göttern die Schamesröte ins Gesicht trieb. Ein Elf der sich vor nichts und niemandem verstecken musste und der seine Freiheit vor sich hertrug wie der Schild, der üblicherweise Andere beschützte. Sein Haar, wild und rot wie geschmolzenes Gestein, war im Nacken mit einem Lederband zusammengefasst und die Kleidung, die er angelegt hatte, konnte man nur großzügig betrachtet noch als ‚dem Anlass angemessen‘ betiteln. Sie konnte sich vorstellen, wie butterig weich und warm das vielgeliebte Leder seiner Hosen war. Schokoladenbraun, tief und dunkel, wie der herbsüße Duft von Kakao, der sich unter den Geruch von Seide, Leinen und anderen Webstoffen legte.

Serathis hielt ihr ein Glas mit duftendem Rotwein entgegen, in der anderen Hand balancierte er einen Teller mit einem Stück Schokoladenkuchen. Ohne Sahne, ohne Buttercreme. Einfach nur ein Teig mit herrlich viel Kakao und dunkler Schokolade. Ein ‚No Bullsh*t‘ Kuchen, nichts, was so prätentiös auf umständlichen Namen daherkam, die alles nur komplizierter machten, als es sowieso schon war. Ein Stück Sicherheit gegen den Wahnsinn der Welt, denn am Ende würde ein wenig Mehl, Kakao, Ei und Schokolade immer schmecken, genauso wie der Wein dazu. Die Dinge, auf die man sich verlassen konnte, waren manchmal so einfach und genau deswegen so verdammt hart erkämpft.

„Ich habe mir so etwas gedacht“, sagte er und trat hinter sie. „Aber wenn du mich fragst, wird Kleidung überbewertet.“


Vielen Dank für die lieben Wünsche, die mich bereits auf diversen Kanälen erreicht haben.

Ich wünschte, wir alle könnten Portalreisen und ich wünschte wir alle könnten die Welt retten, so wie wir das in jedem Addon tun. Bis dahin umarme ich euch, meine Anker in der Krise.

Danke, dass es euch gibt.

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Es gibt immer eine Zeit des Übergangs.
Eine Zeit, in der das Licht verblasst und in der die Schatten länger werden. Es ist das Fenster des Zwielichts, durch das der Schleier zwischen den Welten gehoben wird und die Kreaturen des Dunkels nach der letzten Flamme greifen, um sie auszulöschen. Wer, wenn nicht die Krieger des Lichts, stellt sich dem entgegen? Und was, wenn sie fallen?
Was, wenn sie fallen?

Sub Sub - Southern Trees https://youtu.be/FtkgRDMzdDs

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[Der Tiger im Käfig]

„Du bist so vernünftig“, flüsterte sie. Mehr nicht. Das würde es nicht besser machen. Je mehr er diese Mon Signore Rührmichnichtan Haltung einnahm, desto mehr wollte sie ihn eskalieren sehen. Das war das Gleichgewicht der Dinge. Während er dabei war seinen sexuellen Zenit zu überschreiten, war ihrer nie höher gewesen. In keiner anderen Hinsicht hatte sie das Verlangen, ihn so vollkommen zu vereinnahmen. Sie schlug die Augen nieder und atmete tief durch.
„Einer muss es ja sein“, sagte er und wandte den Blick zum Balkon. „Warte hier einen Moment“, sagte er zu Nuianna und stand auf, trat nach wenigen Schritten auf den Balkon hinaus und sah Kyriel an. „Irgendwelche Neuigkeiten?“
Nuianna verschluckte ihre Antwort und öffnete die Augen, um ihm stumm nachzublicken, als das Bett sich bewegte. Sie wartete, so brav, wie sie vorgehabt hatte zu konstatieren.
Kyriel riss es aus seinen Betrachtungen. Er schüttelte den Kopf. „Daal macht sich wichtig im Zauberkasten.“ Er sprach leise, gedämpft. „Aber bisher ist dort jedenfalls alles im Lot.“ Er warf Serathis einen schiefen Blick zu. „Sie lacht?“ fragte er. Mehr nicht.
„Ja. Wieder“, sagte er und hob die Schultern an. „Muss ich den wieder mitnehmen nach Silbermond oder schafft er es selbst?“
„Ihr werdet abgeholt, wenn es nach Protokoll läuft. Und dann wartet eine Besprechung und sehr spannender Papierkram auf den Rest deines Tages.“ Kyriel hob zynisch einen Mundwinkel.
„Papierkram? Warum das denn?!“, entfuhr es Serathis und er seufzte sehr laut und sehr leidend. „Das ist nun wirklich nicht meine Baustelle.“
„Willkommen in der wunderbaren Welt des Magierturms“, versetzte Kyriel. „Das macht sie jeden Tag.“
„Ja aber sie hat sich dafür entschieden. Ich bin lieber nur ein einfacher Kerl. Ehrlich, ich hasse diese Stadt.“
„Hat sie das? Oder nimmt sie nur Dinge in Kauf?“ Kyriels schräges Lächeln schwand nicht.
Er stand auf und wandte sich ohne auf eine Antwort zu warten nach drinnen.
„Was?“, machte Serathis und verstand nichts, sah sich dann aber in der Situation stehengelassen zu werden.
Kyriel hatte die wenigen Schritte zum Bett schnell überwunden, rutschte auf die Bettkante und küsste die Magierin zärtlich auf die Wange. „Na“, sagte er und klang so weich und sanft, als streiche selbst sein Tonfall ihr die Sorgen von der Stirn.
„Na“, seufzte sie und ihre Augen huschten zu Serathis und zurück zu Kyriel.
„Na wie es dir geht“, setzte der nach und drehte sich nicht um, griff stattdessen nach ihrer Hand.
„Meh.“ Allen Ernstes.
Kyriel lachte. „Du siehst aus wie ein trotziges Kind.“
Sie zog eine Grimasse. „Mein Kopf ist tausend Meilen über meinem Körper. An einer Schnur.“ Dann beugte sie sich vor und flüsterte mit niedergeschlagenen Augen ein paar wenige rasche Worte.
Kyriel reagierte nicht sichtbar. Außer mit einem kaum hörbaren Prusten. Er drückte sie zurück in die Kissen und stand auf, nicht ohne ihre Hand zu tätscheln. „Ich sehe schon, du wirst wieder kerngesund. Hast du noch was zu trinken da?“
Serathis setzte sich auf die andere Seite und verfolgte die beiden, den warmen Umgang miteinander. „Woher kennt ihr euch eigentlich?“, fragte er und lauschte in sich hinein, nur um Fragen vorzufinden, die er nicht beantworten konnte.
Nuianna drehte den Kopf, aber Kyriel antwortete. „Während die junge Dame hier erfolgreich ihre Karriere im Turm bestritt, habe ich auf die weitere berufliche Laufbahn der peripheren Freuden verzichtet und mich auf magische Waffenschmiede spezialisiert. Die Peripherie ist mein Freizeitvergnügen.“ Er zog einen Mundwinkel hoch und sah zurück zu Nuianna. „Also hast du?“ Sie nickte. Er fragte: „Wo?“ Sie sagte: „Im Eisschrank.“ Und räusperte sich als sie ausholte, um den astralen Kühlschrank zu öffnen.
„Das war nicht das, was ich gefragt habe“, meinte Serathis und löste den Dolch von seinem Gürtel, wog ihn spielerisch in der Hand und betrachtete die Klinge. Er war ausstaffiert wie ein Würdenträger in Platte. Und hatte nichts davon gebraucht. „Freunde? Verwandte?“
„Studium“, antwortete diesmal Nuianna, während Kyriel die Reihen eindeutig alkoholischer gekühlter Getränke durchging und eine sofort Kondenswasser bildende Flasche Weißwein wählte. „Freunde“, sagte er, während sie den Schrank unter eindeutig sichtbaren Mühen schloss und Kyriel in der Teeküche verschwand.
„Mhhh…“, machte der Junge wenig geistreich und besah die Situation ohne daran teilzunehmen. Er bemerkte, dass er Tharelle vermisste. In diesem Moment. Was war ein Leben ohne Freunde? Familie ergänzte sein Kopf und er schüttelte den Gedanken ab.
Vielleicht war es das, was ihn am Ende doch zu diesem Einzelgänger machte, der er war. Er war allein durch die Weltgeschichte gereist, bis nach Beutebucht, um dort zu vergessen was zu Hause wartete. Serathis zog die Brauen zusammen, als die Gedanken Sandkristallen gleich in seine imaginäre Handfläche fielen. Einsamkeit war das, was ihn umtrieb und ihn unterschwellig wütend machte. Nicht die Art von Einsamkeit in Abwesenheit von anderen Elfen sondern das Fehlen einer echten Familie, Blutsbande die über Freundschaft hinausgingen. Er drehte den Kopf und sah Nuianna an, nur um dann wieder aufzustehen und in dem Raum langsam auf und ab zu gehen.
Ihre Augen folgten ihm eine ganze Weile still, während leise Geräusche aus der Teeküche verrieten, dass sich der Schwertmeister dort beschäftigte. Nach etlichen Minuten bemerkte sie leise: „ Wie ein Tiger im Käfig“ und verstummte wieder.
Serathis blickte auf. „Was?“, sagte er und hielt in seinem Gehen inne. Er hatte sie richtig verstanden, oder? Wie ein Tiger im Käfig. Gestern hatte das noch gestimmt, in diesem einen Moment, der ihm so weit entfernt vorkam, dass er dachte, es wäre eine Woche her oder eine Ewigkeit. Jetzt war es anders. Der Junge…der Mann, der er war, erwog, sie in seine Gedanken einzuweihen. Er zögerte einen Moment, nahm das Laufen wieder auf und schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht.“

„Denkst du, der Tiger im Käfig fühlt sich eingesperrt? Ich denke nicht“, sagte sie leise und lehnte sich tiefer in die Kissen zurück. Ihre Hände schoben sich ineinander und sie schloss die Augen halb, der Haltung geschuldet, ohne sie von ihm zu lassen.
„Der Tiger im Käfig wird zur Belustigung Adliger gehalten“, sagte er und hob die Braue. „Ich glaube nicht dass er weiß, dass eine weite Welt außerhalb des Käfigs wartet.“ Serathis sah sie wieder an, hielt noch einmal inne. „Das ist nicht, was mich umtreibt“, korrigierte er.
Ein Hauch Röte flog über ihre Wangen, sie drehte den Kopf, legte die Hände über die warme Haut und schloss die Augen für einen Augenblick. Ohne sie wieder zu öffnen formulierte sie ohne drängend zu klingen zwischen den Handflächen hindurch: „Dann was?“
„Familie“, sagte Serathis ruhig. „Das Fehlen einer Familie.“ Und mit den Worten hob er die Schultern an. Ob sie das verstehen würde?
Die Augen gingen auf. Sie sah ihn an, sagte aber nichts dazu.
„Ich meine nicht Frau und Kinder…“, ergänzte er.
Sie nahm die Hände herunter und sah an ihm vorbei, ohne die Augen auf etwas bestimmtes zu richten. Ihr Gesicht war feuerrot. Das zu verbergen, wäre ob mit oder ohne Hände unmöglich geworden.
„Nuianna…?“, machte er und sah sie irritiert an.
Sie machte eine abwinkende Geste. „Familie wird überbewertet“, kommentierte sie stattdessen sein Thema weiter.
„Mag sein dass du das so siehst“, sagte er und verkniff sich, den Kopf zu schütteln. Für ihn war Familie etwas, das er nie besessen hatte und das Gold und Ruhm nicht kaufen konnten. Wenn er diese besessen hätte.
„Nicht unbedingt. Du kannst Glück haben und eine gute haben - oder Pech haben und eine schlechte. Im was wäre wenn Spiel…“, sie atmete kurz durch, als ob sie vergessen hätte, rechtzeitig Luft für die Rede zu fassen, „…ist es mir lieber, mit dem zu arbeiten, was ich habe. Das… ist nur meine persönliche Erkenntnis, sie muss für niemanden sonst gelten.“ Den letzten Satz fügte sie leiser hinzu.
„Und du kannst mein Leben leben und nicht wissen, ob du Glück oder Pech gehabt hättest.“ Er trat an ihr Bett heran und schob den Vorhang zurück, begann erneut damit, die Falten zu richten und sie dabei anzusehen. „Vielleicht ist es überbewertet, oder unwichtig für andere. Aber mir ist gerade aufgefallen, dass mir eine Familie fehlt.“
Sie hob den Blick. Aus dieser Perspektive und mit dem Rest der abklingenden Gesichtsfarbe, sah sie seltsam schuldbewusst aus. Ob das nun der Fall war oder nicht.
Serathis hob die Schultern. „Ist…einfach so.“
Er sah sie an und lächelte dann schmal und schüttelte den Gedanken ab. „Ist ja auch nicht so wichtig. Ich bin nur kein Tiger im Käfig.“
Sie senkte den Blick auf seine bewegten Hände. Ihre Hand auf der Bettdecke zuckte, aber sie blieb liegen. Erst setzte sie dazu an, etwas zu sagen, dann drehte sie den Kopf in die andere Richtung und atmete die geholte Luft einfach und stumm wieder aus. „Ja“, sagte sie stattdessen.
„Was wolltest du sagen?“, fragte der rothaarige Mann und setzte sich wieder auf den Bettrand.
Sie schüttelte den Kopf, antwortete aber. „Nur Unfug. Eine Menge Unfug.“ Eine unfassbare Menge Unfug. Unfassbar viele Gedanken, die so schnell durch ihren Kopf schossen, dass sie in Worte zu fassen sich unfassbar mühsam anfühlte. Sie senkte den Blick und drehte Serathis den Kopf wieder zu. Lautlos seufzend. Ihr Atem bewegte ein paar lose einzelne Haare. Nachdem sie ihn so zwei endlose Sekunden angestarrt hatte, fing sie ohne Vorwarnung und unvermittelt zu reden an. „Du bist genau wie ein Tiger im Käfig. Ruhelos. Auf der Suche nach etwas, das nur ein vages Gefühl in deinen Knochen ist zu dem es dich hinzieht, ohne dass du genau wüsstest, wie das, was du suchst überhaupt aussieht. Das und damit angefangen und ich kann nicht aufhören darüber nachzudenken, wie du dich anfühlst und was dein Lichtfunken mit mir tut. Es tut mir nur der Form halber leid. Ich wusste nicht, dass mein Suchtpotenzial so hoch liegt, aber offensichtlich…“ Sie ließ den Rest des Satzes offen und fuhr mit etwas anderem fort. Der Tonfall wechselte, aber die Wangen hatten umgehend Farbe bekommen. Sie redete sehr schnell.
„keine Ahnung weswegen ich mich so ertappt gefühlt habe, als du auf die Belustigung der Adeligen angespielt hast, aber ich weiß auch nicht. Das Beispiel schien dann doch irgendwie recht passend zu sein. Meine Güte, das ist peinlich.“ Ihr Gesichtsausdruck war nüchtern, die Augen geisterten unruhig über sein Gesicht.
„Nuianna“, machte Serathis und er nahm noch mehr Haltung an, zumindest wirkte es so, in dem starren Plattenpanzer, in den er gezwängt war. Er hob eine Braue, die ersten Ausläufer seiner Zornfalte wirkten mild und charmant, als er sie ansah als würde er über eine imaginäre Nickelbrille sehen. „Ist da jemand süchtig nach Lichtmagie?“ Und wie die Worte von seinen Lippen glitten. Wie Pfeile mit nur einem Ziel.
„Nach deiner, ja. Ich sche*ße auf Lichtmagie, wenn der Rest nicht dranhängt“, sagte sie ruhig und unflätig und drückte die Knie durch und unter der Decke fest zusammen.
Er tadelte sie ohne Worte, fasste mit der Hand unter ihr Kinn und es konnte Einbildung sein, aber kurz kitzelte ihre Haut, bevor er die Hand zurücknahm und ernster antwortete: „Ja, vielleicht suche ich etwas. Das Gefühl…dieses spezielle Gefühl.“
„Du quälst mich“, hauchte sie beinahe lautlos und es konnte Einbildung sein, aber ihre Augen schimmerten feucht.
„Nur ein bisschen“, gab er zu und atmete durch. Er schien selbst zu schwanken, zwischen diesem Leichten, bei dem es kein Problem gewesen wäre, wenn er jetzt mit ihr schlafen würde und dieser Schwere, die er nicht aus seinen Knochen verbannen konnte. In der er sich dieses Gefühl befriedigt wünschte, was niemand befriedigen konnte. Echte Zugehörigkeit. Vielleicht war er deswegen jemand, der sich nicht binden wollte?
„Sehr“, flüsterte sie. Genauso leise fuhr sie fort. „Aber das ist es nicht allein. Es ist einfach… du bist das.“ Sie schwieg betroffen, aber nur kurz. „Ich wünschte, ich könnte für dich dasselbe sein, aber wenn es nicht so ist, ist das in Ordnung für mich. Schätze ich.“ Dann wurde sie still.
„Ich…was?“ Er verstand nicht worauf sie hinauswollte. „Was meinst du?“
„Es ist nicht nur das Licht und der Sex. Ich mag dich. Ich weiß nicht, wieso. Alles an dir. Vielleicht nicht unbedingt die Wutausbrüche…“ fügte sie zögerlich eine Einschränkung an.
„Ich hoffe ich bedränge dich nicht“, sagte sie und senkte den Blick. „Das ist nicht mein Ansinnen.“
„Worauf möchtest du hinaus, Nuianna?“, fragte er mit ruhiger Stimme und besah sie dabei mit einem schwer zu deutenden Blick. „Ich meine allgemein. Das, was du sagst, dahinter steckt doch ein Wunsch. Welcher Wunsch ist der größte?“

„Nähe?“ sagte sie in einem fragenden, ja zweifelnden Tonfall. „Ich habe dich gern um mich. Ich bin gern bei dir. In deiner Nähe. Die Umstände sind mir eigentlich egal…“ Es klang so, als sei ihr diese letzte Erkenntnis gerade beim Sprechen gekommen. All die kleinen Pausen deuteten darauf hin.
„Die Wutausbrüche gehören übrigens leider mit dazu.“ Serathis schloss es noch an und überlegte, was Nuianna von ihm wünschte. Nähe. Das war etwas, das er noch nicht getan hatte. Jemanden so lange in sein Leben zu lassen, dass Nähe entstand. War er dazu in der Lage? „Wie soll das gehen?“, fragte er stattdessen.
„Temperament ist nichts schlimmes… aber ich glaube, auf Dauer hält mein Kopf keine Einschläge wie den letzten aus…“ sagte sie unter einem schiefen und traurigen Lächeln. „Auch wenn es nichts persönliches gewesen sein sollte. Ich fürchte, ich möchte mich nicht mit dir schlagen. — Was gehen?“ fragte sie zurück. „Nähe?“ Was wollte er hören? Gab es dafür Gebrauchsanweisungen?
„Ich schlage eigentlich…“, er brach den Satz ab und schüttelte den Kopf. „Ich lebe in Silbermond, Nuianna. Nachdem der Heiler da war, sammle ich diesen Typen vom Turm wieder ein und wir kehren zurück. Wie stellst du dir vor, dass diese Nähe funktioniert? Rein praktisch.“
„Kannst du Griffe anschrauben?“ Sie sah pragmatisch aus.

Er lachte kurz und schnaubend. „Ja. Aber das meinte ich nicht.“
Sie hob die Schultern. „Ich habe nicht die Zeit, dir beständig am Rockzipfel zu hängen. Und du schätzungsweise auch nicht, wenn deine Sanktionierung endet.“
Leiser und weicher fügte sie an: „Aber Zeit mit dir verbringen würde ich wirklich gerne. Zwischendurch.“
„Wie…Freunde mit Vorzügen?“, fragte er und sah gefasst dabei aus. Und nicht so, als würde er es kategorisch ablehnen.
„Muss man allem einen Namen geben?“
„Macht es einfacher für mich. Ich bin ein simpler Kerl.“
„Dann nenn es so“, beschloss sie, streckte die Hand nach seiner aus und griff danach, ohne sie zu umklammern. „Du tust mir gut. Das mit dem Kopf vergessen wir. Noch mehr als dich zu wollen wünsche ich mir eigentlich, dass du mich auch willst. In deiner Nähe haben, meine ich. Das ist auch schon alles. Versprich mir nichts, außer zu sagen, falls sich das ändert. Umgehend.“
„Wäre es für dich in Ordnung, wenn ich darüber nachdenke? Nicht darüber, ob ich dich mag, aber ob so etwas für mich funktionieren kann…“, meinte Serathis und lächelte schmal. „Ich mag dich nämlich. Das wollte ich noch sagen.“
Sie hob die Schultern und nickte, nahm die Hand fort und sagte nichts weiter. Ihre Konditionen hatte sie genannt.
„Aber vorher kann ich ja schon mal den Griff anschrauben?“
„Den müsste man erst besorgen“, antwortete sie und sah an ihm vorbei. In der Teeküche war es verdächtig still geworden.
„Wenn du nur jemanden kennen würdest, der sich mit Metallbearbeitung verdingt“, meinte Serathis und sah ebenfalls Richtung Teeküche.

Kyriel räusperte sich und trat mit einem halbleeren Weißweinglas aus den Schatten der Türfüllung. Dass er gelauscht hatte - und vielleicht zugesehen - war ebenso offensichtlich, wie er eben das nun nonchalant überging. „Heiler immer noch nicht da?“ Er fragte es im vollen Bewusstsein, dass das sein Verschulden war und so unwissend in Perfektion, dass es bestimmt der Magierin auffiel, die ihn lange genug kannte, nicht aber Serathis. Nuiannas Blick durchzuckte die Erkenntnis noch während er sprach. Und ebenso schnell verbarg sie sie wieder.
„Nein…und weißt du, das ist ehrlich etwas, das hier überhaupt nicht funktioniert. Ich muss die Kleiderprinzessin noch abholen und mich wieder beleidigen lassen, bis wir zuhause sind. Ich hätte den Teil zumindest gerne hinter mir. Und vorher vielleicht noch den Griff angebracht. Du hast nicht zufällig sowas?“
„Was für einen denn genau?“ fragte Kyriel und sah dabei Nuianna an.
„Für den Schrank und er muss Schlüsselaffin sein“, antwortete die Magierin. „Ich will ja nicht den ganzen Nether durch meine Wäsche spazieren lassen.“ Kyriel grinste.
Er warf Serathis einen Seitenblick zu und bemerkte beißend, ohne impertinent zu wirken: „Nein bei der Auswahl wäre mir die Lichtpalette auch lieber.“ Er nippte am Wein und fügte seriöser an: „Müsste noch Metall dafür haben.“ Er leerte das Glas im nächsten Zug und schickte es durch die Luft zu dem Tisch, auf dem die Rosen standen. „Express nehme ich an.“ Abwehrend hob er die Hand. „Bin schon unterwegs. Ihr kommt ja zurecht.“
Serathis schmunzelte nur und wandte sich wieder Nuianna zu. „Ich hatte nie eine Freundschaft mit Vorzügen. Früher wollte ich immer Tharelle für mich gewinnen, aber mittlerweile…ich habe sie lieber als normale Freundin.“ Er erklärte das so langsam und gelassen, als wäre dieser Umstand zumindest gesetzt. „Wenn ich im Orden wieder rehabilitiert bin, werden sie mich sicher für Sche*ßaufgaben einsetzen. Du weißt schon, extra ätzende Sachen. Es wäre schön, dann jemanden zu haben, der ein wenig Sonne hineinbringt.“
„Sonne“, sagte sie langsam während die Tür hinter Kyriel ins Schloss fiel und sah Serathis an. Das dunkle Gold ihrer Augen hatte helle Flecken, die ineinander tanzten und verschwammen. „Ich glaube du kannst noch ganz andere Karrieren beginnen und meistern, wenn du dich nur dafür entscheidest, weißt du.“
„Du meinst Heiler werden?“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist eine Kleinigkeit, was ich bei dir gemacht habe. Ich gehöre an die Front und nicht in einen Kittel in einem Zelt. Ich mag die Gefahr der Front und dieses…Rohe, was es an sich hat. Kraft ohne Rücksicht auf Verluste. Wo kann ich sowas sonst schon haben?“ Er sah Nuianna in die Augen. „Es ist schon okay. Ich muss nicht über mich hinauswachsen. Es reicht, einfach Serathis zu sein.“
„Nein meine ich nicht…“ Sie deutete das Kopfschütteln nur an. „Ist nicht so wichtig.“ Sie unterbrach für einen anderen Tonfall, der kein Lächeln benötigte, um es klingen zu lassen. „Mir reicht einfach nur Serathis über alle Maßen.“ Ihr Blick war warm. Weich. Ein Blick der exklusiv ihm galt. Wo auch immer sie ihn ausgegraben hatte. Er war sehr tief vergraben gewesen.
Er sah sie an und lächelte, ziemlich friedvoll und so, wie sie ihn vermutlich noch nie gesehen hatte. „Jemand sollte genau jetzt ein Bild von dir machen, Nuianna.“
„Besser nicht“, sagte sie. „Wieso überhaupt?“ Sie runzelte die Stirn, skeptisch. Und da war immer noch der Drang, ihn zu berühren, den sie mühsam unterdrückte.
„Weil du schön bist, wenn du mich so ansiehst.“ Serathis griff nach ihrer Hand und hielt sie. Vielleicht konnte er sich das wirklich vorstellen. So etwas wie eine Freundschaft mit ihr zu pflegen und all die Genüsse zu teilen, die das Leben bot, sobald sie wieder auf den Beinen war.
Schön hatte er gesagt. „Das ist, WEIL ich dich ansehe“, sagte sie und ließ ihm die Hand, ohne hinzusehen und sah stattdessen weiter ihn an. Die Skepsis verschwand nicht ganz.
„Du glaubst mir nicht, hm?“ Serathis hob die Hand wieder an und legte die Finger zurück unter ihr Kinn. „Genau so.“ Seine Hand blieb dort und das weiche Kribbeln nahm unter ihrer Haut wieder zu.
Sie schlug die Augen nieder und nahm auch das hin, kommentierte es allerdings nicht ein zweites Mal.
„Sieh mich an“, sagte er leise und beugte sich dichter zu ihr. Die raue Stimme nur ein Flüstern, wie das Kratzen einer Feder auf Papier.
Sie tat es. Öffnete die Augen wieder und schluckte gegen seine Finger an.
Es kribbelte. Erst nur ein bisschen, dann intensiver werdend. Fuhr in ihre Kieferknochen und in ihren Kopf. Durchfuhr Haut und Haar und er legte seine Lippen auf ihre in der heiligsten Entweihung von einer Heiligen der Magie, mit einem Lächeln das alle Missetaten vergessen ließ.
Sie wollte atmen, vielleicht stöhnen, denken. Nichts davon funktionierte so recht. Sie kam sich vor als bräche alles Leid der vergangenen Jahre auf einmal über sie herein und spüle über sie hinweg; alles fühlte sich leicht und schwer zugleich an und sie verstand rein gar nichts mehr.
Serathis nahm den Kopf zurück, zog sie in eine Umarmung an seine Brust und legte die Hand auf ihren Hinterkopf. Er sagte nichts. Kein „so ist es brav“, kein Spott. Da war nur er, in Plattenrüstung. Und mit ihm das Licht.
Alles war erleuchtet.

Lewis Capaldi - Someone you loved
https://www.youtube.com/watch?v=bCuhuePlP8o

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[Zwei Heiler]

Ihre Hand lag flach auf den Verzierungen der Brustplatte, kühl unter ihrer Wange. Die Augen standen noch offen, der Blick leer, nach innen gerichtet. Es war so unwirklich, dass sie unweigerlich darauf wartete aufzuwachen. Sie wagte es nicht sich zu rühren, um den Moment nicht zu stören.
Er vergrub die Nase in ihrem Haar und atmete tief ein. Sprach nichts und hielt sie so, in dieser Umarmung aus Wärme und Metall, die sich verfestigte und an Realität gewann. Im Innen und Außen.
Als alles reell genug war, um die Illusion zu wecken, sich nicht gleich wieder in Luft aufzulösen, hob sie den Kopf gegen seine Hand, streckte sich und küsste ihn noch einmal. Langsam, zart und vorsichtig, als sei alles fragil.
Und er erwiderte den Kuss in ebenjener Intensität als gäbe es nichts schöneres, als sich zu küssen als bestünde man aus Glasgespinst. Er war mehr als nur der Mann, der sich alles nahm, was bei drei nicht auf dem Baum war. Mehr als nur ein Rüpel, ein Lichtbengel und Fuchtler. Er war Serathis, und viel zu geschickt für nur eine Ausprägung dieser Sache.

Es klopfte an der Tür. Dreimal, deutlich. Nuianna zuckte zusammen und fuhr zurück, die Hand über dem Mund, die den verräterischen Glanz verwischte.

Serathis lehnte sich zurück und erhob sich. „Ja?!“, er sah in Richtung Tür. Falls das der Heiler war, hatte er ein beschissenes Timing.

Ein durch die Tür kaum hörbares Räuspern ging einer Ausweisung in lauterem Tonfall voran, von welcher zwei Drittel der Silben verschluckt wurden. Die Isolierung hier stimmte jedenfalls.

Serathis bewegte die Hand, damit die Tür sich öffnete.
„Danke sehr“, lautete die Erwiderung auf die Geste und ein hochgeschossener Elf betrat das Turmzimmer. Insignien der Kirin Tor sowie das Zeichen der medizinischen Gelehrten waren schmucklos in den Beutel geprägt worden. Das Haar war so hell, dass kaum ein Unterschied zwischen einem blond oder etwaigen weiß bestand, die Haut dagegen war beinahe grau und schimmerte gegen das Licht in seichtem arkanen Glanz. Er überragte Serathis um beinahe einen Kopf. Die Hände waren außerordentlich schmal. „Keros“, stellte er sich vor, „in Kürze.“ Die weißen Augen überflogen das Zimmer, blieben an der Magierin hängen und beinahe umgehend lag ein magisches Flimmern in der Luft. „Das ist die Patientin, um derentwillen geschickt wurde?“ versicherte er sich, ohne zweifelnd zu klingen.

„Phoenixklinge, Blutritterorden“, stellte sich Serathis vor und nickte dann militärisch korrekt. „Ja, richtig. Wir haben sie bewusstlos vorgefunden, ich habe eine erste leichte Lichtheilung auf das Hämatom an ihrer Schläfe gewirkt.“

Der Heiler nickte seicht und bewegte sich sehr selbstverständlich auf das Bett zu, neben dem er den Beutel ablegte und auf dessen Bettrand er sich niederließ. „Erzmagierin“, leitete er die Geste ein, die umgehend folgte, „bitte haltet einen Augenblick still während ich euren Kopf untersuche.“ Keros hob beide Hände an, deren Spinnenbeindünne Finger beinahe den Kopf umspannten, als er die Hände darum legte. Nuianna sagte kein Wort. Kurz huschte ihr Blick zu Serathis und kehrte wieder zu Keros zurück. Die Spannung in der Luft nahm zu, beinahe schien es, als würde sie flackern. Vor allem um den Kopf der Magierin herum wurde das Bild undeutlich, als sei sie einer Art Vibration ausgesetzt.

Serathis hob eine Braue. Das hatte er noch nicht gesehen. Er betrachtete alles sehr genau, besonders was der Heiler dort tat.

Die Luft klarte auf und der Heiler löste den Griff. Er sah ernst aus. „Was auch immer euer Freund getan hat, es sind keine Blutungen oder anderweitige Schäden mehr vorhanden. Haltet euren Kopf für einige Tage ruhig, um nachträgliche Verspannungen zu lösen und fahrt mit der Therapie fort, die ihr offensichtlich gut vertragt.“ Er drehte den Kopf und musterte Serathis. Diesmal fiel das Nicken deutlicher aus. „Gute Arbeit“, bemerkte er, „geschieht nicht oft, dass ich überflüssig bin“, senkte den Blick, griff nach seinem Beutel und zog ein Formular heraus, das er über dem Knie ausfüllte und dann Nuianna zum Unterzeichnen hinhielt.

Die Magierin sah perplex aus, malte eine Unterschrift auf die Seite und reichte Keros das Schreibwerkzeug unter einem halblaut geäußerten, der Form genügenden Dankeswort zurück.

„Ich bin kein Heiler“, sagte Serathis nur und sah ebenso perplex aus wie Nuianna. Wie? Das war es? Darauf hatte man stundenlang warten müssen? Sein Blick ging zu ihr und dann wieder zu Keros.

Der hatte das Formular wieder eingesteckt und war aufgestanden. Er wandte sich Serathis zu. „Was Ihr seid oder zu sein glaubt, als was Ihr euch bezeichnet oder auch nicht ist für das Ergebnis offensichtlich irrelevant. Gute Genesung und einen schönen Tag, die Herrschaften.“ Obwohl keine Tür in der Wand zu sehen war, wandte sich der Heiler exakt der Stelle zu, an der sie sich befand, wartete bis ihm aufgetan wurde und verließ die Wohneinheit.

Der Rotschopf wirkte so perplex, dass die Öffnung der Tür verspätet kam. Dann wandte er sich wieder Nuianna zu. „Ich bin kein Heiler“, wiederholte der Junge und kratzte sich dann am Kopf. „Der Termin für meinen Rückteleport steht auch schon. Bedeutet das, dass du wieder mit nach Silbermond kommst?“

„Ich denke nicht“, sagte sie, klang aber nicht überzeugt. „Ich habe gar nicht wirklich gelesen, was auf dem Zettel stand“, fügte sie hinzu und sah verwirrt aus.

„Ich auch nicht…Äh…“ Er wirkte ein wenig hilflos, so wie er dort stand und versuchte die Situation für sich zu sortieren. „Und ich muss diesen elenden Angebermagier auch noch irgendwie zurückschaffen“, murmelte Serathis.

„Was?“ sagte sie und klang nun vollends verwirrt.

„Was?“, meinte er ebenfalls und sah sie an. „Was meinst du?“

„Wen meinst du?“ fragte sie und sah ihn an.

„So ein Kerl den mir der Turm auf den Hals geschickt hat…“, sagte Serathis und drehte sich zu ihr um. „Ein Magier aus Silbermond.“

Den Namen von Daal hatte er sich nicht gemerkt. Der war ja auch viel zu lang.

„Aha“, sagte Nuianna und wirkte einen weiteren Augenblick unschlüssig. Dann schlug sie die Decke zurück und machte Anstalten aufzustehen.

„Du bleibst mal schön sitzen. Was willst du überhaupt machen?“ Serathis hob eine Braue und machte ebenfalls Anstalten, sie wieder ins Bett zu schicken.

„Ich will“, sagte sie und sah sich an ihrem Vorhaben gehindert, „Ich will aufstehen?“ Als sei das nicht offensichtlich gewesen. „Ich muss …“ Ihr Blick ging zu ihrem Schreibtisch und sie kam nicht dazu den Satz zu vollenden, bevor Serathis vor ihr stand. Immerhin hatte sie die Füße aus dem Bett geschoben. Sie hingen in der Luft. Irgendwie ebenso wie sie selbst.

„Was musst du?“ Er sah zum Schreibtisch. „Du willst jetzt nicht arbeiten, oder? Ganz dumme Idee, junge Dame.“

Als sie den Blick hob hatte ihr Gesicht jenen leisen unterschwelligen Ausdruck ausgeprägter Willensstärke, wie ihn oft Kinder im Angesicht einer unbezwingbaren Herausforderung aufwiesen - bevor sie ins kalte Wasser sprangen oder einen Baum erkletterten beispielsweise. „Ich will“, setzte sie an und verwarf den Satz wieder. „Wollte“, verbesserte sie, „nur nachfragen - was ich jetzt tun soll. Das … nicht mehr.“ Sie sah noch immer trotzig aus - die Art Widerwillen die sich schwierig fügte, aber es dennoch tat.
Zurück bewegte sie sich nicht.

„Bleib sitzen. Ich hole dir Papier und Schreibzeug“, sagte er und wich zurück, drehte sich um und marschierte auf den Schreibtisch zu.

Sie stand vollends auf und richtete das Hemd in dem sie steckte, bevor sie sich wieder setzte.

Serathis pflückte Feder und Pergament vom Schreibtisch und reichte ihr beides, nachdem sie sich wieder hingesetzt hatte. „Wen fragt man da…also…schreibst du dem Heiler von eben?“

„Ich schreibe direkt an den Turm und erbitte eine Kopie der Diagnose“, sagte sie konzentriert, während sie bereits schrieb, beendete unter einigen Mühen die kurzgefasste Nachricht und sah zu Serathis, während sie das Pergament faltete. Ihre nackten Füße gerieten nur kurz in taumelnde Bewegung, bevor sie sich zwang still zu halten, das Pergament in den Nether schickte und sagte: „Wie viel Zeit haben wir noch?“

„Ich weiß nicht genau…ich denke eine halbe Stunde oder eine Stunde?“ Noch einmal beugte er sich hinab und deckte ihre Füße wieder zu. „Der Turm muss definitiv wissen, dass es dir gut geht, aber ich kümmere mich darum.“

„Darum dass es mir gut geht oder …“ Weshalb zum Nether sie auch nur noch daran denken konnte, Griffe anzuschrauben oder daran, was sich unter diesen elenden Schichten Metall verbarg oder an diese Küsse die so zart gewesen waren wie ein Wolkenweben. Ihre Gedanken waren alles andere als fokussiert. Und wenn sie gekonnt hätte, hätte sie ihn aus diesem gewaltigen Blechhaufen direkt zu sich ins Bett gehext. Zu spät realisierte sie, dass sie das letzte gemurmelt hatte, deutlich genug, um verstanden zu werden. Nach dem ersten Schrecken hielt der starrköpfige Ausdruck wieder Einzug in ihr Gesicht und sie verkniff es sich gerade so die Arme zu verschränken um ihre Betretenheit zu überspielen.

Er lachte nicht einmal unterdrückt und richtete sich zu voller Größe auf. „Soso“, machte er, als sage das alles und sah auf sie hinab wie ein Lehrmeister auf das kleine Schulmädchen. Randlegal von vorne bis hinten. „Das ist ein sehr schöner Blechhaufen, den mir der Turm spendiert hat. Aber du…hast ja deutlich weniger an.“

„Ich schenke mir zu Winterhauch einen arkanen Dosenöffner“, konterte sie und verschränkte die Arme nun doch. Ihr Ausdruck war die reinste Herausforderung. Sie schob unter der Decke die Beine übereinander.

„Ich schenke dir zu Winterhauch ein durchsichtiges Spitzenhöschen“, konterte er und ging auf die Knie, schob die Decke langsam von ihren Füßen.
Es fuhr ihr mittendurch, dieser furchtbare Satz. Dieser furchtbare Junge, diese Geste … sie quiekte und zog die Knie so schnell an, dass sie sich beinahe die Nase geprellt hätte.

Serathis grinste verboten und griff nach ihrem Fuß. „Wo willst du denn damit hin, junge Dame? Was ist deine Lieblingsfarbe? Ich muss immerhin schon anfangen zu sparen für all diese spärliche, knappe, verbotene Spitze“, sagte er - und wie er es sagte. Das schien ihm Spaß zu machen.

„Oh zur Hölle mit dieser Rüstung“, murrte sie und dann folgte ein Wort der Macht, das ihn zwar nicht entkleidete, aber sämtliche Schnallen und Arretierungen löste. Wenn möglich, sah er jetzt so derangiert aus wie sie sich fühlte, während sie tunlichst noch immer versuchte, ihm den Fuß zu entziehen. „Ich dachte es soll ohnehin durchsichtig sein?“ brachte sie heraus, „Spielt die Farbe dann noch eine Rolle?“

„Aber sicher, für die Spitze.“ Er setzte sich auf und arretierte seine Rüstung wieder. „Nuianna, so viel Zeit haben wir nicht. Aber ich habe…nun ja, eine gewisse Verpflichtung, mich um dein Wohlbefinden zu sorgen…also…“ Und dann ging er wieder in die Knie, setzte da an, wo er aufgehört hatte. Der Fuß, die Bettdecke, die er langsam höher schob. „Also…?“

„Weiß“, sagte sie misstrauisch und ließ ihm den Fuß. „Was hast du vor? Bei den Titanen, Serathis, ich rutsche auf mir selbst aus. Ich bin nicht sicher ob das unter meldepflichtige Folter fällt.“

„Ich…kümmere mich…“, murmelte er und schlug die Decke beiseite, griff ihren Fuß und hob ihn an seine Lippen, um ihn zu küssen. „Foltern können die anderen, ich bin immerhin ein…Naturtalent mit Licht.“

Sie zuckte und presste die Lippen aufeinander. Das Bein zitterte im Knie, aber sie ließ ihm den Fuß. „Du folterst sehr wohl“, minimierte sie die Silben, „und das weißt du auch. Das macht dir Spaß!“

„Das ist keine Folter. Ich spreche ein Lichtgebet für deine schnelle Genesung“, erzählte er ihrer milchweißen Haut und schob die Lippen langsam aufwärts, während seine Hand in ihre Kniekehle glitt.

Das Zittern gerann in eine unregelmäßige Regelmäßigkeit, während Nuianna flacher zu atmen begann. „Du lügst“, formulierte sie mit den beiden Gehirnzellen ihres Sprachzentrums, die sich offiziell zur Asexualität bekannt hatten. Sie fragte sich, ob Zeit das einzige Problem war.

„Blasphemie…“, flüsterte er und sein Atem strich wie Seide über ihre Haut. „Das heilige Licht manifestiert durch mich muss dich nun leider bestrafen.“ Ein leichter Ruck teilte ihre Schenkel, die Decke flog ganz zur Seite.

Sie schnappte nach Luft und ihre Hände griffen in die Laken. „Findest du das nicht ein bisschen fanatisch?“ stichelte sie halbherzig.

„Nein“, brummte er zufrieden und zog sie mit einem weiteren Ruck dichter an seine Lippen, so dass sie wirklich wie eine Beinahe-Gekreuzigte vor ihm lag. „Mmh…“

Ein überraschter Laut über die Plötzlichkeit, nicht über die Tatsache an sich, entfuhr ihr, aber dann atmete sie durch und hob den Kopf, um zu sehen was er tat - vielleicht auch nur um zu sehen wie er aussah, wenn er dachte. Daran dachte. An Gebete und Strafen und Licht.

Sein Kopf war beinahe ganz verschwunden und nur die Schwingungen der Luft übertrugen das murmelnde Gebet dicht an ihrer Haut. Ein Hauch, ein Flüstern. Wie ein Entweiher der Unwürdigen, gnadenlos zart.

Sie ließ den Kopf zurückfallen und seufzte, abgehackt und kurzatmig. Zeit, Zeit, verflucht sei die Zeit. „Du bringst… mich um“, keuchte sie leise. „Du legst… es wirklich… darauf… an…“
„Ich bete für deine Seele…hör zu“, flüsterte er nur und griff in die Spitze, die sie schützte. „Du bekommst was Neues“, entschuldigte er sich, als er das Höschen aus Spitze mit einem zackigen Riss seinem Glauben opferte.

„Du wirst …wirklich …sparen müssen“, kommentierte sie zuckend das Rucken und Ratschen. Das war schon das zweite gewesen. War Zeit wirklich das einzige verfluchte Problem!?

„Ich werde auf der Straße betteln…“, meinte er leichthin und brachte sich dann zum Schweigen, indem er so überzeugend um Licht bat, dass es jeden wahrhaft Gläubigen beschämt hätte.

Das Gegenteil von Schweigen war bei ihr der Fall. Falls sie wortlos um Vergebung flehte, dann hatte das lediglich mit Blasphemie der reinsten Sorte zu tun. Die Töne, die er ihr entlockte, waren heilige Musik einer ganz eigenen Kirche, und was auch immer er predigte, sie bekannte sich voll und ganz dazu.

Serathis bemühte sich um sie und den Gesang. Als wäre er der heiligste Sünder von allen, der sich nun von seinen Sünden befreite, indem er für ihr Seelenheil um Vergebung bat. Die Gedanken, die wenigen, die er noch hatte, waren so unverschämt, dass jedes Wort an ihrer seidenen Haut ein eigener Eklat war. Jede Berührung Feuer, Lippen und Zunge der Funken.

Verflucht sei die Zeit. Und da, eine Winzigkeit bevor ihre Knie vollends unkontrolliert zu beben anfingen, hielt sie sie einfach an. Sie bäumte sich auf, griff nach seinem Kopf und entzog sich ihm. Ihre Augen brannten in flüssigem Gold. Nichts regte sich mehr außer ihnen beiden. Der Lärm der Stadt war verstummt, die Vorhänge unbewegt. Ihr flacher, schneller Atem war das einzige Geräusch, bevor sie sich zu ihm hinunterkrümmte um sich selbst in seinem Mund zu finden.

Was hatte sie jetzt wieder getan? Serathis küsste sie, noch während er das dachte und drückte sie zurück in die Kissen ohne dass es Kraft bedurft hätte. Sie war fragil und er ein Mann in glänzend schöner Platte, der noch viel schöner ohne war. „Du schummelst…“, flüsterte er rau an ihren Lippen und fügte das weiße Nachthemd der Liste seiner Schulden hinzu, als wäre er der reichste Mann der Welt.

„Weg damit“, flüsterte sie zurück, „sonst lasse ich sie schmelzen und koche dir den A.rsch.“ Die Ankündigung — oder Drohung? —klang gar nicht einmal so weit hergeholt. Welche Energie auch immer sie gerade kanalisierte, sie schien bodenlos zu sein.

Zeitkrümmungen, denn so lautet die eigentliche Bezeichnung für vermeintliche Stillstände der Zeit, biegen und dehnen den Moment um sich selbst und verlängern ihn so lediglich, frieren aber nichts ein. So hat derjenige im Auge der Temporaldehnung eine so langsame Zeitlupe der Geschehnisse um sich vor Augen, dass er nicht mehr im Stande ist, sie als bewegte Zeit wahrzunehmen. Während für ihn Stunden, Tage, Wochen, ja sogar Jahre vergehen können, geschieht für die Welt je nach Beschaffenheit der Verwerfung vielleicht nur eine Minute.
— Temporalmagie; Kapitel VIII; Irrtümer und Missverständnisse der Vierdimensionalität

„Solch schlimme Worte aus deinem Mund, junge Dame“, tadelte er sie und richtete sich auf. Und dann tat er das, was sie wollte, aber in einer Ruhe, die die Ewigkeit dehnte. Schnallen, Schließen, alles wurde geöffnet und abgelegt als sei es eine Show nur für sie und jeder Zentimeter seiner Haut golden.

Seine Bemerkung entlockte ihr ein kleines, schnaubendes Lachen. Sie wusste nicht so recht, was sie mit der Bezeichnung ‚junge Dame‘ anfangen sollte - aber sie verstand, dass es für diese Art von Spiel nur beschränkte Möglichkeiten gab und wenn sie ehrlich war, hätte sie selbst nicht gewusst, wie sie sich an seiner Stelle hätte nennen sollen. Sie ließ sich auf die Seite fallen und stützte den Kopf in die Hand, als habe sie dafür gezahlt. Nicht für die Stunde, für die ganze Nacht. Oder den Tag. Was machte das schon für einen Unterschied. Und schließlich hatte sie in der Tat dafür gezahlt. Die Magierin war nun schon so viele Jahre auf dieser Welt und es war stets das gleiche. Jede heranwachsende Generation dachte, dass man ab einem gewissen Alter über die Bedürfnisse in die Neutralität wuchs. Das Gegenteil war der Fall. Die Fülle an Details, die das Leben öffnete, brauchte Dekaden, um sich voll zu entfalten. Sie hatte vielleicht nicht jede genossen… aber jetzt und hier verschlang sie jedes bisschen, das er entblößte. Ihr Ausdruck hatte das Lachen nicht verloren. Sie geduldete sich. Doch ihre Augen waren hungrig.

Das, was er war, hätten profane Elfen als fleischgewordenes Buffet betitelt, aber es war mehr an ihm, auch wenn nicht auf den ersten Blick ersichtlich. In der verschobenen Zeit, in die die ihn katapultiert hatte, geschah nun das, wonach sich Nuianna den ganzen Morgen gesehnt hatte. Sie hatte seine ungeteilte Aufmerksamkeit, als er über sie kam und tief in ihre hungrigen Augen sah. Fast wollte er sie fragen, ob sie auch brav genug gewesen war, das zu verdienen. Aber der Moment war so heilig, dass er es viel zu sehr genoss und sie quälend langsam für sich beanspruchte.

Sie streckte die Hände nach ihm aus, berührte seine Haut, die so nah und so unberührbar gewesen war, sein Gesicht, das ihr das liebste so dicht vor Augen war, strich über das Kunstwerk seiner Schultern und der Hunger verschwand und wich der Wärme, die sie selbst nicht steuern konnte, wohl aber empfand. Ihr loses Haar floss wie geschmolzenes Kupfer über das reinweiße Laken und umkränzte ihr Gesicht in weichen Wellen, als sie so zu ihm aufsah. Ein flüchtiges lautloses Lachen huschte über ihr Gesicht. Er hatte sich etwas anders überlegt. In manchen Augenblicken fiel es ihr leicht, ihn zu lesen, auch wenn sie nicht sagen konnte, was er verworfen hatte. „Du bist so warm“, murmelte sie und fühlte einen wohligen Schauer über ihren Rücken kriechen. Und er roch wie der Himmel. Ein Himmel aus Feuer und Licht.

Little Fires Everywhere | Bellsaint - Uninvited
https://www.youtube.com/watch?v=G7bNzwE4Tb4

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[Intermezzo]

Serathis brauchte einen Moment, sich zu fangen und ließ sich neben ihr in die Laken fallen. Er rieb sich über das verschwitzte Gesicht. Und lächelte dann, zufrieden mit der Welt, die sich kaum um sie bewegte, weil sie in der Zeit stillstanden.
Ohne nachzudenken rollte sie herum, schmiegte sich an ihn und stahl ihm eine ganze Reihe langsamer, zeitloser Küsse. Ohne die Augen zu öffnen, strich sie ihm das Haar aus dem Gesicht und ließ erst nach kleinen Ewigkeiten von ihm ab, um ihn anzusehen. Das Gold ihrer Augen flackerte unstet, ihre Mundwinkel zuckten flüchtig, ohne sich auf ein ausgewogenes Lächeln einigen zu können.

„Wie lange ist die Zeit eingefroren?“, fragte er, als sein Kopf wieder halbwegs funktionierte und er sie ansah. „Solltest du nicht auf Magie verzichten?“
Ach, die Jugend. Selbst so kurz nach dem Vergnügen konnte er anscheinend schon wieder pflichtbewusst an seine Aufgaben denken.
„So lange wir wollen“, antwortete sie und fühlte dass sie zittrig war bis in das winzige Tremolo ihrer Stimmbänder. Sie lachte kurz und atemlos. „Der Preis ist bereits gezahlt.“
Dann wurde sie ernster, zumindest das Lächeln gewann diese Note. „Machst du dir Gedanken über die Zeit?“
„Ein wenig“, gestand Serathis und küsste ihre Stirn. „Wie hoch ist der Preis für solche Art von Magie“, fragte er dann und ließ sich für einen langen Augenblick in die Laken sinken.
Sie grinste und flüsterte es ihm ins Ohr. Lauter sagte sie: „Also hast im Grunde du gezahlt.“
Ihr Zeigefinger zeichnete Schlangenlinien auf seinem Bauch.
„Oder zumindest… dafür gearbeitet.“ Sie lachte. „Ich musste nur verzichten.“
„Hm“, machte er und merkte, wie er in diesen süßen, kleinen Schlaf zu fallen drohte, den er so gerne nach einer solchen Zusammenkunft hielt. Mit einem Blinzeln setzte er sich auf und rutschte aus dem Bett. „Nun, ich hoffe, dass es das Wert war“, meinte er diplomatisch und hob einen Mundwinkel.
„Ich habe immer ein wenig Angst um dich…wenn du solche Zauber wirkst.“
Sie zog einen Schmollmund, der ihrem Alter ganz und gar nicht angemessen war. Dann folgte sie ihm. „Verständlich“, antwortete sie ebenso diplomatisch, „du kennst mich ja auch erst gefühlte zwei Sekunden. Aber das ist irgendwie… nett.“ War es tatsächlich. Ob er es nun so meinte oder es einfach so dahingesagt war.
„Nett?“, wiederholte er und hatte dabei den alten Wahlspruch über das Wort Nett im Kopf, den man ihm deutlich anhörte. Er hob eine Braue. „Du weißt was man dazu sagt“, schob er nach und bückte sich nach seiner Hose.
Sie klaubte die Rüstungsteile auf und legte sie sortiert auf das Bett. Sein Hemd behielt sie in Händen und sah ihm bei der Hose zu. Eine Antwort gab sie nicht, sie lächelte lediglich still.
Serathis näherte sich ihr und nahm ihr das Hemd ab. Er nickte zum Dank und zog es über seine verschwitzte Haut, versteckte all das, was ihr lieb und teuer war unter dem weichen Stoff, den der Turm für ihn besorgt hatte. Es war eine außergewöhnlich gute Qualität.

Ganz unmerklich lief die Zeit wieder an. Sehr langsam zunächst, dann rascher näherte sich die Zeitschleife dem Weltminutentakt. Nuianna betrachtete seine beginnende Wiederverhüllung, geriet in Gedanken und kämmte mit den Fingern das Haar über die Schulter nach vorn. Sie stand mit leerem Blick da, bewegte sich kaum, während der Nachhall der Lichtfunken noch unter ihrer Haut und in ihrem Schoß flammte. Just im Augenblick, in dem die Zeit mit der Weltzeit in neuen Gleichschritt einrastete zuckte sie zusammen, kehrte in die Wirklichkeit zurück und verschwand raschen, aber nicht hastigen Schrittes im Badezimmer.

Serathis kleidete sich langsam an und zog alle Schnallen und Schnüre seiner Rüstung wieder fest. Er strich sich die Haare einigermaßen glatt und stellte sich neben das Bett, als sei gar nichts geschehen. Nur das schmale Lächeln auf seinen Lippen war eine angenehme Zugabe.
Er dachte „Schrank“ und die Schranktür erschien aus dem Nichts. Während Nuianna im Bad verschwunden war, schwang er sie auf und besah prüfend die Tür von innen.
„Nuianna, wann denkst du, dass dein Freund mit dem Griff wiederkommt? Hast du Werkzeug hier irgendwo?“, fragte er und war dabei so laut, dass er hoffte, sie würde ihn ebenfalls im Bad hören. Um aber sicherzugehen, ließ er den Schrank geöffnet und drehte sich um, ging ebenfalls auf das Bad zu.
„Nuianna?“, fragte er und spähte hinein.

Der Dampf war so dicht und dimmte das Licht noch so viel weiter, dass er im ersten Augenblick kaum sehen konnte. Ihre Stimme verriet ihm die Richtung, in der er ihre Silhouette ausmachen konnte. Sie sang, summte, leise und doch laut genug, um den nässeschweren Kopf unter rauschendem Regen nichts zu hören.
„Nuianna?“, fragte er noch mal und lehnte sich in gemessenen Abstand neben der Dusche an eine Wand. Wasser und Blech waren nun wirklich keine prickelnde Mischung und er hatte nicht vor, hier noch zu duschen. Viel schöner war der Anblick von ihr, die zarten Schemen in Nebelschwaden und Duft gehüllt, Sirenengesang.
Das, was er auffangen konnte, waren Worte und Zeilen, die dazu passten. Sehnsüchte an unerreichbare Ziele, die satt in Zufriedenheit und Frieden getränkt waren wie gestillte Erinnerungen. Sie hörte ihn tatsächlich nicht. Und unterbrach sich nicht, die langsamen Bewegungen dem ungeschlagenen Takt der Melodie folgend.
Noch einmal fragte Serathis nicht. Er blieb dort nur stehen, ein Passant in ihrem Leben, in diesem Moment und genoss das Bild, das einem seiner Bücher entsprungen sein konnte. Fast so ätherisch wie eine Nixe, als würde er unter Wasser leben und einen Zauber miterleben, der mit Gesang und Geruch erzählt und gewebt wurde. Nur schauen, nicht anfassen. Aber er lächelte. Es tat gut, sie so zu sehen.
Beinahe war es wie in dem Augenblick als sie die Zeit gebogen hatte. Die Minuten in den nebeligen Schwaden schienen außerhalb der Zeit zu existieren, so transluzent wie ein luzider Traum.
Er würde später nicht sagen können, ob das Wasser zuerst abgestellt worden war oder das laute Pochen an der Tür sie zum Verstummen gebracht hatte. Mehrere Dinge, die so zeitnah geschahen, dass eine Reihenfolge unmöglich zu fassen war.

Ihr Kopf ruckte herum, der Nebel verwischte und eine Sekunde starrte sie ihn an und dann an ihm vorbei, wo das Klopfen lauter wurde.

Unions - Sex and Candy
https://www.youtube.com/watch?v=AqFhQsyL9F8

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[Platzhalter wegen Forenunsinn]

[ Alte und neue Feinde ]

„Warte…ich mach schon“, sagte Serathis, der so perplex aussah, weil er ebenso wie sie aus dem Traum gerissen wurde. Ohne Nuianna eine Wahl zu überlassen, stiefelte der polierte Traum feuchter Silbermonder Nächte aus dem Bad in den Wohnraum und öffnete die Tür - mit der Hand.
„Alles im Griff“, versetzte Kyriel, denn der war es, der vor der Tür stand, und drückte Serathis einen Messingknauf an die Brust. Er musterte ihn so scharf, als habe er vor ihn zu filettieren, spähte zum Bett, die Augen zuckten zur Badezimmertür, die Nasenflügel blähten sich kurz, dann grinste er vollkommen unverschämt und schob sich ins Zimmer. „Werkzeug“, kommentierte er den Flug eines kleinen Beutels, der über die Schulter auf Serathis zusauste.

„Nether, du bist es…“, machte Serathis, sackte zwar ein bisschen in sich zusammen und griff doch den Werkzeugbeutel - Reflexe! - um dann erleichtert auszusehen. „Ich dachte schon dieser A.rschlochmagier kommt jetzt auch noch vorbei.“
„Könnte passieren“, sagte Kyriel, der sich auf dem Absatz umdrehte, „Er wurde grade auf die Straße geworfen. Krakeelte irgendetwas von Zumutung und schlechtem Kaffee.“
„Bitte wer kommt vorbei?“ fragte Nuianna aus der halb geöffneten Badezimmertür. Sie hielt ein loses helles Tuch vor der Brust zusammen. Die langen Haare fielen in nassen Flechten schwer und dunkel bis auf ihre Taille.
Serathis sah Kyriel an. Etwas, das er eindeutig nicht erklären wollte. Und der Blick war eindringlich genug. „Ich bringe das eben schnell an“, sagte er und ließ die Schranktür aus dem Nichts erscheinen.
„Daal“, sagte Kyriel ungerührt und drehte sich zu Nuianna um. „Zynischerweise hat der Turm ihn dazu auserkoren, nach dir zu suchen, als sie deine Signatur nicht mehr finden konnten -“
Die Tür knallte.
Nuianna war weiß wie die Wand - ausnahmsweise hatte das wenig mit vornehmer Blässe zu tun. Sie musste nicht fragen, sie hatte sehr wohl verstanden - beim ersten Mal. In ihrem Gesicht wechselten die verschiedensten Emotionen wie ein Gewitter miteinander ab. Sie setzte mehrfach dazu an, etwas zu sagen. Als sie es schließlich tat, war ihre Stimme so leise, dass nur die scharfe Akzentuierung die Silben verriet. „Keinen Fuß über diese Schwelle“, sagte sie.
Kyriel nickte. Er sah ernst aus.
Serathis hielt in seinem Schraubversuch inne und sah Nuianna an. „Ich kann ihn immer noch verprügeln, wenn du willst…“, griff er seinen Gedanken von weit davor auf. „Dann sitze ich zwar den Rest meines Lebens in Haft, aber es wäre auf jeden Fall gerecht.“
„War er hier drin?“ fragte sie tonlos und sah von Kyriel zu Serathis. Und zurück.
„Äh…kurz…“, sagte Serathis und hob hilflos die Schultern. „Er wurde vom Turm geschickt und er war der erste, den sie anscheinend kontaktiert haben. Ich bin nur das Werkzeug mit dem Schlüssel in ihren Augen“, setzte er nach. „Ich hatte keine Ahnung.“

„Ding Dong“, versetzte eine durch die Tür gedämpfte Stimme auf dem Flur und wenn möglich wurde die Magierin noch bleicher. Bevor sich einer der Männer im Raum rühren konnte, fegte sie auf bloßen Füßen durch den Raum, öffnete die Tür mit einem Handstreich so nachdrücklich, dass sie krachend an die Wand flog und schickte einen Windstoß blind nach draußen. Ein dumpfes Krachen, etwas klirrte, dann beinahe ein höhnisches Lachen. Leise und nicht gerade anheimelnd. „Temperament wie ein rebellierender Bauer. Hatte ich fast vergessen.“
„Verschwinde“, zischte die Magierin und starrte nach draußen - etwas fixierend, was nicht recht zu sehen war.
Kyriel holte Luft.
Serathis ließ Hammer und Griff fallen und wandte sich der Tür zu. Das war nun seine Aufgabe. Er hatte das verbockt, also würde er ihn auch wieder zurückschicken. „So, du und ich gehen jetzt nach Hause“, bestimmte er und schob sich zwischen Nuianna und Daal, immerhin in voller Montur.
„Seit wann bestimmt das Werkzeug was zu tun ist?“ spottete Daal und klopfte sich mit einem scheelen Seitenblick die Erde von der Kleidung. Der schwebende Blumenkübel war zu Bruch gegangen.
Nuianna schob sich an Serathis vorbei und ignorierte die Schramme, die sie sich zuzog. „Du elende Winzigkeit eines übersteigerten Egos, ich…“ Sicher hätte sie noch weiter ausgeführt, wozu sie gerade ausgeholt hatte. Zornig hatte sie einen ganz eigenen Charme.
Kyriel indes füllte den Rest der Tür aus. „Große Güte“, gab er mit übertriebener Geste von sich. „Der Dreck verliert Dreck. Mach dich nützlich und hier sauber, wir sind hier noch beschäftigt.“
Daal warf einen bezeichnenden Blick auf die fast nackte Magierin und öffnete bereits den Mund zu einer Erwiderung.
Ein Lichtblitz fuhr in die Schramme, ohne dass Nuianna auch nur angefasst worden wäre und Serathis packte Daal am Kragen seiner Robe und zerrte ihn auf die Füße. „Du gehst mir echt auf den Sack“, versetzte er und wollte ihn zur Treppe schieben. Der rothaarige Blutritter sah auf Daal herab und schürzte die Lippen. „Ich hab ja gesagt, ich will keinen Ärger, aber du provozierst es echt“, grollte er und verengte die Augen.

Daal mochte ein sehr großes Grøßmaul sein und im Gegensatz zu Serathis eher ein sehr kleiner Mann, aber so ganz zu Unrecht hatte er seine Position leider nicht. Es dauerte einen kleinen Augenblick und anderthalb getaumelte Schritte der Verblüffung, dann wurde Serathis zurückgeworfen und der Magier straffte sich auf seinen Absätzen. „Fass mich nicht an“, versetzte er weder laut noch leise und ließ mit einen giftigen Seitenblick auf Kyriel das Malheur der Topfpflanze verschwinden. Er hätte gerne gedroht, dass das ein Nachspiel haben würde, doch zumindest im Augenblick fiel ihm nichts handfestes ein. Dazu würde er sich Gedanken machen müssen und nicht seine Zeit mit Diskussionen verschwenden.
Licht blitzte auf, als Daal Serathis zurückwarf und legte einen schimmernden Schild um Kyriel, Nuianna und ihn selbst, während er seinen Stand sicherte und zu seinem Streitflegel griff. „Mach das nicht noch einmal“, drohte Serathis ihm und wirkte wie der Elf, der wegen einer Schlägerei suspendiert worden war. Hart, ein Kämpfer, nicht verlegen darum, sich die Hände schmutzig zu machen.
Die Blicke, die Daal rasch zwischen Serathis und Nuianna hin und herfliegen ließ waren bezeichnend. Hatte der Blutritter ihm vorher rein gar nichts bedeutet, so war er in die Riege seiner persönlichen Gegner aufgestiegen. Ohne ein weiteres Wort machte er sich an Abstieg.

Weder Nuianna noch Kyriel gaben sich die Blöße, ihm etwas nachzurufen. Sie starrten ihm stumm hinterher. Nuianna noch zornig, Kyriel nachdenklicher, doch mit hartem Zug um den Mund.
Erst als Daal verschwunden war, verschwand auch der Lichtschild um die kleine Gruppe. Und Serathis ahnte, dass das ein Nachspiel für ihn haben würde.
„Lasst uns reingehen“, bemerkte Kyriel nebensächlich und drehte sich bereits um. Nuianna sah Serathis an und griff nach seiner Hand, bevor sie der Aufforderung folgte. Sie zog nicht, fasste und drückte die Hand des Blutritters nur kurz und ließ dann wieder los.
Serathis drehte sich ebenfalls um und schloss die Tür hinter sich. „Ich sollte besser schnell den Griff anbringen und zurückkehren…wenn ich eine zweite Strafe im Orden erhalte, werde ich vermutlich rausgeworfen“, sagte er nachdenklich und sah Nuianna an.
„Bis seine grauen Zellen eine Intrige fertigspinnen dauert es für gewöhnlich einige Monate“, sagte Kyriel nüchtern, „aber du hast Recht damit, auf der Hut zu sein. Versuchen wird er es in jedem Fall.“
Nuianna wurde von einem leisen, unwillkürlichen Frösteln geschüttelt. Sie erwiderte den Blick nicht, sondern ging auf den offenen Schrank zu und verschwand darin, ohne die Tür zu schließen.
„Ich habe keine Lobby“, meinte Serathis und machte einige Schritte auf den Kleiderschrank zu. „Ein Waisenjunge aus Silbermond hat keinerlei Fürsprecher. Besser ich äschere ihn doch ein.“ Dann betrat er den Schrank.

Kyriel seufzte leise, dann stand er etwas unschlüssig herum, sah sich um. Nein, für ihn gab es gerade nichts zu tun. Als er die Tür anstarrte, hätte man ihm die Gedanken vom Gesicht ablesen können. Sollte er Daal folgen, um zu sehen was er trieb? Er schüttelte nach einigen Momenten den Kopf, trat an eines der Regale heran, besah sich die Buchtitel und fischte schließlich eines der Bücher heraus, das er halbherzig zu blättern begann, während er sich auf einen der Stühle an der Wand sinken ließ.

Little Fires Everywhere | Judith Hill - In the Air Tonight
https://www.youtube.com/watch?v=m90l3jz6pLk

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[Im Schrank]

Das helle Tuch, das der Magierin zum Trocknen gedient hatte, lag nur eine Handbreit vom Eingang des weitläufigen Labyrinths aus Regalen und Kleiderstangen auf dem Boden, als sei es achtlos dort fallen gelassen worden. Die abertausend Meter vernähter Stoffe dämpften jegliches Geräusch. Sogar das Atmen klang hier anders. Man hatte den Drang zu gähnen, um einen vermeintlichen Druck in den Ohren loszuwerden, aber der war gar nicht existent.
Das metallene Scharren seiner Rüstung klang merkwürdig, in diesem dichten Labyrinth aus Stoffen und Pelzen, aber Serathis ließ sich davon nicht beunruhigen. Hier würde kein Minotaurus vorherrschen, den es zu bezwingen gab, wie es in den alten Geschichten geschrieben stand. Er blickte sich um, versuchte sie ausfindig zu machen. Und es dauerte noch einen Moment, bis er die Stimme erhob. „Ich kann gleich den Griff anbringen, dann haben wir schon einmal ein Problem aus der Welt geschafft.“ Der jugendliche Ton seiner Stimme täuschte darüber hinweg, dass er die Konsequenzen des Magiers durchaus ernst nahm. Tharelle würde ihm sowas von den Kopf waschen, das kam noch dazu. „Was möchtest du anziehen?“, fragte er in die Kleidermengen hinein.

„Gar nichts“, antwortete ihre Stimme direkt hinter ihm. „Aber ich schätze, das käme nicht so gut in der Öffentlichkeit.“
Sie roch das Adrenalin regelrecht, obwohl er kaum zusammenzuckte, beobachtete mit Genugtuung wie er sich bewusst langsam umdrehte und so tat, als sei gar nichts gewesen. Sie liebte den gelassenen Ausdruck, der ihm so gut stand und der in beinahe allen Lebenslagen seine Grundeinstellung zu sein schien, selbst wenn er ihn jetzt halb aufgesetzt trug. Natürlich trug sie nicht gar nichts. Sie war in ihre weichen Hosen aus hautdünnem, gespaltenen Leder geschlüpft, trug Stiefel und eine Weste, die das Gegenteil von fein war. Grobe Kordel hielt alles zusammen und ein ungewöhnliches Finish von Staub lag über den Schuhspitzen. Alles in allem würde man in Silbermond kaum ‚angezogen‘ dazu sagen können, aber eine Barbarin oder Schiffbruchüberlebende hätte sie in diesem Aufzug gut und gerne abgeben können.
Ihr Haar war noch nass, aber sie hatte es in einen langen, tropfenden Zopf geflochten, der pittoreske Wassermuster auf ihrer Kleidung hinterließ.
Dann verfestigte sich ihr Gesichtsausdruck zu etwas ernsterem. „Serathis“, sagte sie und es war selten genug, mit seinem Namen so angesprochen zu werden, um aufzuhorchen, „wirst du es bitte unterlassen, etwas zu tun, was dich in lebenslange Haft bringt? Astrale Gefängnisse sind keine Kleiderschränke, in mehr als einer Hinsicht. Und ich würde ungern Leben riskieren müssen, um dich im Nether aufzuspüren und dann letztlich vielleicht doch nur als Würfel um den Hals tragen zu können, weil gar nicht gesagt ist, dass sich eine solche Zelle wieder öffnen lässt. Manche sind dafür nicht vorgesehen. Oder schlimmeres.“ Sie wollte sich das nicht ausmalen. Man sah es an dem erneuten Frösteln. An dem kaum sichtbaren Flaum an ihren Haaransätzen, der sich in dem leisen Schauer stellte.

„Wenn ich es einrichten kann, Nuianna.“ Die Stimme des Lichtbengels klang ebenso streng wie sein Gesichtsausdruck sie bedachte und er verschränkte die Arme vor der Brust in einem Anflug von Schnütchenmoment. „Wir werden schon sehen, was daraus wird. Immerhin habe ich dich ja doch gefunden. Das zumindest zählt für etwas?“
Die Magierin überwand den Abstand zu ihm mit einem halben Schritt, streckte die Hand aus und berührte seine Wange. Der Widerstand der Haare darauf fühlte sich an wie sein Ausdruck.
„Du zählst.“ Sie lächelte nicht mehr, aber ihr Blick hatte wieder etwas von dem, den er auf Leinwand hätte bannen wollen - vor gar nicht allzulanger… war das wirklich nur einige Stunden her? Ihre Hand sank, der Blick nicht. Und seine Arme waren ein Trutzwall zwischen ihnen. Gegen die ganze Welt. Sie hatte nicht vergessen was sie alles gesagt hatte an diesem langen Tag, der ihr vorkam wie ein ganzes Jahrhundert. Wirr und dramatisch, emotional und bedacht, ohne Hintergedanken und dafür mit umso mehr Unfug. Vielleicht war sie verzweifelt, ja. Vielleicht wollte sie etwas halten, das ganz und gar unhaltbar war. Nichts davon hatte gerade seine Berechtigung.
„Lass uns den Griff anbringen“, sagte sie leiser und wandte sich ab.

Michael Kiwanuka - Cold Little Heart
https://www.youtube.com/watch?v=HgoJ1rV-4vM

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[Aufbruch]

Je näher sie dem Festland kamen, umso ruhiger wurde die See. Und umso ruhiger wurde die Elfe, die sich die Kabine mit dem Dämonenjäger teilte, meistens. Doch Ruhe nach außen war oft ein Zeichen von Unruhe nach innen. Das letzte Mal, als sie das Brachland durchquert hatte, um nach Orgrimmar zu gelangen, war sie eine Deserteurin gewesen. Die Belagerung von Orgrimmar, es fühlte sich an als sei es eine Ewigkeit her. Und alles was damit zu tun gehabt hatte war Asche und Staub geworden. Sasarya schulterte ihre wenige Habe, Bogen und Dolch, und kleidete sich an, wie es sich für eine Waldläuferin gehörte. Das Hemd aus Arkangewebe ließ sie auf dem Schiff zurück, als gehöre es nur in diese spezielle Zeit. Es war noch früh am Morgen, die Luft noch kühl, als sie sich mit Vorräten an einem der Stände eindeckte.
„Es wird ein ordentlicher Marsch von hier bis nach Orgrimmar. Wasser wird ein Problem“, erklärte Sasarya und rieb sich den Nacken. Und die Gefahren der nächtlichen Steppe, Plünderer, Diebe, wilde Tiere. Mit einem geatmeten Seufzer steckte sie sich eine Zigarette an und zog den Rauch tief in ihre Lungen. „Gehen wir…“, sagte sie dann, und ohne noch einmal zurückzusehen, wandte sie sich dem Weg zu.
Der Dämonenjäger brauchte einen längeren Augenblick, um sich vom Schiff loszureißen. Als er sich umdrehte, trennten sie schon gut sieben Schritte. „Warte“, sagte er. „Was wird mit Linndriel?“

Sasarya wusste, dass er nicht jede Nacht bei ihr in der Kabine geblieben war. Er war oft für Stunden verschwunden und es wäre naiv gewesen, anzunehmen, dass er die Zeit ausschließlich auf Deck oder in der Takelage verbracht hatte. Natürlich hatte er nach dem Mädchen gesehen. Oder was auch immer. Allzu oft hatten sich ihre Wege allerdings nicht gekreuzt. Bis auf die kurze Unterhaltung zu Anfang der Reise hatte die andere Elfe ihre Tage und Nächte meist unter Deck verbracht. All diese Gedanken waren es, die jetzt in Sekundenschnelle durch ihren Kopf flogen.
Sasarya hielt inne und drehte sich um, ihre Signatur war deutlich mit dem Land verbunden, ein helles Grün, aber ihre Brauen waren zusammengezogen und das unterdrückte Brausen in ihren Gedanken manifestierte sich in den sehr klaren Worten, die sie wählte. „Ich habe keine Ahnung, aber was ich habe, ist ein Auftrag, der besagt, dass ich meinen A.rsch nach Hause bewegen soll, bevor wir wieder in den Krieg ziehen müssen. Ich habe einfach keine Zeit, jetzt noch den Aufpasser zu machen.“ Die steile Stirnfalte zwischen ihren Brauen und die Art wie sie sprach, deuteten auf innere Anspannung. Sasarya war sich ihrer Rolle in dieser Welt wieder bewusst, als hätte die karge Einöde den Krieg zurück gebracht, und damit das Bild, dass sie eine Soldatin war. Für immer ihrem Reich verpflichtet. „Für mich ist der Urlaub vorbei“, sagte sie, etwas ruhiger, während sie den Illidari betrachtete.

Beide Brauen des Illidari waren mit ihrem Tonfall in die Höhe geschossen und sanken jetzt sehr viel langsamer wieder, während sein Gesicht sich sichtbar verschloss. „Gut“, gab er nach einigen langen Sekunden sehr lauten Schweigens knapp zurück, holte zu ihr auf und es war klar, dass genau zwei Dinge gerade geschehen waren. Ein ‚gut‘ musste nicht zwangsläufig etwas gutes bedeuten. Und: eine unsichtbare Wand hatte sich zwischen ihnen aufgetan und obwohl er neben ihr herging wie ein Hund an der Leine, würdigte er sie weder eines ‚Blickes‘, noch Wortes, noch weiterer Aufmerksamkeit als der staubigen Erde unter seinen Füßen oder dem flimmernden Horizont vor ihren Nasen.

Michael Kiwanuka - Love & Hate
https://www.youtube.com/watch?v=w44dlsnJ1no

Standing now
Calling all the people here to see the show
Calling for my demons now to let me go
I need something, give me something wonderful
I believe
She won’t take me somewhere I’m not supposed to be
You can’t steal the things that god has given me
No more pain and no more shame and misery

You can’t take me down
You can’t break me down
You can’t take me down
You can’t take me down
You can’t break me down
You can’t take me down

Love and hate
How much more are we supposed to tolerate
Can’t you see there’s more to me than my mistakes
Sometimes I get this feeling makes me hesitate
I believe
She won’t take me somewhere I’m not supposed to be
You can’t steal the things that god has given me
No more pain and no more shame and misery

You can’t take me down
You can’t break me down
You can’t take me down
You can’t break me down
You can’t take me down
You can’t break me down

I can see a place of trouble
And I’m on the verge
For the love of everybody
I did something wrong
Now I feel some days of trouble (I would stay away)
In the hospital (I would stay away)
For the love of everybody (I would stay away)
But behind a wall (I would stay away)

Standing now
Calling all the people here to see the show
Calling for my demons now to let me go
I need something, give me something wonderful.

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[Handgriffe]

Er hatte es ebenfalls nicht vergessen. Und mit einem Nicken lockerte er seine Haltung, die verschränkten Arme und wandte sich um, um endlich den Griff anzubringen, der sinnbildlich dafür stand, ihre beiden Welten mit einer sehr realen Tür zu verbinden. Er brauchte auch dafür nicht lange, tatsächlich dauerte es nur wenige Minuten das speziell gefertigte, einfache Eisenstück an der Tür anzubringen. Ein paar Mal zog er daran, damit es nicht nur ein kurzes Vergnügen war, und als Serathis mit seinem Werk zufrieden war, nickt er ihr zu. „Das sollte ein paar Jahrhunderte halten, nehme ich an“, grinste er verschmitzt und streckte die Hand aus, um sie auf ihren Scheitel zu legen, ein Funken Licht begleitete die Geste. „Ein paar Jahrhunderte werden wohl reichen, oder nicht? Junge Dame?“
„Gerade so, für den Anfang“, erwiderte die junge Dame und betrachtete den jungen Herrn, der ihren Kopf mit Lichtfunken flutete, als habe er ihn mit glitzerndem magischen Staub bestreut. „Dankesehr“, fügte sie der Höflichkeit halber an. Weil man das so sagte, wenn jemand etwas für einen tat. Und sie wünschte, sie könnte auf ewig in diesem Schrank stehenbleiben und die Welt mit einem einzigen Griff ausschließen. Im Stillen fragte sie sich, ob er überhaupt so viele Jahrhunderte Interesse an ihr haben würde, und schaffte es nicht, den Gedanken ganz zu vertreiben; immerhin schaffte sie es, die trüben Gedanken mit einem halben Lächeln wundervoll zu überspielen. Sie fand ihn wundervoll und sagte es, bevor sie ihre Zunge im Zaum hatte. „Du bist ganz wundervoll“, sagte sie, und wusste, dass sie es meinte, als sie es hörte.

Dann streckte sie die Hand aus und wob einen Zauber, der ihren und seinen Schlüssel mit dem Schloss des Griffs verband. „Wir müssen aufbrechen“, sagte sie langsam, als sie die Hand herunternahm. Und wollte es doch nicht. Wollte nicht zurück in die Welt. Und fügte sich doch. Sie hob den Blick in sein Gesicht. „Wir müssen aufbrechen“, wiederholte sie, um es sich selbst begreiflich zu machen. Und bewegte sich doch kein Stück.

Wenn er auch sonst manchmal das Einfühlungsvermögen eines sehr schön geformten, aber kantigen, Klotzes besaß, so entging ihm das schöne Halblächeln nicht, zu dem sie sich imstande sah. Diese würdevolle Geste, die sie vermutlich bei ganz und gar biederen Bällen ebenso aufsetzte, wie jetzt. Wie ein Filter legte sich die grausame Realität ihrer Endlichkeit über ihre kleine Filterblase, in der Zeit und Raum nicht mehr waren, als Sandkörner in einer stehengebliebenen Uhr.
„Aber du willst nicht“, schloss er an ihre dreimal verwunschene Aussage an, ohne dass ein Ton des Vorwurfs darin schwang. Aber auch Serathis wusste um die Verpflichtung, und er war es immerhin, der von sich selbst behauptete, keine Lobby zu haben und das tun zu müssen, was von ihm verlangt war. Warum fiel es ihm dann nur so schwer?
„Du willst nicht…“, wiederholte er sanft und beugte sich zu ihr hinab, die Fingerspitzen hoben ihr Kinn an und ihre Lippen den seinen entgegen in dieser herrlich winzig-dominierenden Geste, die viel zu zart war, ebenso wie der Kuss, den er ihr gab. Einmal, zweimal, dreimal küsste er sie, denn dreimal war der Zauber.

„So erst recht nicht“, schaffte sie zu formulieren und schlang ihm seufzend die Arme um den Hals. Seine Rüstung war eiskalt an den freien Hautstellen, trotz der Wärme, die ihr von seinen Händen und seinem Gesicht entgegen schlug. Sie genoss, dass sie sich auf die Ballen heben musste, um an sein Gesicht zu reichen und die magische drei mit einem weiteren zu brechen. Ihr Tonfall war hilflos angesichts der Aussichtslosigkeit ihrer Hoffnung. „Können wir nicht hierbleiben?“

JRY (feat. Rooty) - Pray
https://www.youtube.com/watch?v=Xv8D0-NzRfQ

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My favorite people
are the ones who do what they say,
because sometimes
standing behind your word
is a mountain
that crumbles over your loyalty
before you can salvage your own heart,
and now it is smashed dirty;
an unrecognizable promise
identifying as nothing more than a lie.
My favorite people
are the ones who aren’t afraid
to strip it down to the bare-boned bravery
gone extinct, and stand tall
even if it means standing alone.
I am standing alone
and I’m not sorry.
My favorite people
are the ones who wouldn’t expect
an apology for an opinion
that doesn’t coincide with theirs.
The ones big enough
to respect a view point
that crawled out of the box
and flew out of the cage
before it could be transformed
into a statue
molded with fidgety hands
and small minded robots
pointing the way.
My favorite people
are the ones who don’t play
follow the leader
as they keep looking back
to see the crowd behind them,
while holding tight
to the ones in front of them.
Because life is too short
to think your ending is going to be
any different than mine.
So, friend,
if you must call me out
to make yourself feel better,
at least do it intellectually
because all of us have beating hearts
that bleed out passion for something.
If mine bleeds a passion
that doesn’t conform to yours,
it does not mean
my heart is beating wrong.
It means you haven’t learned
that everyone is different.
It means you haven’t learned
that everyone is indeed
entitled to their own opinion
whether you like it or not,
it’s mine.
My favorite people
are the ones who understand
what that means,
and respect the hard learned lesson
of knowing how to agree to disagree.
Be big enough
and brave enough
to listen without shoving
your own views down my throat,
forcing me to swallow it down
with a smile; I never will.
And I wouldn’t expect you to.

-Stephanie Bennett-Henry

this is it.

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[ Pfosten ]

„Aber sicher doch. Wir werden in Zukunft einfach in diesem Schrank leben“, sagte Serathis leichthin und schmunzelte, als er sie mühelos in seine Arme hob, die Handflächen der Einfachheit halber unter ihrem Gesäß. „Zwischen den Dimensionen und der Zeit gefangen. Vermutlich werden wir auch nicht verhungern sondern uns von Manabrötchen ernähren. Und niemand würde uns finden…“, führte er die Idee weiter aus, doch seine Schritte gingen in Richtung Tür.

„Du… trägst mich jetzt nicht wirklich rückwärts aus dem Schrank“, konstatierte sie nicht ohne leisen Protest, wehrte sich aber nicht gegen die Geste. „Ich habe Füße“, fügte sie noch eine weitere Selbstverständlichkeit an, schlang aber gleichzeitig die Beine um seine Hüften, die so schwer in Metall und Polsterung gepackt waren, dass nicht einmal der leiseste Druckpunkt einzeln durch die Schichten zu dringen vermochte. „Du hast auch Füße“, stellte sie fest, zog sich mit einem Ruck höher und küsste ihn dann einfach. Wenn er gegen einen Pfosten rannte, war das seine Schuld.

Jesse McCartney - Beautiful Soul
https://www.youtube.com/watch?v=Vs0ZwOtr15Y

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[ Staub ]

Sasarya war schon immer eine gute Läuferin gewesen. Jetzt, in der vertrauten Einöde, merkte man ihr an wieviel Soldatin wirklich in ihr steckte. Sie hatte den Blick geradeaus gerichtet und folgte der holprigen Straße in Richtung Kalimdor, an die sie sich noch erinnerte, als sei es erst gestern gewesen. Auch sie schwieg und lief ohne auch nur ein Wort der Beschwerde zu verlieren. In gemessenem Tempo, den Blick auf den Horizont gerichtet. Ihre Gedanken glichen teilweise der Einöde, die sie durchquerten, mit dem schillernden Flimmern der Hitze am Horizont, das Wasser vorgaukelte wie eine Fata Morgana. Sie wusste, dass es in der Nähe Quellen und Oasen gab, die jedoch belagert wurden und selten so friedlich waren wie es vielleicht anmutete. Deshalb war Wasser ein Problem. Nur ein Soldat mit Selbstmordkommando würde dort nach Ruhe und Erfrischung suchen. Als die Sonne sich langsam über den Horizont bewegte und es auf den Abend zuging, schlug sie an einer gewissen Stelle einen Trampelpfad über verdorrte Steppen ein. Früher einmal, in einem anderen Leben gefühlt, hatte sie hier alte Bäume gefunden, in deren Kronen man die Nacht verbringen konnte. Auf dem Boden zu bleiben konnte tödlich sein. Das Schweigen des Illidari war ihr nicht unbemerkt geblieben, aber was sollte sie schon sagen? Was gab es schon zu sagen, jetzt, wo die Realität immer näher rückte und der Urlaub und die Auszeit in die Ferne rückte. Vielleicht war sie einfach nicht für etwas anderes gemacht, als den Krieg. Und selbst die Freude, Elia wiederzusehen, schwand in der drückenden Hitze der Sonne, denn auch dieses Glück war nur eines auf Zeit.

Der Dschungel hatte Sasarya ihr Leben zurückgegeben und das Brachland entriss es ihr. War sie für Linndriel verantwortlich gewesen? Hätte sie sich besser kümmern sollen? Hatte sie nicht geschworen, alle Elfen zu beschützen? Eine Stimme in ihrer Brust redete ihr ein, dass die zurückgelassene Elfe ja nicht in Todesgefahr war. Aber wer war sie, das zu beurteilen? Sie rieb sich die Nasenwurzel mit ihren Handschuhen und atmete tief durch. Die brennende Sonne wich kühleren Abendwinden und sie wusste, nachts konnte es kalt werden. Es war nicht die Wüste, aber die überhitzte Erde würde sich ebenfalls in den klaren Nächten abkühlen. Als sie einige Kakteen passierten, blieb Sasarya stehen und schnitt Kaktusäpfel ab, um diese in ihren Leinenbeutel zu stopfen. Immerhin etwas.

Als sie zuletzt im Brachland gewesen war, hatte sie sich auf die Seite der Rebellen geschlagen und war als Deserteurin durch die Einöde gewandert. Den Sturm auf Orgrimmar hatte sie nicht mehr mitgemacht, stattdessen war sie immer weiter gewandert, auf der Suche nach einem Weg nach Hause, der weder über ein Portal noch über einen Zeppelin von Orgrimmar aus erreichbar war. Und als sie in Silbermond schließlich angekommen war, waren Monde vergangen und ihr Mitbringsel für ihren Kommandanten bestand aus dem abtrünnigen Sohn einer Weltenwandererlegende, den sie getroffen und nach Hause geführt hatte.
Oft dachte sie nicht mehr an Verian, ihre Welten zu verschieden um Schnittpunkte zu bilden, neben der einen Gemeinsamkeit die der lange Weg nach Hause gewesen war. Aber als sie die Kaktusäpfel in der Tasche verschwinden ließ, flammte sein Bild kurz vor ihr auf. Wie er sie tadelnd ansah, dass sie sich schon wieder nahezu allein in der Einöde einfand. Aber es sind andere Zeiten. Dieses Mal stehen mir die Tore offen , antwortete sie gedanklich. Mit dem Tod von Rastakhan war es klar, dass es für sie keine Ruhe geben würde. Und auch kein desertieren mehr.

Der Blick im Nacken holte sie zurück. Der flammende, deutlich spürbare, flackernde Blick im Nacken, verhüllt von Tuch und Magie. „Was ist los?“, fragte der Illidari. „Du bist hier aber nicht hier.“
Sasarya hörte das feine Knirschen von Staub unter seinen Sohlen, nur Bruchteile von Sekunden, bevor er nach der Tasche griff, um sie ihr abzunehmen und fallenzulassen. Die nunmehr freie Hand griff erneut zu, diesmal nach ihrem Arm. Er drehte sie sich zu. Nicht gewaltsam, eher so, als führe er sie über eine Schwelle, die er kannte. Eine Hilfestellung. Jetzt loderte die Wärme über ihr Gesicht. Eine andere als die Sonne. Sein Gesicht glänzte matt. Aber tat es das nicht beinahe immer? Außer, wenn er es frisch gewaschen hatte. Und jetzt sah er sie an, auf diese eigentümliche Art und Weise, seit Stunden zum ersten Mal direkt. Und wollte Dinge wissen. Was sollte sie ihm sagen?
„Sag“, forderte er nach. Es war genau der Tonfall, in dem mal bat, ohne Bitte zu sagen. Sag. Hatte er gesagt. Die Luft roch nach rotem Staub, selbst wenn er hier noch gelb war. Der Wind kam aus Durotar. Wie lange standen sie schon so?
Es war noch viel zu warm für einen frühen Abend.

Ed Sheeran - Make it rain
https://www.youtube.com/watch?v=XfDQuw0icew

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[ Nein und Ja ]

Sie entriss ihm ihren Arm nicht, auch wenn er bemerkte, dass ihr Blick auf den Boden gerichtet war, wo der Beutel aufgeschlagen war. Es roch nach Frucht unter dem Leinen.
Nur langsam hob sie den Blick und gab dann ein kurzes Schulterzucken zu sehen. Was sollte sie schon erzählen? Sollte sie sich entschuldigen?

„Ich war schon mal hier“, war alles, was sie bereit war, sich einzugestehen. „Ein anderer Krieg, eine andere Zeit, aber ich bin diesen Weg schon einmal gegangen.“
Allein, für einen langen Zeitraum. Mit Nächten in Baumkronen und karger Kost, mit Sand in jedem Winkel ihrer Kleidung und Scheuerstellen auf der Haut. Mit der Überzeugung, das Richtige zu tun.

Der Wind verwirbelte ihre Haare, an denen bereits der gelbe Staub klebte, als sie ihn endlich ansah, mit einem Blick, den er nie sehen können würde. Ein Blick um alles zu sagen, ohne etwas zu sagen. Er fühlte, wie es schwer auf ihrer Zunge lag. Die hellgrünen Augen, die ihn betrachteten, wirkten müde, aber nicht vom Marsch den sie ertragen hatte.
Sie wollte sagen, dass Sylvanas es nicht hinnehmen würde. Der Krieg würde aufflammen und die Nadelstiche gegen die Allianz würden einer anderen Art von Krieg weichen, der mit einem brennenden Baum begonnen hatte. Wann würde Auge für Auge jemals genug sein?
Stattdessen sagte sie: „Wirst du nicht müde, immer wieder das Gleiche von mir zu hören?“ Und ihr Daumen rieb sanft über seine steinwarme Haut.

Er schüttelte angedeutet den Kopf.
„Immer woanders.“ Sein Zeigefinger tippte an ihre Stirn, zweimal, bevor die Hand sich öffnete, der Daumen über ihre Augenbraue strich und die Finger ihr Gesicht umfassten. „Gestern und morgen und ein anderes Jahr. Aber du bist jetzt hier. Mit mir“, als ob er das betonen müsste. „Wann willst du das Nachtlager aufschlagen?“

Ihre Augen schlossen sich, als er ihr diese kleine Geste zuteil werden ließ. Sanft, fürsorglich. Hätte sie sich um Linndriel kümmern müssen? Ihre Brauen zogen sich zusammen und er konnte sie tief durchatmen hören, die Hitze ihres Atems traf auch seine Haut.

„Die Sonne geht hier schnell unter und dann wird es gefährlich“, sagte sie und ließ den Blick über den Horizont schweifen. In der weiten Ferne erkannte sie Bergketten und sie wusste, irgendwo dahinter würde das Wegekreuz auf sie warten, aber das war noch mindestens ein weiterer Tagesmarsch.

Stattdessen deutete Sasarya weiter in die Richtung, die sie eingeschlagen hatte. Ein breitkroniger, knorriger Baum wartete unweit ihrer Position. Auch dort hatte sie schon geschlafen, die Krone breit genug für zwei Elfen und hoch genug, um für Geparden oder Räuber eine Hürde darzustellen. Die verschlungenen Äste boten Schutz vor Geschossen, und zwischen den vertrockneten Blättern konnte man den Sternenhimmel sehen.

„Es war ein langer Tag. Bist du müde?“, fragte sie und wandte den Blick wieder dem Illidari zu. Die Entschuldigung für was auch immer sie das Gefühl hatte, verbrochen zu haben, starb auf ihrer Zunge. Es folgte noch ein weiterer, tiefer Atemzug, dann schwieg sie wieder.

Gestern und morgen und ein anderes Jahr. Der Krieg war so ewig, so tief in ihr. Und sie entkam ihm nicht.

„Nein“, sagte er schlicht, drehte den Kopf in die Richtung, in die sie gewiesen hatte und dann wieder zurück. Bevor er sich nach der Tasche bückte, küsste er sie, dicht neben ihr Auge auf die Braue und dann auf die Stirn, dann ließ er sie los und wandte sich dem Baum zu. Einfach so. Nein. Vier Buchstaben. Verstand er auch nur ansatzweise, was in ihr vorging?

Wer konnte das schon sagen? Sie schulterte die Bürde, wenn er ihr schon die Tasche abnahm und rieb sich mit der Hand erneut über das Gesicht. Sie sollten etwas essen. Und trinken. Kaktusäpfel waren nicht ausreichend genug, um den Hunger zu stillen.

Über ihnen kreisten Geier, vermutlich war das die sicherste Variante. Und als sie ihm in Richtung des Baumes folgte, löste sie den Bogen von ihrem Rücken und zog drei Pfeile aus dem Köcher. Im Dschungel hatte sie auch gejagt, und doch wirkte es anders. Weniger lebhaft, überlegter und auch pragmatischer. Mit den Ressourcen arbeiten, die man hatte, und auch wenn es nur Geier am Himmel waren.

Er warf die Taschen nach oben ins Geäst, so sicher, dass sie federnd in einer Astgabel landeten und hängte die Gleven aus, nur um sie ebenfalls nach oben zu schleudern. Es brachte ordentlich Bewegung in die Krone und ein Schwarm kleiner Vögel stieg kreischend auf, die sich dort bereits zur Nachtruhe niedergelassen hatten. Als er sich zu ihr umdrehte registrierte er die Veränderung ihrer Ausstrahlung bevor er den Bogen in ihrer Haltung ausmachen konnte. Er hielt inne… und versuchte zu erraten was sie plante.

Sasarya hatte auf einen der kreisenden Geier angelegt, aber sie änderte blitzschnell die Richtung als der Schwarm aus dem Blätterdach aufstieg und versenkte drei Pfeile, ganz in der Nähe auf dem Boden wieder aufschlugen.

„Ich mache Essen“, sagte sie ruhig und zog bereits den ersten Pfeil aus dem leblosen Vogel.

Es dauerte nicht lange, bis sie genug trockenes Gras für ein kleines Feuer beisammen hatte. Wieder einmal merkte man, wie versiert sie war, ohne Andere zu leben. Ohne auch nur einmal zu seufzen, wie mühsam all das Vorgehen war, um ein wenig geröstetes Fleisch zu essen. Das war geblieben, auch nach dem Dschungel.

„Du hast sicher Hunger, oder?“, fragte sie ihn.

„Ja“, sagte er, aber er zuckte die Schultern dabei, so als sei Essen eher eine Marginalie als eine Notwendigkeit. Beim Gras sammeln ging er ihr zur Hand, aber sie merkte deutlich, dass das keine seiner üblichen Verhaltensweisen war. Es war ein Nachahmen und Probieren, nicht ungeschickt - aber auch nicht sonderlich ambitioniert.
Als sie sich an den Vögeln zu schaffen begann, ging er daneben in die Hocke - ohne die Anstalten, ihr dabei zu helfen.
Manchmal wirkte er sehr kindlich, wenn er so da hockte. Als würde er ohne sie verhungern. Das war - war das? - sicher nicht der Fall, aber… als ob er das alles zum ersten Mal wahrnähme. Und vielleicht war es ja so. Schließlich war jeder Augenblick neu und einzigartig und kein Vogel gleich.
Und obwohl er stillschweigend erwartete, dass sie das Essen zubereitete, lag keine Forderung in seiner Haltung. Er strahlte eine Ruhe aus, die kaum zu den Gefahren passte, die sie für die Dunkelheit in der Steppe angekündigt hatte.
Und der Dämon schwieg.

Finding Hope - 3:00 AM
https://youtu.be/tPMFAbhlDbU

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