Hyaena - Geschichte(n) einer Troll-Jägerin

Teil 5

Kapitel 4

Schlingendorntal

(gut zwei Regenzeiten /ein Jahr später)

Jeng'a saß vor einem Fell und träumte. Immer wieder fuhren ihre Finger über ihre Arme, die Narben mit den Fingerspitzen nachziehend. Immer noch. Und das obwohl es schon ein gutes Dutzend Monde her war, dass ihr diese zugefügt wurden. Das Einreiben der Wunden während ihrer Initiation mit den verschiedenen Substanzen hatte dafür gesorgt, dass diese leicht erhaben hervortraten. Die sprichwörtlich schnelle Wundheilung, die den Trollen zu eigen war, hatte die Haut sich schnell wieder über das Gemenge aus Asche und anderen Substanzen schliessen lassen.
Die Asche stammte von den verbrannten Innereien ihrer bereits verstorbenen Ahnen. Nach ihrem Ableben wurde diese mumifiziert und dazu mussten ihnen das Gekröse entfernt werden. Es wurde feierlich verbrannt und die Asche zu der der bereits Verstorbenen hinzugefügt die in einem besonderen Gefäß aufbewahrt wurde. Auf diese Weise waren ihre Ahnen jetzt ständige Begleiter geworden. Was bedeutete, dass sie ihre Mutter jetzt auch bei sich trug.

Seltsam fühlte sich das für sie an, mehr als dass es sie besonders berührte, war ihre Mutter doch gestorben, als sie erst wenige Regenzeiten erlebt hatte und ihre Erinnerungen an sie waren gelinde gesagt eher dünn. Aus den anderen Stammesmitgliedern war über sie nicht viel herauszukriegen. Natürlich, sie wurde viel gelobt, aber Jeng'a spürte schnell, dass es nur Floskeln waren, niemand mochte etwas Wirkliches über die Troll sagen. Nicht mal ihr Vater. Die wenigen male die sie ihn darauf ansprach wurden seine Gesichtszüge hart und nie antwortete er. Einmal, als sie störrisch nicht locker liess, bekam er einen seiner Wutanfälle und nur das Eingreifen Ma'ko'jins, ihres Anführers und zwei seiner stärksten Krieger, brachten ihn wieder zur Ruhe. Seitdem fragte sie ihn nie mehr.

Doch die Fragen beschäftigten sie nach wie vor. "Mudra" flüstert sie. Zumindest ihren Namen kannte sie. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass kein Teil ihres Vaters unter den Narben steckte. Nie stecken würde. Sie verspürte Erleichterung, dicht gefolgt von einer kleinen Welle Schuldgefühlen. Sie erschrak und ihre Fingerspitzen blieben auf einer Narbe liegen. Das was da in ihr hochkam, hatte sie noch nie so empfunden. Klar, sie hatte immer wieder Auseinandersetzungen mit Zej'un, aber das war schon immer so gewesen. Es war für sie normal. Sie kannte es einfach nicht anders. Sie schüttelte den Kopf, wie um diese neue Erkenntnis aus dem Kopf zu werfen, und ihre Filzzöpfe schlugen ihr um die langen Ohren.
"Ya maan" ertönte es hinter ihr. "Nochma!" Als sie sich zur Stimme umdrehte, sah sie zwei der jüngeren Krieger dastehen und sie anglotzen. "Mach nochma. Komm schon." Beide lachten.
Sie spürte wie ihr Kopf heiss wurde, auch wenn sie nicht sicher war, worum es eigentlich ging. Schnell warf sie den Kopf wieder nach vorn und griff zum Schaber, um das Fell vor ihr weiter zu bearbeiten. Ihre Dreads schlugen wieder um ihr Gesicht. Die Trolle hinter ihr applaudierten und lachten wieder.
"Danke ey. Mit dir tanz ich bestimmt mal. ... Vielleicht" fügte er nach einer kleinen Pause hinzu. Dann hörte sie die beiden weggehen. Lachend. Halb wütend, halb verwirrt konzentrierte sie sich auf die Arbeit vor ihr, das Stück Haut war groß und sie hatte erst einen kleinen Teil fertig.

"Ich halt dass nich für weise Zej'."
Ma'ko'jin lehnte sich zurück und sah zu wie die beiden jungen Krieger sich von der Stelle entfernten an denen die Frauen des Stammes die Häute und Felle bearbeiten. Hier, vor seiner Hütte hatte er ein Dach aus großen Blättern errichten lassen und wenn er darunter saß, hatte er zum einen Schatten und zum anderen einen guten Überblick über das Geschehen im Dorf. "Wir sin zu wenige maan. Jede Troll die werfen kann is kostbar. Um auf Dauer den verfluchten Blutskalpen und Schädelspaltern was entgegenzusetzen muss der Stamm wachsen. Du solltest sie freigeben. Hier. Die beiden da." Er streckte kurz das Kinn vor, in Richtung der beiden jungen Krieger. "Die sind noch ohne und alle ..." sein Blick huschte kurz zu Jeng'a, von der sie nur den Rücken sahen, "... sin jung und voller Kraft. Uns fehlen Welpen Zej'."
Seine Augen hefteten sich jetzt auf den Troll neben sich. Dieser starrte unentwegt in Richtung seiner Tochter. "Sie soll mein Erbe sein. Bald will ich anfangen sie zu lehren. Sie hat das Zeug." Ma'ko'jin griff zu einer Schale mit einer milchigen Flüssigkeit und führte sie langsam vor den Mund, ohne sein Blick von Zej'un zu nehmen. "Du bist noch nich alt. Und nen Sohn haste auch. Weswegen die Eile." Es war keine Frage, eher eine Feststellung. Ma'ko'jin nahm einen Schluck und reichte sie dem anderen. Zej'un wollte schon etwas sagen, sah dann aber die Schale, zuckte kurz und nahm sie schweigend entgegen. Seinen Unwillen vermochte er jedoch nicht gänzlich zu verbergen.

"Denk ma drüba nach. Ich will dich zu nix zwingen. Das weisste doch, oder?"
Der Ton, in dem sein Stammesführer das sagte, war schwer zu deuten. "Verschwendung" brach es dann aus Zej'un hervor. "Das wär ne Verschwendung. Sie is begabt, die Geistah sagen es. Wenn sie mein Weg geht, isses nen Gewinn für alle. Späta mal." Er reichte die Schale wieder zurück.
"Aber will sie es auch? Dein Sohn will es auf jeden. Sacht er zumindest." "Pah! Taih will vieles. Aber nen Schamane wird er nie nich." Scham und Bitternis mischten sich jetzt in Zej'uns Stimme.
Der Jin des kleinen Stammes zuckte mit den Schultern. "Was de Geistah sagen weiss ich nich. Dass is dein Ding maan. Ich seh nur was ich seh. Und meine Aufgabe is, mich um den Stamm zu kümmern. Und was ich seh, is, dass wir zu wenig sin. Jetzt wo die anderen fort sind. Ausserdem," seine Augen wurden schmal, "ausserdem weiss ich nich, ob es gut wär sie so mächtig zu mach'n." "Wie meinste das?" Der Kopf des Schamanen schoß hoch. "Die Fremde. Sie is mir zuviel mit der Fremden unterwegs. Was wenn sie ihr sonstwas eingeflüstert hat. Du machst sie mächtig und dann, eines Tages ..." Er machte eine unbestimmte Handbewegung in Richtung Dorf. "Niemals. Nich Jeng'a. Ausserdem wars deine Idee, Num'a zur ... für Jen und Taih zu machen." Er wurde zornig, funkelte den Stammesführer an, brachte aber das Wort Mutter nicht hervor. "Vorsicht maan." Ma'ko'jins Stimme blieb ruhig, aber selbst in seinem aufsteigendem Zorn hörte Zej'un, die zum Zuschlagen bereite Schlange in der Stimme des Jin. "Zügel dein Zorn. Vielleicht verlierste sonst diesmal mehr als deine Frau. Es war dein Zorn, der das nötig gemacht hat. Und, Zej ..." die beiden sahen sich an, "... ich glaub nich, dass das Meer dir nochma Ersatz schenkt."
1 Like
Teil 5

Kapitel 5

Schlingendorntal


"Steh gerade ey. Schultern nach hinten und runter. Ja maan, besser."
Yukko nahm noch einige kleine Korrekturen an ihrer Haltung vor und trat dann zwei Schritte zurück und betrachtete seine Schülerin kritisch. Sein Haar war dicht und lang und blau. Schmuck, aus den Klauen und Zähnen verschiedenster Tiere des Urwaldes gefertigt, lag dicht um seine Oberarme und Waden gebunden. Um seinen Hals jedoch war eine Kette, auf der die grosse Zähne eines Affen gefädelt waren. Es muss ein gewaltiges Tier gewesen sein. Nur wenige Jäger versuchten sich an solche Gegner. Sie drehte ihm den Kopf ein wenig zu, versuchend seinen Blick zu erhaschen.

Normalerweise unterwies Jima sie im Bogenschiessen, doch heute erschien Yukko mit seinem Raptor auf der kleinen Lichtung unweit des Dorfes. Das machte sie nervös und zu Anfang schien sie vieles von dem, was sie bisher gelernt hatte, vergessen zu haben.
Seit einiger Zeit schon fielen ihr unzählige Dinge an ihm auf und es fiel ihr schwer ihn nicht anzustarren, wenn er in der Nähe war. Wieso war er ihr erst jetzt aufgefallen? Hatte er sich irgendwie verändert? Auf die Idee, dass sie es war, die sich verändert hatte, kam sie erst gar nicht. Dabei war es das naheliegenste. Aus dem kleinen Wildfang war in den Monden seit ihrer Initiation eine junge Troll geworden, die schon deutliche Zeichen ihres Frauseins trug. Ihre Brüste wuchsen, waren aber noch von einer Festigkeit und Größe, die ein enges Umbinden beim Bogenschiessen noch nicht nötig machten. Auch in ihrem Ausdruck mischte sich immer mehr Erwachsenes hinein.

Davon war jedoch gerade nichts zu merken.
Yukkos Gegenwart machte sie nervös. Nicht auf eine Weise, wie es ihr oft in Gegenwart ihres Vaters mit seiner strengen und bohrenden Art erging, sondern anders. Nicht unbedingt unangenehm. Zumindest nicht nur.
Yukko bewegte gerade seine Hand dicht vor ihrem Gesicht hin und her. "He! Jemand da?" Er klopfte leicht mit einem Finger auf ihre Stirn. "Was los? Träumste?" Jeng'a fing an zu stottern. "Tschuldigung. W..w..was war?"
Yukko zeigte in Richtung der Zielscheibe. "Da sollste hinschaun. Da is das Ziel. Oder wollste Yukko treffn? Dann musste dich aber anders hinstellen." Er schaute sie leicht belustigt an. Ihr Kopf wurde heiss und sie senkte den Bogen, konnte aber nicht den Blick von ihm wenden.

Irgendetwas fing auf einmal an, sich an seinem Blick zu ändern. Seine Nasenlöcher weiteten sich und für einen kurzen Augenblick erstarrte er. In dem schweren Geruch der Vegetation um sie herum mischte sich ein neuer, moschusartiger Geruch. Es war, als ob ein Nebel sich auf seinen Verstand legte. Sein Körper reagierte allerdings unwillkürlich. Und nicht nur seiner. Auch Jeng'as Nasenflügel fingen an zu beben. Langsam, wie hypnotisiert, hob er eine Hand als wolle er sie an der Wange berühren. Halb spielerisch, halb wild schnappte sie mit ihren Zähnen nach seiner Hand. Wildes war in ihrem Blick. Was tat sie da? Ihr war, als ob jemand anderes, eine andere Jeng'a, reagiert hatte.
Ihre Augen blitzten ihn an. Er starrte sie an. Da war keine junge Troll mehr vor ihm, sondern eine Troll in der die Hitze erwachte. Und obwohl sein Denken schwammig wurde, war Yukko erfahren genug die Zeichen zu erkennen. Vielleicht sollten sie jetzt hier den Unterricht abbrechen, meldete sich ein dünner Gedanke der Vernunft. Soweit er wusste, war es das erste mal für Jeng'a und es lagen viele Regeln und Tabus auf der ersten Hitze. Zej'un hatte ausserdem die Nachricht unter den Männern kursieren lassen, dass niemand mit seiner Tochter den Hitzetanz tanzen werde, ausser jemand würde seinen Zorn herausfordern wollen. Yukko trat zwei, drei Schritte zurück.

Er blinzelte. Es schien vorüber.
Wieder stand bloß eine junge Troll vor ihm und Jeng'a sah nicht weniger durcheinander aus als er. Er fuhr mit einer Hand über sein Gesicht und beide Hauer entlang. Am besten wieder zurück in die Routine.
"Ok, weiter. Von vorne. Stell dich wieder in Position. Gut." Er trat hinter sie, nicht zuletzt um ihren Augen auszuweichen. "Ziel fixieren, einatmen und hoch mit dem Bogen. Langsamer! Sonst verlierste die korrekte Haltung." Um sie zu korrigieren trat er dichter an sie heran. Ihre nach hinten gebundenen roten Dreadlocks zwangen ihn den Kopf etwas zur Seite zu nehmen, als er ihren rechten Ellbogen und die Bogenhand neu ausrichtete. Sofort stieg ihm wieder ihr Geruch in die Nase. Wie gut se riecht. Maan, so gut. Es gab kaum Trolle, die sich dem Duft einer in Hitze befindlichen Troll entziehen konnte, und in ihrem Stamm wurde recht frei damit umgegangen, wer sich mit wem paarte, aber Jeng'a hier war Tabu.
Nicht. Noch nicht "Is total wichtig wie du stehst, sonst machste dir den Rücken kaputt." Seine Stimme klang leicht gepresst. Er liess seine Nase etwas tiefer herab, nur'n bisschen, fast nichts. Seine Nase war jetzt dicht an ihrem Hals. "Jetzt spannen. Einatmen." Beide atmeten tief ein.
Loas! "Hier, diese Muskeln müssen stark werd'n." Mittlerweile war seine Stimme nur noch ein Flüstern. Er legte seine Hände zwischen ihre Schulterblätter. Beide standen da und atmeten tief und langsam, Jeng'as Arme fingen vor Anstrengung an zu zittern. Aber etwas in ihr wollte auf keinen Fall, dass irgendetwas diesen Moment zerstörte. Er sollte ewig währen. Sie trank ihn förmlich.

Plötzlich gab Yukkos Raptor einen schrillen und hohen Schrei von sich, dicht gefolgt von einem Fauchen und dann raschelte es hinter ihnen. Sofort sprang Yukko von Jeng'a weg und fuhr herum. Jeng'a entspannte den Bogen und senkte die schmerzenden Arme.
Auf die Lichtung schritt ein großer Schlingendorntiger, den Raptor anfauchend und hinter ihm löste sich eine aufrechte Gestalt aus dem Unterholz. Jima. Wieviel sie gesehen hatte war schwer zu sagen. Ihr Blick schleuderte Yukko Blitze entgegen und wenn es noch einen Zweifel gab, was hier gerade los war, verschwand dieser, sobald sie Jeng'a in die Augen sah. "Tabu" zischte sie Yukko an. "Bei den Loas! Bist du irre?" "Ach, Ogerdreck." Er spuckte aus. Ohne noch etwas zu sagen oder jemanden anzusehen verliess er zügig die Lichtung. Sein Raptor folgte ihm unaufgefordert.

Jima packte Jeng'a bei den Schultern und schaute in ihre Augen, als suche sie etwas. "Jima, ich ..." "Deine erste Hitze Jeng'a," unterbrach Jima sie. "Ich ..." Jima umarmte die junge Troll. "Yukko ..." Doch die große Jägerin liess sie nicht aussprechen. "Taz Dingo! Jetzt geht der Spaß los." Wieder drückte sie ihr Gegenüber. "Nu lernste den Hitzetanz." Sie legte den Kopf zurück und liess einen tiefen und kehligen Schrei über der Lichtung erklingen. Jeng'a stand nur da und begriff gar nichts. Waren jetzt alle, sie eingeschlossen, verrückt geworden?
1 Like
Teil 5

Kapitel 6

Schlingendorntal


"Du hast keine Wahl, denk dran. Egal wie die Kämpfe ausgehen."
Jima wrang ihre Haare aus. Nachdem sie erkannt hatte, dass Jeng'a in Hitze geraten war, das erste mal, war klar, dass es jetzt wichtigeres gab, als den Bogenunterricht weiterzuführen. Ausgerechnet heute, als sie Yukko gebeten hatte, für sie einzuspringen, musste es passieren. Sie lachte leise. Auf der anderen Seite bedurfte es auch des anderen Geschlechts um es zu wecken. Und Jeng'a schaute Yukko schon seit längerem hinterher.

Jima blickte zur jüngeren Troll hinüber, die noch am Ufer saß und in Gedanken das Wasser beobachtete, dass ihre Hände umspielte, während sie diese langsam hin und her bewegte. Gleich nachdem Yukko abgezogen war, hieß sie Jeng'a ihr zu folgen und führte sie zu dieser abgelegenen Stelle am Fluß. Eine der wenigen Ecken, die nicht allzu stark von Krokolisken bevölkert waren. Um diese Zeit, dösten diese sowieso meistens in den tieferen Gründen. Die Abkühlung würde der jungen Troll helfen, wieder zu etwas Verstand zu kommen. dachte sich Jima. Statt nun das Bogenschiessen weiterzuführen, setzte sie Jeng'a darüber in Kenntnis, dass ein weiteres wichtiges Ereignis sich zeitnah einstellen würde. Ihr erster Hitzetanz. Einige der Männer des Stammes würden um die Ehre kämpfen, ihr erster Tanzpartner zu sein.

"Und wenn einer gewinnt, den ich nich mag? Könnte ich dann trotzdem Yu ..." Jeng'a unterbrach sich hastig. Jima konnte sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. "Könnte ich dann jemand anderes auswählen" versuchte es Jenga erneut. Als Num'a sah, wie nervös die junge Troll aussah, verschwand ihr Schmunzeln. Sie schüttelte den Kopf. "So isses vorgegeben. Gabs auch noch nie anders." Aber als sie sah, wie unglücklich Jeng'a nun da saß, fügte sie noch hinzu "Aber is auch egal. Du weisst ja gar nich was du da wählst. Du könntest auch sowas von daneben liegen, wenn du dir Yukko aussuchst."
Jeng'a zuckte zusammen. Ihr Kopf wurde wieder heiß. "Ich .." sie fuhr hoch, bereit sich zu verteidigen. Jima ignorierte sie. "Wobei, sooone schlechte Wahl wär Yukko nun auch nich." Jima streckte sich auf den Rücken aus und das Sonnenlicht, dass durch die Blätter gelang, sprenkelte ihren nassen Körper mit vielen kleinen hellen Flecken. Ihre Augen waren geschlossen und ein leichtes Lächeln umspielte ihren Mund, als ob sie sich an etwas Schönes erinnere.

Jeng'a blieb verwirrt. In ihrem Inneren war alles in Aufruhr. Sie verspürte ein seltsames Ziehen im Unterleib und schon seit Stunden war es ihr so, als ob ihr Geruchssinn sich geschärft hatte. Num'a hatte damals, in den Tagen und Nächten vor ihrer Aufnahme in den Kreis der Frauen des Stammes, auch über die Hitze viel gesprochen, aber nun merkte sie, dass sie rein gar nichts begriffen hatte und auch jetzt, wo es sie erlebte, längst nicht alles verstand. Sie würde dann wie eine ganz andere, hatte sie ihr gesagt. Mehr Körper, weniger Kopf. Am Anfang wisse sie noch rein gar nichts. Das mache sich irgendwann nur über Erfahrung wett. Deshalb wäre es wichtig, die Loas entscheiden zu lassen, mit wem sie ihren ersten Hitzetanz haben werde. Der Wettstreit würde den Willen der Loas zeigen.

Jeng'a stand auf, ging zu Jima herüber und legte sich neben sie auf den Bauch. "Das is unfair", maulte sie. "Alle wissen Bescheid und ich, um die es geht, weiss nix." "Haste Angst?" Jimas lag immer noch da, die Augen geschlossen. "Nee." Jeng'a legte ihr Kinn auf ihre Fäuste die sie vor sich ballte. Sie beobachtete Jimas Tiger, der gerade mit dem Kopf zuckte, weil sich ein Schmetterling auf seine Nasenspitze gesetzt hatte. "Doch. Ein bisschen." Ihre Stimme wurde leiser. "Was mir aber wirklich unheimlich is ..."
Ihre Stimme erstarb und ausser den vielen Vogelstimmen war nur das träge Glucksen des Flusses an einigen Stellen des Ufers zu hören. Jima blieb still, nur ihr linkes Auge öffnete sich, kaum weiter als ein Palmenblatt dick war. "Ich versteh mich nich mehr. Ich mach Sachen, ich weiss nich warum." Sie musste an die Szene, in der sie nach Yukkos Hand schnappte, denken. Dazu war es, als ob ihr Körper sie zu ihm hinzog, hätte sie auch nur um ein Haar nachgegeben... "Da is so'n Ziehen in den Lenden. Und nen Sehnen auch. Aber mehr da." Sie verlagerte das Gewicht, streckte eine Hand aus und berührte Jimas linke Brust. "Und ich weiss nich ma wohin es zieht." "Jetzt auch noch?" "Ja." Beide schwiegen. Jima hob eine Hand und strich ganz sanft und langsam an Jeng'as Ohr entlang. Viel langsamer als der Fluß der an ihnen träge vorbeizog.

Einige Zeit später blickte Jeng'a schwer atmend Jima an. "Ich dachte, ich wär ... Tabu?" fragte sie leise. Die grinste breit. "Für mich nich. Bin ich denn nen Mann?" Und zum zweiten mal gruben sich ihre Zähne in Jeng'as Schulter. Doch dieses mal sanfter und langsamer. Viel langsamer.
2 Likes
Teil 5

Kapitel 7

Schlingendorntal


Regen prasselte auf das Blätterdach von Zej'uns Hütte. "Nein! Das wird nich geschehen. Seid ihr denn alle blind? Seht ihr denn alle nich, was aus ihr werden kann, wenn sie sich dem versagt? Die Energien bündelt und nicht verschwendet?" Der Schamane raufte sich das Haar.

Num'a starrte ihn fassungslos an. Jima hatte sie über Jeng'as erste Hitze informiert und daraufhin war die Drakkari zu Zej'un gegangen um ihn die Nachricht zu überbringen. Es gab ein weiteres Fest vorzubereiten. Mit dieser Reaktion hatte sie jedoch nicht gerechnet.
"Du willst sie diesen Aspekt des Lebens berauben? Nur alter Geschichten wegen?" Er fuhr zu ihr herum. "Wag nich, die alten Geschichten anzuzweifeln. Du hast keine Ahnung. Du bist ne Drakkari. Du bist keine von uns."
So oft hatte sie es hören müssen, doch es schmerzte immer wieder. "In Nordend erzähln wir uns auch Geschichten. Und die ältesten sind nich viel anders als eure." Ihr Mund wurde zu einem geraden Strich. Zej'un wischte ihren Einwand mit einer einzigen Bewegung seiner Hand weg. Mit wildem Ausdruck schritt er auf und ab.

Num'a schaute in den Regen hinaus. Jeder wusste doch, dass Jeng'a keine Schamanin werden wollte. Nur ihr Vater sah es nicht. Oder niemand traute sich, es ihm zu sagen. Ihren kindlichen Traum, eine Priesterin Rhunoks wie sie zu werden, hatte Jeng'a glücklicherweise fallen gelassen. Es würde sie nicht wundern, wenn sie sich irgendwann ganz den Jägern des Stammes anschließen würde. Auf jeden Fall hing sie auffällig oft mit ihnen zusammen.
Sie seufzte. Immer noch verspürte sie einen leichten Stich im Herzen. Keine Eifersucht, nein. Nur Schmerz über den Verlust der einst so engen Verbindung mit diesem Trollwelpen. Aber Jeng'a war jetzt kein Welpe mehr. Sie würde irgendwann selber Welpen werfen, das heißt würde sie, wenn nicht Zej'un ....

"Taih ..." fing sie an. "Was?" Barsch und ungehalten drehte sich der Schamane zu ihr um. "Taih wär nur allzu bereit dein Weg zu gehn, das weisste doch, oder?" Zej'un wandte sich wieder ab und sah jetzt auch zu dem schwerniedergehenden Monsun hinaus.
Der Regen hatte mittlerweile den ganzen Dorfplatz aufgeweicht und der Boden konnte kein Wasser mehr aufnehmen, so dass sich erste Seen und Bächlein bildeten. Nach einer langen Pause sprach Zej'un wieder. Seine Stimme klang fest und ruhig. Bitterkeit schien den ganzen Zorn verschluckt zu haben. "Taih is nich Jeng'a. Taih will, ja. Aber wolln allein reicht nich. Er is zu ..." Seine Augen schienen das passende Wort in dem Schleier aus Regen zu suchen, so unruhig blickten sie hin und her. "... sehr wie Mudra." Den letzten Teil flüsterte er fast.
Num'a blieb still und liess ihren Blick auf dem Rücken des Schamanen ruhen. Dass Zej'un sogar den Namen seiner früheren Gefährtin und Mutter seiner Kinder benutzte, liess sie vorsichtig werden. So unstet wie Wind, waren des Trolls Gefühlsausbrüche und wenn er so leise wurde, konnte das bedeuten, dass er entweder für Tage verstummte oder aber auch, dass ein Vulkanausbruch bevorstand. So beschloß sie regungslos dazusitzen.

Lange bewegte sich keiner der beiden. Sehr lange. Doch irgendwann schmerzten Num'a ihre Beine und sie begann langsam und mühselig aufzustehen. Ihre Beine waren eingeschlafen und für einen kurzen Augenblick wollten sie die Troll nicht tragen. Sie stützte sich kurz an einem der Pfeiler, auf denen das Dach aus großen Blättern lag. Gedanklich verfluchte sie das Älterwerden. Doch schnell kehrte das Leben in ihre Beine zurück und leise und vorsichtig ging sie zu der kleinen Treppe, die aus der Hütte führte.

Der Regen hatte aufgehört. Überall dampfte und tropfte es. Das Wetter drückte ihr auf die Atmung, auch nach den ganzen Jahren unter den Dschungeltrollen, hatte sie sich nicht an die Schwüle gewöhnen können. Oft wünschte sie sich, wieder die klare kalte Luft ihrer Heimat durch ihre Lungen strömen lassen zu können. Als sie den ersten Fuss auf den matschigen Boden setzte, liess sie Zej'uns Stimme innehalten.
"Ihr wollt ihn nich. Also muss es Jeng'a sein. Muss." Etwas an seinem Ton machte sie stutzig und sie drehte sich zu ihm um. Er schien sie vergessen zu haben. Wo eben seine Stimme so leise schien, sah sie jetzt nur noch seine Lippen sich bewegen. Doch ob er mit sich selber sprach oder zu irgendetwas was nur er sehen konnte, vermochte sie nicht zu sagen. Leise setzte sie ihren Weg fort. Den Kopf voll unheilvoller Bildern.
1 Like
Teil 5

Kapitel 8

Schlingendorntal


"Komm schon, was haste gelernt? Zeigs Taih."
"Nee. Keine Lust." Jeng'a versuchte sich am Befiedern von Pfeilen. Jima hatte ihr gesagt, wenn sie Bogenschiessen will, muss sie auch Pfeile machen können. Ohne Pfeile wäre ein Bogner ziemlich nutzlos. Und so viele wie sie schon verschossen hatte...
Der Hinweis war jedenfalls sehr deutlich gewesen. Und nachdem sie gelernt hatte die richtigen Zweige auszusuchen, sie zu richten und zu glätten und Jima endlich auch mit der Nocke und der Schäftungskerbe zufrieden war, bestand ihre neue Aufgabe darin, sich im Befiedern zu üben. Aber schon das Zurechtschneiden der Federn brachte sie fast um den Verstand. Der Haufen mit den unverarbeiteten Federn neben ihr wurde immer kleiner, doch leider war die Ausbeute an Gelungenen sehr mager. Es lagen deutlich mehr mißlungene als geeignete Federn um sie herum.

"Hat er dich Blitze machen lassen?" Ihr kleiner Bruder liess nicht locker. "Oder Wasser tanzen lassen ?" "Nee, hat er nich." "Ah, jetzt weiss es Taih. Ihr habt den Wind gerufen." Er fing an sich die rumliegenden Federn überall dort hinzustecken wo es möglich war.
Sie antwortete nicht, achtete nicht mal auf ihn, sondern verglich den neuesten Versuch mit einem ihrer am besten gelungenen Pfeilschäfte. Zufrieden mit dem Ergebnis schnaubte sie etwas. Dann sah sie zu ihrem Bruder. Und glaubte fast nicht was sie zu sehen bekam.
"He! Hör auf damit. Nich die. Die brauch ich noch." Halb empört, halb belustigt sah sie, was ihr Bruder inzwischen getan hatte. Federn steckten in seinen Haaren, in seinen Ohrlöchern, zwischen seinen Armbändern. Eben war er dabei ein Bündel in sein linkes Nasenloch zu stopfen.
"Ruf den Wind, Schwestah, lass Taih fliegen maan." Grinsend stand sie auf. "Dafür brauche ich keinen Wind du kleiner !@#$%^-*. Das mach ich selber." Sie legte alles auf den Boden und machte einen Schritt auf ihn zu. Sofort schrie ihr Bruder begeistert auf und lief los. "Nie kriegst du Taih! Taih is schnell wie der Wind! Taih is der Wind! Ich bin 'n Taifun! Jaaa, 'n Taihfun!" Ihr Grinsen wurde breiter. Auf einmal war sie wieder die kleine Jeng'a und noch nicht eine der Frauen des Stammes. Die sechs Jahre Unterschied gab es plötzlich nicht mehr. Mit einem Kampfschrei nahm sie die Verfolgung auf.

Die Jagd war schnell zuende.
Taih war vielleicht flinker, aber sie war inzwischen durchtrainiert und ihre Beine länger. Schon nach zwanzig Trolllängen machte sie einen Sprung und warf ihn zu Boden. Ein paar Federn flogen durch die Luft. Lachend blieben beide liegen und rangen um Atem.
Jeng'a setzte sich auf ihn drauf. "Jetzt hab ich nen Taihfun gefangen. Was mach ich bloß damit?" "Freilassen?" schlug der Wind ächzend unter ihr vor. Sie schüttelte den Kopf. "Nee, nich gut. Andrer Vorschlag." Kurze Pause. "Füttern." Jeng'a lachte. "Was frisst den 'n Wind?" "Weiss nich. Dschungeleintopf?" Das war sein Lieblingsessen. Wieder Kopfschütteln.
"Hat Zej dir nicht gezeigt was de mit nem Wind machst, wenn de ihn gerufen hast?" Auf einmal wurde sie ernst. "Nix hat er mir gezeigt." Sie gab ihn frei und setzte sich vor ihn hin. Taih drehte sich auf den Rücken und atmete tief, von der Last befreit, ein und aus.
"Gelabert hat er. Vonner Verantwortung nen Schamane zu sein. Und der Ehre." "Auch davon, wann er anfängt mich zu unterrichten?" Sie konnte deutlich die Spannung und Vorfreude in seiner Stimme hören. Wieder schüttelte sie den Kopf. "Nee, hat er nich." Seine Enttäuschung war förmlich greifbar. "He, biste ja noch jung. Kommt noch. Bestimmt maan."

Was sie ihm nicht erzählte, war, dass sie genau das ihren Vater gefragt hatte. Von sich ablenken wollte sie, in der Hoffnung, dass Zej'un endlich von seiner Besessenheit, sie zu seiner Nachfolgerin zu machen, abliess. Das wäre nur fair. Taih wünschte es sich so sehr. Er wäre der weitaus bessere Schüler. Darauf hin hatte ihr Vater sie mit einem unbeschreiblichen Blick angesehen. Ganz dicht kam er mit seinem Gesicht an das ihrige heran. "Die Geister wolln dich. Nich ihn. Sie ham mit mir gesprochen. Er taugt nix in ihren Augen. Du bist es, die sie wolln. Du. Ich will nix mehr davon hörn. Nie wieder!" Dann führte er seinen Unterricht fort.

Sie brachte es nicht übers Herz, ihrem Bruder das zu sagen. Irgendwann würde er es erfahren. Er wäre dann älter und würde es vielleicht verstehen. Doch wenn sie ehrlich war, glaubte sie das keinen Augenblick. Und da saß sie, sollte, aber wollte nicht. Dass er, Taih, der es so sehr wollte,nicht sollte, würde er nie verstehen.
Die Welt war nicht fair.
1 Like
Teil 5

Kapitel 9

Schlingendorntal


"Tus nich. Se wird Schwierigkeiten kriegen."
Jima hockte auf der kleinen Lichtung, die die Jäger des Stammes bei ihren Streifzügen als Aussenlager nutzten und schärfte in langen, gleichmäßigen Strichen ihr Jagdmesser. "Und du auch" fügte sie noch hinzu.
Jeng'a hatten sie losgeschickt, einen Talheuler zu erlegen. Die Biester waren flink, also wäre sie eine Weile unterwegs. Jimas Tiger begleitete sie. Allerdings mehr zur Sicherheit der jungen Troll.
"Muss er ja nich mitkriegen. Wenn keiner was sacht ..." Jetzt sah sie ihn an. "Und wie soll das gehen? Hier kriegt doch jeder alles mit. Und spätestens wenn er geschlüpft is, muss er bei ihr sein. Je öfter desto besser." Yukko machte eine ungeduldige Handbewegung. "Weiss ich doch, maan. Aber die Zeit is reif. Sie schiesst gut, Pirschen konnte se schon immer und alles andere haut auch hin. Naja, ok, das mit dem Wittern muss se noch üben." Beide lachten.

Es war ein unvergessliches Erlebnis gewesen.
Jeng'a hatte sie während einer ihrer gemeinsamen Streifzüge aufgeregt aufgesucht. Da wäre ein großes Tier, sie hätte es genau gerochen. Gar nicht weit von hier. Also machten sie sich auf den Weg.
An der Stelle, wo sie die Witterung aufgenommen hatte, grinste Jeng'a glücklich. Es war noch da. Es roch noch genauso stark wie vor hin. Es is noch in der Nähe jubelte sie innerlich. Sie deutete in die Richtung in der sie das Tier vermutete und pirschte sich lautlos voran.
Yukko und Jima tauschten Blicke. Yukko hob eine Augenbraue, doch Jima schüttelte den Kopf. Beide hatten einen merkwürdigen Ausdruck im Gesicht. Noch einen Augenblick lang sahen sie sich an, dann drehte Jima schnell das Gesicht weg und folgte der jungen Troll, ihr Tiger hinterdrein. Yukko atmete tief ein. Kurz schüttelte es ihn, dann folgten er und sein Raptor.

Nach langen Minuten quälend langsames Schleichen, wurde der Geruch so stark, dass sie das Tier gleich zu sehen bekommen müssten. Jeng'a gab beiden das Zeichen, dass sie herumschleichen würde und dass sie auf ihr Signal acht geben sollten. Yukko hob an etwas zu sagen, doch Jima legte nur ihre Finger auf seinen Mund. Dann nickte sie Jeng'a ernst zu. 'Vorsicht' signalisierte sie noch. Die junge Troll nickte nun ihrerseits. Und machte sich auf den Weg.

Jeng'a war stolz. Sie fühlte sich ganz wie eine Jägerin.
Heute würde es ihr Verdienst sein, dass der Stamm reichlich Wildbret haben würde. Denn so stark wie der Geruch war, handelte es sich ganz bestimmt um ein großes Tier. Das würde ein kleines Fest werden.
In ihrer Phantasie malte sie sich bereits aus wie Zej'un, beeindruckt von ihrem Können in der Jagd und von den besten Stücken der Lende besänftigt, endlich überzeugt wäre und seine lästigen Pläne, sie zur Schamanin auszubilden, fallenlassen würde. Er würde schließlich zugeben müssen, dass sie mehr zur Jägerin taugte. Sie malte sich die Szene in allen Farben aus. Mehr noch aber bedeutete es ihr, Jima und Yukko endlich zu zeigen, dass auch sie eine Jägerin wäre.

Nachdem sie eine Weile den Geruch von der Seite wahrgenommen hatte, beschloß sie, dass es sie weit genug herum geschlichen war. Kurz tastete sie nach dem Messer. Sie packte den Speer fester. Dann gab sie das Signal, einen Schrei wie ihn auch die Papageien des Schlingendorntales ausstießen, nur in umgekehrter Tonhöhe. Sofort danach stürmte sie voran, bereit den Speer zu werfen, sobald das Tier vor ihr auftauchen sollte.
Doch alles was sie zu sehen bekam waren die beiden anderen und zwischen ihnen ein riesiger Haufen Gorilladreck. Offensichtlich hatte dieser etwas Falsches gegessen und seinen ganzen Darm auf einmal entleeren müssen. Aus der Nähe war der Gestank fürchterlich.
Yukko konnte nicht mehr an sich halten und wandte sich lachend ab. Jimas Gesicht war beherrscht, als sie Jeng'a ansah. Bei den Loas, die junge Troll schämte sich, wie sie es noch nie getan hatte. Ihr Kopf wurde heiß. "I...i..ich.." stotterte sie. "Lerne" war alles was Jima sagte, dann drehte sie sich um, stieß den immer noch lachenden Yukko an und ging wieder zurück. Jeng'a folgte mit hängendem Kopf.

"Jaaa, aber das passiert ihr bestimmt nie nich mehr" sagte Yukko, als sie beide sich wieder beruhigten. "Wahrscheinlich nich" gab Jima zu.
Dann wurde sie wieder ernst. "Trotzdem. Es würde nur Ärger machen. Und du kennst ihn ja." Nun wurde Yukko ungehalten. "Mir reichts bald. Keiner traut sich irgendwas zu tun, nur weil der Kerl immer so ne mistige Laune hat. Kann doch nich angehn. Das würde sogar nen Idiot von Schädelspalter sehn, dass sie ne Jägerin is und nich nen Schamane. Und ausserdem will sie gar nich."
Er schnaubte. "Sogar den Hitzetanz will er ihr versagen. Nur weil er glaubt, dass würde ihre Macht verdreifachen. Das doch Talheulerdreck!"
Aus Jimas Augen blitzte es schalkhaft. "Damit wär alles klar. Dir gehts nur um ihre Mummu." Yukko sprang empört auf. "Nix da." Sie sahen sich an. Der Troll sah schnell weg. "Ok. Auch. Aber darum gehts mir grade wirklich nich."
Sein Blick ging in die Richtung in der er Jeng'a vermutete. "Ich will se glücklich sehn. Ich mag se wirklich. Guck nich so. Echt maan." "Und du bist derjen..." "Warum nich? Du jedenfalls hast dich nie beklagt." unterbrach er sie eingeschnappt.
Er rang mit seinen Händen in der Luft. "Aber darum gehts mir gerade nich. Verstehste das denn nich?" Fast schrie er.
"He maan, bleib ma locker. Reg dich ab. Wollt dich nur aufziehn. Jeder siehts, dass se dir den Kopf verdreht hat." "Nich nur mir" grummelte Yukko vor sich hin. "Aber ma ehrlich, kannste se dir als Blitzeschleuderin vorstelln? Is doch absurd!" Jima nickte. "Hast ja recht."

Sie machte eine Pause. "Und ich fürchte, es wird noch ganz schön verflixt für alle. Ich riech den Ärger jetzt schon." fügte sie hinzu. "Un das mit dem Hitzetanz is noch gar nich raus. Ma'ko'jin hat letztens im Rat gesacht, dass bei ihrer nächsten Hitze das Fest steigt. Zej'un hat geschäumt, aber nich getraut was gegen zu sagen."
Yukko blickte überrascht auf. "Echt jetzt? Das passt doch. Sie wird bald legen." Er bewegte den Kopf in Richtung seines Raptor. "Wenn ich ihr eins beim Fest schenke, kann keiner was sagen." Er schaute zufrieden drein.

Jimas Augen glitten über seinen Körper. "Wenn du gewinnst, meinste. Du solltest lieber trainieren." "Für vor oder nach den Wettkämpfen?" Jetzt grinste er sie an. "Wenn de mich fragst .... für beides." Ihre Zunge fuhr über ihre Lippen. "Jeng'a?" "Die wird ne Weile brauchen. Hier gibts kaum Talheuler." "Stimmt" meinte Yukko. Mit einem Funkeln in den Augen beugte er sich zu Jima herunter.
1 Like
Teil 5

Kapitel 10

Schlingendorntal

(fast eine Regenzeit/ ein halbes Jahr später)

Schließlich war es soweit.
Jeng'a zeigte erste Anzeichen dass die Hitze sie wieder packte und im ganzen Dorf breitete sich eine nervöse Spannung aus. Die Vorbereitungen für das Fest liefen an. Die Jäger schafften mehr Beute heran, und überall wurden Speisen bereitet, zum Gären beiseitegestellte Getränke geprüft und Festkleider ausgebessert oder sogar neu genäht. Felle ausgeschüttelt und Lagerstätten mit neuen Blättern ausgelegt. Es war nicht ungewöhnlich, dass während eines solchen Festes auch die anderen Trollfrauen in Hitze gerieten, und so durchtränkte Sinnlichkeit schon jetzt das ganze Dorfleben.

Fast genauso nervös wie Jeng'a selber wurden insbesondere die jungen Trollmänner. Sie prahlten während der ganzen Zeit mit ihren Kräften und beäugten sich gegenseitig abschätzend. Leise belächelt von den Erfahreneren. Allein Zej'un brütete vor sich hin und war wortkarger denn je. Er schien es hinzunehmen, dass seinem Wunsch, seine Tochter nicht den üblichen Weg gehen zu lassen, nicht nachgegeben wurde. Auch wenn er ganz offen zeigte, dass es ihm nicht schmeckte.

Am dritten Tag trat dann Ma'ko'jin mit einer reich geschmückten Jeng'a vor und liess seine Augen über seinen kleinen Stamm wandern.
Als sie neben ihm stand nahm er deutlich ihren Hitzegeruch wahr. Ja, sie war soweit. Da bestand kein Zweifel. Kurz tauchte der Impuls auf, mit ihr in seiner Hütte zu verschwinden, doch war er nicht umsonst der Jin dieses Haufens. Er verfügte über große Willensstärke. Nie hätte er sonst all diese Trolle um sich scharen und sich dem Beschluß der anderen Splitterspeere, dass Schlingendorntal zu verlassen und sich in Kalimdor eine neue Heimat zu suchen, widersetzen können.
Diese Ansammlung Trolle hier hatte sich gleich ihm geweigert und sich ihm angeschlossen. Stolz erfüllte ihn, dass sie es bisher gemeistert hatten. Auch wenn sie nur wenige waren, konnten sie sich gegen all die feindlichen Stämme behaupten. Weder Schädelspalter noch Blutskalpe konnten ihnen bisher gefährlich werden. Noch. Aber auf Dauer waren sie zuwenige. Und so war jede gebärfähige Troll eine Bereicherung für den Stamm. Gut, dass Zej'un seinen Widerstand aufgegeben hatte dachte er. Er hatte sich auf eine heftige Auseinandersetzung eingestellt, aber so war es besser.

Er liess von einem seiner Krieger drei tiefe Schläge auf der großen Trommel machen. Alle Augen wandten sich ihm zu und es wurde still.
"Ihr seht Jeng'a, Zej'uns und Mudras Tochter. Das Feuer des Lebens tanzt jetzt in ihr. Doch is das kein Tanz, der allein getanzt werden kann. Und da es ihr erster Tanz sein wird ..." Jeng'as Augen suchten für einen ganz kurzen Moment die von Jima, doch die blickte nur zu Ma'ko'jin. "... brauchen wir einen, der ihr die ersten Schritte zeigt. Die Loas solln es hier und jetzt entscheiden. Wer meint sein Mojo reiche aus, die Aufgabe zu erfüllen, soll nu vortreten."
"Mein Mojo ist am größten!" rief einer der jungen Krieger. "Du verwechselst das Mojo mit dem Zipfel der zwischen deinen Beinen hängt" lachte einer der Frauen. "Wenn dein Mojo so mächtig ist wie der, tritt lieber nich an" riet ihm ein anderer. Nun lachte das ganze Dorf. Ma'ko'jin grinste. Der junge Krieger zog eine Flunsch, sagte aber nichts mehr.

Nun traten die Trolle, die um diese Ehre kämpfen wollten, einer nach dem anderen vor und zeigten Jeng'a die Geschenke, die sie in dem Falle ihres Sieges ihr zu machen gedachten. Als Keleku, ein älterer, ihr besonders unangenehmer Troll vortrat, zuckte sie unwillkürlich zusammen. Keleku lächelte kalt und sie sah nur Gier in seinen Augen. Loas, bitte nicht ihn! schoß es ihr durch den Kopf. Angst überkam sie und weder die möglichen Geschenke noch die anderen Trolle, die nach und nach an sie herantraten, vermochten sie zu beruhigen.

Jima hatte ihr von einigen Männern im Dorf erzählt und Keleku war einer von denen die nicht gut abschnitten. Im Gegenteil. Nicht umsonst wollte keine Troll näher mit ihm zu tun haben. Auch wenn er ein gerissener und gefürchteter Kämpfer war. Er liebte es grausam zu sein. Auch zu den Trollfrauen mit denen er lag. Aus ihrer Nervösität wurde jetzt richtige Angst.
Erleichterung überkam sie, als sie sah, dass auch Yukko näherkam. Yukko dachte sie und ihr Kopf wurde heiß. Er blickte sie an und griff in eine Tasche und hielt ihr vorsichtig etwas hin. Sie starrte auf seine ausgestreckten Hände.
Edle Felle, kostbare Steine, Schmuck aus den in allen Farben schillernden Federn der Dschungelvögel waren ihr gezeigt worden. Alles was ihr Yukko dort entgegenhielt war ein Ei. Ein gesprenkeltes Raptorei. "Es schlüpft bald" sagte er leise zu ihr. Zuneigung, mehr als sie eh schon für diesen Troll empfand, durchflutete sie. Sie streckte die Hand aus und strich über die Schale.

"Hee! Erst muss er gewinnen, dann kannste sein Ei anfassen" schallte es frech aus der Menge, von fröhlichem Gelächter begleitet. Ihre Hand zuckte unwillkürlich zurück. Yukko schloß kurz die Augen, nickte fast unmerklich in die Richtung, aus der die Stimme kam und zuckte mit den Schultern. Er packte das Ei wieder vorsichtig ein und ging wieder, sie noch einmal anlächelnd.
Ein Raptorjunges wollte er ihr schenken! Wahrscheinlich aus dem Gelege seiner Raptorin. Das konnte bedeuten, dass er sie in die Geheimnisse der Tierbegleiter einweihen würde. Ein wichtiger Schritt um als Jäger akzeptiert zu werden. Ihr Herz klopfte.

Den Rest nahm sie kaum wahr.
Insgesamt waren es elf, die um sie kämpfen wollten. Sie sah nur zu Yukko, doch im Geiste schob sich immer wieder das brutale Gesicht Kelekus davor. Wenn er gewinnen sollte ... Doch daran traute sie sich nicht zu denken. Angst nahm wieder von ihr Besitz. Ihre Hand griff um den kleinen Beutel aus Fledermaushaut, gefüllt mit den Knochen deselben Tieres. Hir'eek, bitte dachte sie. Bitte bitte bitte.
Dann gab Ma'ko'jin das Zeichen und die Wettkämpfe begannen.
1 Like
Teil 5

Kapitel 11

Schlingendorntal


Das Fest und die Wettkämpfe zogen sich schon den halben Tag hin.
Und es ging nicht nur um Kraft, wie einige der Jüngeren erschreckt feststellen mussten. Ebenso waren Geschick, Ausdauer, Witz und Wissen gefragt. Spätestens da zeigte sich der Wert der Erfahrung. Klettern, Speerwerfen, und einiges mehr wurde den Kontrahenten abverlangt. Sogar Tanzen wurde gefordert. Das ganze Dorf verfolgte mit Spannung, Spott und viel Gelächter die Bemühungen.
Als die Sonne den Zenith schon weit hinter sich gelassen hatte, gab es eine größere Pause. Nach dieser sollte der eigentliche Kampf beginnen. Stumpfe Langstöcke, waren alles was an Waffen erlaubt war und einige der Kämpfer übten sich damit schon etwas warm.

Jeng'a war hin- und hergerissen. Sie war geschmeichelt und beeindruckt, wie die Trolle sich mühten, litten, alles gaben, nur für diese eine Nacht mit ihr. Doch hatte sie auch Angst und bangte um den Ausgang. Mittlerweile waren nur noch acht über. Alle die vor Erschöpfung oder Beschwerden aufgaben, wurden mit freundlichem Spott von den Zuschauern in ihren Reihen aufgenommen. Besonders die Trollfrauen knüpften sich die armen Kerle vor. Wer jetzt schon aufgäbe, würde eine Nacht mit einer Troll in Hitze sowieso nicht durchstehen. Sie könnten sich also glücklich schätzen, jetzt schon ausgeschieden zu sein. Behauptungen, die fröhliches Gelächter und wilde Diskussionen und Angebereien hervorriefen.

So waren tatsächlich nur noch die Erfahrenen übriggeblieben.
Yukko hatte sich wacker geschlagen, aber man konnte ihm die Anstrengungen ansehen. Auch Keleku war noch dabei, wie Jeng'a mit flauem Gefühl verfolgte. Jeder Trollfrau in diesem Stamm wurde zwar das Recht zugeschrieben, jeden Troll der sie gegen ihren Willen nahm, zu töten, doch ausführen musste sie es selber. Wieder und wieder fühlte sie deshalb, ob das kleine, aber scharfe Messer noch an seinem Versteck war. Aber ob sie es gegen einen so starken Krieger wie Keleku zum Einsatz bringen könnte, war mehr als unsicher. Trotz des Trainings, dass sie mit Jima für solche Fälle absolviert hatte. Es blieb alles an Yukko hängen. Der Jüngste der Übriggebliebenen.

Und dann war es endlich soweit.
Ma'ko'jin gab das Zeichen und alle versammelten sich um einen freien, staubigen und kreisrunden Platz. Die Kandidaten betraten diesen Kreis. Alle aufrecht und einander wachsam beobachtend. Einige liessen die Langstöcke in ihren Händen kreisen, andere hielten sie ganz ruhig in der Hand während sie sich in einem Kreis aufstellten. Gleichzeitig würden sie kämpfen. Bis nur noch einer übrig blieb. Man konnte beobachten, wie einige mit Blicken versuchten Bündnisse zu schmieden. Bündnisse, deren Einhaltung keiner trauen würde. Hier war alles gefragt. Kraft, Schnelligkeit, Wachsamkeit und noch mehr.

Ma'ko'jin reichte Jeng'a einen großen Schlegel und wies auf den großen Gong der neben ihnen aufgerichtet war. Stille kehrte ein. Die Luft begann sich mit Spannung aufzuladen. Jetzt und hier würde sich alles entscheiden. Jeng'as Angst verschwand. Auf einmal zählte nicht mehr wie es ausgehen würde. Adrenalin breitete sich im ganzen Dorf aus. Sie holte aus und schlug den Gong mit aller Kraft die sie aufbringen konnte. Noch bevor er gänzlich verklungen war, setzten die Trommeln ein und der Kampf, nein, die Kämpfe, begannen.

Erst wusste Jeng'a gar nicht wohin sie schauen sollte.
Überall krachten die Stöcke aufeinander, wurden gestochen und gestoßen, wurde ausgewichen, pariert und Angriffe ausgeführt. Schon lagen die ersten Trolle mit schmerzverzerrten Gesichtern im Staub und gaben das Zeichen der Aufgabe.
Alles ging sehr schnell. Eben hebelte Yukko einem die Beine unter dem Leib weg, da packte Keleku den Stock eines anderen und zog diesen mit Wucht an sich heran. Der fand keine Zeit mehr auszuweichen und Kelekus Stirn krachte gegen das Nasenbein des verdutzten Trolls der darauf hin benommen zusammensackte.
Jetzt, im Besitz von zwei Stöckern schleuderte er einen in Richtung Yukko. Dem blieb die Luft weg, als der ihn zwischen den Rippen traf. Ebenso wie Jeng'a.
Der Troll den Yukko eben noch zu Boden gebracht hatte, sprang auf und wollte sich auf ihn stürzen, doch ehe er seinen Plan ausführen konnte, war Keleku schon bei ihm, packte ihn, hob ihn hoch und warf ihn aus den Kreis und damit aus dem Rennen. So blieben nur noch Yukko und er.

Yukko erhob sich mühsam. Keleku legte den Kopf schief und sah ihn spöttisch an. "Ein Krieger und ein Jäger bleiben also übrig. Blöd, dass der Jäger sein Reptil nich dabei haben darf, was?" Die Stimme voller Hohn. Yukko antwortete nicht, stand jetzt aber wieder schmerzhaft atmend auf den Beinen.
Keleku liess nicht locker. "Schon blöd, dass du nicht in Überzahl antreten darfst, wie du's gewohnt bist, oder? Kannste überhaupt alleine, du Feigling? Was los, Zunge verloren? He! Das macht nix, wirst sie heute eh nich brauchen." Keleku lachte dreckig.
Yukko griff nach einem Stock der in seiner Nähe lag. Dann schaute er zu dem älteren und erfahrerenen rüber. "Is kein Wunder, dass ausgerechnet du immer wieder bei den Hitzekämpfen mitmachst. Anders würdest ja doch nie ne Troll in dein Lager kriegen. Nich ma mein Raptor würde es mit dir tun." Er spuckte aus.

Kekelu wurde weiss im Gesicht. "Du Haufen Ogerdreck, dich mach ich fertich."
Und damit sprang er nach vorne und hieb zu. Als der Hieb daneben ging fluchte er und stiess mit gewaltiger Kraft wie mit einem Speer in Yukkos Richtung. Der wich aus, drehte sich mit, packte aber mit beiden Händen, einschließlich des Stockes der schon im seinen Besitz war, den von Keleku und riss in Stossrichtung den Stock mit. Keleku kam ins Straucheln und musste um nicht zu stürzen seinen loslassen. Nun, mit beiden Stöcken in den Händen, wirbelte Yukko weiter herum und ließ den jetzt doppelten Schaft mit einem lauten Schrei gegen dessen Kopf krachen. Keleku ging zu Boden und rührte sich nicht.

Der Stamm tobte und jubelte.
Einen großartigen Kampf hatten sie zu sehen bekommen. Doch niemand konnte glücklicher sein als Jeng'a selber. Yukko! Er hatte es tatsächlich geschafft! Fast wäre sie zu ihm gelaufen, da stoppte sie eine nur allzu bekannte Stimme.
"Halt!" donnerte es. "Ich fordere Yukko heraus." Der gesamte Stamm drehte sich zur Stimme um, Verwirrung, Entsetzen und Unglauben in allen Gesichtern. Zej'un betrat mit großen Schritten den Kampfplatz.
1 Like
Teil 5

Kapitel 12

Schlingendorntal


Dem ganzen Stamm stand der Mund offen. Niemand wusste etwas zu sagen, so ungeheuerlich und unvorstellbar war das, was Zej'un da forderte. War er wahnsinnig geworden?

Der Schamane stellte sich Yukko gegenüber. "Los" sagte er nur.
"NEIN!" Ma'ko'jin stellte sich zwischen den beiden, auf sein Zeichen hin sammelten sich Krieger links und rechts. "Das is gegen die Regeln. Is dir das nich klar?"
"Ich folge dem, was die Geister mir flüstern. Das is die Regel für Schamanen. Was die Geister sagen is alles. Alles." Seine Augen funkelten. "Zej', Jeng'a is deine Tochter. Das is Tabu. Bist du 'n Tier? Komm zur Vernunft." Doch der Schamane blieb unbeirrt. "Ja, es is Tabu, Aber ich werde den Akt mit ihr nich vollziehn. Jeng'a bleibt unangetastet."

Jeng'a wurde blass. So wollte er also seinen Willen durchsetzen. Und sie hatte sich schon gefragt, warum ihr Vater so schnell beigegeben hatte.
"Dann kämpfe ich eben auch gegen ihn" sagte Yukko tapfer, allerdings sah er nicht danach aus, einen weiteren Kampf durchzustehen. "Narr" fauchte Ma'ko'jin. "Er zerpflückt dich bevor du deinen Arm auch nur angehoben hast." Er wandte sich wieder Zej'un zu. "Zej', ich als dein Jin befehle dir dich wieder hinzusetzen und das Ergebnis zu akzeptieren. Die Loas haben durch diesen Kampf gesprochen. Das weisst du ebenso gut wie wir alle. Das anzuzweifeln wäre Lästerung."
Die beiden starrten sich an. Inzwischen kam Keleku langsam wieder zu sich, sah sich um und versuchte aus der Situation die sich ihm darbot schlau zu werden. Die Unruhe unter den Trollen wuchs.
Endlich bewegte sich Zej'un. Er senkte den Kopf und murmelte mehr zu sich selbst. "Also gut, dann soll es so sein." Er hob wieder den Kopf, sah sich um und schloß die Augen. Seine Lippen bewegten sich und plötzlich gab es ein kurzes Rauschen, dass mit einem dumpfen Geräusch endete und einer der Trolle, die sich um ihn aufgestellt hatten, fiel zu Boden. Im Rücken ein komplett rot gefärbter Speer. Für einen Atemzug reagierte niemand. Dann brüllte Ma'ko'jin aus voller Lunge. "BLUTSKALPE!!!" Chaos brach aus.

Die Blutskalpe hätten kein geeigneteren Zeitpunkt wählen können um die letzten Splitterspeertrolle im Schlingendorntal anzugreifen. Es gab keine Warnung von den wenigen Wachen, die jetzt wahrscheinlich mit durchtrennten Kehlen auf ihren Posten lagen. Alles rann durcheinander, auf der verzweifelten Suche nach Waffen. Ma'ko'jin rief Befehle und griff sich einen der Wettkampfstöcke, zog sein Messer und mit wenigen Hieben machte er ihn spitz.
Es dauerte eine Weile bis der Stamm bewaffnet war und es wäre böser ausgegangen, wenn nicht Zej'un gewesen wäre. Schrecklich war sein ohnehin schon entfachter Zorn. Seine Kettenblitze schlugen verheerend in die Gruppen von Blutskalpen ein und hinterliessen verkohlt stinkende Leichname. Da wo er seine Totems setzte, bebte die Erde und aus einem fuhr Feuer unter die Angreifer.

Auch Num'a brauchte keine Waffen. Von Rhunoks Geist erfüllt stellte sie sich vor den Welpen und Alten. Das alles gab dem Stamm Zeit sich Waffen zu verschaffen. Jeng'a sah wie Jimas Tigerin einem Blutskalp das Genick burchbiss und der Bogen ihrer Herrin sang. Für sie war allerdings weit und breit kein Bogen in Reichweite. Hektisch sah sie sich um.
Plötzlich sah sie wie ein Blutskalp mit komplett rot angemaltem Gesicht, sich zwei kämpfenden Trollen näherte. Voller Schrecken erkannte sie Yukko als einen der Kämpfenden, der, als er gerade seinen Gegner erledigte, dem sich näherndem Blutskalp den Rücke zukehrte. Mit einem Schrei lief sie los, doch bevor sie die Gruppe erreichte, stieß der Rote seinen Speer schon tief in Yukkos Rücken. Ein Blutschwall ergoß sich aus Yukkos Mund und er sackte zusammen.

"NEIN!!!"
Das konnte nicht sein! Durfte nicht sein. Ohne nachzudenken griff sie zu dem Messer, dass für Keleku gedacht war, hätte er das Turnier gewonnen und rannte los. Als der Schädelspalter sich aufrichtete und seinen linken Fuß auf Yukkos Leib setzte, um sein Speer aus dem schlaffen Körper zu ziehen, sprang ihm Jeng'a auf den Rücken. Mit einer Hand griff sie in dessen Haare und riss seinen Kopf zurück, verbiss sich in seinen Hals und stach mit ihrem kleinen, aber scharfen Messer wieder und wieder in seine Brust.
Erst versuchte er sie zu packen, dann ihre Messerhand zu erwischen, aber seine Bewegungen wurden unkontrollierter, bis seine Arme im Todeskampf einfach nur um sich schlugen. Jeng'a bekam es nicht mit. Alles was sie sah, war wieder und wieder wie sich der Speer durch Yukko bohrte. Wieder und wieder. Und ebenso stach sie auf die Brust des Blutskalps ein. Wieder und wieder.

Der Kampf war so schnell vorüber wie er über den kleinen Stamm gekommen war. Sie hatten die feindlichen Trolle in die Flucht schlagen können, aber zu was für einen Preis. Trolle waren tot oder lagen im Sterben. Ma'ko, ihr Jin, war bewusstlos und alle Versuche ihn zu wecken waren bisher erfolglos.
Fast alle waren verletzt und Num'a und einige anderen kümmerten sich um sie. Zej'un hatte ein Hieb ins linke Bein bekommen und ein Arm hing schlaff herab. Jeng'a mussten sie von ihrem schon lange toten Feind mit sanfter Gewalt lösen. Und erst als Num'a zu ihr kam, hob sie den Kopf und sah mit tränenverschleierten Augen zu ihr hoch. "Yukko?" war alles was sie sagte, ein letzter Funken Hoffnung in ihren Augen. Doch als Num'a nur stumm den Kopf schüttelte, brach etwas in ihr entzwei und alles wurde schwarz.
1 Like
Teil 5

Kapitel 13

Schlingendorntal


"Wo is er?"
Es waren ihre ersten Worte, als sie endlich erwachte. Sie stützte sich auf ihre Arme und drückte sich hoch. Die alte Troll die gerade bei ihrem Nebenmann Wunden versorgte, blickte zu ihr. "Bleib liegen. Du bis zu schwach."
"Wo is er?" wiederholte sie. "Ich will zu ihm." "Das hat Zeit, der rennt nich wech. Nich mehr. Leg dich wieder hin."
Wüst fluchend stand Jeng'a schwankend auf und drohte wieder hinzufallen, aber starke Arme griffen ihr plötzlich wie aus dem Nichts unter die Arme und stützte sie. "Komm. Ich bring dich hin." Jima schälte sich ein Gedanke aus der Schwärze. "Jima!" "Ja, ich bins. Langsam. "Ich will zu ihm. Sofort. Bitte!" Jima antwortete nicht sondern führte sie still zum Dorfmittelpunkt.

Dort lagen in einer Reihe aufgebahrt die Verluste, die der Angriff der feindlichen Trolle ihnen geschlagen hatte. Gleich fand sie Yukko. Zu seinen Füßen sank sie nieder. Heller war er, als ob es keinen Tropfen Blut mehr in ihm gab.
Lange starrte sie ihn an. Sie verspürte nichts, nur eine tiefe Leere. Langsam kam sie wieder zu sich. Ihre Augen flogen über die anderen Leichname.
"Was is mit Taih? Is er ..." "Deinem Bruder geht es gut. Er ist unversehrt und bei Zej'un, hilft ihm." "Num'a?" "Is im Dschungel, Medizin sammeln, die vielen Verletzten ham alle Vorräte verbraucht. Auch sie is ok" fügte sie sie noch hinzu, als Jeng'as Blick fragend blieb.
Kurz berichtete Jima über alles wichtige. Ma'ko'jins Geist war nach wie vor in anderen Welten unterwegs. Tengu, seine rechte Hand war tot. Ihr Vater, Zej'un spielte sich jetzt als Vertretung auf, aber viele im Stamm trauten ihm nicht. Sein Auftreten am Ende der Hitzefestkämpfe hatte die meisten Trolle verstört. Im Stamm herrschte Unruhe.

Jeng'a hörte zu, liess aber nicht die Augen von Yukkos Leiche. Zej'un hatte noch nie viel Vertrauen genossen. Respekt, Ehrfurcht, ja, aber Vertrauen? Nachdem Jima geendet hatte, saßen beide schweigend da. Erinnerungen stiegen auf. Ihre erste richtige Begegnung, damals als Yukko für einen Nachmittag den Bogenunterricht übernahm. Das waren jetzt fast drei Regenzeiten her, aber wenn sie sich daran erinnerte, konnte sie noch immer seine Hände auf ihren Rücken spüren. Wie es wohl gewesen wäre, wenn ...
Ein kehliger Klagelaut löste sich aus ihrem Inneren. Der Schmerz übermannte sie und laut schrie sie seinen Namen heraus.
Von einem Augenblick zum anderen wurde sie wieder still.
Mit versteinerter Miene stand sie auf und drehte sich zu Jima um. "Wo ist sein Mörder?" Ihre Stimme war kalt. Statt zu antworten drehte sich Jima einfach um und ging zum Rande des Dorfes. Jeng'a folgte ihr.

Viele Blicke lagen auf der Tochter des Schamanen, wie sie durchs Dorf schritt. Und nicht wenige waren unfreundlich. Einige machten hinter ihrem Rücken Abwehrzeichen und viel wurde getuschelt und gezischt. Schlechtes Mojo läge über Zej'un und seiner Tochter. Es wäre kein Zufall, dass die Loas genau in diesem Moment die Schädelspalter geschickt hätten. War das nicht ein deutliches Zeichen? Hatte er nicht Mudra, seine Frau, im Zorn erschlagen?
Einige sahen die Ursache für alles Übel in der Fremden, dieser Drakkari, die fremden Loas huldigte. Bestimmt war es ihrem Einfluß zuzuschreiben, dass die Loas sich gegen Zej'un und seine Familie stellten. Andere wiederum meinten jetzt, dass das alles die Strafe dafür wäre, dass sie nicht mit den anderen Splitterspeeren übers große Meer gegangen waren.

Von all diesem bekam Jeng'a jedoch nichts mit. Mit steinernem Herzen folgte sie Jima zu dem Platz, an dem die Leichen der Blutskalpe lagen. Einigen fehlten bereits die Köpfe oder einige Innereien. Die Tradition des rituellen Verzehr von Teilen ehrbarer Feinde war in diesem Stamm ebenso lebendig, wie das Anfertigen von Schrumpfköpfen. Jeng'as Gegner war schnell gefunden. Mit zerbissener Kehle und durchlöcherter Brust war er leicht zu erkennen. Mit kalten Augen sah sie auf ihn herunter.

"Dein erster besiegter Feind. Du kannst sein Kopf nehmen. Oder sein Herz essen. Es liegt viel Kraft im ersten Feind." "Ich verliere einen ersten ..." sie zögerte kurz, "... Freund und kriege einen ersten Feind?" Ihr Ton war bitter. Jeng'a lachte kurz und freudlos bevor sie weitersprach. "Sein Kopf nehmen? Und immer an diesen Tag erinnert werden?"
Jima sah sie an. "Ja. Damit du nie vergisst, dass es Yukko war. Und ein Blutskalp der ihn hinterrücks durchbohrte. Wie könntest du das vergessen wollen?"
Jimas Augen wurde zu schmalen Schlitzen. "Wie könnte ich das vergessen?" "Viel Wasser fliesst mit der Zeit ins Meer. Verdünnt sich und spült vieles mit, was einst als fest galt. Würdest du das wollen?" "Ich werde es nie vergessen" beharrte Jeng'a. "Willst du es wirklich riskieren? Versuche nich das Schicksal. Oder wars Yukko nich wert?" Jima zog ihr langes Jagdmesser und hielt Jeng'a den Griff hin. Jeng'a wusste nichts zu antworten und blickte tief in die Augen der älteren Troll. Schließlich nahm sie wortlos das Messer entgegen und machte sich ans Werk.
1 Like
Teil 5

Kapitel 14

Schlingendorntal


Kurz vor Zej'uns Hütte kam ihr Taih entgegen.
Kaum dass er sie gesehen hatte, rannte er los und umarmte sie stürmisch. "Es is wahr, du bis unverletzt. Den Loas Dank."
Fester und länger als üblich drückte sie ihren kleinen Bruder an sich. "Das könnt ich dir auch sagen, kleiner Bruder." Ungeduldig befreite er sich aus ihren Armen. "Ich bin nich mehr klein. Bald habe ich zehn Regenzeiten gesehen. Taifun is fast nen Mann." Er machte sich so groß wie es ging. "Taifun?" Jetzt musste sie doch sogar schmunzeln, trotz allem was geschehen war. "Ja maan. Weisst noch, der Wind? Piuhhhh." Er bewegte seine Hände schnell von links nach rechts.
Auf einmal bekam er große Augen. "Haste gesehn? Wie seine Blitze die Blutskalpe niederstreckten? Zzzzzzap-zzzzzzzzzap-zzzap-zzzzap"
Seine Hände zuckten wild durch die Gegend. Sein Blick kehrte zu ihr zurück und seine Augen wurden noch größer. "Die andern sagen, du hast auch ein erwischt. Is das wahr?" Sofort wurde sie wieder ernst. "Ja, isses."
Sichtlich schwer beeindruckt machte er einen Schritt zurück. Sie mochte nicht darauf eingehen. "Is Vater da?" "Ja, sein Arm und nen Bein is verletzt. Is aber gut drauf. Hat auch nach dir gefragt. Willste hin?" Sie nickte. Er klatschte in die Hände. "Fein. Bin auch bald wieder da, muss Zeugs holen. Aber geht schnell. Taifun, weisste?" Grinsend schoß er los. Kurz sah sie ihm hinterher. Dann drehte sie sich um und ging weiter.

Zej'un saß auf einer Matte, den rechten Arm in einer Schlinge, in der gesunden Hand eine Trinkschale. Er war tatsächlich auffällig gut gelaunt. Eine Stirnfalte bildete sich auf ihrer Stirn. Als sie die drei Stufen hinauf ging blickte er zu ihr hin. "Gut. Genau rechtzeitig. Wir machen mit dem Unterricht weiter. Setz dich. Wo warn wir stehngeblieben?"
"Waaas!?" Völlig entgeistert starrte sie den Schamanen an.
"Das nich dein Ernst. Weisste nich was passiert is?" Er sah sie an und zuckte mit den Schultern. "'ne Schlacht, und? Das hier is der Dschungel. Kämpfen is Teil unsras Lebens. Also was is?" "Yukko is tot." Es fiel ihr schwer diese entsetzliche Tatsache auszusprechen.
Zej'un war geradezu aufreizend ruhig. "Der Gewinner is tot, s'gibt kein Hitzetanz, also machen wir weiter." Jeng'a war sprachlos. Als sie begriff, dass es ihm ernst war, kochte Wut in ihr hoch. "Wie kannste nur so ..." rang sie um Worte.
Nun blitzte es auch in seinen Augen. "Hör auf dich wie'n Welpe zu benehmen und reiss dich zusamm. Trolle sterben. Manche früher manche später. Um einige isses schade, um andre weniga. Oder geht's dir um das Paaren? Vergiss es. Wir ham wichtigeres mit deiner Kraft vor. Hörst du? Vergiss es!"
Jeng'a stand da und wusste nich wohin mit dem was Zej'uns Worte mit ihr machten. Am ganzen Körper zitternd, jede Faser ihres Körpers eine Mischung aus Zorn, Scham und wachsendem Hass, schrie es aus ihr schließlich raus. "NIEMALS!!! Du ... du ..." Mit einem weiteren Schrei wirbelte sie herum und rannte weg.
Sie wusste nich wohin, sie wollte nur weg. Zej'un rief ihr etwas hinterher, aber sie verstand nicht was, wollte es nicht verstehen, wollte diese Stimme nie wieder hören. Sie wollte nur laufen.

"Jen! Warte!"
Num'as Stimme ließ sie innehalten. Neben ihr tauchte die Drakkari auf, einen großen Beutel mit Heilpflanzen auf dem Rücken. "Wo willste hin? Isses wegen Yukko?" Jeng'a fiel geradezu in die Arme ihrer Ziehmutter. "Nein, ja, nein, Zej' ..." Num'a ließ sie zur Ruhe kommen und hörte sich alles genau an. Nach dem Erlebnis war die junge Troll lange rastlos einfach umhergelaufen.
"Jen, hör mir genau zu, das ist wichtig jetzt." Sie packte die junge Troll bei den Schultern und sah sie mit sorgenvollem Gesicht an. "Du musst weg von hier. Dringend. Du weisst nicht wie er in solchen Sachen is. Solange er noch verletzt ist, is es möglich. Du willst doch nich sterben, oder?" "Sterben? Ich bin seine Tochter, er würde nie ..." "Nein? Bis du da sicher? Wenn er nun wirklich begreift, dass de niemals Schamanin wirst, wird sein Zorn unglaublich. Un es wäre nich die erste Troll aus seina Familie die er aufm Gewissen hätte."
Die Drakkari machte eine Pause, sagte dann nur ein Wort: "Mudra." Jeng'a starrte sie entgeistert an. "Wa... woher weisst du ...?" "Quellen. Vertrauenswürdige Quellen" betonte sie noch. Sie schüttelte sie leicht. "Jen, du bist nicht mehr sicher. Du musst gehen. Morgen, übermorgen, morgen is besser. Noch wird er glauben, dass du zur 'Vernunft' kommen wirst und nix tun."
Jeng'a fühlte sich überrumpelt. "Aber wie und wohin?" "Lass mich darum kümmern. Pack du deine Sachen und halt dich morgen früh bereit. Und sprich mit niemanden darüber, nichmal mit Taih." "Taih ..." sagte Jeng'a leise.

Noch begriff sie gar nichts.
Nicht die Wende, die alles auf einmal nahm, noch erfasste sie was das alles bedeutete. Selbst das Geschehen vom gestrigen Tag war noch wie ein Alptraum. Wie sollte sie dann das Jetzt fassen?
Num'a drückte sie wieder an sich. "Kleine Jen, du schaffst das. Ich weiss das. Möge Rhunoks Segen über dich wachen." Sie drückte ihren rechten Daumen auf Jeng'as Stirn und ihre Lippen bewegten sich.
"Was soll das heissen? Sehn wir uns nicht mehr?" Jeng'as Stimme klang erschreckt. Num'a schüttelte den Kopf. "Nein. Es is besser, wenn es so scheint, dass ich nix damit zu tun hätte. Du weisst nich wie er sein kann." Ihr Gesicht verzog sich schmerzhaft. "Dann komm mit. Lass uns zusammen weggehen."
Hoffnung flammte in der jungen Troll auf. Doch wieder schüttelte Num'a den Kopf. "Nein. Noch nich. Taih. Ich hab nen Eid geschworen euch zu schützen. Und du bis jetzt erwachsen. Taih braucht mich noch." Jeng'a schnaubte. "Er mag dich nich besonders." "Das is egal. Schwur is Schwur."
Die Drakkari nahm das Gesicht der Jüngeren zwischen ihre schwieligen Hände. "Ich verspreche dir, wenn er alt genug is, werde ich auch gehn. Halte in den tiefen Wäldern dieser Welt nach einer alten Bärin ausschau." Sie zwinkerte Jeng'a zu und küsste sie dann auf die Stirn. "Leb wohl. Wir riechen uns. Irgendwann. Mögen die Geister mit dir sein."

Und mit diesen Worten drehte sie sich um und liess Jeng'a stehen. Allein. So allein, wie diese sich noch nie vorher gefühlt hatte.
1 Like
Teil 5

Kapitel 15

Schlingendorntal


Der Tag brach an wie jeder andere zuvor und scherte sich nicht um das was geschehen war. Heute würden die Toten für die Mumifizierung präpariert werden und dann würden die Totenfeiern beginnen. Noch war es sehr früh und bisher waren nur wenige Trolle zu sehen.
Jeng'a hatte miserabel geschlafen. Dass sie überhaupt geschlafen hatte, verdankte sie nur der großen Erschöpfung. Jedoch wachte sie immer wieder auf, von Albträumen geplagt, so dass sie irgendwann fast dankbar war, nicht schlafen zu können.

Jetzt stand sie vor ihrer Hütte, und schaute ratlos umher.
Num'a hatte gesagt, sie werde sich um alles kümmern. Aber um was genau?
Dort hinten gingen ein paar Trollfrauen Wasser holen. Ein Troll entfachte das zentrale Dorffeuer zu neuem Leben und dort ging Ran'gun, der älteste und erfahrenste der Stammesjäger, früh auf, wie immer, und führte ein gesattelten Reitraptor über den Dorfplatz. Doch es war noch früh und noch nicht sehr viele Trolle auf den Beinen. Also nichts was irgendwie ungewöhnlich erschien.
Sie drehte sich herum, ob sie vielleicht etwas übersehen hatte. Einen Hinweis, ein Zeichen, irgendetwas. Fast kam sie sich blöd vor, mit ihrem kleinen gepackten Beutel. Nicht viel, nur das was sie für das Nötigste hielt. Wenn nur ...

"Taz Jeng'a. Auch früh auf, wie ich sehe."
Sie drehte sich wieder um und sah Ran'gun mit dem Raptor jetzt vor ihr stehen. "Taz Ran'gun" erwiderte sie und beugte den Kopf respektvoll. "Ich komm im Namen der Jäger. Es tut uns Leid. Wir vermissen ihn auch."
Sie musste schlucken, sah den Schmerz in seinem zerfurchtem Gesicht. Mehr als ein angedeutetes Nicken brachte sie jedoch nicht zustande. Der Alte seufzte. "Er war ein guter Jäger." Seine freie Hand griff in einen stark gepolsterten Beutel der am Geschirr des Raptoren befestigt war. Vorsichtig hob er ein Raptorei heraus. Das Raptorei! Sie hatte es schon vergessen. Ran'gun reichte es ihr. "Nimm schon. Es is deins. S'war sein Geschenk an dich, für den Fall dass er siegt. Und gesiegt hat er. Egal was andere sagen" fügte er noch leise hinzu.

Sie nahm es ihm vorsichtig aus den Händen. "Da ... danke dir, euch allen." Der Jäger winkte ab. "Nicht für etwas, was dir eh gehört." Seine Augen schnellten kurz über den Dorfplatz. Plötzlich schien er es eilig zu haben.
"Noch etwas. Du weisst, dass mit dem Tod eines Jägers sein Tier ihn auch in die Geisterwelt folgen muss?" Sie nickte. "Deshalb wird sein Raptor sterben müssen. Doch das gildet nicht für sein Reittier." Er tätschelte den Raptor an seiner Seite den Hals und sah sie auf einmal ganz merwürdig an. "Ein prächtiges Tier, besonders seine H-a-l-s-m-u-s-k-e-l-n." Er betonte das letzte Wort ganz langsam, weiterhin mit dem komischen Blick.
Verwirrt schaute sie dorthin, wo Ran'gun immer noch den Raptor tätschelte. Da waren Muster, die ungewöhnlich waren, anders als die restlichen Haut des Reptils. Sie zog die Augenbrauen zusammen, nicht verstehend, was das ganze sollte, da erkannte sie endlich, das es keine Muster waren, sondern kleine Piktogramme. Das erste war das Zeichen von Jima. Dann folgten die Symbole für Dschungel und Fluß.
Sie hätte noch weiter darauf gestarrt, doch Ran'guns Stimme, jetzt wieder ganz normal, riss sie wieder ins Hier und Jetzt. "Deshalb ham wir Jäger gedacht, dass du auch seinen Reitraptor bekommen sollst. Hier nimm schon die Zügel. Sie is jetzt dein. Sie heisst Kuyenda." Er drückte ihr die Zügel in die Hand, grüßte kurz und verschwand.
Zu verdattert um ihm zu danken stand sie sprachlos da. Dann steckte sie das Ei wieder in den gepolsterten Beutel. Sie wusste jetzt, was zu tun war.

Sie griff sich ein Stück weiches Leder, spuckte darauf und rieb damit die Piktogramme ab. Dann führte sie Kuyenda ein wenig hin und her. Sie schien sie zu akzeptieren und würde anscheinend keinen Ärger machen.
Schnell fing sie an ihre wenige Habe am Sattel des Raptors zu befestigen. Sie war fast fertig als das passierte, was sie am meisten gefürchtet hatte. Zej'uns Stimme schallte über den Dorfplatz.
"Jeng'a! Was tust du da? Was soll das ganze?" Kurz blickte sie über ihre Schulter und sah wie der Schamane mit einer Krücke unter seinem gesunden Arm mühselig in ihre Richtung hinkte.
Sie antwortete nicht, zog den Bauchgurt auf dieser Seite nach und wechselte die Seite. Mittlerweile war Zej'un auf Höhe des Dorffeuers gekommen, schwer atmend und immer noch viele Trolllängen entfernt. "Woher hast du den Raptor?" "Von Yukko" rief sie nur und stieg auf.
Zej'un sah das Gepäck an dem Raptor und riss seine Augen auf. "Warte! Was hast du vor? Du kannst nich ..." Beim Versuch schneller an sie heranzukommen stolperte er, schlug hin und fluchte wüst. "Jeng'a!" kreischte er. "DU BLEIBST!" Wild blickte er um sich. "Unternehmt was ihr Schwachköpfe! Haltet sie fest. TUT was!"
Doch alle die da waren, auch die, die bei dem Lärm heraus gekommen waren, taten nichts, ausser sich abzuwenden und wieder in ihren Hütten zu verschwinden. "JENG'A" Sie gab dem Raptor mit den Hacken ein Zeichen und setzte sich zügig in Bewegung.
Sein Zorn entflammte, doch war er nicht in der Lage irgendetwas wirkunksvolles zu tun. Mit Schaum vor dem Mund spuckte er Gift und Galle. Das letzte was sie von ihm sah, bevor sie sich umdrehte und aus dem Dorf hinaus galoppierte, war, wie er mit hochrotem Gesicht im Dreck lag und Verwünschungen ausstieß.
Doch auch so, war seine Macht noch groß. Ein Wind kam auf, schien mit dem lichterloh brennenden Feuer zu kämpfen. Die Erde um ihn herum bebte und vibrierte. Doch es war keine gebündelte und beherrschte Kraft, nur Ausdruck seines geradezu irrsinnigen Zornes. "JEEEEEEEEENG'AAAAAAAAAAA!" erklang es noch einmal, schrill und mißtönend.
Verzeih mir dachte sie nur. Verzeih mir. Bitte kleiner Bruder, verzeih mir. Dann verschluckte sie der Dschungel.
1 Like
Teil 5

Epilog

Schlingendorntal


Jima wies flußaufwärts.
"Etwas weiter oben gibt es eine Furt. Aber sei vorsichtig. Dort wimmelt es von Krokolisken. Ausserdem wirst du am Nordufer auf Oger treffen. Bis du erst einmal drüben, halt dich wieder flußabwärts. Wenn du's erstmal bis ans Meer geschafft hast, wird's wahrscheinlich ruhiger. Von dort aus halte dich nordwärts. Aba sieh dich vor, irgendwann wirste auf ne Trollruine treffen, in der die dreckigen Blutskalpe jetzt sitzen. Überhaupt ist wahrscheinlich die ganze Küste im Norden voll von dem Pack. Das der schwierigste Teil, wenn de mich fragst. Heil an den vorbeikommen. Haste das geschafft, halte deinen Blick immer westwärts. Die Insel Yojamba sollte sogar bei schlechtem Wetter zu sehen sein. 's heisst, dass dort Zandalari jetzt sind. Sie sind die einzigen hier im ganzen Schlingen, denen du, mit Glück, vertrauen kannst."
Sie drehte sich wieder Jeng'a zu. "Ich weiss nich, wie du dort hinüber kommen kannst, aber diesa Weg is der einzige, der irgendwie Sinn macht. Alle Splitterspeere sind wech. Genau wie die Dunkelspeere."

Jeng'a blickte flußabwärts, wo sich der Strom irgendwann mit dem Meer verband. "Willste nich mitkommen" fragte sie, doch ohne echte Hoffnung. Und wie sie erwartet hatte, schüttelte Jima ihren Kopf.
"Nein. Mein Platz is immer noch bei den anderen. Tut mir Leid." Mit hängenden Kopf seufzte die Jüngere. Dann sah sie wieder auf.
"Erklärst du es Taih? Er wird's nich verstehen. Noch nich. Vielleicht eines Tages? Es wär mir wichtig." Jima blickte sie verschmitzt an. "Klar maan. Vielleicht sogar genau hier. So in drei oder vier Jahren," fügte sie noch breit grinsend hinzu. Jeng'a grinste zurück. "Dann weiss ich ihn in guten Händen."

Für einen kurzen Moment schwiegen und lächelten beide in sich hinein.
"Gut." Jima atmete tief durch. "Ich muss zurück, bevor einer Verdacht schöpft. Die Stimmung wird eh mies sein. Ich hoffe nur, dass Ma'ko bald wieder aufwacht und seine Rolle als Jin wiederaufnimmt. Sonst seh ich schwarz für die letzten Splitterspeere im Schlingendorntal. Aber soll dich jetzt nicht kümmern. Sieh zu dass ich dich beim nächsten Treffen unversehrt vorfinde. Haste das Ei mit?"
Jeng'a nickte und wies zu den Satteltaschen auf jetzt ihren Reitraptor. "Gut das." Jima packte Jeng'a an einem der Hauer und schüttelte sie daran. Sie umarmten sich kurz aber drängend.
"Danke. Danke für alles." "Ach was. Alles gut maan." Jeng'a ging zur Tigerin rüber und kraulte sie unter dem Kinn. Länger als üblich. "Jen?"
Jimas Stimme klang leicht belustigt und betrübt zugleich. Wieder war es Jeng'a die tief seufzte. "Ja maan, hast ja recht." Sie ließ von der Tigerin ab und stieg auf Kuyenda. "Wir riechen uns, vielleicht." "Bestimmt. Mögen die Geistah mit dir sein." Jeng'a gab dem Raptor das Zeichen sich in Bewegung zu setzen.
"Jen?" Der Raptor hielt an und Jeng'a drehte sich noch ein letztes mal zu Jima um. "Ja?" Jima trat an sie heran, zog ihr langes Jagdmesser und drückte es Jeng'a in die Hand. "Lerne."

Und als Jeng'a wendete und sich auf zur Furt machte, fügte sie noch leise hinzu, "aba stirb mir nich dabei."

ENDE TEIL 5

Das war der 5. Teil.
Im 6. Teil springen wir wieder in eine nähere Vergangenheit und knüpfen an der abgebrochenen Nordendfahrt an.
Die Wildherzen (und damit verstärkt andere Spielercharaktere) werden nun eine größere Rolle spielen.
Wie auch schon mal erwähnt, werde ich versuchen so achtsam wie möglich mit den entsprechenden Chars umzugehen.
Gerade bei den weit zurückliegenden Geschichten ist zum einen meine Erinnerung nicht 100%ig stimmig und an einigen Punkten habe ich es etwas ausgeschmückt, um einen sinnvollen Erzählstrang hinzukriegen.
Deshalb nochmal und ganz wichtig:
Sollte einer der kommenden Chars von mir unpassend dargestellt sein, bitte ich dringlichst darum, mir Bescheid zu geben und mich zu korrigieren, damit ich es entsprechend ändern kann und werde.

Auch wird es wahrscheinlich sein, dass die Abstände zwischen den einzelnen Kapiteln von jetzt an größer werden.
Während der eben vollendete 5. Teil, bereits vor einem halben Jahr fertig geschrieben wurde, stecke ich in dem kommenden Teil sozusagen noch mitten drin.
Ich weiss nicht, wie fix ich damit sein werden kann. Manchmal kriege ich wochenlang nichts hin, manchmal sprudeln 2 Kapitel an einem Tag heraus.
Wir werden sehen.

An dieser Stelle möchte ich mich auch noch bei allen bedanken, die mir mit positiven Feedback Mut gemacht haben dranzubleiben.
Ursprünglich nur als reines Privatvergnügen gedacht, fand ich es dann doch zu schade, sie nicht doch öffentlich zu machen.
Das es hier und da jemanden gibt, der sich die Mühe macht diese wachsende Geschichte auch zu lesen, freut mich deshalb natürlich sehr.
Dafür: DANKE !!!

Mögen die Geistah mit Euch sein, ey !
Teil 6

Prolog

Krater von Un'Goro


Langsam, so langsam, dass man kaum die Bewegung sah, verringerte sie die Distanz. Dann stoppte sie. Dichter an das Tier heran traute sie sich nicht. Dass sie es überhaupt so weit geschafft hatte, erfüllte sie mit Erleichterung, Stolz und Vorfreude. Sie hielt den Atem an. Ihr Blick war nicht direkt auf das Tier gerichtet, sondern ein winziges Stück daneben.
Ein alter Jägertrick. Würde sie das Tier direkt fixieren, die Aufmerksamkeit auf es bündeln, würde dieses es spüren und, je nach Temperament und Art, schnell die Flucht ergreifen. Besonders dieses Tier.
Noch schien es ahnungslos, aber Hyaena wollte genau den Augenblick abpassen, an dem es beginnen würde, sich Nahrung zuzuführen. Was es mit Sicherheit tun würde. obwohl es bereits aussah, als hätte es heute es dass heute schon bereits getan.

Da! Jetzt!
Für einen winzigen Augenblick zögerte die Troll, das Bild von viel Blut liess ihre Hand für nur eine Mikrosekunde zögern. Dem Tier reichte es und es entkam geradezu unverschämt leicht der herunterschlagenden Hand, die mit einem Klatschen auf den Oberschenkel der Troll landete.
Fluchend und frustriert blickte Hyaena der Stechfliege hinterher. Die Raubkatze die vor ihr lag und sie fixierte, zuckte mit den Ohren.

“Grins nicht so.“ Die Troll hatte es aufgegeben, die Blicke ihres Gegenüber zu deuten. “Woher willst du denn wissn, dass ich das grad tu?“ Jetzt war sich Hyaena sicher, dass Bhangrha grinste. “Ich weiss es einfach“ behauptete die Jägerin. Bhangrha legte den Kopf auf ihre Pfoten ohne den Blickkontakt abzubrechen. “Also 'ich' würde grinsen“ fügte Hyaena noch hinzu und liess den Blick umherwandern.

Wirklich weit sehen konnte man hier jedoch nicht. Das Schlingendorntal war eine Wüste im Vergleich zu dem hier. Eine unglaubliche Luftfeuchtigkeit sorgte dafür, dass sich alles doppelt so heiss anfühlte, überall ein Dunst in der Luft hing und, obwohl sie vieles abgelegt hatte, alles an Kleidungs- oder Rüstungsstücken unangenehm klebte und an der Haut scheuerte. “Dass de das aushälst, in dem Pelz ...“ Die Druidin gähnte ein ausgiebiges Raubkatzegähnen, was prächtige und scharfe Fänge zum Vorschein brachte. Dann legte sie sich auf die Seite, alle viere von sich gestreckt. “Katzen schwitzen nich so wie Trolle. Und die Fliegen versuchen erst gar nich zu stechen. Mir geht’s prima.“ “Offensichtlich“ seufzte die Jägerin.

Es war verrückt. So ganz konnte Hyaena sich selber nicht mehr folgen. Was machte sie eigentlich hier? Jagen, klar. Und zwar etwas ganz spezielles und viel größeres als diese lästige Stechfliege. Eine wahnwitzige Idee hatte sie zusammen mit der jungen Troll-Druidin hergeführt. Eigentlich hätte sie sich die Reaktion denken können, die auf ihren scherzhaft gemeinten Vorschlag folgte, sich das Gesuchte hier, fast am Ende des anderen Kontinents, zu besorgen. So gut kannte sie Bhangrha inzwischen.
Nun, sie hätten auch zusammen über die Idee lachen können und es bei einer Nummer kleiner belassen können. Aber die Zeit mit der anderen Troll war ein Garant für Spaß. Selten hatte Hyaena soviel gelacht und die Leichtigkeit die sie erfasste, wenn sie sich in ihrer Gesellschaft befand, tat ihr so unglaublich gut.
Und so kam es, dass sie dem abenteuerlustigem Glitzern in den Druidenaugen wieder einmal erlag und sich anstecken liess.
Sie betrachtete es als eine Art Urlaub von ihren Aufgaben und dem Bemühen, das Gold für das Mammut zusammenzukriegen. Doch jetzt hier im brühwarmen Krater, in dem sich eine einzigartige Flora und Fauna erhalten hatte, schien Nordend ferner als je zuvor, auch wenn ihr Gewissen immer wieder von neuem anklopfte.

Bei dem Versuch zu rekonstruieren, wie sich alles entwickelt hatte und es dazu kommen konnte, dass sie sich jetzt hier befanden, schweiften ihre Gedanken immer wieder ab. Es war einfach zu schwül um sich auf so entfernte Sachen zu konzentrieren. Dopppelt entfernt sogar, wenn sie zum zeitlichen Abstand noch die vielen vielen Meilen hinzunahm.
So kam es, dass sie zuerst gar nicht begriff, was die Erschütterungen zu bedeuten hatten. Als sie sich aufrichtete, traf ihr Blick dem der Druidin, den großen Katzenkopf erhoben und lauschend. Keiner sagte etwas. Hyaenas Hand tastete nach ihrem Bogen.
1 Like
Teil 6

Kapitel 1

Orgrimmar
(einige Zeit früher)


“Alles?“
Der Troll riss beide Augenbrauen hoch und drehte sich im Kreis. “Fast alles.“ Hyaena stand vor ihrer Bogensammlung, einen seltenen Knochenbogen in der einen Hand haltend, während die freie über die anderen Bögen in ihren Wandhalterungen glitt. Auch wenn sie wusste, dass sie sich von so viel wie möglich trennen musste, um genügend Gold zusammenzukriegen, es gab in ihrem Waren- und Beutelager so einiges, von dem sie sich nicht trennen mochte.
Beim Kennzeichnen von dem, was ihr Bruder alles verkaufen konnte, musste sie sich eingestehen, dass es geradezu albern wenig war und auf ein Neues ging sie die Kisten, Wandhaken und Regale durch. Dann, als ihr die Schnüre ausgingen und sie feststellte, dass es jetzt sinnvoller war, die Dinge die sie behalten wollte zu kennzeichnen, noch ein drittes mal.

“Puhuiiii“
Taih liess Luft durch seine geschürzten Lippen heraus. “Isses dir zuviel Arbeit?“ Hyaena legte den Knochenbogen zurück an seinem Platz und knotete auch um ihn ein Stück Band. “Bin ja auch da, machen wir doch zusammen.“
Ihr Bruder warf ihr einen deutlichen Blick zu, der sie, wenn sie ihn bemerkt hätte, beschämt hätte. Waren ihre Besuche doch nie von Dauer.
Er antwortete nicht und ging zu einer Rüstung aus vielen Drachenschuppen und legte dieser eine Hand auf die Schulter. “Du hast viel Zeit mit Taih verbracht, bist mächtig Freund mit Taih. Un hast immer gut Taih zugehört, weisste nun viel von Taih.“
Sie überging den Stich, den es ihr machte. Sie wusste, dass sie zuwenig für ihren kleinen Bruder da war. Wenn er jetzt schon Freundschaft mit all dem Zeugs machte, der hier lagerte...
Und wahrscheinlich hatte er sogar recht. Gut möglich, dass diese Rüstung da, mehr von dem wusste, was in dem Troll vorging, als seine eigene Schwester.
Die Rüstung ging ja auch nicht weg und war immer da. Ihre Stimmung wurde dadurch nicht besser.

Seit ihrer Ankunft aus Nordend, hatte sie viele Stunden hier verbracht, die Werte überschlagend, die hier herumlagen. Im Moment pendelte sie hauptsächlich zwischen Lager, Stallungen und Auktionshaus hin und her. Ständig war sie im Kopf am rechnen und entwickelte einen Hang zum knausern. Schon nach ein paar Tagen tauchte eine steile Stirnfalte auf und blieb.

Ihr Bruder beobachtete sie lange.
Schließlich hielt er es nicht mehr aus, ging und setzte sich an den Bach, der durch das Tal der Geister lief, schrieb den Namen seiner Schwester in das langsam dahinplätschernde Wasser und wartete auf Antwort. Als ihm klar wurde, dass der Bach nichts sagen wollte, zählte er seine Füße, machte einen Handstand und tanzte erst einmal. Dabei kamen ihm immer die besten Ideen.
Und tatsächlich, auf einmal jubelte und lachte er. “Taz'Dingo! Ja maan! Na klar!“
Er schlug sich vor dir Stirn und lief und sprang den Bach entlang in Richtung westliches Tor.

Dort, etwas abseits des Tores, rief er eine Beratung mit seinen engsten Verbündeten zusammen.
Er fegte sorgsam einen kreisförmigen Bereich mit den bloßen Händen frei, entfernte Gestrüppreste und trockene Samenkapseln, die der Wind hergetragen hatte und legte sie behutsam an die Seite. Aber erst, nachdem er sich ganz genau eingeprägt hatte, wo jedes einzelne seinen Platz gehabt hatte.
Als er zufrieden war, ging er zu seinem Rucksack und holte leise singend einen fast kopfgroßen bemalten Stein heraus. “He, Kumpel, aufwachen. Taih will wissen wo dein Platz is.“ Für einige Minuten hielt er sein Ohr an den Stein , nickte dann und legte ihn dann in den gefegten Bereich. In dieser ruhigen Ecke im Tal der Geister, legte er sich auf den Rücken, den Kopf zum Stein ausgerichtet. Dann schloß er die Augen.

Niemand störte ihn, denn die meisten im Tal der Geister hatten sich schon an diesen merkwürdigen, aber harmlosen Troll gewöhnt. So regungslos lag er da, dass er quasi unsichtbar wurde und nicht wenige Reisende schritten oder ritten an ihm vorbei, ohne ihn auch nur zu bemerken.

Fast drei Stunden später, Steine waren sehr langsam im bilden von Worten, wie er jedem versichern könnte, der ihn fragen würde, hatte er genug erfahren und nun wusste er was zu tun war.
Genauso sorgfältig wie er den Platz bereitet hatte, brachte er ihn in seinen vorherigen Zustand. Zufrieden musste er feststellen, dass alles was er an die Seite gelegt hatte, noch dort war, wo er es hingelegt hatte. Ein gutes Zeichen!
Es unterstrich sozusagen dass was ihm der Stein gesagt hatte. Singend machte er sich auf den Weg zum Warenlager.
Die Aufgabe war ganz und gar nach seinem Geschmack und sein Herz flog ihm voraus. Wie immer hatten die Steine sich als die besten Ratgeber erwiesen. Weise waren sie, dass musste er neidlos anerkennen.
Darauf schlug er erst einmal zwei Räder.
1 Like
Teil 6

Kapitel 2

Orgrimmar


Sie hatte Kopfschmerzen.
Fast den ganzen Tag hatte sie im Auktionshaus zugebracht, wie schon die Tage vorher. Geboten gelauscht, sich Notizen gemacht, was für welchen Kurs verkauft wurde, oder auch gerade nicht.
Sie hatte eine Liste dabei mit allem was sie verkaufen wollte und setzte entsprechende Zeichen hinter den Einträgen.
Das war mühselig und anstrengend, aber sie wollte nicht, wie es ihr Bruder zu handhaben pflegte, es einfach zum Verkauf anbieten, mehr intuitiv, hauptsache es geht weg und jemand erfreute sich noch daran. Sie wollte jedes Kupferstück herausholen, das möglich war. Zehntausend Goldstücke sagte der Goblinhändler in Nordend, würde so ein Mammut kosten und es fehlte immer noch so viel bis dahin.
Schnell bekam sie mit, wer hier die großen Händler waren und sie versuchte diese genau zu beobachten, ihre Tricks zu durchschauen und sich deren Verhalten zu eigen zu machen.
Aber sie selber war keine Händlerin.
Während diese förmlich aufzuleben schienen je wilder es hin und her ging, strengte es Hyaena mehr und mehr an, bei all dem Gefeilsche hinterher zu kommen.

Mittlerweile träumte sie nur noch von Zahlen und ein wiederkehrender Alptraum war, wie sie vor einem Händler stand, hinter ihm eine ganze Herde Mammuts, und einer nach dem anderen an Volk um sie herum verkauft wurde, bis nur noch ein Mammut übrig war. Doch als sie ihren Geldbeutel hervorkramte, musste sie mit Erschrecken feststellen, dass sie genau ein Goldstück zuwenig hatte. So ging auch das letzte Mammut an einen anderen Käufer.
Der drehte sich noch zu ihr herum und sie sah, dass es Leutnant Drach war. Und immer wieder verwandelte sich daraufhin das Antlitz in das grinsende Gesicht des Goblinhändlers aus Nordend.
Dann wachte sie auf. Jedesmal schweißgebadet.
Und wahrscheinlich würde auch die kommende Nacht so enden.
Sie trat heraus auf den Platz vorm Auktionshaus und rieb sich die Schläfen. Pause, sie bräuchte mal eine Pause, das war ihr schon seit gestern klar, aber wie immer schob sie den Gedanken gleich wieder zur Seite. Erst die Sachen verkaufen, dann.

Zügigen Schrittes näherte sie sich dem Warenlager, stoppte aber abrupt.
Ein Höllenlärm drang aus ihm heraus. Rythmisches Scheppern und lauter falsche Gesang, immer wieder unterbrochen von Gejubel und Lachen.
Was bei den Loas ...
Hyaena nahm die drei Stufen in einem Sprung und traute ihren Augen kaum.
Alles war durcheinander, Schilde waren an verschiedenen Stellen aufgestellt, angelehnt und aufgehängt, dazwischen drapiert Rüstungen, Felle und was es sonst noch so hier zu finden gab. Inmitten allem ihr Bruder Taih'u, mit verschiedenen, überhaupt nicht zusammenpassenden Stücken bekleidet, in jeder Hand einen kurzen Stock mit denen er im wilden Takt die Schilde bearbeitete.
Er war es auch, der mit voller Hingabe sang. Der Lärm war ohrenbetäubend.

“TAIH!“
Es war für sie fast nicht möglich zu ihrem Bruder durchzudringen. Erst als sie ein paar Schritte näher kam und mit den Armen herum wedelte, konnte sie seine Aufmerksamkeit erregen. „
“TAIH! WAS MACHSTE DA? WAS SOLL DAS?“ “HEY SCHWESTAH! TAZ'DINGO, DU BIST DA! KOMM TANZ MIT UNS.“ Der jüngere Troll hielt nicht eine Sekunde inne und liess eben einen Wirbel auf einen Schild erklingen, während er dabei von einem Bein auf das andere sprang.
“WARUM? TAIH! HÖR AUF DAMIT!“ “NEIN JENG, WIR FEIERN ABSCHIED!“
Das nächste Wort was er sagte, konnte sie nicht verstehen, gefolgt von einem
“... SAGT DAS IS GUUD!“ “WER? WER SAGT DAS?“
Mit einem der Stöcker wies er in eine Ecke und als sie dorthin sah, machte sie einen auf einem Berg Pelze plaziert einen großen bemalten Stein aus, den den er immer dabei hatte. Da wusste sie, das hier nichts zu bewerkstelligen war und als Taih den Kopf zurück warf und ein lautes wolfsartiges Heulen ausstieß, das schier nicht enden wollte, gab sie auf.

Sich wild die Haare raufend stürzte sie hinaus, raus aus dem Lärm, bloß weg von dieser akustischen Hölle.
In der Tür prallte sie gegen eine Troll die, anscheinend neugierig geworden, einen Blick in das Warenlager werfen wollte, stolperte und riss sie mit zu Boden. Auf der Strasse vor dem Lager standen Schaulustige und lachten.
1 Like
Teil 6

Kapitel 3

Orgrimmar


“He maan, nich so stürmisch.“ “Bhangrha!“
Nachdem sich beide wieder aufgerappelt haben, schaute diese belustigt zum Krach hin. “Du kennst den? Echt? Dein Freund?“ “Mein Brudah.“ Sichtlich frustriert schaute auch Hyaena zum Warenlager. “Er ist schrecklich. Naja, manchma“ fügte sie noch hinzu. “Ach nich doch.“ Bhangrha grinste. “Wusste gar nich dass er auch Trommeln kann.“ “Du kennst ihn?“ “Nee nich wirklich. Hab ihn ma aufm Platz getroffen. Gut drauf war er. Hat getanzt und gesungen.“ “Ja, seine Lieblingsbeschäftigung.“ Hyaena seufzte und rieb sich die Schläfen. “Lass ma woanders hin, mein Kopf platzt bei dem Lärm sonst.“

Etwas später als sie es sich im “Gebrochenen Hauer“ bequem gemacht hatten, erzählte Hyaena was sie gerade umtrieb, worauf die Druidin sie nachdenklich anschaute. “Wenn de mich fragst, klingt das gar nich gesund. Mach ma Pause von dem Streß. Werd ma wieda locker.“
Hyaena antwortete nicht, sondern starrte nur auf ihr Getränk vor sich.
“Hab ne Idee. Ich wollt morgen los, ma nach'n Platz für de Wildherzen schaun. Komm doch mit. Vielleicht lernste dann auch ma die andern kenn'n. Schließlich biste ja auch Wildherz. Seit letztem mal schon.“ Bhangrha stupste sie an der Schulter an. “Hee, gib dir nen Ruck. Das wird lustig. Ganz bestimmt.“

Hyaena blickte in ihre Augen und verspürte plötzlich eine Riesenmüdigkeit.
Es wäre tatsächlich eine Wohltat, raus aus dem Stadtgewühl zu kommen und endlich wieder in der Wildnis zu sein. Ein Lagerfeuer vor und ein Sternenhimmel über sich zu haben. Und ausser den nächtlichen Schreien der wilden Tiere kein Geräusch. Allein der Gedanke daran schien ihr ein Gewicht von den Schultern zu nehmen.
“Ja maan, vielleicht haste recht. Ma rauskomm'n wär gut. Richtig gut.“ “Taz'dingo!“ jubelte Bhangrha.

Hyaena musste lächeln. Die Lebensfreude der Druidin war ansteckend und sie fühlte sich wirklich leichter nachdem sie sich entschieden hatte.
Bhangrha stand auf. “Ich muss los, noch Zeugs packen. Schaffste das? Morgen früh los? Hier treffen?“ Hyaena nickte. “Klaa doch. Brauch nich viel.“ “Guut. Dann riechen wir uns morgen wieder. Taz'dingo!“ jubelte sie erneut. “De Wildherzen reisen ins Schlingen!“ Winkend drehte sie sich um und ging hinaus.
Hyaena aber sass noch da, unfähig sich zu bewegen. Bei den letzten Worten wurde ihr heiss und kalt gleichzeitig. Und als sie Minuten später die Getränke bezahlte, zitterten ihre Hände.

Es wurde eine schlaflose Nacht.
Ins Schlingendorntal sollte es gehen. Ihre Heimat. Das Land in dem ihr Stamm wohnte, wenn es ihn überhaupt noch geben sollte. Bilder stürzten über sie hinein, während sie mit offenen Augen dalag, ihren tief atmenden und schlafenden Bruder neben sich. Jima, Yukko, Num'a und, vor allem, Zej'un.
Sie ballte ihre Fäuste und ihr Unterkiefer schob sich nach vorn. Sollte es soweit sein? Sollte sie ihrem Vater wieder gegenüberstehen? Kalter Hass durchströmte ihre Adern.
Hätte sie vorher gewusst, dass die Reise ins Schlingen gehen sollte, hätte sie Ausreden erfunden nicht mitzukommen. Aber jetzt einen Rückzieher zu machen, nachdem sie zugestimmt hatte, kam nicht in Frage. Dazu war sie zu stolz. Und gerade vor der jungen Druidin wollte sie nicht kneifen. Sie atmete tief ein und aus.
Vielleicht sollte es auch alles so sein. Vielleicht lachten auch schon die Loas und labten sich an ihrer Verzweiflung. Nein, sie würde Stärke zeigen. Wenn der Zeitpunkt gekommen war, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, dann soll er doch kommen. So dachte sie in der Dunkelheit. Und ihre Angst Zej'un wiederzutreffen, wich einer grimmigen Vorfreude. Rache, sie würde Rache nehmen. Für Mudra und auch für ihren Bruder. Und sollte sie scheitern, so wäre zumindest ihre Schuld an seinem Zustand reingewaschen.

Wieder fühlte sich vom Schicksal berührt. Aber, anders als beim Abenteuer in den Höhlen der Zeit, fühlte sie sich nicht wie ein Spielball, sondern ganz im Gegenteil, dieses mal machte das Schicksal ihr ein Geschenk. Das Geschenk etwas tun zu können. Es war also kein Zufall, dass diese Bhangrha sie angesprochen hatte, sie, ganz entgegen ihrer Art, spontan sich diesen Wildherzen angeschlossen hatte. Plötzlich ergab alles ein Sinn. Nun gut. Sie würde ihrem ehemaligen Stamm als eine Wildherz gegenübertreten.
Und endlich vermochte sie die Augen schließen und einen kurzen, aber kräftigenden Schlaf finden.
1 Like
Teil 6

Kapitel 4

Schlingendorntal

(2-3 Wochen später)

Angelehnt an den Resten einer Mauer, die Zeugnis von der einstigen Größe des Gurubashi-Imperiums gab, genoss Hyaena den langsam wachsenden Schatten, auch wenn der noch zu klein und zu jung war um schon zu kühlen. Die Ruinen in denen sie Rast machten unterstrichen noch zusätzlich das Gefühl in eine gänzlich andere Welt eingetaucht zu sein.
Oder vielmehr in eine alte Zeit zurückgekehrt zu sein.
Sie versuchte nachzuzählen wieviel Jahre sie ihre alte Heimat, das Schlingendorntal, nicht mehr betreten hatte. Fünf, vielleicht sogar sechs, oder mehr? Schließlich beschloß sie, dass es zum Nachdenken zu heiß und schwül war und gab auf.

Bhangrha untersuchte die direkte Umgebung und besah sich gerade irgendwelche alten Reliefs an die, trotz des vielen Mooses, immer noch gut zu erkennen waren und ein leichtes Lächeln erschien auf Hyaenas Gesicht. Wunderbar ausgelassene Tage hatten sie zusammen verbracht. Sogar nordwärts, in feindliches, von Menschen kontrolliertes Gebiet, führte sie ihre Abenteuerlust. Höhepunkt war zweifellos die Verspeisung einer Menschenfrau mitten im Feindesland. Was für eine Leichtsinnigkeit!
Als hätte sie alle Vernunft verlassen. Und was eine Mischung aus Spannung, Angst und Hochgefühl.

Es war, als ob sie etwas nachholen würde, was sie als junge Troll nie erfahren konnte. Es gab keine Gleichaltrigen in ihrem Stamm. Zu klein war die abtrünnige Splitterspeerschar die sich vom Hauptstamm getrennt hatte um im Schlingen zu bleiben.
Ihr Bruder war zu jung, und so hing sie immer bei den älteren Trollen herum, die sie allerdings nie zu irgendwelchen waghalsigen Kopfjagden mitnahmen. Ja nicht mal zu den Jagden um das Dorf zu ernähren durfte sie mit. Niemand wollte sich Zej'uns Zorn zuziehen, der ihr Interesse für das Jagen unverhohlen missbilligte. Tiefe Dankbarkeit den Loas und der jungen Druidin gegenüber stieg in ihr auf, während sie zusah wie unbekümmert und frei von schweren Gedanken Bhangrha sich dem nächsten Steinwerk näherte. Dankbar dafür, an dieser Unbeschwertheit teilhaben und sie selber, wenn auch spät, ausleben zu können.

Dabei war sie die ersten Tage hypernervös.
Bei jedem Schritt erwartete sie jemanden ihres Stammes zu treffen. Allerdings kamen sie dem alten Platz auch nicht einmal annähernd näher. Zu versuchen sie dahin zu führen, soweit war sie dann doch noch nicht. Es wäre nicht fair, ohne ihre junge Begleiterin vorher einzuweihen, aber darüber zu sprechen fühlte sie sich nicht fähig. So folgte sie einfach den Launen der Druidin und mit jedem Tag, dem sie niemanden bekannten begegneten, verliess sie ihre Angespanntheit. Bhangrhas Naturell sorgte für das übrige.

"Wir sollt'n uns hia irgenwo nen Platz für de Wildherzen such'n" Bhanghras Stimme riss sie aus ihren Gedanken heraus.
"Hier?" "Klaar maan, warum nich? Wohnt doch keina mehr hia." Bhangrha liess ihre Finger über eine stilisierte Schlange, mit blaßgrünen Flechten überzogen, gleiten. "Is Troll-Land. Wärn extrem ungestört." "Schädelspalter, Blutskalpe ..." fing Hyaena an "Ach die sin woandas" winkte Bhangrha ab. "...und wer weiss was sonst noch so hia rumstromert." Die Jägerin liess nicht locker. "Würd mich nich in Staun'n vasetzen nich, wenn nich noch irgenwelche Gurubashis hia wärn." Oder vielleicht die letzten Splitterspeere fügte sie in Gedanken noch hinzu.

Die Druidin kam jetzt zu ihr rüber und setzte sich neben ihr.
"Schau dich um" sagte sie und liess ihre rechte Hand einmal über das grandiose Panorama ziehen. "Wir sin Dschungeltrolle. Das is unsa angestammtes Land. Wer soll uns das versagen?" Der Anblick war in der Tat gewaltig. Ein wildes Durcheinander verschiedenster Pflanzen. Wohl an die Hundert verschiedener Grüntöne bildeten den Hintergrund für Blüten und Vögel in den abenteuerlichsten Farbvaria- und -kombinationen. Und immer wieder die ehrfurchtsgebietenden Ruinen die aus dem Gewirr hier und da herausragten. "Wir sollt'n de Loas befragen, was die meinen." "Gute Idee! Aber welche? Alle?" Bhangrha war sofort Feuer und Flamme. "Übahaupt, welchem Loa folgn wir? Wem solln die Wildherzen opfan, so an ersta Stelle mein ich?" "Du bis de Scheffin, entscheid du."

Bhangrha sprang geschmeidig wie eine Raubkatze auf und ging wieder zu dem Relief gleich neben ihrem Lagerplatz. Ihre Hand strich wieder über die steinerne Schlange. "Is ganz bestimmt kein Zufall nich, dass wia grad hia sin." Ihre Stimme klang feierlich. "Hethiss .." sprachen beide den Namen des Loa gleichzeitig aus. Einen Augenblick waren beide still,
"Und wenn nich? Sich nem Loa weihn ders nich gut mit ein'm meint wär gar nich gut" warf Hyaena ein, eine kleine Stirnfalte tauchte über ihrer Nase auf. "Solltn kein Fehlgriff mach'n in der Sache." "Stimmt maan, aba das kriegn wir raus." Hyaena hatte eine Idee. "Leber. Mein ..." sie zögerte kurz, "... mein Vater hatte imma bei wichtign Sachn ne Leber befragt." "Ne Leber? Dass is einfach! Wass'n für ne Leber liest er denn so?" Die Jägerin zuckte mit den Schultern. "Weiss nich, alles mögliche glaub ich. Ne Raptorleber weiss ich noch hat er ma gehabt."
"Wieder einfach" freute sich Bhangrha. "Im Schlingen wimmelts doch von welchen." "Na dann ..."

Als die Schatten ein wenig länger geworden waren, brachen sie ihr Lager ab und verliessen die Ruinen. Wenn sie sich noch einmal umgedreht hätten, wäre ihnen vielleicht nicht entgangen, dass das Auge der steinernen Schlange im Relief kurz grün aufleuchtete. Aber vielleicht war das auch nur das Spiel von Licht und Schatten auf dem Moos der die Schlange hier und da bedeckte. Es mochte sich eines der großen fleischigen Blätter bewegt haben, als irgendwelches Getier es berührte und so für einen kurzen Moment einen Sonnenstrahl auf genau diese Stelle fallen liess. Ein Vogel vielleicht, oder ein Affe. Eine Schlange?
1 Like
Teil 6

Kapitel 5

Schlingendorntal


"Der da." Bhangrha zeigte auf ein besonders kräftiges Tier, das gerade nach einem anderen schnappte, das ihm zu nahe gekommen war. "Den find ich gut" flüsterte sie weiter.
Hyaena nickte nur und zog einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn aber noch nicht an. "Was is?" "Nich gut von hier. So wie der steht treff ich nichts wichtiges. Ich mach ihn nur rasend dann." "Wie willst ihn? Mehr nach links?" "Links is gut. Lass uns da drüben hin." Hyaena zeigte auf eine Pflanze mit besonders großen, tief eingeschnittenen Blättern. Bhangrha schüttelte nur den Kopf. "Lass ma mich machen" und schlich rückwärts davon. "Halt dich bereit." Die Jägerin wollte sie schon aufhalten, begriff dann aber und nickte nur.

So leise wie es nur ging drehte sie sich wieder dem Raptor zu und legte den Pfeil auf die Sehne. Das leise Rascheln das die Druidin machte, als sie davonschlich, hörte plötzlich auf und Hyaenas linker Mundwinkel zog sich nach oben. Schwer zu beschreiben waren ihre Gefühle, als Bhangrha offensichtlich ihre Gestalt wandelte und als Raubkatze sich lautlos auf dem Weg machte. Freude, Bewunderung, aber auch Neid waren darin enthalten.
Als junger Welpe wollte sie immer eine gefährliche Dschungelkatze sein und versuchte diese in allem nachzuahmen. Meistens erntete sie nur Gelächter, manchmal auch eine Drohung, wenn sich jemand genervt darüber zeigte, wieder einmal angepirscht und aus dem Nichts heraus angesprungen zu werden.
Hyaena wusste immer noch nicht, wie sie damit umgehen sollte, aber im großen Ganzen vertiefte es ihre Zuneigung zu Druidin nur. Und auch wenn es ihr jedesmal einen kleinen Stich gab, genoß sie es, wenn sie eine verwandelte Bhangrha neben sich hatte.

Starr den Raptor ins Visier zu nehmen, spannte sie geradezu quälend langsam den Bogen bis das Holz anfing sich mit leisem Ächzen zu biegen.
Sie wusste nicht, wie lange Bhangrha brauchen würde, also sparte sie ihre Kraft und zog nicht voll durch. Ihre Ohren zuckten leicht, während ihr unbedecktes Auge jede noch so kleinste Bewegung des Tieres wahrnahm.
Da! Der Raptor erstarrte kurz und drehte den Kopf zur Seite. Bhang, so war sich Hyaena sicher, raschelte etwas mehr und brachte den Raptor dazu sich ganz in Richtung Geräusch zu wenden. Der Hals war kurz der Jägerin zugewandt, der Pfeil löste sich von der Sehne, fand sein Ziel und das Tier brach zusammen. Bhang sprang aus dem Dickicht und landete genau dem Raptor auf dem Rücken und brach ihm das Genick.
Grinsend kam Hyaena aus ihrem Versteck. "Gutes Team." "Klaar ey, was dachtest du denn?" Die Druidenkatze leckte sich das Maul und wurde wieder zur Troll.

Inzwischen schnitt Hyaena mit schnellen und sicheren Schnitten durch die dünnere Haut am Bauch und holte nach kurzem Suchen die Leber heraus und hielt sie tropfend der Druidin hin. "Is die nich n'bisschen klein?" warf Bhangrha ein. Hyaena zuckte mit den Schultern. "Normal würd ich sagn. Hab hier noch nie ne größere vom Raptor inner Hand gehabt." Bhangrha sah enttäuscht aus. "Auf Kalimdor, im Süden, weit wech, solls'n Krater geb'n, mit riesigen Raptorn" versuchte Hyaena sie zu trösten. Wenn eine größere Leber nur zu kriegen sei, indem man eine halbe Weltreise machen würde, würde sie bestimmt mit der Leber hier zufrieden sein. Ihr Kopf nickte kurz zum Kadaver zwischen ihnen. "Echt? Ja klaar, Hab ich auch gehört." Ein Grinsen breitete sich auf Bhangrhas Gesicht aus. "Das brauchn wir. Ne Monstaleba für unsren neuen Stamm. Drunta gehts gar nich!"

Fassungslos starrte sie die jüngere Troll an. Innerlich schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Eigentlich kannte sie sie mittlerweile gut genug und diese Reaktion hätte sie voraussehen können. In den Krater von Un'Goro reisen, nur wegen einer größeren Leber? Wahrscheinlich hätte jeder andere abgewunken und sich mit der Leber in ihrer Hand zufriedengegeben. Nicht aber Bhangrha.

"Na, wenn dass allein nich schon de Loas nich übazeugt, weiss ich auch nich nix" seufzte sie. Und dem breiten Grinsen vor ihr, dass von Minute zu Minute breiter wurde, konnte sie sich eh nicht entziehen. Und ohne dass beide noch einmal drüber sprechen mussten, galt die Reise als beschlossen.
1 Like
Teil 6

Kapitel 6

Krater von Un'Goro


Der weiche Boden unter ihnen erzitterte mit jedem Schritt, den dieses riesige Tier machte.
Es war nicht wirklich ein Raptor, doch über viele Ecken bestimmt mit ihnen verwandt. Die Vorderarme waren viel zu klein für die Größe des Tieres, doch der gewaltige Kiefer, vollbesetzt mit scharfen Zähnen, jeder fast so groß wie Jeng'as Hand, glichen dass mehr als aus.

"Bei den Loas" entfuhr es Hyaena leise.
Selbst Bhangrha wusste einen Augenblick nichts zu sagen. Ihr Blick ging geradewegs zu diesem riesigen Tier. Dann wechselten die beiden Blicke. "Dem spring ich nich so leicht an' Hals" flüsterte die Druidin. "Das zu hoch."
In Hyaenas Kopf arbeitete es fieberhaft.
"Wir wissn nich wie hart seine Haut is." Die riesigen Kiefer betrachtend, schälte sich ein Plan heraus. "Der erste Schuß muss sitz'n, oda der zweite. Un ich nehm Gift."
Ihre Hand wanderte blind zu einer ihren kleinen Taschen am Gürtel und fingerte mit einer Hand eine kleine Holzdose heraus, während die andere Hand Pfeile aus dem Köcher zog.
"Ihr müsst ihn nur zu mir hinlocken und zum Brülln kriegn." "Ihr?" Anstatt einer Antwort wies Hyaena auf Hübsche. "Vastehe. Kriegn wir hin." Bhangrha grinste. "Für das Brülln kann ich nich garantiern." Hyaena nickte.

Nachdem sie zwei bestimmte Pfeile herausgesucht hatte, trug sie konzentriert eine dicke Schicht von einer grünen, zähen und klebrigen Paste auf die Spitzen der beiden Pfeile. Die Spitzen hatten extra für diesen Zweck viele Kerben, an dem sich das Gift besser halten würde. Peinlichst achtete sie darauf, nicht mit dem Zeug in Berührung zu kommen.

"Wie lange braucht's bisses wirkt?" wollte Bhangrha wissen.
Hyaena warf ein Blick auf das Ungetüm, dass gerade innehielt und herumschnüffelte. Es war noch bestimmt an die hundert Trolllängen entfernt.
"Weiss nich" sagte sie mit trockener Stimme. "Für 'nen Schlingenraptor würd die Menge hier in solange brauchn, wie um von hier zu dem Ding da zu renn'n. Also in Trollgestalt" fügte sie noch hinzu.
Beide betrachteten Masse und die Schrittlänge des Tieres. Wenn es am Laufen wäre ...
"Dann sollte es also bessa hinter mir her sein" stellte Bhanghra nüchtern fest. "Ich bin bereit, wenn du es bist."

Sie sahen sich an. Einen Augenblick länger als gewöhnlich. "Für de Wildherzn" Bhangrha grinste sie an. "Für de Wildherzn" antwortete Hyaena heiser. Dann drückten sie sich kurz. Ohne ein weiteres Wort drehte sich die Druidin um und schlich davon.

Während Bhangrha in Raubkatzengestalt wechselte, ging Hyaena den Ablauf im Geiste nochmal durch. Den gewünschten Ablauf wohlgemerkt. Fehler konnte sie sich nicht erlauben. Dabei war es schon unsicher, ob das Tier sich überhaupt so verhalten würde. Was wäre wenn es gar nicht ...
Sie schob den Gedanken sanft aber bestimmt zur Seite und zog einen dritten Pfeil heraus, liess ihn aber unpräpariert.
Dann sah sie sich um.

Sie wäre von ihnen dreien mit Abstand die langsamste. Wegzulaufen wäre so ziemlich das dämlichste was sie tun könnte. Es gab aber nichts, wo sie in Sicherheit wäre. Hier lag ihre Hoffnung in Hübsche.
Kurz tauchte der mit Angst gepaarte Gedanke auf, dass es ein Fehler war nicht Boah, dem Eber der sich jetzt gerade bestimmt im Stall in Orgrimmar gemütlich im Stroh wälzte, an Stelle der Hyäne mitgenommen zu haben.
Aber auch diesen Gedanken schüttelte sie sofort ab. Es war wie es ist. Mit einem kleinen Schuldgefühl streckte sie die Hand aus und strich ihrer Begleiterin kräftig durchs Fell.
Zweifel wären jetzt eher hinderlich, die nötige Verbindung aufzubauen. Das Band zwischen ihnen beiden musste jetzt sicherer denn je sein.
Für die junge Hyäne war es die Feuerprobe heute.
Wenn sie nicht bestand, konnte es ihrer aller Ende sein.
Schon ging ihre Hand zu ihrem Lederbeutel um den Hals, als sie ein Fauchen hörte und kurz darauf erderschütternde Schritte mehr spürte als irgend anderes.
1 Like