Das hättest du mal lieber nicht schreiben sollen ^^
Bei einer solchen Vorlage kann ich unmöglich widerstehen. Vor allem, wenn sie von einem russischen Schriftsteller geliefert wird. Meine Texte haben zwar vielleicht nicht den Feinschliff Puschkins, aber viel schreiben kann ich. Und es ist zwar schon länger her, dass ich eine Wall of Text geschrieben habe, aber so eine Fähigkeit verlerne ich nicht, das staut sich nur an. Und jetzt reiße ich die Wände des Staudamms ein, sodass sich die Früchte meines Geistes über euch ergießen mögen ^^
Dieses Jahr ist ein äußerst bedeutsames Jahr, nicht nur für Hearthstone, sondern fürs gesamte Warcraftuniversum, innerhalb dessen Hearthstone zwar das schwarze Schaf der Familie darstellt, aber am Ende immer noch dazugehört. Wir feiern 30 Jahre Warcraft, 20 Jahre World of Warcraft und 10 Jahre Hearthstone. 3 runde Geburtstage auf einmal haben in sich. In dieser Aufzählung finden wir wieder ein schwarzes Schaf. Und wieder handelt es sich um Hearthstone.
Die Geburtstagsfeierlichkeiten, die demnächst auf WoW zukommen, haben mir eine neue Perspektive darauf gegeben, wie jämmerlich und mickrig die Anstrengungen Blizzards in HS sind. Wäre der 20. Geburtstag von WoW einfach achselzuckend abgetan worden, vielleicht mit einem alten Raid, durch den man sich im Schlachtzugsbrowser mit 20 anderen Deppen quälen muss, dann würde ich sagen, dass Blizzard einfach nicht sentimal ist, was solche Dinge angeht. Jetzt aber haben wir den handfesten Beweis, dass dem nicht so ist.
Im Spielethread habe ich schon über den 20. Geburtstag von WoW geschrieben:
Wenn wir einen Vergleich zwischen HS und WoW anstellen, geht das gar nicht gut für HS aus. Das hat nichts damit zu tun, dass ein Spiel mehr Entwicklerresourcen hat als das andere. Vielmehr ist es ein Ausdruck der Philosophie, die hinter diesen Spielen steht.
In HS geht es im Endeffekt darum, den Leuten ihr Geld abzuluchsen
Kindern, die unbeaufsichtigt die Kreditkarte der Eltern leershoppen, reichen Schnöseln, die sich nach jeder Niederlage im Ranked eine neue Packung kaufen, damit der Schalter für ihre Accounts von Schatten auf Licht umgelegt wird, OCD-Sammlern, die absolut jede Karte im Spiel brauchen, egal wie schlecht sie ist und alle Skins obendrauf, auch hier egal, wie schlecht gezeichnet der Skin ist (dass der KI-generierte Drache für den Magier es mit mehreren anatomischen Fehlern durch die Qualitätskontrolle geschafft hat, ist ein Tiefpunkt. Zur Klarstellung: Ich habe nichts dagegen, dass er so aussieht, als sei er von KI generiert (falls das ein echter „Künstler“ verbrochen hat, wäre es umso schlimmer). Ich habe etwas dagegen, dass es einfach aussieht. Ebenso, wie ich etwas dagegen habe, dass der mythische Ragnaros-Skin mit seinen dreidimensionalen Elementen nicht zum Rest von HS passt und außerdem in keinster Weise 60€ rechtfertigt. Das Spielbrett von ihm, wenn man schon 60€ dafür zahlt, sollte mindestens genauso gut wie die alten sein und zahlreiche interagierbare Gegenstände, Rätsel usw. beherbergen, aber das tut es in keinster Weise. Besser noch wäre es aber, wenn das Spielbrett einfach enorm krass wäre. Man stelle sich eigene Animationen für verschiedene Spielverläufe vor. Vielleicht sieht es bei 1 Mana anders als bei 10 Mana. Oder wenn man 7 Diener kontrolliert. Oder wenn einer der Spieler unterhalb eine gewisse Schwelle von Lebenspunkten fällt. Vielleicht breitet sich dann Lava auf dem Feld aus und wenn einer der Spieler 0 Leben erreicht, wird er zusätzlich von der Kill-Animation von der Lava verschlungen. Ich habe jetzt nur eine Minute nachgedacht und schon ein besseres Konzept auf die Beine gestellt als das Designteam von HS. Aber genau das ist das Problem: Wenn es Leute gibt, die sich trotzdem den völlig überteuerten Skin kaufen, dann müssen sie sich keine Mühe geben. Dann reicht auch billige Massenware, die im Anschluss mit Fantasiepreisen belegt wird. Ok, das war eine große Abschweifung, kommen wir wieder zum eigentlichen Thema zurück, nämlich der Kundschaft, die ausgenommen wird. Wir sind übrigens immer noch im selben Satz, mit dem dieser Absatz begonnen hat. Hoffentlich erinnert ihr euch noch, wie das angefangen hat :P), absolut asoziale Tryharder, die glauben, dass HS p2w ist und ordentlich Geld reinbuttern, es aber trotzdem nie über Gold hinaus schaffen, im Altersheim befindliche WoW-Spieler, deren Reflexe zu schwach sind, um mit der modernen PvP-Szene mitzuhalten und für die HS das einzige verbliebene Bindeglied zu WoW ist und deshalb aus Nostalgie äußerst zahlungswillig sind, reiche Scheichs und spielsüchtige Politiker, aber auch die breite Masse, die sich eins der Vorbestellerpakete holt, sonst relativ unempfänglich ist, aber immer wieder Geld reinbuttert.
Die Leute, die für HS Geld ausgeben, sind unglaublich divers, wie ihr gesehen habt. Mir sind noch einige weitere Beispiele eingefallen, die ich aufzählen hätte können, aber aus Rücksicht auf die Dramaturgie dieses Texts habe ich darauf verzichtet. Die Reise soll schließlich auch irgendwohin gehen, anstatt sich selbstbeömmelnd im Kreis zu drehen.
Und es ist nicht so, als wäre HS allein damit, dass es einen beträchtlichen Anteil an Walen gibt, die leichte Beute sind. WoW hat immerhin einen Cashshop und ist in gewisser Weise schuld daran, dass Blizzard so geworden ist, wie wir es kennen. Wenn sich ein blödes Pixelpferd für mehr Geld verkauft als Starcraft II, ist es natürlich sehr verlockend, den Shop zu bedienen. Was Blizzard auch getan hat.
Der wesentliche Unterschied zwischen HS und WoW ist aber der, dass es in WoW genügend handfeste Inhalte gibt, die jedem Spieler zur Verfügung stehen. WoW ist ein Spiel mit Shop, HS ist ein Shop mit Spiel. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Ein Teil der „Feierlichkeiten“ im 10. HS-Jahr waren Echtgeldangebote, die in Hinsicht auf den 10. Geburtstag beworben wurden. Diese Angebote würden ohne den Geburtstag als Anlass nicht existiert haben.
Aber was ist mit Inhalten, die wirklich für alle da sind? Wie sieht es damit aus? Jede Klasse hat eine Karte bekommen, die es erlaubt, eine von drei ikonischen Klassenkarten temporär zu entdecken. Als neutrale Karte gibt es unseren Gastwirt. Wenn wir ganz gutmütig sein wollen, zählen wir die diversen Events seit Beginn des neuen HS-Jahres mit, aber das scheitert daran, dass Events in HS nichts Neues sind. Die Events sind auch nicht sehr gut, weil sie, vorausgesetzt, man spielt genug, sich von selbst erfüllen. Und das wars. Mehr gibt es nicht.
Was ist mit einem Soloabenteuer? Einem Dungeonrun? Wie wäre es mit wirklich interessanten Events? Oder einer wirklich neuen, nie dagewesenen Kartenchaos-Variante, jede Woche? Oder der eine Twistmonat, in dem an jedem Tag ein neues Set spielbar war? Ging mir persönlich viel zu schnell und aufgrund von Bugs habe ich ihn dann auch nicht wirklich gespielt. Ein Format, wo stattdessen jeden Monat eine neue Erweiterung kommt, hätte mir weitaus besser gefallen. Das wäre easy Content für Twist gewesen, für 0 Aufwand. Lauter Möglichkeiten, die ins bereits etablierte HS-Ökosystem passen und für alle Spieler da sind, nicht nur die mit Silberbesteck
Wenn es etwas in der Hinsicht gäbe, wäre meine Meinung über den 10. Geburtstag von HS wesentlich besser. So aber ist der 10. Geburtstag ein Trauerspiel, an das sich in Zukunft niemand mehr erinnern wird.
Aber es ist nicht alles schlecht. Ich bin letztens auf Reddit auf neue Stellenangebote von Blizzard gestoßen.
Sie suchen einen Senior Game Designer und Senior Narrative Designer. Für ein Spiel, das sich in Sterbehilfe befindet, werden keine neuen Leute angeheuert, also ist es in dieser Hinsicht schon mal eine gute Nachricht.
Von besonderem Interesse für mich ist aber der Senior Narrative Designer. Seit Titans ist die HS-Lore auf besonders schlimme Abwege geraten. HS war zwar schon immer „anders“ als Warcraft, aber am Ende doch noch Teil der Familie. WoW hat übrigens mit der neuen Erweiterung The War Within die HS-Erweiterung Kobolde und Katakomben großteils in den offiziellen Kanon eingegliedert. Die Darstellung der Kobolde in TWW deckt sich mit dem, was HS damals vorgelegt hat. Und mir persönlich gefallen die Kobolde jetzt sehr gut. Finde es auch gelungen, dass es uns „Helden“ dazu zwingt, zu hinterfragen, ob wir die Bösen sind, weil wir den Kobolden die Kerzen wegnehmen.
Spoiler zum Kobolddungeon:
Wenn am Ende des Dungeons die Kerzen ausgehen, manifestiert sich die Dunkelheit als Endboss
Witzig finde ich auch, dass die Kobolde durch ihren Kerzenkult eigentlich hervorragende Paladine sind. Falls Kobolde mal ein spielbares Volk in WoW werden, erstelle ich mir auf jeden Fall einen Kobold-Pala.
Und genau das war schon immer die Stärke von HS. Den weniger beleuchteten Orten und Kulturen Azeroths Aufmerksamkeit zu schenken (aber nicht auf eine Weise, die sie ad absurdum führt, dann gehe ich nämlich nicht mehr mit). Gadgetzan ist ein weiterer Geniestreich dieser Art und sollte Blizzard ein zweites Cataclysm mit Rework der alten Welt machen, hoffe ich, dass Gadgetzan zur kriminellen Metropole ausgebaut wird, die es in HS ist.
HS muss sich selbst auch einfach mal ernst nehmen, sonst nehme ich als Spieler HS auch nicht mehr für voll. Das ist meine Hoffnung dafür, was dieses Stellenangebot für einen Lead Narrative Designer aussagt und bin zwar voll darauf vorbereitet, dass meine Hoffnung enttäuscht und zertrampelt wird, aber da sie zuletzt stirbt, werden wir darauf warten müssen und in der Zwischenzeit bin ich leicht optimisch gesinnt ^^
TLDR: 10. Geburtstag blöd, Shop blöd, Story blöd, aber nicht alles blöd
Dieser Text wurde übrigens einhändig verfasst. Die andere Hand war mit Wichtigerem als einem kleinen Kartenspiel beschäftigt