Wiedergeboren (offtopic)

Schleimbedeckt und schreiend windet sich die hilflose Larve auf dem steinernen Boden des Zergbaus. Es stinkt nach Verwesung und Schimmel. Ätzend kratzt der Atem über die Luftröhre und nimmt mit jeder Lungenblähung weitere Sporen auf. Der Soldat kann sich nicht bewegen. Selbst die Augen zu öffnen fällt ihm jedes Mal schwerer. Seine Arme werden in organischen Schlingen festgehalten und seine Beine … Wo sind meine Beine?! … schießt es dem Trooper durch den Kopf. Ohne den Kopf bewegen zu können verdreht er die Augen und sucht aus dem Augenwinkel nach seinen Beinen, kann sie nicht finden.

„Wir haben sie Dir genommen. Du brauchst sie nicht mehr.“ Flüstern Gedanken durch seinen Kopf. Eine Frau. Die Stimme gehört einer Frau. Angst steht dem Soldaten nicht ins Gesicht geschrieben. Seine Muskeln sind vor langer Zeit verkümmert und eine allzu menschliche Reaktion kann er nicht mehr zeigen.

„Du kannst nicht fliehen. Du bist schon viel zu lange hier.“ Die Augen suchen nach dem Ursprung der Stimme, blicken hektisch im Raum umher. Es ist dunkel. Er kann nichts sehen.

„Ich bin hier drüben“ flüstert es erneut, diesmal von links. Die rot geäderten Augäpfel drehen sich in den dehydrierten Höhlen nach der Stimme. Es kratzt, als riebe Sand zwischen der gefährlich verletzlichen Außenhaut der Augen und dem Inneren der Augenhöhlen. Das gerötete Sehorgan kommt zum Stillstand. Die Pupillen versuchen zu fokussieren, doch es ist zu dunkel. Es gibt kein Licht. Er kann nicht sehen, wer da ist, was da ist.

Sein Herz rast.

Er kann spüren, wie die Adern an seinem Hals dick werden und wie der Lebenssaft durch sie hindurchgepumpt wird. Das in seiner Brust schlagende Herz pulsiert mit jedem Augenblick der Ungewissheit stärker und schickt Adrenalin durch seine Venen.

„Du kannst mich nicht sehen.“ Stellt sie unheimliche Stimme fest. Dabei ist sie gar nicht unheimlich. Er kann es sich nicht erklären. Er kennt die Stimme. Sie ist ihm vertraut. Er hat sie bereits oft in seinem Leben gehört. Dieses vertraute gewisse etwas, das ihm das sagt, was er bereits weiß. Es ist in seinem Kopf. Er versucht sich zu erinnern. Angestrengt wühlt er in seinem verfaulenden Gedächtnis nach der Antwort.

„Wer bin ich?“ Die näher kommende Stimme entzieht die offensichtliche Frage aus seinen Gedanken. Als könnte sie sie lesen. Als wäre die Stimme in seinem Kopf.

„Vielleicht bin ich das.“ Schlägt die Stimme die einfachste Lösung vor. Doch das kann nicht sein. Wie kommt sie in seinen Kopf? So etwas „gibt es nicht?“
Die Stimme beendet seinen Satz. Er resigniert. Seine Gedanken erschlaffen, bevor sie Form annehmen. Die Augen starren weiter in die leere Dunkelheit.

Hohl klingende Schritte entfernen sich von ihm. Schuhe mit hohen Absätzen auf hartem Steinboden. Ein letztes Aufbäumen. Er sieht auf, hebt den Kopf an und späht dorthin, wo kein Licht ist, versucht den Hauch von etwas zu erkennen, was er eigentlich schon weiß. Er kennt die Stimme. Er erinnert sich. Es war vor langer Zeit. Damals war er ein anderer. Er war ein Soldat. Er kämpfte in der Schlacht gegen die Zerg. Er beschützte einen Ghost. Seinen Ghost. Seinen Ghost, der wichtige Informationen hatte. Er musste den Ghost sicher zur Basis bringen. Nach Hause…

„Nach Hause.“ Wiederholt die Stimme seine Gedanken. „Dein zu Hause ist jetzt hier.“ Erklärt sie ihm liebevoll. „Du wirst diesen Ort nie wieder verlassen, James.“ James. Ja, das war sein Name. James Carter. Er war Captain James Carter.

„Das ist lange her.“ Die Stimme unterbricht seine Erinnerung. Ein kratzendes Geräusch schabt über den Steinboden. Nein, nicht ein Geräusch, viele Geräusche. Viele kleine Insektenbeine ziehen einen schleimigen Larvenkörper über den Boden in seine Richtung. Er kann es spüren. Sie kommen näher.

„Hab keine Angst. Es ist schnell vorbei.“ Beruhigt sie ihn und er glaubt sie lächeln zu hören.

Er hört ein schleimiges, glitschiges Geräusch von etwas schwerem, das bewegt wird, dann nochmal die Schritte, dann ist sie fort. Doch er ist nicht allein. Schmatzende und saugende Laute sind ganz in der Nähe. Er kann sie nicht einordnen. Er hat sowas noch nicht gehört. Er kennt es nicht. Dann schläft er ein.

Zeit vergeht…

Ein helles Licht blendet ihn. Er schließt reflexhaft die Augen. Er kann das Licht durch seine geschlossenen Augen ausmachen. Es ist links von ihm. Er öffnet sie einen kleinen Spalt und versucht sich daran zu gewöhnen. Es ist hell. Sein Kopf schmerzt. Es pocht in seinen Ohren, seine Glieder brennen, seine Muskeln reißen, seine Lunge explodiert.

„Ganz ruhig. So ist es immer am Anfang. Es ist alles in Ordnung. Du gewöhnst Dich daran.“ Da ist sie wieder, die bekannte liebevolle Frauenstimme. Er kennt sie. Er weiß, wem sie gehört. Sie hatte Informationen. Sie hatte wichtige Informationen. Er musste sie nach Hause bringen. Er hatte versagt.

„Sch, es ist alles in Ordnung.“ Beruhigt sie ihn erneut. Sein Blutdruck sinkt. Die Schmerzen ebben ab. Er öffnet die Augen und da steht sie vor ihm. Der Ghost, den er beschützen sollte. Sein Ghost. Doch sie war mehr als das. Sie war weitaus mehr als das. Lange knöcherne Schwingen mit dünner Haut entsprangen ihrem Rücken. Ihre Arme und Beine waren bedeckt mit Chitinartigen Schuppen und Panzerungen. Sie sahen organisch aus, als wären sie so gewachsen. Er sieht ihr ins Gesicht und sie beginnt zu lächeln.

„Du musst mich beschützen.“ Erinnert sie ihn an seine Befehle. Sie legt den Schalter in seinem Kopf um. Plötzlich ist alles klar. Er war wieder Soldat. Er musste sie beschützen. Sie war sein Ghost. Sie war das höchste Gut. Ihr Überleben ist das oberste Ziel.

Schwerfällig stemmt er die Hände auf den Boden. Er drückt sich hoch, steht auf. Erst wackelig, aber schnell stabiler. Er sieht an sich herab. Das sind nicht seine Beine. Nicht seine Haut, nicht seine Arme…Das ist nicht sein Körper! Er fühlt sich stark. Er fühlt sich gesund und mächtig.

„Abathur bei Dir. Du – verbessert“ ertönt es hinter ihm. Er dreht sich ruckartig um. Zu schnell. Beinahe fällt er. Er hält das Gleichgewicht und sieht sich einer Zergbestie gegenüber, die jeden seiner Albträume bei weitem übertrifft. Abathur, der Evolutionsmeister der Zerg steht vor ihm und prüft seine neueste Schöpfung. Ihn.

„Du bist jetzt stärker. Du bist jetzt schneller. Du bist jetzt besser.“ Erklärt sein Ghost ihm und legt ihre schlanken Hände auf seine muskulösen Schultern.

„Du musst mich beschützen“ wiederholt sie seinen Auftrag. Der Ghost muss beschützt werden. Der Soldat nickt unmerklich. Er ist bereit. Er war es immer gewesen. Sein Tod wäre nur ein geringes Opfer. Der Ghost muss beschützt werden.

„Mein Name ist nicht mehr Ghost.“ Verrät sie ihm verheißungsvoll und streicht über seinen mit Chitinpanzer bedeckten Arm. Ihre klauenartigen Finger fahren über seine Haut. Es fühlt sich gut an. Es ist richtig. Sie stellt sich vor ihn und sieht ihm in die Augen. Schöne Augen, in einem schönen Gesicht. Hasserfüllte schöne Augen einer betrogenen Frau. Betrogen von ihrer eigenen Art. Sie breitet die Flügel weit aus. Enorme Muskeln spannen sich unter der Haut, Bänder dehnen sich hörbar. Sie nimmt den gesamten Raum ein. Sie beherrscht ihn. Sie regiert ihn. Sie ist die Herrin. Und da erinnerte er sich an ihren Namen. Den Name, den er als letztes rief, bevor sein menschliches Leben endete. Als er versagte und alles verlor. Bevor er als Zerg neu erwachte.

Sie lächelt. Sie sieht zu ihm hinab und sie lächelt. Wissend, dass ihr Captain wieder für sie sterben wird, wenn es sein muss.

„Ich bin Kerrigan.“

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Geil, gut gemacht. Weiter so!!!

Das ist eine richtig gute Kurzgeschichte. Schön die Umgebung erläutert, mit Hintergrundwissen genauer beschrieben und greifbar gemacht.
Als Zerg-Sympathisant bin ich aber auch vermutlich voreingenommen.
Ich persönlich hätte es aber im SC2-Forum gepostet.

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Vielen Dank für das Feedback. Ich selbst spiele aktuell mehr Heroes of the Storm und World of Warcraft als Starcraft und habe es auch weil ich bereits eine Story über die Lost Vikings hier veröffentlicht habe hier bei HotS gepostet.

Wieder mal sehr geil geschrieben. Könntest ein Buch draus machen. Wie wär es als nächstes mit einer Warcraft Geschichte?^^

Hey Kaihne,

irgendwelche Wünsche? Irgendwelche Charaktere die Du besonders dramatisch oder deren Geschichte Du besonders traurig findest oder über den Du noch nicht so viel weißt aber gerne mehr wüsstest?

Huch es werden sogar Wünsche gewährt :sweat_smile:

Ich weiß nicht wie tief du in der Warcraft Geschichte drin steckst, aber Arthas ist und bleibt mein lieblingscharacter in Warcraft. Vielleicht könnte man was schreiben kurz nachdem er Frostmourne gefunden und malganis getötet hat. Hier springt ja die Geschichte direkt dazu wie er seinen Vater tötet. Vielleicht bietet die Reise zurück aus nordend noch Stoff für sowas :slight_smile:

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