AUF REISEN
Wald v. Elwynn → Rotkammgebirge
„BAAAH!“
Mit hämmernden Hufen und lautem Angstblöken sausten die Widder über die Straße. Der Wald von Elwynn zog als verschwommene Farbschlieren an Frejna vorbei, als ihr Wohnwagen ruckelte und ihr Kochgeschirr mit den Geräuschen eines im Gewaltmarsch befindlichen Soldatenbattaillons durcheinanderschepperte. Die honigblonden Haare hingen ihr kreuz und quer im Gesicht, sie fuhr dadurch halb blind, konnte jedoch unmöglich die Hände von den Zügeln nehmen. Mit leisen, im Lärm der Flucht unhörbaren Worten verfluchte sie den Mann in Goldhain, der ihr eine Abkürzung genannt hatte. Ein malerischer Weg, eine wunderschöne Brücke, und schon wäre sie im Rotkammgebirge.
Die Gnolle, die es sich neben der Brücke bequem gemacht hatten und Reisende überfielen, hatte er praktischerweise nicht erwähnt. Ein lautes Gackern und Kichern kam von der oberen Seite des Wagens und die Zwergin kniff die Augen zusammen. Mit einem Ruck riss sie die Zügel zur Seite und bellte einen zwergischen Befehl an die Widder, die eine rasante Kurve einlegten. Die Räder grieben sich in das Gras des Waldes und hinterließen tiefe Furchen. Für einen Augenblick fürchtete Frejna, dass sie einfach stecken bleiben würden, als der Wagen mit Schmackes seitlich gegen einen Baum krachte. Dann schafften es die beiden Widder aber doch noch, ihn aus dem zum Glück trockenen Boden zu zerren, während der Gnoll mit einem überraschten Aufjappsen Fliegen lernte. Surrend landete ein Armbrustbolzen an der Seite des Wagens und erbebte, als die Zwergin mit weit aufgerissenen Augen zum Geschoss blickte, ein anderer ließ eine rosarote, mit Friedensblumen bemalte Tasse zerspringen. Die Fensterläden des Verkaufsstalles sprangen vom Geruckel auf und klapperten laut Beifall, als sie von der Seite des Waldes in eine bepflasterte Straße einbog. Das Geruckel wurde etwas weniger, dafür torkelte der Wagen kurz auf zwei Rädern, so scharf war die Biegung genommen worden. Frejna hielt sich kreischend mit einer Hand am Kutschbock fest, während es hinter ihr weiter gackerte und kicherte. Dann sah sie es vor sich: Zwei Soldaten in silberner und blauer Platte, auf ihrer Brust nichts Geringeres als der stolze Löwe der Allianz. Der eine brach gerade ein Brot auseinander und wollte es sich in die Kauleiste schieben, als er aufsah und ihm der Proviant aus der Hand fiel. Vermutlich war das behangene und klappernde Monstrum von einem Wagen, besetzt von einem Haarmonster und gezogen von panischen Widdern, zusammen mit dem Gnollrudel, das gierig (und nun etwas rachsüchtig aufgrund ihres geflogenenen Vetters) dieses verfolgte etwas ungewöhnlich.
„Hiiiilfe!“
Der Schrei riss die beiden Soldaten aus ihrer Starre und sie zogen die Klingen, um sich gegen die Gnolle ins Felde zu schmeißen. Frejna bremste, um zu helfen, wo zu helfen war, doch die Widder liefen noch einige Meter weiter – Angst saß den Tieren in den Knochen. Den Kampfgeräuschen nach zu urteilen, konnten die Gnolle in die Flucht geschlagen werden. Und als der Wagen endlich stand und Frejna es schaffte, nicht mehr an den eigenen Haaren zu ersticken, schoben sich die beiden mit Kratzern übersähten Soldaten ins Blickfeld des Kutschbockes, während die Gnolle – feige Biester! - sich wieder durchs Unterholz in die Waldgrenze schlugen. Verdammter Tipp aus Goldhain. Und das nur, weil sie pünktlich in Seenhain sein wollte. Eigentlich hatte sie ja geplant, am Dienstag die Tiefenbahn zu nehmen und diese Taverne zu besuchen, die mit dem scharfen Essen. Die Dunklen waren ja eigentlich nicht so ihr Ding, aber der Wirt war angeblich sehr schnuckelig …
„Geht‘s Euch gut, Fräulein?“
Frejna blinzelte, noch immer keuchend, und blickte wie eine sehr kleine, stämmige Vogelscheuche auf die Wachmänner herab. „O-oh. Ja. Gut, dass ihr da wart, sonst wäre ich gewiss gefressen worden.“
„Seltsam für Gnolle, jemanden so weit auf die Straße zu verfolgen. Gab es ein Feuer? Die waren alle angeschlagen und hatten kahle Stellen im Fell.“
Die junge Bronzebartzwergin räusperte sich. „Das muss vor mir passiert sein. Aber ihr hattet ja Pause, nicht? Ich muss ohnehin weiter, hier geht es doch ins Rotkammgebirge, ja?“
Die Wachmänner tauschten einen Blick. „Gute Reise, Fräulein“, erklang das Ergebnis des ungehörten „Betrifft uns das?“-Votums.
Frejna gab ihren Widdern das Zeichen, dass sie weitergehen konnten – diesmal etwas langsamer. „Gute Reise!“