Loch Modan, westlich der Jagdhütte der Weltenwanderer.
Der Himmel ist klar, der Morgen klirrend kalt. Man könnte meinen, der Schnee sei längst überfällig und doch er soll ausbleiben, zumindest für heute. Das Leben in dem dichten Fichtenwald, der sich an einem der steiler werdenden Berghänge entlang zieht, ist längst erwacht. Bereits die ersten Sonnenstrahlen haben das Singen der Vögel aufwallen lassen, während weiter unten Bären und Gämse ihrer Wege ziehen. Lediglich auf vereinzelten Lichtungen bricht der warme Schein durch das Kleid der Bäume und erreicht den mit Nadelstreu bedeckten Waldboden – oder das Gesicht einer blonden Jägerin, wie just in diesem Augenblick.
Charlie West kneift die Augenlider zusammen und hebt die tiefgrünen Iriden gen Himmel. Dort verweilt der Blick für einige Momente, wachsam und scheinbar nach etwas suchend, das ganz offensichtlich nicht da ist. Ein still verborgener Beobachter würde rasch zu einem eindeutigen Schluss kommen, was die ganz in grün und braun gekleidete Frau in den Wald verschlagen hat. Sie ist auf der Jagd. Der schlichte Bogen samt Köcher, aus dem einige gefiederte Pfeilenden hervorschauen, spricht eine ganz eindeutige Sprache und auch sonst könnte man bei ihrem Anblick zumindest unterschwellig auf den Gedanken kommen, dass diese Frau dem Reiz der Jagd bereits vor langer Zeit verfallen ist. Ihre Bewegungen sind genau bemessen und bedacht, jedoch keineswegs zögerlich. Nichts in ihrem Umfeld scheint den geschärften Sinnen entgehen zu können.
Noch während ihr Blick über den steilen Hang wandert, kann ein paar besonders guter Lauscher einen gellenden Ruf vom Himmel aus vernehmen.
„Eeeek!“, so erklingt es und wer seinen Blick emporrichtet, kann einen winzigen Punkt im Sturzflug erkennen, der dem Erdboden mit atemberaubender Geschwindigkeit entgegenschießt. Charlie hält inne, den Kopf wieder erhoben, die Augen mit der Hand gegen das einfallende Sonnenlicht abschirmend.
Wie ein dunkelgrauer Blitz passiert der Falke hoch oben am Himmel einen weiteren, kaum erkennbaren Punkt, der sofort ins Taumeln gerät, herabstürzt wie ein Stein und zwischen den aufragenden Baumwipfeln verschwindet. Keine Sekunde später läuft die Jägerin los, in die Richtung, in der der getroffene Vogel gefallen ist. Noch für einige Momente zieht der wieder aufgestiegene Raubvogel am Himmel seine Kreise, ehe auch er sich zum Landen herabsenkt.
Charlie durchmisst den Wald wie von einer unsichtbaren Hand angeleitet. Je näher sie dem vermeintlichen Ort kommt, an dem der Beutevogel gelandet sein muss, desto langsamer wird sie. Ihre Hand, die den Bogen hält, festigt ihren Griff, während die andere nach einem Pfeil greift und diesen in die Sehne einlegt. Dann hält die Jägerin inne, geht auf ein Knie und legt an.
Mehrere Herzschläge vergehen, bis sich etwas im Unterholz des Waldes regt. Aus einer dichten Hecke brechen zwei Tiere hervor – ein Muffelschaf und ihr Jungtier. Beide sind offenbar aufgeschreckt von dem herabstürzenden Vogel, doch etwas ganz anders scheint sie in helle Panik versetzt zu haben.
Die Jägerin spannt die Sehne, nimmt Maß und … lässt die Waffe wieder sinken. Nur wenige Meter an ihr vorbei prescht zuerst das Muttertier und dann ihr Nachwuchs.
Dann springt ein gewaltiger Wolf aus einer Gruppe junger Fichten hervor. Er reißt das Jungtier zu Boden und tötet es mit einem gezielten Biss in die Kehle.
Charlie erhebt sich wieder aus ihrer knienden Haltung, während der hünenhafte Wolf, der der ohnehin schon großgewachsenen Frau im Stockmaß bis zur Schulter reicht, das erlegte Jungtier in ihre Richtung trägt und vor ihr ablegt. Sie lächelt dem Wolf zufrieden zu. Er reibt seinen Kopf an ihrer Seite und bringt sie damit sogleich ein wenig ins Stolpern. Indes trägt der ebenfalls erfolgreiche Wanderfalke seine Beute, eine fette Dohle, unter dem Nadeldach der Fichten bis zu seiner Herrin und legt diese neben dem Muffellamm auf dem Waldboden ab.
Die Jägerin besieht sich beide Tiere. „Die Dohle werden wir Goldrinn opfern. Ein ungewöhnliches Opfertier, denke ich. Welcher Jäger mit Pfeil und Bogen oder sogar nur mit dem Speer erlegt schon eine Dohle hoch oben am Himmel?“ Dann wandert ihr Blick weiter zu dem Lamm. „Das Stück werden wir mit den Elfen in der Jagdhütte teilen. Auch, wenn es mir zuwider ist, aber… die Elfe hat drum gebeten. Und ich werde mir nicht vorhalten lassen, nichts für die Oskorei zu tun.“
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In diesem Sinne:
ein Horrido,
ein Horrido,
ein Waidmannspush!