Ein Ritt in die Pestländer
(Fanfiction von Rabenstern [A-Gilde: Feuer von Faldir])
Die Seuchennebelklamm schlummerte im grauen Morgendunst. Enge Felswände flankierten den steinigen Gebirgspass hinab ins Darrowtal, welches dereinst üppige Heimstatt wilder Krokusfelder und Kornkammer des Königreichs Lordaeron gewesen war. Der süße Safranduft im Talkessel jedoch war längst verblichen – über die Jahre hinfort gescheucht von siechen Totenwinden, die mit den Geißelschrecken zusammen Einzug ins Tal gehalten hatten…
Von Norden heran trieben gequälte Stimmen in der unruhigen Gischt des Grenzflusses Thondoril. Sie breiteten sich über den gesamten Darrowsee aus und zogen einen gespenstischen Wall aus Wasser und Nebel um die Insel mit jener trutzigen Feste, die einst Sitz des stolzen Hauses Barovs geheißen ward: Darrowehr. Doch nun umspülten die trübe schäumenden Schlammwasser längst keinen noblen Herrschersitz mehr. Nein, denn die Barovs waren dem Versprechen der Geißel von Unsterblichkeit erlegen und so schälte sich nunmehr unbekümmert eine dunkle Schule der Nekromanten aus den kalten Nebeln: Scholomance.
Begleitet vom monotonen Hecheln grimmer Wölfe, die in kargen Gebirgsklüften des Passes lauerten, trabte eine Reiterschar durch die Klamm voran – geeint unter dem grauen Faldir-Banner. Auf felsigen Steigen fochten sie mit dem bizarren Gewirr aus zähen Ästen und Geröllbrocken. Doch sie fürchteten weder diese Hindernisse noch seellose Schreckensgestalten und Todesangstboten, braver Mut erfüllte die wackren Herzen. Ihr Tatendrang wollte sich jedoch keineswegs mit den finsteren Zauberern der Geißel messen – gleichwohl diese verrucht genug dafür gewesen wären, reich nur an Zorn, Hass und Schande. Der Trupp aber sprengte linkerhand an der Akademie der Totenbeschwörer vorbei, hinab ins Trauer-Tal, in welchem der bislang einzig verbliebene, nicht verdorbene Ort der Pestländer lag: das Grabmal des heiligen Uther, die Ruhestatt des Lichtbringers.
An der Spitze der Schwadron ritt ein kahlköpfiger Mann, von der Last des Alters gezeichnet. Sein Harnisch saß schief, da sowohl die Riemen, die ihn hielten, als auch das Fleisch darunter in zahlreichen Scharmützeln gelitten hatten. Er lenkte seinen Blick, der jedoch ganz und gar nicht als verschlissen gelten mochte, auf das Buch der Segnungen an seinem Gürtelbund. Im Stillen rezitierte er die Tugenden des Lichts, beschwor seine innere Flamme herauf und musterte schließlich klaglos seine Gefährten…
Viele Faldirianer waren dem Aufruf gefolgt: Es ritten weitere Paladine mit ihm, jünger und kräftiger, strahlende Prediger und Kämpfer, aber auch uralte Nachtelfen, die in ihren langen Leben schon viel gesehen hatten und wussten, wann es zu handeln galt. Auf ihren eleganten Säblern, die mit raumgreifenden Schritten eigentlich nur allzu leicht an den Rössern der Menschen vorbei zu ziehen vermochten, reihten sie sich dennoch ein. Auch Zwerge waren unter ihnen zu finden, deren gute Kontakte zum nahen Wildhammerclan der Kavalkade ein ordentliches Nachtlager mit prasselndem Feuer und feinem Met am Nistgipfel gesichert hatten. Ihre gebirgsgängigen Reitwidder hätten es den Titanenkindern ebenfalls problemlos ermöglicht voraus zu preschen, aber auch sie ordneten sich bescheiden ein. Denn das Darrowtal war gefährlicher Grund und ihr Ritt verlangte geeinte Schlag¬kraft.
Die Pestländer trugen ihren Namen zu Recht: Noch immer versuchte der Zirkel des Cenarius die Verseuchung in diesen Landen zu heilen, das Leid der Tiere zu mildern – und scheiterte damit. Zurückgelassene Seuchenkanister der Geißel hatten Bäume, Sträucher und Gewässer auf Generationen verdorben. Harmlose Tiere, die sie fraßen oder von ihnen tranken wurden so zu wütenden, schmerzgetriebenen Bestien. Und auch die Kapazitäten des Argentumkreuzzuges, der sich in Andorhal gegen die Geißel aufrieb, waren weithin erschöpft. So war die Kunde, die vor wenigen Tagen durch die Abtei in Nordhain dem Feuer von Faldir überstellt worden war, gleichermaßen niederschmetternd wie dringender Hilferuf. Was der Geißel noch über die Jahre verwehrt geblieben war, schien nun einem besonders mächtigen Feind geglückt: Das Grabmal des heiligen Uther ward von einer finsteren Höllenkreatur genommen, aus welcher Welt auch immer sie gekrochen war!
Als die das Grab säumende Baumallee in Blick der Faldir-Schwadron geriet, verlangsamten die Hufe und Pfoten der Tiere ihren Rhythmus. Wald der Pilger wurde dieser letzte Pfad zum Grabe hinauf genannt und Paladine wie Priester wachten ehedem darüber. Doch nun fanden sich an dieser Schwelle nur verbrannte Erde und – wie zur Markierung eines Reviers – die frischen Exkremente eines Untieres, glimmend wie Kohlestücke und doch nach Verwesung dünstend. Keifen und Knurren drang den Pfad hinab und zwang alle zum Absteigen. Die Tiere mussten zurückbleiben, nichts würde sie unter Kontrolle halten können, je näher das Grabmal rückte. Die Blicke der Schar trafen sich entschlossen, kein Zaudern, kein Zagen, nur voran!
Am Thron des Andenkens über der Grabstätte hatte der dunkle Besatzer ebenfalls ein Zeichen hinterlassen: Die Statue des Lichtbringers lag seines Sockels entrissen im Staube, eine Reihe von Schädeln fand sich auf den Resten aufgetürmt zu blutigem Mahnmal…
Der robuste, kahlköpfige Paladin trat indes hervor und schloss die Faust um den Griff seines Hammers. Ein beherzter Schwung fegte den Schädelhaufen beiseite – und just in jenem Wimpern-schlag, als der heilige Stahl die Knochen bersten ließ, entsprang dem Hammerkopf eine silberne Flamme und hüllte diesen weithin sichtbar ein. Beflügelt straffte sich der Paladin und reckte die gleißende Lohe in die Höhe, von vielstimmigem Raunen getragen.
„Wohlan, Brüder und Schwestern, dies Grab erwartet uns. Aber es soll nicht zu unsrigem werden! Scheut nicht düstre Fratzen noch Blutzoll! Stemmt euch dem dunklen Fluch der Geißel entgegen und befreit die Ruhestatt des heiligen Uther! Lasst uns diese Schärpe der Ehre erringen, auf das sie fürder’ unsre Helmzier sei! Für das Banner von Faldir! Für Lordaerons Erbe! Für das Licht!“
Die tapfere Schar drängte voran. Im modrigen Dunst der tiefen Grabstätte verborgen lag, errichtet aus den Überresten hölzerner Bänke und rußigem Schutt des Altares, das verbarrikadierte Nest der Bestie. Rasch wurden Lanzen und Äxte beschwingt ins verkohlte Holz gerammt, Bärenpranken hoben Riegel und Sorgen beiseite. Lichtspeere drangen scheu ins Innere, doch aufgedunsener Staub ritt sie mit schweren Schenkeln. Hitze und Düsternis woben ein giftiges Netz, das brave Glieder jäh umfing. Stiefelspitzen spähten schwerfällig, in siecher Umarmung grünen Dunstes liegend, still nach sicherem Stand. Doch längst ward die Ankunft der grimmen Gäste offenbar…
Unreine Augen funkelten im Dunkel, sternblitzende Sendboten eines bösartigen Geistes. Ein dumpfes Schnauben erhob sich, wuchs im vor Moder und namenlosem Hass starrenden Maul heran zu wütendem Kreischen. Die Faldirianer rückten zusammen, unerbittlich umschlangen ihre Fäuste Lanzen und Schwerter, Hämmer und Bögen, bleiche Knöchel tanzten unter schwitzender Haut. Ein mutiger Schritt noch – doch ein heis‘res Zischen lähmte rasch den Tatendrang. Alles stockte…
Um einen letzten Balken wand‘ sich jener Flüst’rer, die Fänge über Holz und Stein scheuernd, eine rosshafte Gestalt, gehüllt in hitzigen Rauch und Schmährufe speiend:
„Ihr elend Lebendigen, bald wimmernde Tote, wir dulden eure Wärme hier nicht! Ihr Buhlen der zahnlosen Götter, lange ging ich nicht mehr zur Hatz. Doch nun ein Festschmaus eure Leiber mir sein werden – indess’ mein Herr sich an euren Seelen labt!“
Ein Schnauben spülte den höllischen Qualm beiseite und rollte diesen durch die Reihen der Streiter. Er presste ihnen allen Odem aus den gequälten Lungen. Geronnener Angst gleich erstarrten ihre Antlitze. Die Kreatur, mit muskelbewährtem Leib und Fesseln eines Schlachtrosses, trug dunkle, pulsierende Hörner auf dem Haupt. Gewaltige Schwingen entfalteten sich, dünn und durchscheinend wie Pergament, siecher Haut gleich. Aus dem Rachen des drachenartigen Mauls starrte ein Gemisch aus niemals vergehender, fiebriger Gluthölle und brüllendem Tosen, das selbst die Gewalten eines Sturms zu bezwingen vermochte…
Die Antwort erschallte bebend, dem Faldirbanner gleich, unbeirrt aufgepflanzt in verwestem Grund:
„Halte deinen fauligen Pestodem zurück, Dämon. Er wird dir nichts nutzen. Du bläst zur letzten Jagd! Doch nimmer sind dir aufrechte Seelen die Beute. Das Licht wird die stinkende Düsternis brechen! Nimmer wirst du einem guten Herzen schaden!
Recken, macht euch bereit! Mit Klauen aus Blitz und Donner wollen wir Ross und Reiter zerreißen. Für Uther!
Gib das Grab frei, Schindmähre!“
Geblendet von der gleißenden Flamme des Paladinhammers stakste die Kreatur wankend voran. Wütende Schläge brachen Balken, Mauern, Lanzen, Fleisch und Knochen. Harnische aus Leder verrotteten augenblicklich, Brünnen aus Eisen schmolzen, Muskeln versagten und Augenlicht verebbte – doch der Entschlossenheit einer hungrigen Wolfsmeute würdig donnerten die Streiter Faldirs ein ums andere Mal auf den Diener der Geißel ein! Und noch ehe das Untier sein letztes Wiehern tat, durchbohrte das Banner von Faldir sein Herz. Sollte es nur seinen Reiter und Herrn auf den Plan rufen, das Feuer von Faldir war bereit!