„Schwachsinnige… Allesamt hirnrissige, wahnsinnige Schwachsinnige…“ So kreiste es Verus durch den Kopf. Er war genervt, um es mal ganz schlicht zu beschreiben. Nicht nur von dem dümmlichen Typen vor sich, sondern vor allem von der derzeitigen Lage.
Da hatte dieser Auftrag im Gildenhaus gehangen. Ein Lieferauftrag in Dunkelhain. Ein Ansprechpartner war noch vermerkt und eine Belohnung von 70 Silberstücken. Mehr Details gab es nicht. Konnte also wirklich nicht so wild sein. Eine Kleinigkeit in Dunkelhain abliefern? Oder da abholen? Man wusste es nicht. Aber wie wild sollte das schon sein? Ohne irgendwelche Spezifikationen hatte Verus mit einem einfachen Paket gerechnet. Also wirklich nur eine Kleinigkeit für sich und seinen Greifen Pyrit. Den Auftrag hätte er sogar allein angenommen, hätte nicht Siny, die Gnomenmagierin der Gilde, ebenfalls Interesse am Auftrag bekundet. Dementsprechend war man zu zweit aufgebrochen. Der Halbelf war mit der Gnomin vor sich im Sattel ganz friedlich über den Elwynn hinweggeflogen, sodass sie gegen Mittag in Dunkelhain angekommen waren. Der Dämmerwald war nun wirklich nicht das schönste Ausflugsziel, aber darum ging es ja auch nicht. Nach getaner Arbeit könnte er immer noch einen Abstecher nach Beutebucht machen und einen Rum in der Abendsonne genießen. Zumindest hatte Verus das gedacht…
Und dann war Edgar Klenk passiert - der verdammte, dämliche Vollidiot aus Dunkelhain, der den Auftrag eingereicht hatte und ihr Ansprechpartner im Ort war. Der Mann war schnell gefunden - trinkend am Tresen des Roten Raben. Und dann war der Spaß losgegangen. Es ging zur auszuliefernden Ware in den Keller des Gasthauses. Verus hätte diese Pappnase am liebsten stehenden Fußes erwürgt, als der auf ein knappes Dutzend randvoller Vorratskisten und zwei Wasserfässer deutete. „Das soll an unsere Außenposten im Dämmerwald. Die brauchen Vorräte und müssen dringend beliefert werden. Wir haben letzte Woche eine Karawane losgeschickt, die es versucht hat, aber die wurden angegriffen und mussten fliehen“, hatte der Hampelmann stumpf gebrabbelt.
Außenposten im Dämmerwald? Dutzende Kisten? Eine angegriffene Karawane?!
„Was macht denn den Wald derzeit so unsicher?“, hatte Siny gefragt, während Verus die Arme verschränkt hatte, um dem Sackgesicht von Auftraggeber nicht augenblicklich eine dafür zu scheuern, dass mit keinem einzigen müden Wort im Auftrag der Lieferumfang oder das Ziel erwähnt worden war. Oder auch nur eine IDEE von ein paar hilfreichen Randinfos.
„Naja… Wilde Tiere, Oger, Riesenspinnen, Wildworgen… Und der zweite Außenposten ist Rabenflucht, da beim großen Friedhof. Da gibt’s halt Untote in Massen“, war Klenks Antwort gewesen.
„Stumpfsinniger, hirnrissiger, minderbemittelter, rattendämlicher Vollidiot! Ausgeburt eines mutterlosen Ogers!“, rauschte es Verus laut durch den Kopf und er wollte den Kerl am liebsten mitten im Wald aussetzen und da jämmerlich von irgendwas fressen lassen. Oder in Tanaris verdursten lassen! Oder ihn filetieren und an Murlocs verfüttern!
Der Haken: Er durfte nicht. Er war zum einen FÜR die Gilde hier, zum anderen MIT jemandem von der Gilde. Wäre er allein gewesen, hätte er sich wieder auf seinen Greifen gesetzt und wäre wieder nach hause geflogen. Sollte der vermaledeite Armleuchter doch selbst seinen Kram durch den Wald karren. Aber das würde leider nichts werden. Verus war in Begleitung da, hatte den Auftrag angenommen und würde sicherlich ein schlechtes Licht auf die Gilde und sich selbst werfen, wenn er nun einfach so ginge. Aber genau SOLCHE hirnrissigen, undurchdachten Aktionen hatte Verus gemeint und strickt abgelehnt, als ihn Lu bei Gildeneintritt gefragt hatte, was er verweigern würde. Er hatte es gesagt! Er war ein Mann, der gern vorbereitet war, der gern einen Plan hatte und sich nicht einfach kopflos in irgendwas stürzte.
Und jetzt war er stattdessen geladen und genervt. Und er weigerte sich, unvorbereitet und mit einem vollen Karren, der sie stark verlangsamte, ewig und drei Tage durch den Dämmerwald zu kriechen. Und diesem Unmut machte Verus auch sehr ungeschönt Luft. Das scheinbar so effektiv, dass der Depp den Keller verließ, um bei der ortsansässigen Nachtwache vielleicht noch Leute ranzukriegen. Verus fing mental an zu beten, dass es vielleicht einen Lichtwirker oder einen anständigen Jäger gab, um sie und den Karren abzusichern. Allerdings war die Lage immer noch schlecht. Der Trottel hätte einen angemessenen Karawanenschutz beauftragen müssen. Und hätte vor allem die Ziele oder ZUMINDEST die Gefahren auflisten sollen. Und den Aufwand erst! Verus und Siny waren per Greif gekommen, aber ohne einen Wagen würden sie gar nichts transportiert bekommen. Es sei denn, Verus ließ Pyrit Kiste für Kiste hin und her fliegen. Und DAS würde er dem Schwachmaten DEFINITIV extra berechnen.
Während er sich den Kopf darüber zerbrach, wie er Klenk leiden und büßen lassen würde, während er den Auftrag hoffentlich doch noch irgendwie abschließen konnte, war es die Gnomin, die ihm den Tag rettete. „Vielleicht…könnte ich die Kisten ja schrumpfen?“
Ein Lichtblick! Ein Hoffnungsschimmer! Er müsste nicht seinen Hintern riskieren, nur weil ein armer Idiot nicht von zwölf bis Mittag denken konnte!
„Siny, ich könnte euch küssen, wenn das klappt!“ Diese Gnomin war eine verdammte HEILIGE! Und sie schaffte es tatsächlich, die Kisten so weit zu schrumpfen, dass sie in die Satteltaschen passten! Ja, den Kuss bekam sie tatsächlich - sogar auf den Mund. (Das hatte sie sich ausgesucht) Und Verus musste sich zusammenreißen, sie nicht vor Freude in einer Umarmung zu erdrücken.
„Wie…geschrumpft? Sowas könnt Ihr? Das fällt Euch jetzt ein? Jetzt steh ich ja da wie ein Idiot“, hatte sich die Hohlbratze Klenk beklagt, als er in den Keller zurückkehrte und winzige Kisten im Bauklotzformat vorfand.
„Nichts für Ungut, aber der seid Ihr schon. Ihr hättet einfach nur den Auftrag richtig ausschreiben sollen“, hatte Siny zurückgefeuert. Verus hatte eine neue Lieblingsgnomin.
Die Nachtwache - Verus’ bescheidener Meinung und ihrem Verhalten nach ein Haufen von ausgesuchten Mimosen - jammerte noch bei ihrer Abreise mit der Lieferung, dass die Stadtleute doch ach so inkompetent seien. Ach und wo hatte es mit der Hirnlosigkeit angefangen? Exakt. Bei Klenk. Dem vermutlich noch ungekrönten Dorfdeppen von Dunkelhain. Eine Wohltat, dass Verus ihn nur bei der Bezahlung für den Auftrag noch einmal würde ertragen müssen. Per Greifenflug ließen sich die Vorräte entspannt ausliefern und Siny verwandelte die bauklötzchengroßen Kisten wieder in ihre gewohnte Größe. Also…fast alle. Aber Weihwasser musste man eh nicht trinken. Da war es nicht schlimm, dass die Kiste ein wenig kleiner ausgefallen war. Das gehörte ja auch ganz bestimmt so. Ja, ganz sicher!
Verdammt noch eins, die Magierin hatte Verus bei dieser Mission wirklich gerettet. Und er würde sich künftig vor dermaßen schwammigen Aufträgen hüten! Aber der Gnomin schuldete er definitiv noch ein Bier, wenn sie wieder in Sturmwind waren.