Was machte ein Bastard, Waise, Sohn einer …
Falsch.
Was machte Abram Kruger mit seinem ersten Lohn als Private? Was jeder verantwortungsbewusste, gerade den Jugendjahren entwachsene Berufssoldat tat, der sich von absoluter Armut plötzlich in soetwas wie überlebensfähigen Bedingungen wiederfand.
Er kaufte Mandeln.
Der junge Mann war durch den Markt in Sturmwind gestromert wie ein Wiesel, sich vorsichtig umschauend, ob auch ja niemand auf die Idee kam, ihn zu verscheuchen. Das Hemd und die Hose, die etwas weit, aber immerhin richtig und löcherfrei saßen, die sauber gekämmten Haare und der mangelnde Körpergeruch sorgten aber nicht nur dafür, dass er unbehelligt blieb. Im Gegenteil.
Als sich die erste Stimme in seine Richtung erhob, gebrüllt von einem großen Mann mit noch größerem Bauch, schreckte Abram dermaßen zusammen, dass er, hätte er Krallen gehabt, sicher kopfüber an der Straßenlaterne gehangen hätte. Nur die Anwesenheit von Thagda und die Tatsache, dass die Dunkeleisenzwergin seine andere Hand mit ihrem schraubstockartigem Griff umfasst hatte, sorgte dafür, dass er auf dem Boden der Tatsachen blieb.
Statt einer geballten Faust reckte sich ihm über das Standbrett eine Hand entgegen, die einen Bund Räucherwürstchen präsentierte. Man hielt ihn offenbar für flüssig genug, dass er sich einen Leckerbissen zum Schlendern kaufen konnte.
Abram wollte gerade losgehen, da bemerkte er, dass sich sein Arm nicht vom Fleck bewegte. Die starken 1,20m, die daran hingen, starrten mit Augen so groß wie ganze brennende Kohlebriketts zum Händler hoch.
Sie waren für Mandeln hier!
Die kauende Zwergin an der Hand, schaute sich Abram weiter um. Der Geldbeutel an seiner Hüfte fühlte sich nicht soviel leichter an, als er geglaubt hatte. Als sie an den Stand mit den Nüssen und den Gewürzen aus dem Süden kamen, kaufte er sich ein Säckchen Mandeln. Zusammen hatten sie immernoch genug übrig, um sich mit ordentlichem Sparpolster einen Kamm für Thagdas Haare, Rasierwasser für Abram und jeweils ein Stück Plundergebäck zu leisten. Es gab einen kurzen Streit auf der Straße, als der junge Mann Thagda mit in den Boden gestemmten Füßen davon abhalten musste, den Fleischer leerzukaufen. Aber niemand brüllte ihn an, weil er Kuhlen im Boden machte, oder sagte ihnen, dass sie sich zu verpieseln hatten. Leute blieben stehen und lachten, mit ihnen, statt über sie. Eigenartig.
„Okay, ich habe davon gelesen“, verkündete Abram schließlich, als er zusammen mit Thagda in der Küche stand und sich die weiße Schürze umband. Er musste das blöde Band mehrmals knoten, während Thagda ein bisschen aussah, als hätte sie die Schleppe eines Brautkleids an den Bauch geschnallt.
„Ich mache den Teig, du zerstampfst die Mandeln. Sie müssen quasi pulverisiert sein.“ Leuchtene Augen. Ausgezeichnet.
Während der Dunkeleisenvernichter sich austobte, kümmerte sich Abram darum, einen Teig zuzubereiten. Mehl, Wasser, Ei … Alles Gegenstände, die er früher nicht einmal im Traum besessen hatte. Und jetzt hatte er nur lieb fragen müssen, einen freien Nachmittag beantragen.
Die Stille, die sich wie immer zwischen Abram und Thagda ausbreitete, wurde nur vom rhythmischen Zerhacken der Mandeln unterbrochen. Schließlich war der Kuchen im Ofen, die Mandeln gehackt und nur noch die Sahne zum Schlagen. Alles verlief ohne weitere Zwischenfälle.
Nachdem Thagda dreimal probiert hatte, ob sich das Essen auch wirklich zum Verschenken eignete, schrieb Abram mit seiner sauberen, geschwungenen Schrift eine Nachricht auf ein Stück altes Papier und drapierte es zusammen mit der Mandelschnitte auf einen Teller.
„Bist du sicher, dass sie nicht in die Schnitte latscht, wenn ich es ihr vor die Tür stelle?“
Kopfschütteln.
„Nein sie latscht rein oder nein sie wird nicht reinlatschen?“
Kopfschütteln. Nicken. Grinsen.
Also gut. Er würde es riskieren. Heimlich (man war ja jetzt Teil eines Trupps aus Infiltratoren und Spähern) schlich sich Abram zusammen mit der Dunkeleisenzwergin zur Stube von Private Eisengrund. Er leise wie ein Mäuschen, sie leise wie ein erschrockener Elekk. Vorsichtig stellte er den Teller ab, verzog sich aus der Kaserne und fiel mit der Zwergin in einen Siegestanz ein.
Als sie den Rest des freien Nachmittags auf der Wiese draußen saßen und Abram mit dem neuen Kamm gigantische Filzmäuse aus Thagdas Haaren kämpfte, warf der junge Mann immer einmal wieder einen Blick auf das Obergeschoss der Kaserne.
„Findest du nicht auch, dass wir für unsere Arbeit hier ziemlich guten Lohn bekommen, Vögelchen?“
Thagda schaute von ihrer Bauchlage zu ihm auf, das Gesicht vor Schmerz verzogen, während eine halbe Zwergenperücke neben ihnen Gestalt annahm. „Mandeln?“, fragte eine schwache, krächzende Stimme.
„Nee“, widersprach Abram, und trennte säuberlich eine besonders widerspenstige Strähne, die sich endlich in den Rest der Haarpracht integrierte.
„Freundschaft.“