Abschied von Celebras

Die Schiffsglocke läutete. Ihre Füße standen immer noch auf dem Landesteg, schwer wie Dunkeleisen. Die anderen waren alle schon auf dem Schiff, so wie es auch abgesprochen war, die toughe Myrkvun, der behände Laguz, die fleißige Windmaehne, der coole Vollmolch, die ehrgeizige Rabenschreî, Nachtkauz, Mo’handas, Bonkas und Jävla.

„Wollt Ihr noch aufs Schiff?“, quäkte Grimbel neben ihr, „Das Ticket gilt ganze zwei Monate, oder acht Wochen, jedenfalls recht lange, junge Frau!“. Sie konnte die Stimmen der Goblins nur schwer ertragen. Langsam setzte sich das Schiff in Fahrt. Sie musste etwas tun!

„ICH NEHME DAS NÄCHSTE SCHIFF!!!“, schrie sie, so laut sie konnte. Hoffentlich hatte jemand sie gehört. Schneesang sah dem Schiff nach, wie es sich dem offenen Meer zudrehte und dann langsam aus der Bucht von Ratchet entschwand.

Sie drehte sich um und ging zur Straße, gewohnheitsmäßig die Bank im Blick. Doch dann fiel es ihr ein: Die war leergeräumt. Alles in Taschen und Koffer verstaut oder verkauft. Die Gilde aufgelöst. „Wollt Ihr die Gilde wirklich auflösen?“, diese Frage klang noch laut in ihrem Kopf nach. Ja, sie musste. Die Schwere der Füße hatte irgendwie auch ihr Herz erreicht.

Obwohl kaum jemand auf der Straße war, gingen ihr schon die paar Goblins, die hier arbeiteten, auf den Geist. Dieses geschäftige Treiben, an dem sie bis vor kurzem auch Teil hatte, stieß sie heute ab. Sie wandte sich nach links, den Pfad hinauf zum Gasthaus und dann raus in die Dünen. Die Händlerküste lag ruhig in der Abendsonne. Das tat ihr gut. Als sie das Lager der Südmeerfreibeuter erreichte, ging sie runter zum Wassersaum und setzte sich in den Sand. Ein Schwarm ölige Schwarzmäuler zog seine Kreise. Das Wasser plätscherte gleichförmig, die Berge von Durotar lagen in der Abendsonne. Ab und zu fuhr das Schiff der Bootybay-Linie vorbei.

Es hätte alles so ruhig und schön sein können.

Sie erinnerte sich an die Ahn’qiraj Anstrengungen. Wie alle zusammengearbeitet hatten, sammeln, sammeln, sammeln! Die Hilfspakete von den Allis, die man in Orgrimmar ausgepackt und abgegeben hatte. Ihr Bild der „feindlichen Fraktion“ hatte sich da geändert. In jedem Volk gab es Jungspunde, denen die Kraft zu Kopf stieg und dann der Dolch oder die Axt zu locker saß. Aber waren die anderen böse? War die Horde besser?

Und die langen Abende am Lagerfeuer in Thunderbluff, wenn die junge Taurin Waah erzählte und die Methörner kreisten! Wie hatten sie alle mitgehofft und mitgezittert, dass sie es schaffen würde und die Ehre der Horde in der Wüste von Silithus verteidigen könnte. Doch davor lagen so viele Abenteuer, und sie hat das alles gemeistert! Ein Kuh-Mädchen vom Dorf, hatte man anfangs gewitzelt.

Weit davon entfernt, selbst den Gefahren von Silithus trotzen zu können, hatte Schneesang und ihre Freunde dennoch den bewegenden Ereignissen damals zuschauen können, denn alle Schamanen hatten Totems des Fernblicks aufgestellt. Geordnet waren die Truppen der Allianz von der Burg Cenarius zum Eingang von Ahn’qiraj marschiert, und dann war die wilde Horde eingeritten. Gemeinsam hatten sie den Gong geschlagen und damit den Kampf eröffnet. Sie waren alle Zeugen eines historischen Moments gewesen.

Schneesang war Orc, hart im Nehmen und hart im Austeilen. Früh hatte sie gelernt, auf sich selbst zu vertrauen. Damals an den Waah-Abenden hatte sie gespürt, dass es noch anderes gab. Diese Gemeinschaft, das Vertrauen, die Nähe… Das neue Wort „flauschig“ hatte sie da gelernt. Diese massigen Tauren rochen so komisch, aber ihr Fell fühlte sich eigentlich gut an. In ihren Riten empfand sie sich als Schamanin gut aufgehoben, und so war sie nach Thunderbluff umgesiedelt und hatte dort ein Zelt bezogen.

Ihre kleine Gilde, die Frostwölfe, kam langsam auch voran. Eine große Hilfe waren die Segensprüche, die von großen Gemeinschaften wie Sca Nehjo errungen und mit ihnen geteilt wurden. Wie oft waren sie nach Bootybay gereist, um den Geist von Zandalar zu erhalten, und dann schnell nach Orgrimmar, wo der Schlachtruf der Drachentöter erklang.

Rabenschreî war die erfahrenste, als sich das Dunkle Portal öffnete. Sie wurde vorausgeschickt in die neuen Lande der Scherbenwelt und berichtete von grausamen Kämpfen. Nur dank ihres robusten Kampfschweins Strobel konnte sie überleben. Wenn es galt, gefährliche Dungeons zu betreten oder schwere Gegner zu besiegen, halfen ihr Mitglieder von Maira oder der Flamme des Drachens. Die Flammen hatten eines Abends im Schattenmondtal viel zu lachen, als der wildgewordene Strobel für den im Kampf gefallenen Tank einsprang und einen Feind nach dem anderen attackierte. Rabenschreî konnte ihn irgendwie nicht aus seinem Kampfrausch herausholen und die Heilerin musste alle Künste aufbieten, ihn am Leben zu halten.

Die Kriege der Scherbenwelt kannte Schneesang nicht, noch nicht – sie musste noch erfahrener werden. Sie merkte nur, wie viele Kämpfer in den gewohnten Landen fehlten. Hier begann es, einsam zu werden.

Zur letzten Wintersonnenwende trafen sich nochmals viele in Everlook. Menschen und Nachtelfen boten ein kleines Schauspiel dar, was sogar für die Hordevölker übersetzt wurde, ebenso umgekehrt Orcs und Trolle. Wie angenehm war es, auf einem Baumstamm in der Kälte zu sitzen und auf die Schneelandschaften zu schauen. Sie erinnerte sich an ihre Kindheit und Jugend im Frostfeuergrat.

Doch dann mehrten sich die schlechten Nachrichten. Diese Welt würde aufgegeben werden, jeder sollte sich eine neue Heimat suchen. Schneesang wollte nicht weg! Doch das alte „Dorf Celebras“ starb langsam aus. Die bekannten Gesichter von Sca Nehjo gingen weg, Maira ebenfalls. Es gab keinen Weg zurück. Wie fühlt es sich an, wenn man etwas loslassen muss, was man gerngehabt hatte?

Schneesang stand auf und kletterte an den Ufersteinen weiter voran. An der Spitze der Landzunge lag die Tidusstaffel. Dort hatte sie ihr Wassertotem bekommen, jeder Schamane kennt diesen Kraftort. Mahren Himmelsdeuter und Islen Wasserdeuter sahen ihr entgegen.

„Seid gegrüßt. Was führt euch zu diesem abgelegenen Platz?“, fragte Islen Wasserdeuter. „Lok’tar! Ich…, also ich wollte mit dem Schiff…, ähm, wegfahren…“, Schneesang stotterte, unklar im Kopf und unklar in der Sprache. „Also ich wollte wegfahren, aber ich konnte nicht.“ Was für ein Quatsch. Natürlich konnte sie wegfahren. Sie hatte es nur nicht gemacht. Sie war stehengeblieben. Schwach geworden. Hatte sich von sentimentalen Gefühlen überwältigen lassen. Sie, eine Orcin aus dem Frostwolfklan! Ihr Vater hätte sie geprügelt. Oder verachtet. Sie verstummte, senkte den Kopf, Tränen liefen ihr über das sonnengegerbte Gesicht.

Plötzlich spürte sie, dass Islen vor ihr stand. Sie zuckte zusammen. Warum hatte sie ihre Schwäche nun auch vor diesen großen, weisen Schamaninnen offenbart? Sie erhob ihren Kopf, gewillt, die verdiente Maßregelung zu ertragen. Doch Islen nahm sie in die Arme und sagte nur mit ihrer ruhigen tiefen Stimme: „Manchmal ist das Leben ganz schön hart.“ Schneesang fühlte das warme Fell ihrer Arme und ließ den Kopf an ihre Schulter fallen. Diese Tauren rochen zwar komisch, aber sie war froh, dass es sie gab!

Als sich Schneesang wieder beruhigt hatte, setzten sich die drei Frauen ans Feuer und tranken Wasser. Mahren Himmelsdeuter fragte, was ihre wirkliche Frage sei. Schneesang spürte in sich hinein: Was in ihrem Inneren hatte sie zurückgehalten, vorhin am Steg? Was es Angst vor dem Neuen? Die Traurigkeit über das Vergangene? Oder der Zweifel, ihrer Verantwortung gerecht geworden zu sein? Dass sie die Freunde nicht vor dem Exil hatte retten können?

Mahren schien ihre Gedanken lesen zu können. „Du konntest das Schicksal nicht wenden. Die Welten werden geboren und vergehen wieder. Viele Völker sind auf der Flucht, vor Krieg, vor Dürre. Mit euren Schicksal seid ihr nicht allein.“

Sie zeigte zum Wasser: „Siehst du die Berge von Durotar am anderen Ufer? Der Himmel hat mir geweissagt: Die Berge werden glühen und das Buschland brennen, wenn die große Hitze kommt. Das Meer wird steigen und wir werden hier an der Küste auch nicht mehr sicher sein und weggehen müssen. Manche werden sagen: Das war ein feuriger Drache, der aus der Elementarebene entwichen ist und das Land verwüstet hat. Aber ich glaube, wir sind es alle, die wir die Erdenmutter nicht wertschätzen, sondern ausbeuten.“

Schneesang sah entsetzt von Mahren zu Islen und wieder zurück. „Dann ist alles zwecklos“, murmelte sie. „Ja und nein“, antwortete Mahren, „Die Kontrolle ist Illusion. Auch wenn dich Blizz einst Champion nennen wird, glaube das nicht. Keiner kann Held sein ohne die anderen, und somit ist jeder wichtig. Ich wünschte so sehr, die wuseligen Goblins würden das auch mal verstehen, die mit ihren stinkenden Maschinen die Sache nur ärger machen.“

Die Sonne war untergegangen. Eine Brise vom Meer brachte Abkühlung, Grillen zirpten und der Sternenhimmel des Brachlands zeigte sich in seiner ganzen Pracht.

Die Taurinnen unterhielten sich leise in ihrer Sprache. Schneesang schloss die Augen, um diesen Moment in sich einzusaugen. Für heute war Frieden.

Und morgen würde sie das Schiff nehmen.

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wischt sich die tränen weg und umarmt die kleine orcin (wenn sie möchte) :hearts: danke!

das war wirklich ein lustiges abenteuer da im schattenmondtal. einen freundschaftlichen klaps an strobel!

wäre schön, wenn wir uns auch in der neuen welt mal wieder über den weg laufen.

wru / tristzara

Abschied von Celebras: die letzten 3 Tage

Weltuntergang? Das glaubte sie ihren Eltern nicht. Seit sie den Kinderstiefeln entwachsen war, hatte Taira Lichtstahl ihren eigenen Kopf. Tja, und da sie ihre Meinung vehement zu vertreten pflegte, war sie ja auch zu ihrem Spitznamen „Tacheles“ gekommen.

Sie wollte nicht mit nach Menethil und das Schiff zu dieser anderen Welt nehmen, wo keiner ihre Sprache verstehen würde! Keinesfalls.

Tacheles stapfte hinaus in den Schnee. Alles war wie immer. Sie hörte das Knirschen unter ihren Stiefeln, sog die kalte Luft ein. Es war diesig, so dass sie keine Sterne sehen konnte. Aber

Nun war sie zurückgeblieben, als einzige ihrer Familie. Ho, mutig war sie und selbstbewusst. Sie hatte ja trotz ihrer Jugend schon einige Abenteuer bestanden. Kürzlich hatte sie gehört, dass sich andere junge Leute in den nächsten Tagen zu Feierlichkeiten versammeln würde. Party! Da war sie gerne dabei.

Shattrath

Am ersten Tag gab es Sport und Spiele in der Scherbenwelt. Sie musste nur auf den Zauberruf der Hexe warten… und schon war sie da! In der Enklave des Cenarius roch die Luft weich nach Wasser. Sie konnte auf einen riesigen See blicken. Doch genauso riesig war die Stärke der Wildtiere!

Tacheles verkroch sich mit anderen „Kleinen“ in einem Zelt. Die Spielmeisterin sammelte das Startgeld ein. Oje, das hatte sie vergessen. Oder verdrängt. Gold hatte sie gar keins. Doch zum Glück durfte sie trotzdem teilnehmen.

Die erste Quest: Nach Shattrath laufen. Okay. Aber wo ist das?? Schnell, hinter den anderen her. Immer in der Mitte bleiben. Tacheles war nicht dumm. Sie hatte den Hügel schon fast hinter sich, da fand sie sich plötzlich beim Geistheiler wieder. Aufstehen, weiterlaufen. Auch anderen war das passiert. Zwerge sind zäh. Sie war nicht bei den ersten, aber immerhin kam sie an.

Die zweite Quest: Einen Kaffee besorgen und jemand bringen, dessen Namen sie nicht verstanden hatte. Wieder Glück: sie bekam Geld, um den Kaffee zu bezahlen! Und dann erneut den anderen hinterher. Sie erwarb das Heißgetränk und brachte es fast vollständig (nun ja, sie musste ja laufen!) zum Ziel. Das Beste: sie durfte das Restgeld von etwa 50 Silber behalten! Das entsprach einer Menge Bier! Es lief doch bestens.

Die dritte Quest: Verstecken. Wie sollte das gehen, wo sie sich doch gar nicht auskannte? Sie drückte sich an den ersten fetten Oger, den sie sah. Dem würden sie beim Suchen schon nicht so nahekommen. Leider doch, und so wurde sie schnell enttarnt.

Sie blieb noch für die kurze Siegerehrung und applaudierte den Gewinnern. Hm, da musste sie wohl noch etwas üben, um auch vorne dabei zu sein. Doch das würde sie hinkriegen, da war sie sicher… falls die Welt nicht doch unterging. Denn die anderen sprachen so komisch, sie müssten neue Gilden gründen und neue Gildenbanken erwerben…

Thelsamar

Zurück in Ironforge, machte sie sich am nächsten Tag auf nach Loch Modan. Die altehrwürdige Zwergen-Gilde der Schildbrecher hatte zu einem ihrer Saufgelage eingeladen. Na endlich Party! Tacheles lief den recht langen Weg voller Vorfreude, und als sie in das das Dorf Thelsamar einbog, hatte sie richtig Durst.

Sie bestellte sich gleich ein paar Biere und bekam auch welche ausgegeben. Schön, dass sie hier ernst genommen wurde. Doch die Stimmung war komisch. Man redete von Abschiedssaufen. Sollte ihr Vater doch recht behalten? Es wurde von alten Freunden berichtet, die sich auch aufgemacht hatten in neue fremde Welten. Eine ruhmreiche Ära würde zu Ende gehen.

Tacheles fühlte sich erleichtert, als die Schildbrecher anfingen, sich zu prügeln. Ja, das machte Spaß, Zwergen beim Kämpfen zuzusehen! Runor, Brigor, Torgar und einige andere.

Sie feuerte die Kämpfenden an und applaudierte. Einmal prostet Torgar ihr zu und lallte mit trunkener Stimme: „Und auf unsere junge Tachelesh, weil sie einesh Tagesh eine von den Großen unter den Zwergen shein wird!“

Ihr Herz schlug bis zum Hals. Der glaubte an ihre Zukunft!

Westfall

Am dritten Tag wollten sich alle an einem Leuchtturm in einem Land namens Westfall versammeln. Ein Menschenland – dort war sie noch nie. Aber egal, bestimmt gab es ein Lagerfeuer, Bier und Eberrippchen.

Von Ironforge aus nahm sie die Tiefenbahn. Der Bahnsteig war leer. Die Bahnstation von Stormwind lag im Zwergenviertel. Heute fehlte das gewohnte Gewusel von Besuchern, kein vertrauter Klang der Zwergensprache.

Fühlte sie sich einsam? Nein, das wollte sie nicht. Auf, auf zum Leuchtturm! Sie fragte einen der Handwerker nach dem Weg. Freundlich war der nicht, gab aber die Info. Also raus aus der Stadt, bei Goldhain rechts und dann immer geradeaus.

Stormwind war von vielen Soldaten bewacht. Doch im offenen Land dahinter musste Tacheles auf sich selbst aufpassen. Sie lauschte, um Wildtiere und Angreifer möglichst früh wahrzunehmen. Der sandige Weg lief in Kurven auf das Dorf Goldhain zu. Dort hatten sie mal Picknick am See gemacht, als sie noch ein Kind war. Ob sie ihre Geschwister überhaupt nochmal wiedersehen würde? Der Gedanke kam ihr unwirklich vor, und sie verwarf ihn.

Die Sonne stand tief am Horizont. Sie wandte sich nach Westen. Da war ein Schild am Weg „Westfall“. Na bitte, geht doch! Die Hand am Griff ihrer Axt, schritt sie energisch aus – soweit es mit den kurzen Zwergenbeinen möglich war.

Der Weg zog sich hin. Tacheles hörte Wölfe heulen, aber sie schienen weit weg. Hier war sie noch nie gewesen. Schon senkte sich die Dämmerung über die Wiesen und Hügel, Nebel stieg auf. Endlich erreichte sie die Landesgrenze von Elwynn, den Wachturm und die Brücke über den kleinen Grenzfluss. Sie war in Westfall.

Doch nirgendwo ein Grenzer, den sie fragen konnte. Ein paar Menschen standen neben einem zusammengekrachten Wagen, aber die waren selbst mehr verwirrt, als dass sie ihr helfen konnten. Da sollte es ein Dorf namens Moonbrook geben, aber irgendwie sollte sie dort besser nicht hingehen, weil es von feindlichen Defias übernommen wäre? Aber wenn der Leuchtturm doch genau dahinter liegt?

Tacheles nahm den Weg nach Moonbrook. Augen und Ohren waren hellwach. Mit hoher Konzentration beobachtete sie die wilden Tiere rechts und links des Wegs, die Felder mit den wildgewordenen Erntemaschinen. Das Gelände war flach und der Vollmond gab genügend Licht. Sie würde das schaffen. Leise summte sie: „Ich bin ein Zwerg und ich grabe nach Gold…“ Stark fühlte sie sich, und auch ein bisschen übermütig. Schließlich war sie die Einzige aus ihrer Familie, die sich das getraut hatte!

Auf einem Hügel stand ein großer Turm, die Späherkuppe, Hauptsiedlung von Westfall. Nun würde es nicht mehr weit sein. Da - die Silhouette von Häusern zeichnete sich gegen den Abendhimmel ab! Tacheles verlangsamte ihre Schritte, sah sich um und horchte. Schatten bewegten sich. Hm Das schien ihr zu gefährlich.

Also Plan B. Sie verließ den Weg und wandte sich direkt nach Westen. Dort musste die Küste sein. Das Gelände war leicht, nur Wiesen und kleine Gehölze. Aber mit den Feinden war nicht zu spaßen, sie waren deutlich stärker, als Tacheles es gewohnt war. Also schlich sie mehr, als dass sie wanderte. Ein Raubvogel attackierte sie, und beim Weglaufen geriet sie fast in ein Lager von Gnollen. Aber Zwerginnen sind zäh und stark, und so rannte sie, was ihre Lungen hergaben, bis zu den Dünen.

Dort – der Schein des Leuchtturms! Vorsichtig kletterte sie die Dünenkante hinab, wich den Murlocs aus, schwamm das kurze Stück bis zur kleinen Insel und stand am Leuchtturm.

Keiner da. Sie setzte sich auf einen der Steine und sah den Wellen zu. Was würde nun kommen? Das Ende der Welt? Niemals.

Endlich kamen andere hinzu. Hauptsächlich Menschen, aber auch Nachtelfen und Gnome. Kein einziger Zwerg! Es wurde ein Feuer gemacht, um das sich alle versammelten. Tacheles war der Gemeinsprache mächtig, aber sie fand keinen Zugang zu den Gesprächen. Die waren alle irgendwie so bedächtig drauf, ja fast sentimental. Man trank manch leckeren Tropfen, auch sie leerte das eine oder andere Bierchen, aber fette Party? Fehlanzeige.

Plötzlich tauchte ein Untoter auf, setzte sich einfach dazu. Kein Kampf, man rückte sogar zusammen, um Platz zu machen. Was waren das für Zeiten?

Der Wind vom Meer her war frisch, aber nicht kalt. Die Menschen und Elfen sprachen von ihrer Heimat, die sie so liebten. Sie erzählten von ruhmreichen Schlachten, die sie gewonnen hatten, hier in den Östlichen Königreichen, auf Kalimdor und in der fernen Scherbenwelt, und sogar von der Zusammenarbeit mit der Horde, die nicht immer Feind war. Tacheles staunte. Wie gerne wollte sie dabei sein, jetzt wo sie an der Schwelle des Erwachsenenalters stand (wenn Zwerge je erwachsen werden).

Doch die Mienen der Versammelten waren ernst. Wie Tacheles‘ Vater gingen sie davon aus, dass diese Welt zugrunde ging.

Tacheles war froh, als sie von zwergischen Rufen abgelenkt wurde. Ein Mann ihres Volkes war unterwegs zum Leuchtturm! Freudig lief sie ihm entgegen. Aber ihre Konzentration war abgelenkt, und so erkannte sie den Raubvogel zu spät. Zack, wachte sie wieder beim Geistheiler auf, und als sie zurück zum Leuchtturm kam, war ihr Landsmann schon eingetroffen.

Inzwischen hatte ein Barde angefangen zu spielen. Tacheles forderte den Zwerg zum Tanzen auf, um ein bisschen Stimmung in die Runde zu bringen. Und tatsächlich tanzten viele mit. Doch der Barde spielte nur gefühlvolle, fast traurige Lieder. Partystimmung kam nicht auf. Tacheles kippte ein paar weitere Biere. So wurde es ihr leichter ums Herz.

Als sie mal kurz ins Gebüsch gegangen war, um zu pinkeln, traute sie beim Wiederkommen ihren Augen nicht: Da standen riesige Tauren, von denen sie nur in Erzählungen gehört hatte! Eine ganze Gruppe, alles kräftige Feinde… aber sie schienen friedlich und wurden von den Menschen, Elfen und Gnomen herzlich begrüßt.

Tacheles hatte ja schon vieles erlebt, aber diese Nacht war völlig anders als alles Bisherige. Die Menschen hatten von der Zusammenarbeit mit der Horde erzählt – und so schien es auch hier zu sein. Freundschaft zwischen Elfen und Tauren, zwischen Zwergen und Untoten – unglaublich!

Die Tauren stellten sich in eine Reihe und zeigten auf ihre Namen:

„Tschüssi“, „Celebras“, „wir“, „werden“, „dich“, „vermissen“.

Dann tanzten sie mit. Der Mond zog seinen Kreis über den Himmel, fast wie immer. Aber hier am Leuchtturm war nichts so wie immer.

Die Leute umarmten sich, lachten und weinten abwechselnd und gleichzeitig. Tacheles wurde gewahr, dass dies ein ganz besonderer Abend war. Doch, wie alle so redeten, würde nur noch wenig Zeit bleiben! Keine Zeit, um noch eine Heldin zu werden, um Saufspiele zu spielen, zu flirten und zu tanzen.

Doch Schwäche war nicht ihrs! Sie ging auf den Barden zu und wünschte sich das Zwergen-Lied. „Gold, Gold, Gold!“ Sie sprang und tanzte, so schwungvoll sie konnte.

Wir fürchten nicht, was vor uns liegt“…

Und dann wurde es dunkel.

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