Ich möchte kurz auf die Argumentation eingehen, dass es „zahlreiche kleinere Shas“ gäbe und man sich daher problemlos ein weiteres „neues Sha“ ausdenken könne – auf Lorebasis, versteht sich.
Zunächst: Ja, es gibt neben den Sieben Großen Shas wie Angst, Hass oder Zweifel auch kleinere Manifestationen dieser Emotionen, vor allem in Pandaria, wo die Sha als direkte Manifestationen der negativen Gefühle der Titanen-Schöpfung durch das alte Götterblut von Y’Shaarj entstanden sind. Aber – und das ist der entscheidende Punkt – diese kleineren Shas sind keine neuen Arten, sondern immer Ableger oder Splitter bereits existierender Haupt-Shas.
Es existiert kein einziger offizieller Hinweis darauf, dass neue, eigenständige Sha-Arten unabhängig von Y’Shaarj entstehen könnten. Die Lore ist hier sehr konkret: Das Sha ist das Erbe eines alten Gottes, und es gibt genau sieben Hauptaspekte, die seine Essenz widerspiegeln. Alles andere – inklusive „Mini-Shas“ – entspringt diesen Aspekten. Sich nun also eine neue Art auszudenken, bedeutet nicht „die Welt erweitern“, sondern die Spielwelt in ihrer Grundstruktur verändern – und das ist eben nicht mehr Lore-konform, sondern Free Fantasy, auch wenn es hübsch verpackt ist.
Wenn man dieses Argument bis zum Ende denkt, könnten wir demnach auch sagen: „Es gibt nicht nur einen Lichkönig, sondern mehrere.“ Oder: „Es gibt noch einen achten Titanen, den wir nur noch nicht entdeckt haben.“ Klingt absurd? Eben. Denn das sind elementare Pfeiler des Worldbuilding von Warcraft, genau wie die Sha-Struktur.
Wenn jemand also behauptet, man könne einfach neue Sha-Emotionen „erfinden“, steht das in klarem Widerspruch zur über Jahre etablierten Lore von Blizzard.
Und ja – unsere Charaktere sind natürlich nicht offiziell Lore. Aber man bemüht sich, Konzepte so zu gestalten, dass sie sich innerhalb des bestehenden Lore-Korsetts bewegen. Mein Projekt „Praxis MacLaine“ z. B. wurde über zwei Jahre IC und mit Lorebezug aufgebaut, im Rahmen einer realistischen, bodenständigen Welt. Kein neuer Pantheon, keine vergessene Titanenmaschine unter Sturmwind – sondern eine eine Praxis, die sich aus dem gegebenen Spielmaterial entwickelt hat.
Was ich dagegen amüsant finde, ist, dass man sich hier hinter einem Classic-Charakter versteckt (ganz gleich ob man für oder gegen diesen Plot ist) und mit Strohmännern um sich wirft. „Alle erweitern die Lore, also ist alles erlaubt“ ist schlichtweg ein Fehlschluss. Der Unterschied liegt in der Größe und Auswirkung des Eingriffs: Eine Praxis ist kein metaphysisches Wesen aus dem Erbe eines alten Gottes.
Zum Abschluss: Natürlich darf und soll man kreativ sein im Rollenspiel. Aber wer mit Begriffen wie „Lorebasierung“ argumentiert, sollte dann auch die Lore verstehen – und respektieren. Wenn man das nicht möchte, ist das okay – aber dann sollte man auch ehrlich sagen, dass man sich in Richtung „Headcanon-Fantasy“ bewegt und nicht so tun, als wäre das alles eine logische Weiterentwicklung bestehenden Worldbuildings.