Der letzte Sonnenuntergang

Zartblau spannte sich der Himmel über das Firmament. Friedlich lagen die grünen Ebenen von Mulgore im Licht, und der Schein einer sich bereits dem Horizont nähernden Sonne spiegelte sich im großen See rund um Bloodhoof Village. Eine sachte Brise streifte über die Grashalme und ließ sie sanft schwanken. Von ihrer Position aus sah Fírun weder die Goblins, die sich einbildeten selbst hier Raubbau an der Natur betreiben zu können, noch die Zwerge, die sich auf der anderen Seite des großen Tals in den Berg gruben. Sie sah auch Thunderbluff nicht, die für ihre Verhältnisse nach wie vor so große Stadt, obwohl sie mittlerweile weit größere kannte.
Sie sah hinab auf ihre Heimat, und ihr Herz war schwer dabei. Sie wusste, dass es sie nicht mehr lange geben würde. Die Druiden hatten es zuerst gespürt. Hatten die Botschaften wahrgenommen, die die Erdenmutter sandte. Diese, ihre Welt war dem Verderben preisgegeben. Fírun gehörte nicht zu den ersten, die den Ruf vernahmen, aber je näher das Ende rückte, desto mehr spürte es auch sie. Was keiner aus den Botschaften der Erdenmutter herauszulesen vermochte, war, was das für eine Bedrohung war – oder wenn es jene gab, die es verstanden, dann bewahrten sie darüber eisernes Stillschweigen. Bekannt war nur eines: das Ende würde kommen. Und wenn sie überleben wollten, mussten sie Portale nutzen, die sie anderswo hinführen würden.
All die Wesen, die sie bedroht hatten und immer noch bedrohten, all die Gegner, die sie vernichten wollten, und von denen sie schon viele gemeinsam mit ihren Freunden geschlagen hatte – irgendeiner war dabei Erfolg zu haben. Und sie wussten nicht welcher. Wussten nicht wie. Sie konnten nichts tun, nicht sie, nicht die Druiden, nicht die so bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft der Flammen, zu denen die Erdenmutter sie geschickt hatte, und in der sie eine zweite Heimat gefunden hatte, eine, die bei ihr war, egal wo sie auf ihren Reisen hinkam. Das war ihr Hoffnungsschimmer, das Licht, das sie trotz des Wissens über das Kommende erfüllte: sie hatte eine zweite Heimat. Und diese würde nicht untergehen, nicht so lange auch nur eine Handvoll von ihnen zusammenblieben.
Noch lange blieb Fírun sitzen. Betrachtete den Sonnenuntergang ihrer Heimat ein letztes Mal. Erst als auch der letzte Lichtstreif hinter den Bergen verschwunden war und nur noch das Licht der Sterne am nun dunklen Nachthimmel funkelte, erhob sie sich, und verließ ihre dem Untergang geweihte Welt, um aufzubrechen in eine neue.

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Windmaehne war immer schon eine der ruhigsten bei den Frostwölfen. Und so hatte sie auch einfach zugehört, als über das Exil gesprochen wurde, und sich mit allem einverstanden erklärt. Doch als es daranging, die Sachen zu packen und aufzubrechen, wurde ihr das Herz schwer.

Am Tag vor der großen Abreise wollte sie etwas für sich selbst tun. Sie packte ihren Reitwolf und ging zu Fuß durch ihr geliebtes Mulgore. Sie dachte mit einem Lächeln daran, wie sie als junges Mädchen die Friedensblumen gepflückt hatte – wie stolz sie gewesen war, dafür ein paar Silber zu erwirtschaften! Und wie sie Angst vor den Wölfen gehabt hatte! Nun hatte die Respekt vor ihr. Sie schritt durch die Wiesen bis zum See. Hier hatte sie Angeln gelernt.

Am Ufer setzte sie sich auf einen kleinen Erdbuckel und fühlte den weichen Wind in ihrem Fell, roch den vertrauten krautigen Geruch der Wiesen und hörte das sanfte Plätschern des Wassers. Auch Bloodhoof war schon fast leer, alle waren im Aufbruch. Sie sah zu den Bergen, die ihr Heimatland umschlossen, und zum Himmel, der sich über alle Wesen spannte. Dann schloss sie die Augen und versenkte sich in die Gegenwart von Mutter Erde.

Möge all das, was diese Gemeinschaft erfahren und geschaffen hatte, auf irgendeine Weise transformiert werden und mit hinübergehen in die neuen Welten.

Die Erdenmutter antwortete nicht. Das tat weh. Vielleicht hatte sie ihren Wunsch trotzdem angehört.

Windmaehne erhob sich, hielt Hörner und Mähne in den Wind, und vollzog das uralte Ritual der Lüfte. Dann wanderte sie langsam weiter, durch das Brachland bis Ratchet, wo sie verabredet waren.

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