Zunächst eine kurze Einordnung:
Ich finde die Levelkampagne von TWW und das, was bislang in der Hauptkampagne auf Maxlevel passiert, großartig erzählt und toll inszieniert. Die vielen vertonten Cutscenes, wie authentisch die Charaktere geschrieben sind und die vielen wholesome Momente, in denen Verstorbene werden oder Charaktergeschichten werden… selbst die unerwarteten Wendungen - seit Legion gab es für mich keine so immersive Spielerfahrung mehr - und ich gehöre zu den Spielern, die WoW primär wegen der Story spielen. Großes Lob also dafür.
Was mich nun allerdings etwas enttäuscht hat, waren die „Heldentalente“.
Da ich schon lange der Meinung bin, dass die Klassen etwas volksspezifischer anpassbar sein sollten um auch die Kultur der Völker wiederzuspiegeln (so wie es z.B. auch die Druidenformen und Schamanentotems tun), hatte ich mich gefreut, als die Heldentalente angekündigt wurden. Nachdem ich diese nun etwas ausprobiert habe, bin ich der Meinung, dass Klassenskins (also Glyphen-ähnliche Anpassungen von Zauberfarben oder Effekten) die bessere Alternative gewesen wären.
Um konkreter zu werden:
1. Immersive Archetypen
Die Heldentalente sollen ja laut Blizzard in gewisserweise Archetypen von Warcraft abbilden und die damit verbundenen Klassenfantasien bestärken. Das gelingt mMn leider nur teilweise.
Ein Beispiel:
Als Treffsicherheitsjäger habe ich die Wahl zwischen „Schildwache“ und „Dunkler Waldläufer“. Das ist für Nachtelfen- und Blutelfenjäger natürlich cool, weil es ihre Klassenfantasien erweitert und man sich fühlen kann wie Sylvanas oder die Nachtelfenjägerinnen aus Warcraft 3. Für einen Mechagnom ist der Fokus auf eine mystische Elfen-Eule aber genau so deplatziert wie z.B. die finsteren Fähigkeiten eines Dunklen Waldläufers bei einem lichtgeschmiedeten Draenei- oder Pandarenjäger. Gerade diese beiden Archetypen sind eben sehr volksspezifisch und daher von der Immersion nicht für alle passend.
2. Neue Klassenerfahrung(?)
Bei meinem Windwalker-Mönch hat mir der Fokus auf die Himmlischen Erhabenen außerordentlich gut gefallen; die neue Fähigkeit, wie auch das vermehrte Auftauchen der Wild Gods im Kampf, hat das Spielgefühl für mich tatsächlich positiv beeinflusst (*weil… es quasi für Pandaren maßgeschneidert war und zu dessen Kultur passte)
Bei der Shado-Pan-Skillung war ich hingegen etwas enttäuscht. Ein zufälliger Procc von einem zusätzlichen Schlaghagel, ansonsten hauptsächlich passive Effekte - und irgendwann merkt man den Unterschied zum „vorher“ - bzw. die Existenz der Heldentalente gar nicht mehr, weil eben auch visuell nur sehr wenig passiert.
Zugegeben, ich habe nicht alle Klassen / Helden-Skillungen durchprobiert, aber… es gibt einige, bei denen die Spielweise sich nicht wirklich verändert und nicht mal eine aktive neue Fähigkeit dazu kommt, die der eigentliche Fokus des Skilltrees ist. Was mich zur nächsten Frage bringt:
3. Wozu ein Talentbaum für die Heldentalente?
Wenn man auf dem Maxlevel ohnehin jeden Punkt in jedem Tier des Heldentalentbaums genutzt hat, wozu braucht es dann überhaupt einen ganzen Talentbaum? Nur weil man an 1-2 Ästen mal zwischen 2 Fähigkeiten wählen darf?
Das hat mich in DF schon beim Drachenreiten irritiert.
Mein Fazit:
Ich finde den Ansatz der Heldentalente grundsätzlich gut, allerdings glaube ich, dass thematische Klassenskin-Sets , die einem erlaubt hätten, die eigenen Fähigkeiten im Glyphen-Stil oder beim Barbier einzufärben / anzupassen, das bessere Feature gewesen wären.
Sodass jemand, der einen Jäger mit Dark Ranger-Skin spielt, seine Jägerskills in das Sylvanas typische Schwarz oder ein Kul Tiraner Elementarschamane seine Fähigkeiten primär in Wasserzauber hätte einfärben können, eben so, dass es auch wirklich zur gewählten Klassen- und Volksfantasie passt.
Ich verstehe, dass man auch technisch neue Inhalte in die Spielmechanik integrieren möchte- sollte ja neben den Delves DAS Feature der Expansion sein - aber ich glaube, an einem Punkt, wo wir Spieler aktiv Transmogs farmen und das Visuelle einen so großen Reiz hat, hätten es statt der Talente auch einfach Klassen-Skins getan.
Es kommt mir ein wenig so vor wie mit den Allied Races damals, von denen wir ja mittlerweile gehört haben, dass sie ursprünglich als neue Customization Optionen für die Hauptvölker kommen sollten, man sich aber dann doch dafür entschieden hat, eigenständige Völker daraus zu machen. Das hat in einigen Fällen gut funktioniert (Nachtgeborene und Leerenelfen z.B. wären ja anders schwer zu integrieren gewesen), bei anderen finde ich es eine Verschwendung von Customization-Kombinationsmöglichkeiten. Wir könnten heute ein Zwergenvolk haben mit einer Tonne von Frisuren, Bärten und Accessoires, selbiges gilt für die Tauren - stattdessen haben wir nun jeweils zwei Taurenvölker und zwei (bzw. 3) Zwergenvölker mit eigenständigen Optionen, die sicher auch an ihren Artverwandten gut ausgesehen hätten.
Alles in allem sehe ich noch nicht wirklich, ob das, was die Heldentalente bieten (sollen) schon alles war, oder ob da auch noch irgendwas ausgebaut oder erweitert werden soll.
Geht es nur mir so? Wie seht ihr das?