Es ist still geworden in der Tiefenbahn. Und mit der Stille kam die Dunkelheit. Die meisten Feuer sind aus. Das Lager von dem Krieger hat Katia schon weggerĂ€umt. âFrieden seiner Seeleâ murmelt sie, beim Gedanken an den mutigen WeggefĂ€hrten, der wahrscheinlich irgendeiner Hordenpatrouille zum Opfer fiel. Katia reibt sich die Magengrube, als ein langes Murren ihren Leib verlĂ€sst. Seit Tagen hat sie keine Lust zu essen. Und wenn sie doch aus Vernunft einen Kanten kaut, wird Dieser von Trotz und Abscheu kotzend vertrieben.
Langsam geht sie zu den Gleisen der Tiefenbahn und schaut in die Dunkelheit nach links und rechts. âICH BIN DAS ALPHA UND DAS OMEGAâ schreit Katia
in diese Dunkelheit hinaus, ohne ein Echo oder eine Antwort zu erwarten. Sie zittert. Das Beben der heranrasenden Tiefenbahn erfasst den Boden, Ihren Körper, die Luft.
Klinge sitzt im Schatten in eine Ecke gelehnt.
Das Licht des Lagerfeuers wirft verzehrte SchattentĂ€nzer ĂŒber die WĂ€nde und bei genaueren Hinsehen erkennt man seltsame Linien.
Zeichen? Zahlen? Buchstaben? Alle WĂ€nde sind vollgekrakelt von wirren Kreisen, Zeichen, Skizzen, Nummern und Namen.
Vier Buchstabenreihen sind dicker und gröĂer als alle Anderen:
durchgestrichen Kiri
durchgestrichen Anta
durchgestrichen Aelion
Diri
Diri fÀllt.
Katia starrt auf den Boden der Gleise und murmelt: âBeschissener Baumâ Die Ereignisse in Winterspring ziehen an Ihr vorbei
âKommt nach Winterspring, die Schwachen brauchen Hilfeâ Ă€fft Klinge den Aufruf nach.
Es hieĂ, es gĂ€be ein Fest.
Ein Fest mit der Horde! Ein Fest des Friedens! Ein Fest mit SpeiĂ und Trank.
Und so ist sie mit Dirinira, ihrer chaotisch-charmante KampfgefĂ€hrtin, nach Norden gezogen, in der Hoffnung fĂŒr wenig Gefahr einen Abend mit vollem Magen einzuschlafen.
Diri fÀllt.
Drei, nein viermal so groĂ war der Troll, den Diri herausforderte. âWegen einem beschissenen Baumâ
Vom AuĂenring beobachtete Katia, wie die rothaarige Zwergin ohne ihren Bogen und ohne ihr Katze in den Kampfring hĂŒpfte.
Chancenlos. Ausweglos. Hunderte gekonnter SchlĂ€ge des Trolls trafen Diri. Und jeden einzelnen fĂŒhlte auch Katia.
âDumme, dumme Zwerginâ TrĂ€nen laufen ĂŒber die Wangen.
Klinge richtet sich gelangweilt auf:âWir haben Sie gerĂ€cht! Wir haben den Troll bezwungen! Wenn auch mit List und TĂŒcke.
Sieg bleibt Sieg!â
âVielleicht hĂ€tte Ich einschreiten sollenâ - ehrelos - rĂŒcksichtslos?! Aber das hat sie nicht.
Still, vorahnend, verkrampft saĂ sie nur da - bis Diri fiel.
Klinge war es, die den Mut fand gegen den Troll anzutreten. Nicht sie.
Klinge war es, die den Troll besiegte. Nicht sie.
Klinge war es, die entschied aus dem Schatten zutreten und das Richtige zu tun. Nicht sie.
Und nun steht sie hier, in der Dunkelheit der Tiefenbahn. Versteckt, voller Scham, voller Wut.
Diri fÀllt.
Und dann war ER wieder da - der Krieg zwischen Horde und Allianz.
Eben saĂen Orcs, Gnome, Trolle, Untote, Menschen und Zwerge noch am Feuer, tanzten, spaĂten.
KĂ€mpfte sie Seite an Seite mit âdem Feindâ gegen wilde Tiere und Geister.
Und von einem Moment auf den Anderen wurde aus einem Streit um einen dummen Baum, ein beschissenes StĂŒck Holz eine Schlacht.
Mit all seiner Grausamkeit, mit all seiner Gnadenlosigkeit wurden Ăxte in Fleisch geschlagen. Orcische Worte des Hasses verfluchten
den Verstand der Gnome und Elfen an ihrer Seite. Die Heiler beider Seiten schrien die Gebete und Segen fĂŒr die Ihren ĂŒber das Schlachtfeld.
Und Sie? Sie kÀmpfte. Katia war wieder Teil dessen, was sie nie wieder sein wollte.
Stunden dauerte es die Wunden zu versorgen. Tage dauerte es, das Blut und die Scham abzuwaschen.
An diesem Abend gab es kein Speis und Trank. Nur Blut und Verlust. Kein Fest, keinen Frieden.
An diesem Abend fiel Diri.
Ungefragt, zielstrebig und ohne Zögern geht Klinge zu den Namen, schneidet mit einem Messer in ihre linke Hand und schmiert ihr Blut ĂŒber den untersten Namen.
Wie ein angreifender Drache nÀhert sich die Tiefenbahn Katia, die immer noch auf den Boden des Gleisbettes starrt.
Katia fÀllt.