[Drei]
Verkatert, wie eigentlich jeden Morgen, wachte die Magistrix auf. Das war wirklich eine etwas andere Nacht gewesen. Wenn auch fast nach ihrem Geschmack. Aber den haben Magier ja angeblich ohnehin nicht. Erzmagier schon gar nicht. Durchaus eine Abwechslung war es jedoch wirklich. Brummig setzte sie sich auf. Kleidung suchen? Wenn man eines auf dem Feld verliert, dann sein Schamgefühl. In dieser Form waren zumindest die kleidenden Narben gut zu erkennen. Genauso wie die frischen Wunden, auf die in der Nacht sicher niemand Rücksicht genommen hatte.
Linndriel lag regungslos auf dem Bauch, den linken Arm schlaff vom Bett hinunterbaumelnd und die unbändige Lockenmasse verdeckte ihr Gesicht. Als Nairuna sich bewegte, gab die Elfe ein leises Grummeln von sich, drehte sich ächzend auf den Rücken und pustete sich die Haare aus der Sicht. Wo war sie? Und was… Langsam schweifte ihr Blick zu der nackten Elfe herüber, welche mehr als eindeutig nicht Oona war. Ihre Augen weiteten sich schockiert. Sogleich prasselten die Erinnerungen an die letzte Nacht wieder auf sie ein, mit solcher Wucht, dass sie nach dem Kissen zu ihrer Rechten griff und sich dieses ins Gesicht presste, um den darauffolgenden Aufschrei abzudämpfen. Was bei Sargeras hatte sie sich nur dabei gedacht?! Moment. Sie hatte sich gar nichts dabei gedacht – Oona. Er hatte seine Finger im Spiel. Der konnte sich auf was gefasst machen. Achtlos warf sie das Kissen beiseite, setzte sich ruckartig im Bett auf und mied es, die entblößte Elfe anzusehen. Sie selbst wickelte sich in das dünne Laken ein und kletterte vorsichtig aus dem Bett, versuchte ihre Kleider ausfindig zu machen und möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
"Guten Morgen. Keine Sorge, wenn ich den Illidari in die Finger bekomme, dann landet er mit einem Freiteleport im Teer." Die Elfe brummte und ließ ihre Tasche zu sich schweben. Sie angelte eine Phiole heraus und verpasste sich zwei Tropfen davon. Da sie danach munterer war, war es sicher kein Himbeersaft. Eher hätte man eine Mischung aus Mondbeere und Blutdistel vermuten können. "Kannst du Kautarisierte Wunden ab?", versetzte sie vollkommen nüchtern klingend.
"Teer?" ließ sich die recht wohlbekannte Stimme des wohlbekannten Illidari vernehmen, als er die Tür mit den Fuß aufschob, der im Übrigen nackt war, ganz im Gegensatz zu seinem Besitzer. Der war von oben bis unten in Bandagen gewickelt, die zudem verknotet waren wie ein besonders ärgerliches Blingtron-Spiel und trug ein Tablett mit dampfenden Bechern. Irgendwie roch es verdächtig nach heißer Schokolade und noch etwas anderem, was man so recht nicht ausmachen konnte. Es kitzelte in der Nase und verführte zum Niesen.
"Ist das nicht ein hartes Urteil dafür, dass ihr beide jetzt so entspannt seid?" Das Lächeln war entwaffnend.
Die Magistrix, immernoch unbekleidet, warf dem Illidari dennoch einen bösen Blick zu. Aber vielleicht war sie auch nur wegen irgendetwas anderem genervt. Bei ihren Verletzungen wäre das zumindest nicht verwerflich. Viele alte Narben und Verbrennungen zierten den Körper der Kriegsmagierin. Aber auch neuere Wunden, die zwar trocken aber fast offen wirkten waren darunter. Mit Ausnahme der Wunde an der Schulter, die wirkte, als würde ein kleines Wurfmesser noch darin stecken. Ansonsten war sie allerdings ziemlich ungeniert.
„Morgen.“ gab Linndriel trocken zurück, ohne dabei aufzusehen. Sie sammelte schwer konzentriert ihre Sachen vom Boden auf, welche quer durch’s Zimmer verteilt lagen. Immer wieder fragte sie sich, was sie da bloß getan hatte. Als Oona zur Tür hereinkam, hob sie den Kopf und begrüßte ihn mit einem extra schönen Verdrehen der Augen. „Musst du so ätzend gut gelaunt sein?“ Während sie nach der Hose vor ihren Füßen angelte, verrutschte das sorgfältig umwickelte Laken und entblößte ihre nackte Kehrseite. Ruckartig schnellte sie hoch und versuchte den Stoff wieder zu richten, was sich jedoch aufgrund der mit Klamotten überfüllten Hände als schwieriger herausstellte, als gedacht. Es führte sogar dazu, dass sich das Laken vollkommen selbstständig machte, und mit einem leisen Rauschen zu Boden glitt. Linn schürzte die Lippen, Röte stieg ihr in die Wangen und sie blickte peinlich berührt zwischen den beiden Sin’dorei hin und her.
Das Lächeln gerann in ein offenes Lachen, Oonayepheton stellte schwungvoll das Tablett auf der Ecke des wahrhaft überdimensionierten Bettes ab und setzte einen Schritt vor den anderen auf die kleinen freien Flecken zwischen den auf dem Boden verteilten Schuhen, Kleidungsstücken, Waffen und Kleinigkeiten, die aus den jeweiligen Taschen verstreut worden waren. Das sah verdammt nochmal ziemlich nach tanzen aus. Dieser verlogene A.rsch.
"Mh ja, ich fürchte ich muss", murmelte er gegen das errötende Näschen, während sein Zeigefinger über Linndriels bloße Schulter fuhr, von ihrem Schlüsselbein rutschte und an den aufgehäuften Kleidern vorbeifiel. Die Mundwinkel zuckten ein wenig weiter in die Breite. Der Illidari roch verheißungsvoller denn je. Ob das diese verruchte Umgebung war?
"Ich hab Frühstück mitgebracht", seufzte er beinahe. Er griff nach einer Handvoll Locken und roch daran. Genussvoll. Der hatte sie ja nicht mehr alle.
Linndriel folgte den Bewegungen des Illidari mit einem Blick der verriet, dass sie nicht nur die gerade stattfindende Situation, sondern auch sein überaus merkwürdiges Verhalten, äußerst befremdlich fand. „Was stimmt nicht mit dir?!“ Beide Brauen bis beinahe zum Haaransatz gehoben, starrte sie ihn an. Als er damit begann ihre Haare zu inhalieren, wich sie einen Schritt von ihm weg und drückte den Kleiderberg ein wenig fester an sich. Hilfesuchend sah sie zu Nairuna herüber.
Die Magistrix schüttelte unverstehend mit dem Kopf. Aber bei solchen Blicken musste sie ja schon eingreifen. Die Frau zog ihr unverletztes, linkes Bein an sich heran und knurrte leicht in ihre Worte hinein:"Sitz, Jägerlein! Das Kind ist eindeutig mit so viel Haut um sie herum überfordert." Ehe sie ihre rechte Schulter leicht mit der anderen Hand abtastete, den Illidari allerdings nicht aus den Augen lassend. Vielleicht nur zufällig, vielleicht aber auch nicht, begann ein Kristall ihrer Rüstung auf dem Boden zu schimmern.
"Süße", sagte der Illidari zu der Arkanistin, ohne dass sein blitzendes Lachen darunter gelitten hätte, "Die Kleine hat beileibe schon mehr Haut von mir gesehen als du. Mag sein, es ist ihr grade peinlich. Muss es aber nicht. Und du solltest auch andere Probleme haben, als dir noch eine Schramme mehr einzufangen. Das sieht bedenklich aus. Kümmert sich keiner drum? Wenn du weiter so mit deinem Körper umgehst, kannst du dich bei den Königlichen Apothekern wieder zusammenflicken lassen, oder dir sogar schon ein paar Ersatzteile sichern." Die gute Laune war im Verlauf der Rede einem durchdringenden Ernst gewichen und etwas in dem halbverdunkelten Zimmer schien düsterer zu werden.
Der Illidari richtete sehr kurz sein Gesicht auf Linndriel aus und nahm die leere Hand, in der er ihr Haar gehalten hatte, aus der Luft. Dann trat er zurück. Rückwärts und exakt den Weg den er zuvor genommen hatte. Es sah obskur aus und grazil zugleich. Erst in der Tür drehte er den Sin’dorei den Rücken zu. Nicht einmal seine Kehrseite war unbandagiert geblieben. Und obgleich die Stoffstreifen blütenweiß und nicht schwarz waren, schimmerten silbrige Runen im Stoff wie Schneeflocken. "Setzt euch alsbald selbst", kommentierte er über die Schulter und verließ den Raum. Die Tür fiel ins Schloss.
"Hat man ihn gebannt?", murmelte Nairuna. Sie wischte mit der Hand vor sich durch die Luft. Wenn etwas magisches hier durch gekommen war, was nicht Illidari-Magisch war, müsste es Rückstände hinterlassen haben.
Linndriel folgte dem Illidari mit Blicken, als dieser das Zimmer wieder verließ. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, hielt in der Bewegung inne und schloss die Lippen dann einfach wieder, ohne auch nur einen winzigen Laut von sich gegeben zu haben. Sie wandte sich von der Tür ab, strackselte nichteinmal ansatzweise so elegant wie Oona zum Bett hinüber und setzte sich bedächtig auf die Bettkante. Mit viel Mühe quetschte die Elfe sich in die enge Lederhose hinein, zog kräftig am Bund und fiel schließlich rücklings aufs Bett, als ihre Finger von der Hose abrutschten. Sie hob das Kinn ein wenig an, um einen besseren Blick auf Nairuna zu erlangen. "Wir vergessen, was hier passiert ist und werden nie wieder ein Wort darüber verlieren, verstanden?"
"Sicher. Kein Problem", winkte die Magistrix ab. "Sag, warst du überhaupt jemals auf einem echten, längeren Schlachtfeld? Seine Kleidung zu verlieren ist noch das harmloseste, was einem auf Feindesseite passieren kann." Innerlich suchte sie immernoch den Raum nach Rückständen ab. Sicherheitshalber auch das Tablett.
Da waren keinerlei arkane Rückstände, kein Fel, kein Licht und keine Leere - erst recht nichts nekrotisches und von Naturmagie hatte es auch nichts im Zimmer. Einzig der Duft von echter heißer Schokolade, dickflüssig und gewürzig, lag in der Luft. Die Becher waren irdene, sicher nichts edles oder teures, aber sie hatten ihren eigenen, rustikalen Charme. Das lackierte Tablett war schwarz und verkratzt und spiegelte die Becher, unscharf die Zimmerdecke. Es waren drei an der Zahl. Einer zuviel.
Linndriel richtete sich wieder auf und schloss die Hose knapp unterhalb ihres Bauchnabels. "Warum sollte ich auf dem Schlachtfeld meine Kleidung verlieren?" Die Stirn legte sich in grüblerische Falten, während die Aufmerksamkeit der Elfe auf die heiße Schokolade fiel, die Oona zuvor auf dem Bett abgestellt hatte. "Ouh!" Sogleich schnappte sie sich eine der drei Tassen, deren Anzahl sie nicht weiter hinterfragte, und sog genüsslich den wohligen Duft ein. Das war genau das Richtige. Vorsichtig nippte sie an dem heißen Trunk und stieß einen zufriedenen Seufzer aus, als ihr die flüssige Schokolade im Munde zerging. Es schmeckte fast zu gut dafür, dass sie sich in einem Bordell in Beutebucht befanden.
"Tja, der Feind sorgt in der Regel dafür. Besonders sollte es zu einer Gefangenschaft kommen. Keiner lässt seinem ‚Gast‘ die Rüstung. Zumal es Erniedrigung darstellen soll. Was nicht funktioniert, wenn man darüber steht." Ohne zu zögern zog die Elfe mit einem Ruck den spitzen Gegenstand aus ihrer Schulter. "Genauso, wie man im besten Fall keinen Schmerz mehr spüren sollte." Die Wunde begann erwartungsgemäß zu bluten, was die Frau nicht zu stören schien. Sie rutschte eher vom Bett und sorgte dafür, dass ihre Rüstung sich etwas auf dem Boden sortierte.
So ganz glatt wie es vielleicht ausgesehen hatte, war die morgendliche Szene nicht an dem Dämonenjäger vorbeigegangen. Es half nicht unbedingt, dass Aeshma seiner Meinung war. "Die hat ganz schöne Nerven", maulte der Dämon, "ist das nun eigentlich dein beschissenes Zimmer oder nicht?" Oonayepheton fletschte die Zähne, aber es war kein Grinsen. Die Geste hatte etwas animalisches, instinktives und transportierte die Aggression von Dämon und dem, was von seinen elfischen Anteilen noch verblieben war, die seine hübsche Hülle darstellten, solange die Phasenverschiebung und Aeshmas Illusionsmagie funktionierten. Was sie im Regelfall taten. "Du hast den Sch.eißbecher drinnen stehenlassen", grollte Aeshma dem Illidari und der zischte leise vor sich hin. So außerhalb des Zimmers auf dem Flur zu hocken war nicht gerade das, was er unter angenehmem Morgen verstand und er hatte keine große Lust einem der Angestellten vor die Füße zu laufen, die ihn entweder als Stück Fleisch oder Investition betrachteten. Er war nicht dumm, jedenfalls nicht, was das Einschätzen seiner Möglichkeiten anbelangte. Das vordergründig angenehme dieses Ortes würde zu einer Falle werden, wenn man sich lang genug hier aufhielt. Zäh wie Honig, der mit seiner Süße Fliegen anlockte, festkleben ließ und sie schließlich tötete, weil sie sich unheilvoll verstrickten. Einen kurzfristigen Ausweg sah er aber nicht - weder vom Flur noch aus der Gesamtsituation.
Linndriel hatte die Hälfte der Tasse bereits geleert, als ihr bewusst wurde, wie viele heiße Schokoladen Oona eigentlich auf das Zimmer gebracht hatte. Augenblicklich schlich sich ein nerviges Schuldgefühl ein, welches die Elfe anfangs zu unterdrücken versuchte, schließlich war sie eigentlich noch immer sauer auf ihn. Doch schwach wie sie war, hielt sie es nicht lange aus. Sie schnappte sich eine von den beiden unberührten Tassen, eilte zur Tür, obwohl sie lediglich ihre Hose und ein schnell übergeworfenes Hemd trug, und streckte den Kopf aus dem Spalt heraus. Auf nackten Füßen tapste sie zu Oona herüber, als sie ihn im Flur hocken sah und nahm seine Stimmung bereits wahr, bevor sie überhaupt bei ihm ankam. Auch wenn sie wusste, dass es unter Umständen keine gute Idee war, ließ sie sich neben ihm zu Boden sinken, Arm an Arm und hielt ihm wortlos die heiße Schokolade entgegen. Sie war hin und her gerissen, einerseits den Schuldgefühlen verfallen, den Wunsch verspürend sich zu entschuldigen, andererseits noch immer wütend. Ein Hauch von Misstrauen mischte sich unter die anderen Gefühle, ließen sie aufmerksam sein.
"Go’rom Anakh", zischte der Illidari und wischte Linndriel, ohne auch nur den Kopf zu drehen den Becher mit dem Handrücken aus der Hand, so dass er nicht nur den lauwarmen Inhalt in einem kaskadierenden Bogen über Wände und Boden verteilte sondern auch die Treppen hinabpolterte. Es war ein guter Becher. Er zerbrach nicht. Das Eredun würde niemals aufhören seinen elfischen Ohren wehzutun, aber Schmerz passte zu seinem Gemütszustand. Gerade konnte es nicht genug davon sein und wenn er schon nicht genug litt, dann musste er etwas leiden lassen.
Die dunklen Tropfen liefen an den weißen Bandagen herunter, ohne Spuren zu hinterlassen. Der Dämonenjäger war erneut in eine Starre verfallen, die Lippe hochgezogen und die Zähne fest zusammengebissen. Der vibrierende Zorn, den er ausstrahlte, schien die Luft zum Flimmern zu bringen, obwohl sich rein gar nichts in der Stille rührte, als das Poltern und Rollen des Bechers verklungen war.
Obwohl die Elfe auf der Hut war und mit solch einer Reaktion hätte rechnen müssen, zuckte sie vor Schreck zusammen, hatte sie gleichzeitig naiver Weise angenommen, die Geste würde sein Gemüt beruhigen. Ein dummer Gedanke. Sie beobachtete den Becher, wie er über den Boden rollte, und zuckte erneut, wenn auch dieses mal kaum merkbar, zusammen, als er die Treppen hinab fiel. Die Tropfen auf ihrer ungeschützten Haut nahm sie nur am Rande wahr. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, sich nicht zu bewegen, nicht einmal zu atmen - wer wusste schon, zu was die kleinste Regung den Illidari verleiten könnte. Die Stille war ohrenbetäubend. Ganz langsam und bedächtig wandte Linndriel den Kopf Oona zu. Sie strahlte keine Angst aus, auch wenn sie vermutlich allen Grund dazu gehabt hätte - doch scheinbar schien es eine naive Eigenschaft der Elfe zu sein, genau dann keine Angst zu verspüren, wenn sie angebracht war. Sonst wäre sie nicht mit einem Illidari befreundet. Wie in Zeitlupe streckte sie ihre Hand nach ihm aus, beinahe als würde sie eine Bombe berühren wollen, die jeder Zeit zu explodieren drohte.
"Shash-kiel zil a’rul kigon!" Was das Eredun mit der eigentlich so angenehm und sanft klingenden Stimme des Illidari machte, war nicht in Worten auszudrücken. Es löste Gefühle aus. Urinstinkte. Panik und Aggression zur Selbsterhaltung. Es klang aggressiv. Gewalttätig und brutal. Es brannte sich flammend in die Seele und hindurch. Der Satz klang bedrohlich und befeuerte noch die Haltung mühsam gezügelter Wut, die sein ganzer Körper verströmte. Vielleicht zum ersten Mal und das ganz ohne seine Tarnung aufzugeben, schimmerte der Teil seines Wesens durch seine Erscheinung, der die Bühne nur dann betrat, wenn er ihn ließ.
Die Magistrix hatte Linndriels Verhalten mit einer hochgezogenen Augenbraue beobachtet und dafür gesorgt, dass ihre Rüstung sich wieder um ihren Körper legte. Lediglich die letzten Schnallen wurden noch per Hand festgezogen. Was mit der blutenden Schulter war? Sie wurde nahezu ignoriert. Das Kind hatte auf ihre Frage nicht geantwortet, also war es besser, die Wunde unversorgt zu lassen. Die Robe saugte unter dem Schulterstück ohnehin genug Blut auf und das Schulterstück versteckte den Rest. Der Dolch verschwand in der endlosen Tasche. Sie lauschte den Worten auf dem Gang und lachte: "Als wenn er wirklich das Herz seines Spielzeuges essen würde." In einer Lautstärkte, die bis auf den Flur reichen würde und verständlich war fügte sie hinzu: "Hey, Kleines, der böse Wolf hat schlechte Laune. Ihm ist nach Herzblut." Letztlich warf die Elfe einen kleinen Goldbeutel auf das Bett. Für den Becher interessierte sie sich keine Sekunde lang.
Der Illidari schoss auf die Füße und bretterte die Fäuste dabei rücklings an die Wand. Er ließ Linndriel hocken und bewegte sich so rasch die Stufen hinab, dass weder die Bewegung seiner Füße, noch die einzelnen Geräusche, wenn sie die Stufen berührten, auseinanderzuhalten waren. Das schwerere Türschlagen zwei Stockwerke unter ihnen war mit Sicherheit die Eingangstür gewesen.
Nairuna verließ mit leisem Kettenklirren das Zimmer und ging dem Illidari nach. Die kleine Elfe ließ sie beinahe links liegen. Die Magistrix würde nur stoppen, würde sie angesprochen werden. "Schön zu wissen, dass er sein dämonisches ich noch halbwegs lenken kann."
Vollkommen überfordert mit der Situation blieb die Elfe einfach an Ort und Stelle hocken und sah zuerst Oona, anschließend Nairuna, mit offen stehendem Mund hinterher. Sie konnte von sich selbst behaupten, den Illidari im Laufe der Zeit, zumindest zum Teil, recht gut kennengelernt zu haben - aber noch nie hatte sie ihn so außer sich gesehen. Die Frage war nur, was ihn dazu gebracht hatte so eine starke Wut zu verspüren. Selbst nach ausgiebigem Grübeln wollte ihr einfach nicht klar werden, was sein Problem war. Die Geschichte mit der Elfe hatte er schließlich selbst zu verschulden. Kopfschüttelnd richtete sie sich wieder auf und betrachtete seufzend die Sauerei auf den Dielen. Der Flur war noch immer erfüllt von dem wohligen Duft der heißen Schokolade, sie bot nun jedoch keinen geschmackvollen Anblick mehr. Wahrscheinlich sollte sie das Chaos zuerst beseitigen, bevor sich die Unannehmlichkeiten, die sie ihren Gastgebern bereiteten zu einem Maße anhäuften, die dazu führen würden, dass ihnen nicht weiterhin Unterkunft, sowie Speis und Trank zustanden. Behutsam und auf Zehenspitzen umtänzelte sie die Lache auf dem Boden und ging zurück in ihr Zimmer, suchte nach etwas, mit dem sie den Flur säubern konnte. In Gedanken jedoch, war sie bei Oona und Nairuna. Hoffte, dass wenn sie dort unten ankommen würde, beide noch lebendig waren. Zumindest der Illidari.
Der stand draußen an der Brüstung und atmete tief durch. Nur die Langsamkeit der Atemzüge verhinderten eine Form von Hyperventilie. Er hätte platzen können. Was bildete sich dieses Brathuhn eigentlich ein? Aeshmas Bestätigung auf jeden seiner Gedanken war nach wie vor nicht hilfreich. Jedenfalls nicht dafür, dass er sich wieder beruhigte. Und Linndriel? Ohne weit auszuholen spuckte er aus. Diese beschissene sch.eiß Situation.
Großartig. Er stand in Binden gewickelt wie eine ziemlich exotische Mumie mit Knotenf.etisch vor einem Puff in Beutebucht, hatte einen Gefallen versprochen und diese Weiber trieben ihn zur Weißglut. Konnte nicht irgendwas irgendwann irgendwo einfach nur einfach sein?
Nairunas Schritte waren in etwa genau so ruhig wie der Atemversuch den Illidari. Sie näherte sich dem Mann mit Sicherheitsabstand und meinte ruhig, während sie ihren Helm fest zog: "Braucht Ihr einen Kampf, um Euer Gemüt zu beruhigen? Ansonsten würde ich empfehlen Ihr zieht Euch etwas an, beruhigt die verwirrte Elfe oben und sucht Euch ein seriöses Zimmer. Sie ist überfordert mit der Situation."
"Kümmert Euch um Euren eigenen Sch.eiß!" Er drehte den Kopf nicht. Die Stimme war klar, nicht laut, hatte jedoch dieses nachdrückliche Beben im Unterton, das seine Haltung ebenso transportierte. Für gute Augen war das leichte Zittern und Zucken zu sehen, das bei hoher Muskelanspannung entstand. "Wenn ich einen Babysitter brauche, kaufe ich mir einen, ebenso wie ungefragte gute Ratschläge!"
"Wie Ihr meint. Gold für das Zimmer, oder eines für Euren weiteren Aufenthalt, und Euren guten Willen, liegt auf dem Bett. Ich weiß Bemühungen und Mühen durchaus zu schätzen." Die Frau setzte zum Gehen an und wandte sich ab. "Und ja, es kümmert sich niemand mehr um etwaige Wunden."
"Ihr wisst ja wo Unterstadt liegt - oder das was noch davon übrig ist", giftete er zurück, drehte sich auf dem Absatz um und übertrat in deutlich hörbaren Schritten wieder die Schwelle in das Etablissement. Seine Fersen trafen derart nachdrücklich auf dem Boden auf, dass jeder Tritt einem Kriegstrommelschlag nicht unähnlich war. Wenn es im Übrigen etwas gab, was er tat, dann war das, Türen zu schließen, die er geöffnet hatte. Selbst wenn die Türschlagfrequenz des Morgens ihn bereits selbst zu nerven begann.
Nachdem Linndriel den Boden und die Wände mit dem Handtuch, welches sie den Abend zuvor zum Abtrocknen bekommen hatte, gesäubert hatte, begab sie sich vorsichtig nach unten. Das wiederholte geradezu ohrenbetäubende Zuschlagen der Tür hatte bereits angekündigt, dass einer der beiden Sin’dorei wieder hereingekommen war, noch bevor sie sehen konnte wer. Als sie Oona erblickte, verharrte sie in der Bewegung und musterte ihn abschätzend. Noch immer fehlten ihr die Worte. Selbst wenn sie gewusst hätte, was sie zu ihm sagen könnte, um ihn zu beruhigen, hätte sie vermutlich kein Wort herausbekommen. Also beließ sie es dabei ihn anzusehen, unsicher und vielleicht doch ein wenig verängstigt.
Oonayepheton stoppte abrupt und seine gesamte Haltung richtete sich auf Linndriel aus. Er benötigte keine Augen zum Starren. "Sie ist weg", brachte er nach einem sehr langen Moment sehr angespannten intensiven Schweigens heraus. Man konnte sehen, dass das Sprechen ihm Mühe bereitete, so als sei Thalassisch viel zu weich für seine Zunge.
"Und scheinbar warst du gut, sonst hätte sie dir kein Gold auf dem Bett hinterlassen", äffte Aeshma gegen sein Bewusstsein. Ein Satz, der Linndriel, hätte der Dämonenjäger weniger Selbstbeherrschung gehabt, ungefiltert an den Kopf geworfen worden wäre, und zwar einzig aus dem Grund, sie zu verletzen. So aber sagte er gar nichts, knirschte mit den Zähnen, gab sich unvermittelt einen Ruck und stürmte die Treppen in zielstrebigem Stakkato hinauf.
Linndriel hielt sich nicht lange damit auf dem Elfen mit Blicken zu folgen, sondern eilte ihm sogleich hinterher, brauchte für die nicht enden wollenden Stufen jedoch wesentlich länger als Oona, sie war noch immer nicht wieder vollends zu Kräften gekommen. Als sie hörbar außer Atem auf der zweiten Ebene ankam, war er nirgends zu entdecken, jedoch ließ sie das erneute Türgeräusch annehmen, dass er zurück auf das Zimmer gestürmt war. Bevor sie jenes betrat, atmete sie erst einige Male tief durch, versuchte sich für das Folgende zu wappnen. Behutsam legte sie die Finger auf den Griff und öffnete zaghaft die Tür, drückte sich durch den schmalen Spalt und ließ sie leise zurück ins Schloss klicken, indem sie sich mit dem Rücken dagegen lehnte. So blieb sie stehen, die Hände hinter dem Rücken, den Knauf fest umgreifend, als bräuchte sie die Sicherheit, dass sie dem Raum jederzeit entfliehen kann - oder aber die Kontrolle darüber, dass Oona eben dies nicht ungehindert tun konnte. Wobei sie natürlich kein großes Hindernis darstellte. Bevor ihr Blick auf den Sin’dorei fiel, streifte er zuerst den einsam dastehenden Becher, vollkommen unberührt und mittlerweile nichteinmal mehr dampfend. Wie bedauerlich. "Hey…" setzte sie an, mit so feiner Stimme, dass sie bezweifelte, dass sie überhaupt zu bis zu ihm durchgedrungen war. "Es tut mir leid", kam es ein wenig lauter, verlor jedoch nichts von dem besänftigenden Klang, den sie in die Worte gelegt hatte.
Zwischen der Tür und dem Illidari lagen die noch immer verstreuten Reste von Linndriels Ausrüstung und das Bett. Er kehrte dem Zimmer den Rücken zu, dem Bett, der Tür und damit Linndriel. Man konnte die Schultern und den Rücken sich in zwei sehr langen Atemzügen heben und senken sehen. Dann verblasste die Illusion als verwehten die Nebelschleier über der Wirklichkeit.
Die geschwungenen Hörner, die sich über den weichen Schläfen aus dem Kopf erhoben, waren makellos und beinahe so dunkel wie das Haar des Elfen. Feine ledrige Schwingen lagen um seine Schultern, als würden sie ihn umarmen wollen und der nackte, ungeschuppte Schweif, der bis zu seiner Hakenspitze von Tätowierungen bedeckt war, peitschte langsam um sein Bein.
Auf dem Bett lag dünn der Streifen Stoff, schwarz, schmal und mehrfach gefaltet in mehreren Schlingen.
Die Augen der Elfe weiteten sich und ihr Körper nahm eine angespannte, verkrampfte Haltung ein. Das scharfe Einziehen der Luft, als sie sich gegen die Tür presste, dürfte deutlich bis zu dem Illidari herüberklingen. "Was zum…" keuchte sie leise und blinzelte einige Male, als würde sie an ihrer Wahrnehmung zweifeln und versuchen, eine Halluzination abzuschütteln. Doch die Hörner, die Schwingen und der Schweif blieben dort wo sie waren. Es war dumm und das wusste sie auch, trotzdem konnte sie nicht dagegen ankämpfen, wie hypnotisiert ein paar Schritte auf Oona zuzugehen, bis ihre Knie das Bett berührten. So blieb sie stehen, starrte ihn an als sei er von einem anderen Stern und sagte kein weiteres Wort.
Der Illidari drehte sich nicht um, sondern blieb abgewandt stehen. Obwohl ihm die Anspannung noch anzusehen war, schien sie zum Großteil geschwunden… oder in eine andere Art gewandelt zu sein. "Und ich wiederhole die Frage", sagte er ungesehen, "weswegen solltest du mit so jemandem befreundet sein wollen." Es klang nicht wie eine Frage. Das leise Vibrato in der Stimme ließ sie nicht zittern oder unsicher wirken, es klang wie ein unterschwelliges Zirpen und seltsam schön(?) - auf skurrile Weise.
"Weil du du bist. Und ich selten jemanden getroffen habe, der so unkompliziert und verwirrend zur gleichen Zeit ist." Für einen Moment starrte sie ihn noch an, ehe sie auf das Bett stieg, dieses geschickt überquerte und sich dann auf der Bettkante niederließ. Den restlichen Abstand zwischen ihnen überließ sie ihm, sie hatte sich wahrscheinlich schon näher an ihn herangewagt, als manch anderer es in ihrer Lage getan hätte. Ihre Beine baumelten locker vom Bett, während sie sich mit Schulter und Schläfe am Bettpfosten anlehnte, den Arm um jenen herumgeschlungen.
Jetzt drehte er sich langsam um. Die Augen waren offen. Und viel zu tief. Da waren keine Augen. Das grüne Feuer, das in den Höhlen loderte und von dem er nicht wusste, ob sie so etwas schon einmal gesehen hatte, ganz gleich in welchem Aggregatszustand, war weitaus intensiver als das Felgrün der Augen der Sin’dorei, die dagegen verblasst und matt wirkten. Es war ein reines Rätsel, weswegen die Flammen ihm nicht die Haut vom Gesicht schmolzen.
"Wieso hast du mich abgewiesen?" fragte er. Der grüne Widerschein der Flammen lag auf seinem Gesicht und zuckende Schatten flogen über seine Züge.
Oft hatte sie sich gefragt wie es wohl wäre, Oona in die Augen blicken zu können, den Wunsch verspürt, ihm den verhüllenden Stoff abzunehmen. Ihr war bewusst gewesen, dass sich darunter nicht das befinden würde, was sie sich herbeigesehnt hatte. Dennoch traf sie der Anblick der von grün tanzenden Flammen ausgefüllten Augenhöhlen auf eine unbeschreibliche Art und Weise. Es war nicht so, als wäre sie verängstigt oder abgestoßen - Ihr Bild von ihm hatte sich einfach nur gewandelt, ebenso wie es sein Aussehen getan hatte. "Ich war sauer auf dich. Ich wollte nicht mit der Elfe ins Bett steigen." Ohne Scheu sah sie ihm in die tiefen Augenhöhlen.
"Und du denkst ich habe dich gezwungen?" Der Gesichtsausdruck war … anders. Sicher, auf eine gewisse Weise ernst, streng vielleicht, und doch gleichzeitig so hart und abweisend wie anziehend.
"Wann noch gleich habe ich dir befohlen, das zu tun, was du getan hast, Linndriel?" Es war das erste Mal, dass er ihren Namen in den Mund nahm. Der seltsame Unterton - das einlullende Zirpen - war persistent.
Ihren Namen aus seinem Mund zu hören, ließ die Elfe verdutzt die Brauen heben. Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass es das erste Mal war. Nach all der Zeit. Merkwürdig. "Ich weiß nicht genau was du getan hast. Aber ohne Zweifel hast du etwas gemacht. Sonst wäre ich nicht hemmungslos mit jemand fremdem, und hinzukommend auch noch einer Frau, ins Bett gestiegen." Sie stellte sich ihm entgegen, ließ sich nicht beirren, sah sie sich selbst nicht im Unrecht.
Eine Weile stand er regungslos. Vielleicht wartete er ab, ob er da noch etwas folgen würde. Als es das nicht tat, nickte er langsam, angedeutet und mehrfach, als sei die Erkenntnis über etwas eingekehrt. Er wandte sich halb ab, zog die schwarze Schleife Stoff von den Laken und wand sie um seinen Kopf, bis die leeren Augen wieder verhüllt waren. Noch während seine bloßen Finger den Stoff verknoteten, sagte er: "Ich bin kein Sin’dorei mehr. Das, was in meiner Nähe und durch mich geschieht, geschieht. Manche Dinge forciert, für die Folgen aber stehe ich nicht gerade. Du hast dir meine Nähe ausgesucht." Er ließ die Arme sinken und richtete das Gesicht auf die Elfe aus. Langsam verblassten seine dämonischen Attribute, die für jeden Hexenmeister deutliche Hinweise darauf gewesen wären, mit welcher Art Kontaminierung man es hier zu tun hatte. Doch wer sie einmal gesehen hatte, der würde sie schwerlich vergessen können.
"Das heißt, ich habe nicht das Recht sauer auf dich zu sein, weil Dinge nunmal passieren, aber du darfst zur Furie werden, wenn ich dich ein einziges Mal abweise?" Es wirkte nicht wie ein Vorwurf, eher herausfordernd. Als glaubte sie naiverweise, durch das Wissen darum, dass ihr Abweisen ihm missfallen hatte, hätte sie soetwas wie Macht, oder die Überhand.
"Du kannst sauer sein, wenn du denkst, dass dich das weiterbringt", sagte er und das Zirpen war aus der Stimme verschwunden. Er klang ganz normal, beinahe verstörend. Der dunkle Beiklang war samten und angenehm und wurde von Ruhe getragen.
Er stand vollkommen still. Bis auf die Augenbinde und diese seltsamen Runenstreifen um seinen ganzen Körper wies nichts mehr darauf hin, was gerade noch so greifbar gewesen war. Selbst die schwarzen Zeichen auf seiner Haut wurden durch die Bandagen verhüllt.
"Ich bin ja schon gar nicht mehr sauer." In ihrer Stimme klang ein gewisser Trotz wider. Dennoch stand sie auf und schloss die Distanz zwischen ihnen, indem sie ihn, ohne lang zu zögern und ohne jegliches Beachten von Signalen, in die Arme schloss. Die Umarmung war nicht fordernd, verlangte nichts von ihm, diente einzig und allein dem Zweck ihm nahe zu sein. Sich zu entschuldigen. Selbst wenn er versucht hätte sich dagegen zu wehren, die dünnen Arme der Elfe hatten sich mit beachtlicher Kraft um seinen Oberkörper geschlungen, während ihr Gesicht an seiner Brust lag, wie so oft von den hellen Locken verschleiert.
Es dauerte einen Moment, bevor sie seine Hand an ihrem Rücken spürte und einen weiteren, bevor sich die zweite Hand spüren ließ und sich die Arme unter weitaus weniger Druck schlossen. Mit ebenso wenig Gewicht lehnte sich seine Wange an ihren Scheitel.
"Vielleicht", und das Gesicht bewegte sich seicht beim Sprechen, "solltest du gleich alles sagen, was dich verstimmt, wenn wir schon einmal dabei sind." Er hatte die Stimme gesenkt. Sein Tonfall schwang dennoch bis in seinen Brustkorb. Vielleicht war das aber auch Einbildung. Oder die feste Umschlingung.
Linndriel lockerte die Umarmung ein wenig, aber nicht mehr als nötig, und legte den Kopf in den Nacken um zu ihm heraufblicken zu können. "Ich will dich nicht teilen. Aber das ist so eine Sache, die verdammt kindisch ist und sich nicht verhindern lässt." Sie warf ihm ein schiefes Lächeln zu, welches nicht ganz zu dem Ausdruck in ihren Augen passen wollte. Ihr war wohl bewusst, dass sie ein Wesen in den Armen hielt, dessen Freiheit von unbeschreiblicher Wichtigkeit war. Würde sie auch nur den Versuch unternehmen, ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Flügel zu stutzen, würde sie ihn wohl verlieren. Das Wissen darum machte es nicht einfacher mit den Gefühlen umzugehen, es ließ sie auch nicht verschwinden. Doch wenn sie ihn nur bei sich halten konnte, indem sie ihn losließ, so würde sie dies jederzeit tun. Den Schmerz in Kauf nehmen.
Sie konnte spüren dass der Dämonenjäger sich innerlich ebenso distanzierte wie auch seine Haltung steifer wurde. "Was bedeutet das?" fragte er, und seine Stimme war misstrauisch und kühler als zuvor.
Oh nein. Hätte sie doch bloß den Mund gehalten. "Gar nichts. Ich meinte nur… dass ich dich gerne um mich habe." Sie versuchte, die Worte bedächtig klingen zu lassen, doch es war ihr anzumerken, dass die zunehmend distanzierte Haltung von Oona Hysterie in ihr auslöste. Gerade noch schien alles wieder in Ordnung gewesen zu sein, so schnell war es wieder Zunichte gemacht.
"Lüg mich nicht an." Der unsichtbare Blick, dessen Intensität sie nun sehr viel besser einschätzen konnte, nun da sie wusste, durch was er ausgelöst wurde - zumindest rein äußerlich - lag fest auf ihrem Gesicht.
Aeshma sandte Wellen der Bestätigung aus. Einen Meister der Lügen, Trickserei und Bezirzung austricksen zu wollen, war sicher nicht die klügste Idee, wenn sein Fokus so ablenkungsfrei und distanzlos auf jemanden gerichtet war, selbst wenn es nur darum ging, etwas zu verschweigen.
"Es spielt keine Rolle, Oona. Ich weiß, dass du nicht der Typ bist, der sich auf eine Person festlegt, oder sich gar von jemandem abhängig machen würde. Dass du kommst und gehst, wie du willst und tust, sagst und denkst was dir gerade so in den Kopf schießt. Diese ganze… Gefühlsduselei ist nicht deine Welt. Und das ist in Ordnung." Während sie die Worte dieses Mal mit fester Stimme sprach, erwiderte sie seinen Blick standhaft. Ihre Arme waren nur noch zaghaft um ihn gelegt, als fürchte sie bereits, dass er sich vollkommen zurückziehen könnte.
"Du redest um die Antwort herum", stellte er fest. Er schien keinen Augenblick daran zu zweifeln.
Linndriel grummelte leise und verdrehte genervt die Augen. "Ich will dich für mich alleine haben. War es das, was du hören wolltest?" Sie löste die Umarmung und setzte sich zurück auf die Bettkante, senkte den Blick auf den Boden, als würde sie bereits die Vorkehrungen für das, was sie erwartete, schließen.
"Ich sehe hier niemand anderen im Zimmer", erwiderte der Illidari in ziemlich neutralem Tonfall. Aeshma knurrte: "Ja - glücklicherweise."
Sei still.
"Worauf willst du damit hinaus?" fragte der Dämon.
Aufrichtigkeit, antwortete Oona stumm. Er konnte spüren, wie sich die Aufmerksamkeit des Dämons auf die Elfe zu richten begann. So war es für ihn selbst auch einfacher, sie dort zu lassen.
Frustriert formte sie einen Schmollmund, zog die Beine auf das Bett hinauf und winkelte diese an, während ihr Rücken in ungemütlicher Position am Bettpfosten lehnte. Die Hände lagen ineinander verschränkt auf ihrem Bauch. "Es geht ja nicht nur darum, wer gerade da ist. Auch darum wer noch kommen könnte - irgendwann. Aber weißt du, das ist eigentlich egal. Ich weiß gar nicht, warum man sich um sowas überhaupt Gedanken macht." Sie machte eine abwinkende Handbewegung in seine Richtung.
"Wenn du schon lügen musst, belüg dich nicht selbst", erwiderte er im gleichen neutralen Ton. Noch einen weiteren Augenblick war sein Gesicht auf sie ausgerichtet, dann drehte er sich um, schritt um das Bett und beugte sich, um das Tablett auf dem Boden abzustellen und kniefällig auf das Bett zu kriechen, wo er sich bäuchlings lang ausstreckte, den Kopf in die Arme bettete und ein Bein anzog, um es bequem zu haben.
"Ich belüge mich nicht selbst!" Die Antwort klang mehr als patzig. Aus dem Augenwinkel warf sie ihm einen scharfen Blick zu, ehe sie vorzugsweise die Wand anvisierte und diese an Stelle von Oona böse anstarrte.
Das leise ‚mmmhm‘ klang schon nicht mehr so aufmerksam wie zuvor, aber auch nicht wirklich so, als habe sie glaubhaft etwas versichert. Er bewegte sich etwas, offenbar um die Position zu korrigieren, halb abgewandt und auf der Seite des Bettes, in der Linndriel erwacht war. Die zunehmende Entspannung breitete sich um ihn aus wie jedes andere Gefühl es tat.
"Drei sind immer einer zuviel", sagte Aeshma.
Schließt du dich mit ein? Die Gedankensignatur des Illidari klang schläfrig.
Der Dämon grinste spürbar. "Was denkst du selbst?"
Esterly ft. Austin Jenckes - Bad Man
https://www.youtube.com/watch?v=uNGxnJBtUqY
Zusatz. Nairuna und Linndriel schreiben ihre Passagen jeweils selbst. Ihr lest hier also einen Text, der von drei Personen abwechselnd verfasst wurde. Das gilt auch für alle anderen Texte mit verschiedenen Charakteren, es sei denn es handelt sich um NPCs.