“Weißt du, ich habe mich gefragt wie lange es dauern würde, bis ihr beschließt, dass sie zu weit gegangen ist.” Die Stimme der Sin’dorei, die hinter dem schwarzen Schleier hervordringt klingt sacht amüsiert. “Als ich aus meinem Gefängnis heraus kam und diese “Horde” kennen lernte hatte ich soviel Geredet von Ehre gehört. Davon wie wichtig sie doch für die tapferen Krieger der Horde ist.”
Ihr Blick wandert auf die grünhäutige Kriegerin herab, die zu ihren Füßen liegt, Arme und Beine gefesselt, mit einer Substanz die sehr nach Spinnenseide aussieht. Mehr von der Substanz verklebt ihren Mund. Sie gestikuliert mit dem Flugblatt in ihrer Rechten in Richtung der Orc, in der Linken hält sie einen Rucksack. Ihren Rucksack, den sie ihr abgenommen hatte. Darin: Azerit.
Anyrenia war geschickt worden um zu verhindern, dass das Weltenblut in die falschen Hände geriet und soweit es ihre bescheidene Meinung betraft war “die Kriegsmaschinerie der Horde” gleichbedeutend mit “die falschen Hände”. Natürlich war der Auftrag nie gewesen ein Mitglied der Horde im Namen des Sprechers zu töten, aber nun, dass das Vorkommen bereits nicht mehr in der Hand der Bluttrolle gewesen war, weil ein Diener der Banshee schneller gewesen war, war etwas was der Zwerg nicht unbedingt erfahren musste.
Die Flugblätter hatte die Orcfrau dabei gehabt, wohl ein Versuch dafür zu sorgen, dass die Nachricht auch in den entlegensten Winkeln der Welt an alle Mitglieder der Horde gelangte.
“Ich hatte gesehen, wie einem Waldläufer der Prozess gemacht wurde, weil er, während er eine Operation in den Sand gesetzt hatte ein paar Frosttroll-Welpen mit ihrem Dorf verbrannt hat.”
Sie setzt sich neben die Orc und ein leises Lachen dringt hinter dem Schleier hervor. Es ist nicht freundlich. Das Amüsement darin ist praktisch schon Hohn.
“Für eine Weile hatte ich gedacht, ich hätte einen Ort gefunden wo man versteht, warum ich mich von Lord Sturmgrimm abgewendet hatte. Das man nicht ein Monster werden darf, um die Monster zu besiegen. Das der Zweck eben doch nicht alle Mittel heiligt.” Sie hebt das Blatt an, liest noch einmal darüber.
“Dann, kaum ist die Legion geschlagen und ich beschließe meinen Schwur diese Welt zu verteidigen weiter aufrecht zu erhalten, in dem ich meine Talente benutze um dabei zu helfen den Schaden, den Sargeras Azeroth zugefügt hat zu heilen und die so ehrenhafte Horde fällt über das Eschental her.” Sie schüttelt den Kopf. “Das hätte mich zu keiner Zeit erfreut, weißt du? Mein Lehrmeister war ein Nachtelf. Soviele Illidari die bereit waren selbst ihre Seelen zu geben um die Legion zu besiegen taten es um ihre Heimat zu verteidigen. Aber nein, nicht nur seid ihr über dieses Land hergefallen, nein, eure ach so ehrenhaften Krieger haben auch alle Kaldorei getötet, die sie in die Finger bekommen haben. Männer, Frauen… Kinder.” Wieder das leise, spöttische Lachen. “Wenn es Trollwelpen sind, während die Legion an die Tür klopft, dann seid ihr empört, aber wenn es Nachtelfen sind und eigentlich Frieden herrschte… dann ist das schon in Ordnung.” Der Schleier wogt etwas hin und her, als sie sacht den Kopf schüttelt. “Dann habt ihr den Baum verbrannt. Ich weiß nicht, ob das einfach etwas ist was in eurem Wesen liegt, wo ihr doch Knechte der Legion wart, ihr Orcs wie auch die Untoten. Ihr Erbe in euch: Ein tiefsitzendes Bedürfnis Weltenbäume zu zerstören.” Sie kichert, nun tatsächlich amüsiert ob des Gedankens, bevor sie weiter spricht.
“Die Kaldorei unter den Champions haben mir davon erzählt, weißt du? Kein Militär war dort, oder naja, kaum noch welches. Eigentlich nur die, die keine Kämpfer waren. Einfache Leute. Und die habt ihr alle lebendig verbrannt. Aber nein, nein auch das hat euch nicht genügt, nicht? Vor Unterstadt hat sie eure eigenen Soldaten in ihrer Seuche umkommen lassen und ihre Gebeine erweckt. Man hatte mir gesagt ihr Orcs wärt so dermaßen spirituell, dass die Verachtung mit der ich so oft angesehen wurde einfach daher rührt, dass euch solche Unreinheit einfach anekelt. Die veränderungen, die die dunkle Magie in mir erzeugt hat. Aber die Banshee sagt euch, dass es für die Horde ist, wenn ihre Lebenden Soldaten in der Seuche sterben und ihr eigenes Volk zu großen Teilen erst in der Reserve eingesetzt wird… und ihr glaubt das auch noch.”
Nun lacht die Jägerin schallend. “Oh, beim Nether, ihr seid solche leichtgläubigen, dummen Kreaturen.” Die Orc versucht zum ersten Mal wieder etwas zu sagen, doch der Knebel hindert sie am sprechen. Sie zuckt und zappelt wütend, der Blick hasserfüllt. Anyrenia fährt jedoch schlicht fort.
“Dann überfallt ihr Kul’Tiras und versucht auch dort wieder schlicht alle zu töten. Oh, was ich gehört habe… als ob ihr noch nicht genug Feinde hättet, nein, nein, für die Horde ist es wohl erst genug, wenn wahrlich die ganze Welt gegen euch ist. Wenn ihr alle Kontinente mit dem Blut Unschuldiger rot gefärbt habt.”
Wieder ein wütendes Grunzen und Brummen. “Oh, ja du hast recht. Ich höre mich tatsächlich gerne selbst reden! Sehr richtig erkannt! Ah und dann die Dunkelküste. Weißt du meine Liebe, ich dachte wenigstens als sie begann das Land dort einfach zerstören zu lassen, welches ihr armen Hordler doch sooo dringend gebraucht habt, weil ihr gehungert habt und in Armut lebtet, würdet ihr protestieren. Aber nein, nicht einmal dann stellt ihr euch gegen sie. Das Land für das ihr diesen sinnlosen Krieg begonnen habt, für das ihr so geblutet habt, dass lasst ihr nun mit Feuer und Seuche völlig unbrauchbar machen. Jedes Wesen mit Verstand hätte bereits bemerkt, dass eurem Kriegshäuptling nichts an eurer Horde liegt. Sonst würde sie nicht so handeln, nicht?”
Die dämonische Sin’dorei legt den Kopf schief.
“Aber ihr seid keine Wesen mit Verstand, nicht wahr? Ihr seid tumbe Bestien. Ihr liebt es einfach Krieg und Zerstörung zu bringen und jede noch so dumme Ausrede genügt euch dafür.” Sie lacht. “Schau, deshalb werde ich nach Donnerfels gehen und diesen Tauren verteidigen. Nicht weil ich ihn liebe, auch er hat so unfassbar lange gebraucht um zu bemerken, dass hier etwas schief geht. Nein.”
Sie schüttelt den Kopf. “Ich gehe weil ich weiß, dass die Banshee ihn dort nicht gewähren lassen kann. Sie wird ihre Leute schicken müssen um ihn zu töten. Und all ihr tumben, kriegslüsternen Monster werdet kommen. Ihr werdet kommen und ich werde euch töten können. Denn Bestien zu töten, die nichts als Zerstörung über diese Welt bringen, das ist mein Schwur.”
Sie entfernt den Knebel vom Mund der Orc. “Möchtest du etwas dazu sagen?”
Die Orc spuckt sie an und der Speichelklumpen trifft die nackte, mit Tätowierungen bedeckte Haut ihrer Schulter. “Bring es endlich zu Ende, du großmäulige, dämonische Verräterschlampe. Dein Gelaber ist schlimmer als alles andere was du mir antun könntest.”
Die Jägerin wischt den Speichelklumpen mit dem Flugblatt weg, lässt es dann fallen. “Oh. Nein, wirklich, nein… aber das siehst du gleich.”
Sie stellt den Rucksack ab, lupft den Schleier etwas und küsst Mittel- und Zeigefinger mit den tiefroten, vollen Lippen.
Felgrünes Leuchten spielt um die Fingerkuppen und bildet einen scharfen Kontrast zu den langen, schwarzen, fast krallenartigen Fingernägeln. Sie presst ihre Finger an die Lippen der entsetzen Orc und wendet sich ab.
Hinter ihr beginnt das Schreien, welches dann auch abrupt wieder abbricht, als sich das hungrige Felfeuer den Weg durch den Mund der Kriegerin und und ihren Hals hinab bahnt. “Schlimmer als mein Gerede, nicht?” fragt Lady Anyrenia Dämmersturm noch als sie sich entfernt.