[Auf Holz geklopft]
Bei aller Liebe. Drei Wochen lang auf einem Schiff über See waren schon nicht unbedingt das, was er als erstrebenswert betrachtet hätte. Aber drei Wochen lang auf einem Schiff über See mit einer seekranken Frau, eingepfercht in einer Kajüte, die keine Betten sondern nur schwingende Hängematten bot, waren schlimme Folter. Beinahe erschien es dem Dämonenjäger eine süße und verlockendere Vorstellung in seiner Erinnerung zu sein, ganze Herzen zu verschlingen und sich die Augen auszubrennen, als den säuerlichen Geruch von Erbrochenem noch einen Tag länger ertragen zu müssen. Ja, das war ganz die Vorstellung von Erholung in der Südsee über Winterhauch, wie sie ein Reiseprospekt versprach, dachte er im Stillen.
Aeshma rührte sich mit keiner Silbe, obwohl Oonayepheton spürte, dass der Dämon ganz ähnlich empfand. Allein die Tatsache dass ein Schiff ohne Mannschaft nicht zielführend war, hatte beide davon abgehalten in Rage etwas zu erwürgen oder auszuweiden - vor lauter nicht Wissen wohin mit all der Untätigkeit. Linndriel war seit Tagen für ihn nicht ansprechbar gewesen. Bei jedem Versuch zu sprechen oder sich auch nur annähernd aus der Ecke am schwankenden Boden zu bewegen, in der sie zusammengerollt gelegen hatte wie ein Häufchen Elend, war sie grün um die Nase geworden und hatte sich eingehend mit dem Eimer unterhalten, den sie wie einen neuen besten Freund umarmte. Es war beinahe ansteckend gewesen, dabei zuzuhören.
Glücklicherweise war er weder besonders mitfühlend, noch hielt er sich ein langes Gedächtnis für unerfreuliche Begebenheiten als hohe Tugend. Auf Abstand war er dennoch gegangen. Und ebenso tat er es in dieser ersten Nacht.
Froh festen Boden unter den Füßen zu haben und in dem billigen Mietbett, das zu bekommen gewesen war, war die Sin’dorei eingeschlafen wie ein Stein. Er hatte gar nicht eilig genug an die Luft kommen können. Von Enge und Bretterverschlägen hatte er bei Sargeras genug.
Auf den Fußspitzen schwankend, balancierte der Illidari am Rand des Daches, die Arme schwer auf die Schenkel der tiefen Hocke gestützt, in der er kauerte. Die Luft roch frisch hier oben. Nur leise und unterschwellig schlich sich der typische Brackwassergeruch der algigen Stützpfähle in seine Nase. Die Brise war lau, selbst für die späte Stunde und etwas seltsam befriedigendes breitete sich in ihm aus. Das Salz in der Luft war mineralischer als auf See. Sand und Grün hatten nicht unerheblichen Anteil daran. Die Geräusche des Dschungels drangen nicht über die Bergkette, aber er erinnerte sich, fern und vage, dass es einen gab, auch wenn er ihn noch nie gesehen hatte… und man jetzt von Sehen kaum mehr sprechen konnte.
Er verdrehte sich und ließ die Schultern rollen, eine Haltung, die sicher skurril ausgesehen hätte, hätte man ihn beobachtet, doch sie hatte durchaus Zweck und Sinn. Phasenverschobene, feine und ledrige Schwingen falteten sich unsichtbar auf, zerrissen und dunkel gegen das Fackellicht der Stege, zitterten in ihre volle Spannweite und das feine Knacksen der knöchernen Gelenke war nicht hörbar, wohl aber spürte er es und ein erleichtertes Seufzen löste sich von seinen Lippen, als alles wieder an den Platz gerückt war, an den es gehörte. Prüfend bewegte er die Schwingen und holte Schwung, um einen sicher elegant aussehenden Sprung vom Dach auf die Stege zu wagen.
Das gedämpfte Aufkommen auf dem Holz war so unerheblich leise, das es keinen Aufruhr verursachte. Er streckte sich… und hielt inne, als eine Tür aufging.
Dumpfe Schritte. Zwei Paar Füße? Ein schweres Stolpern war zu hören. Eine weibliche Stimme, die sagte: "Was meinst du?" und nur unmittelbar daneben - oder dahinter? -, er schätzte nicht viel weiter als zwei Armlängen, ertönte ein langsames Klatschen. Einmal. Zweimal. Dreimal. "Nein, der ist wie aus Stein." Die gleiche Stimme. Mit wem sie gesprochen hatte, war nicht auszumachen.
"Kommen wieder, wenn haben Geld ohne Ärger! Ärger nichts wert!"
Eine kurze Irritation spiegelte sich auf den Gesichtszügen des Illidari. War das ein…
Ein kurzer Pfiff ertönte und ein lautes Brüllen, dessen Klangfarbe in seinen Ohren brannte wie die Seen von Mardum. In das Brüllen fiel ein anderes ein, reflexhaft und hohl dröhnend. Oonayepheton ordnete es der zweiten Stimme zu. Und war sich jetzt recht sicher. Ein Oger.
"Hau ihm eine rein. So hart du kannst", meldete sich die weibliche Stimme zu Wort, nachdem das Gebrüll verebbt war. Es dauerte mehrere Augenblicke, bevor ein dumpfes Krachen ertönte.
Obwohl eine Hausecke in seiner Blickachse lag, sah der Dämonenjäger die Teufelswache taumeln. Der Dämon war so klar und scharf umrissen, als läge die restliche Welt in grauem Dunst und knurrend stieß er ein teuflisch verzerrtes "Anach-kyree, A-rul schach kigon!" aus, die Axt, die seiner Art als übliche Waffe diente, fester greifend.
Die weibliche Stimme erklang erneut und näherte sich der Position des Dämons und jetzt konnte er auch ihren Umriss ausmachen, viel weniger klar aber dennoch von eindeutiger Färbung. Sie sprach… Eredun. "Shaza-kiel! SHAZA-KIEL!"
"Ja, genau. Schaf am Stiel", kommentierte die voluminösere Stimme des Ogers.
Der Dämon zuckte zusammen, die Waffe fallen lassend sank er auf ein Knie, ehe er zur Seite wegkippte, und in einem Häuflein Felfarbener Asche verschwand.
"Tschüss, Plan Bääh", sagte der Oger.
"Garstige Teufelswache…", schnaufte die Frau, sich die Hände ausschüttelnd. "Das soll ihm eine Lehre sein."
"Ich seh schon, sie hat nicht nur die Mädels im Griff." Die Stimme war neu. Der weiche Klang der Konsonanten deutete auf einen Elfen hin. Sin’dorei?
"Sukkubi sind so viel leichter zu versklaven…", bemerkte die Frau, "Aber… eine Teufelswache zurückdrängen, und ihn eine Bannung riskieren zu lassen ist nicht schlecht."
"Ich bleib nahe, ja. Kann im Hafenbecken schwimmen gehen. Leute hier scheinen Oger nicht gleich töten zu wollen." Für einen Oger war das ein langer Satz gewesen.
Oonayepheton juckte die Neugier. Inzwischen ging er von fünf aus, minus der Teufelswache. Zwei Stimmen, die er gehört hatte, eine, die er nicht gehört hatte, der Oger… Was ging hier vor sich?
[dice Yes or No SG 50; rolled 68 - Yes]
Nicht dass die weichen Stiefelsohlen ein Geräusch verursacht hätten. Aber das hier war doch gerade zu interessant zu gewesen, um sich das Ganze nicht genauer anzusehen… Langsam trat der Dämonenjäger um die Ecke, die Arme verschränkten sich lose und der Kopf kippte in eine seichte Schräge, hin zu Oger und Elfen gewandt.
"Perfekt. Na dann ich mach mich mal auf. Bis Bald", sagte der dritte Elf jetzt zu allen Beteiligten. Er nickte höflich und machte Anstalten davonzugehen, hielt kurz inne um dem Illidari einen Blick zuzuwerfen und passierte ihn dann, ohne dass dieser sich nach ihm umgedreht hätte.
Der andere zog seine Brauen hoch, als erneut jemand auftauchte. Beutebucht schlief wohl nie.
"Nun, guten Restabend, Maerceci", sagte die Frau, die sich jetzt eindeutig als Shal’dorei herausstellte.
"Oh", sagte der Oger, "Ein Blindelf."
Das knappe Nicken des Dämonenjägers war wohl so eine Art zurückhaltender Gruß. Wenn auch schweigsam. Es richtete sich an niemanden bestimmten.
"Vielleicht will der ja auch hier arbeiten", meinte der Sin’dorei, der verblieben war. Er richtete sich mit etwas gedämpfter Stimme an die Nachtgeborene, die um die Antwort nicht verlegen war. "Ich glaube das gäbe einen Interessenkonflikt mit mir." Sie hielt die Arme unter der Brust gesenkt.
"So bleibt’s spannend", kommentierte der Sin’dorei.
Die Shal’dorei sagte: "Wie können wir helfen?"
Es war ein spürbarer Blick, der sich auf die Shal’dorei richtete. So Felaffin, wie sie war, konnte sie sogar spüren, wo er zu liegen kam, nachdem er sie einmal von Kopf bis Fuß gestreift hatte. Auf ihrem Gesicht. Der Sin’dorei tritt noch etwas näher, sein Blick lag auf dem unbekannten Gast.
"Starrt mich nicht so an." brummte sie, als spüre sie etwas, was die anderen nicht merkten.
"Helfen?" Kurz zuckte der Mund des Illidari in ein schräges Lächeln. "Ich bin nicht sicher. Was… ist denn das hier? Dämonen, Elfen, ein Oger… illustre Gesellschaft will ich meinen. In einem Goblinnest."
"Ist Goblinstadt. Sind Oger willkommen." sagte der Oger.
Der Sin’dorei behielt den Dämonenjäger noch immer im Blick, vorerst schien er sich aber nicht direkt am Gespräch zu beteiligen.
Oonayepheton richtete das Gesicht auf den Oger aus und nickte ihm sichtbar zu. Dann verwischte der Eindruck einer bestimmten Richtung. Allein, es blieb sich gleich - standen sie doch so dicht beieinander.
Es war die Shal’dorei, die antwortete. "Das Etablissement Ölkanne und Luke. Geleitet von Ikwat Zeitl van Vibradrill. Nun, hier kann man in kurz… Zeit mit Frauen kaufen… oder Männern. Wobei letzteres noch nur bedingt verfügbar ist."
Beide Brauen des Illidari zuckten in die Höhe. Der Rest des Gesichtsausdrucks war nicht so leicht zu lesen. "Ahso", bemerkte er ohne bestimmten Tonfall. "Interessant."
"Wobei ich mich derweil mehr um die Männer und Frauen kümmere. Wenn Ihr Eure Muskeln anbieten wollt, sind alle anständigen im Feierabend, oder… außer Haus. Seit gerade", ergänzte sie.
"Hier?" Eine Hand - die rechte - löste sich aus der Verschränkung der Arme und ein Weis ging auf das Gebäude, der Tonfall war fragend.
Der schweigsame Sin’dorei lehnte sich an die Hauswand und stricht eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Hier." sagte die Shal’dorei.
"Ihr habt Euer Haustier gut im Griff." Die Bemerkung des Dämonenjägers kam aus dem Nichts. "Ich gehe davon aus, Ihr habt noch weitere Freunde?"
"Reichlich", sagte sie. "Alle austauschbar, wenn ich es auch versuche zu vermeiden. Dämonen waren mal leichter zu finden."
Der Illidari lächelte abermals, schräg wie zuvor. Kurz leuchteten helle Zahnreihen, ein spitzer Eckzahn, bevor das Hell wieder verschwand. "Kann ich mir vorstellen." Die Arme verschränkten sich wieder. "Interessenkonflikt … um das kurz klarzustellen. Es interessiert mich nicht, mit was Ihr spielt."
"Man weiß nie, bei euch Illidari." Die Shal’dorei zuckte mit den Schultern. "Aber, meine Herren… es wird spät."
"Vielleicht sollten wir dem Gast noch mitteilen, wann die Eröffnungsfeier stattfindet? Vielleicht interessiert ihn ja das", mischte sich der Sin’dorei nun doch ein.
Oonayepheton kommentierte die Bemerkung nicht weiter. Für die Elfen, allen voran die Shal’dorei, dürfte der Blick spürbar gewesen sein, der von einem zum anderen ging. Wie das nun mit dem Oger aussah… stand in Frage. Ein sachtes Nicken ging dem Elfen zu. "Durchaus."
"Der Dreißigste diesen Monats, sollte mein Wissen aktuell sein." meinte die Shal’dorei ruhig, ehe sie sich schon abwandte. "Und ich muss sichergehen, das Zaa auch zu Bett geht."
"Meinen Dank." Das war wohl noch an die Shal’dorei gerichtet gewesen… obwohl auch das in Frage stand. "Und auch den Herren einen guten Abend."
Der Oger stand da wie eine Statue, ab und an kratzte er sich an gewissen Stellen oder ließ ein kurzes Gähnen ertönen. Wenn jedoch die anderen redeten, nutzte er diese nette Pause, seine Fressluke halten zu können. Immerhin strengte flüssiges Sprechen das Hirn an.
Der Sin’dorei sah der Shal’dorei kurz hinterher, ohne sich aus seiner Position zu bewegen. Dann wandte er sich an den Dämonenjäger. "Ebenso. Bis zum Dreißigsten." Sein linker Mundwinkel war etwas angehoben und man hörte es beim Sprechen, allerdings war es kein starkes Grinsen.
"Was nu, Boss?" fragte der Oger.
Der Sin’dorei wandte sich dem Oger zu. "Das fragst du den Falschen."
"Ist nun frei?" fragte der Oger.
"Du solltest in der Nähe bleiben. Man wird sich bei dir melden, nach der Rücksprache mit dem Boss." Der Sin’dorei sah noch einmal an dem Oger vorbei in die Richtung des Dämonenjägers.
"Ist guuut", meinte der Oger.
Zeit. Der Illidari ließ sich Zeit. Die letzte Begutachtung traf nicht nur nochmals die beiden auf der Straße Verbliebenen, sondern ebenso das Gebäude selbst. Der Kopf und das Gesicht drehten sich danach um, danach erst der Dämonenjäger selbst. Mit neutralem Ausdruck wandte er sich schließlich ab und setzte seinen Weg in die andere Richtung fort.
Zara Larsson - Bad Boys
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