Mahlzeit.
Ich stand vorhin in meiner Küche und hab den Abwasch gemacht…mit dazu lief wie immer im Hintergrund eine Compilation aus diversen alten WoW-Soundtracks. Und dann packte mich einmal mehr die Nostalgie. Immerhin bin ich mit fast 30 schon mehr als die Hälfte meines noch jungen Lebens dabei.
Sofort hatte ich den Drang, mir meine Gedanken einfach hier von der Seele zu schreiben. Einfach, weil das Forum genau dafür da ist. Ob ich dafür downgevoted werde, ist mir einerlei. An alle jedoch eine Bitte: Macht euch doch, während ihr lest, ebenfalls im Hintergrund die Musik des Spiels an und erinnert euch an frühere Tage.
Ganz passend dazu, habe ich eben erst zufällig ein vor einer Woche veröffentlichtes Video von Asmongold gesehen, in welchem er mehr oder minder genau meine Gedanken in Worte fässt. Wer also das lieber sehen will, der möge nach „The Sad Truth About WoW Today“ suchen. Ansonsten…here we go:
Mit meinem ersten Charakter, einer Nachtelf-Jägerin namens „Kasolei“ und ihrem „gefährlichen“ Katzen-Begleiter „Fetzer“, bestaunte ich Tag um Tag die endlose Welt von Azeroth. Ich erinnere mich an eine Ausgabe des „Buffed“-Magazines, in welchem alle Gebiete als Map dargestellt wurden mit entsprechenden Quests und auch Rares. Sorgfältig markierte ich mir meinen Weg, welchen ich vor hatte zu gehen. Und so verschlug es mich in die Höhlen des Wehklagens. Allein. Von Dungeons hatte ich noch keine Ahnung und dort in Gruppen erfolgreich zu sein, kam mir anfangs gar nicht in den Sinn.
Also taktierte ich mir den Weg nach und nach durch ein Labyrinth aus gefährlichen Feinden, Kälte und Angst. Mit steter Unterstützung des Geistheilers. Vier Stunden verbrachte ich dort und sogar den ein oder anderen besonderen Gegenstand konnte ich bergen. Mit Stolz ging ich ins Bett, ungeduldig wartend auf den nächsten Tag und das nächste Abenteuer.
Meine Reise brachte mich einsam am Rand des Kontinents schwimmend an geheime Orte, oft ins Nichts und immer in meinen absoluten Traum einer Fantasiewelt. Im Dämmerwald droppte mein erster blauer Gegenstand, wenig später zeigte mir „Kleiner“ den schnellsten Weg zum Friedhof. Selbst meiner Mutter zeigte ich damals aufgeregt meine Nachtelfe. Zwei Stunden lang habe ich eine Gruppe für Zul’Farrak zusammen gesucht, nur um dann zum Abendessen gerufen zu werden. Geweint habe ich, aber am nächsten Tag ging es weiter.
Online Freunde finden, mit denen man nachts am Lagerfeuer in Westfall saß. Immer und immer wieder die Dampfkammer auf heroisch erstürmen, um vielleicht doch irgendwann den Langbogen der Zornesflut in den Händen halten zu dürfen. Endlose Stunden durch Beutebucht geprügelt werden, um Pirat zu werden. Es mag repetetiv gewesen sein, aber mit Sicherheit nie langweilig.
Nun aber fliege ich über die Dracheninseln wie ein Düsenjet, bestaune die vielen wunderschönen Details…und doch bleibt mir nichts davon im Gedächtnis. Alles ist schnell schnell schnell…alles ist bunt und schön und fast makellos. Alle haben sich lieb, niemand muss sich Mühe geben.
Meine Ausrüstung scheint in trügerischem Lila. Auf dem Papier etwas Besonderes, aber in Wirklichkeit nur ein Kostüm. Der Lichkönig wird von Harley Quinn getötet, im Black Temple sackt Illidan bewusstlos zusammen, während seine Gegner kleine Murlocbabies auf dem Rücken tragen. Seine berühmten Gleven, ein Witz. Eine Erinnerung.
Alles, was sich sammeln lässt, das sammle ich auch. Ich bin nicht unschuldig, ich bin ein Teil des Problems. Wir alle sind es.
Denn wir sind Champions. Wir haben das Recht auf Feuerwerk. Gebt uns drölftausend Mounts, selbst wenn sie eigentlich alle identisch sind und lediglich die Farbe wechseln. Jahrelang hingen in Stratholme Portraits von jungen Damen mit großem Ausschnitt…eine Frechheit! Nun sind sie endlich anständig gekleidet. Auf den Dracheninseln lerne ich via Quests mehrfach diverse homosexuelle Pärchen kennen. Schön und gut, aber ändert das etwas? Oder fühlen wir uns dadurch einfach nur moralisch besser? Nie hab ich mir je Gedanken über irgendein Pärchen in WoW gemacht…ist doch mir egal, ob Nachtelf(e) mit Goblin das Bettgestell in Goldhain krachen lässt.
Was mir jedoch nicht egal ist, ist eine vorgegaukelte, „heile“ Welt. Die Moralkeule wird mir mit Wucht ins Gesicht geschmettert, ich MUSS sie sehen, fühlen und leben.
Es gibt keine Gräuel mehr, keinen Krieg mehr, keine Fehler mehr. Die Herausforderungen sind nur kleine Hürden auf einem Weg, der uns alle am Ende in die Hauptstadt führt…und dort drehen wir dann sinnlos unsere Kreise und haben so viel Spaß.
Vieles hat mit Nostalgie zu tun. Aber die Zahlen beweisen, dass es stetig bergab geht. Jeder weiß das. Auf dem Weg in die Bequemlichkeit ist das Spiel verloren gegangen. Es ist nicht World of Warcraft. Es ist World of Craft.
Das Spiel bietet so viele Dinge, die man tun könnte…sodass ich schon nicht mehr weiß, was ich tun soll. Weil nichts davon belohnend ist. Nichts erfüllt mich mit Stolz und Freude. Noch ein Mount, noch ein Stück Transmog, noch ein belangloses Stück Ausrüstung.
Und nu spiele ich als Mechagnom mit Orcs und Tauren. E-kel-haft. Ich WILL hier Rassist sein. Ich WILL hier moralisch verwerflich handeln. Denn ich kenne Azeroth als rauen, harten Planeten. Gnade, nur wenn ich sie denn schenke…Freude am Goblins zerhacken. Nesingwary helfen, hunderte von Tieren zu töten, weil ES HALT SPAß MACHT! Anspucken, wen immer ich anspucken will. Wenn das schon reicht, um jemanden zu „offenden“, dann hat derjenige andere Probleme.
In der World of Warcraft will ich brutal sein und mich in Eingeweiden suhlen. Ich will kein Champion sein, sondern ein ganz normaler Abenteurer, der ab und zu den ein oder anderen Raidboss mit weiteren Abenteurern zu Brei kloppt.
Ich hasse World of Warcraft mittlerweile. Aber ich liebe das Spiel halt auch einfach. Nichts hat mich je so sehr gefesselt. Die elendig vielen Stunden und Tage in diesem Game waren es meistens wert.
Classic ist schön. Aber diese harte und kantige Spielweise, die Freude über einen grünen Gegenstand, den Grind…all das möchte ich im Jetzt haben.
Ich zitiere Saurfang: „What I want…is my Horde back“. Und alles was ich will, ist mein WoW zurück. Ich vermisse World of Warcraft.