Die neuen „20-Jahre-Jubiläum“-Server zeigen leider deutlich, dass sich bei Blizzard der Schlendrian breitgemacht habt. Blizzard stand für mich für Innovation, durchdachte Spielmechaniken und Liebe zum Detail – doch davon ist wenig übrig. Die überfüllten Layer und die künstlich erzeugte Stimmung eines Kaufhaus-Gedränges machen das Spielen für viele ziemlich unerträglich. Das zeigen auch die Aktivitäten der Spieler von Gilden. Die neuen Server sind gerade mal einen Monat online und in vielen Gilden ist ein überwiegender Teil der Spieler schon wieder tage- oder gar wochenlang offline.
Was läuft schief?
Blizzard hat auf seinen Layer eine Überbevölkerung geschaffen durch die man sich förmlich um jeden Mob schlagen muss. Offenbar erhofft man sich davon, durch erzwungene Gruppendynamiken langfristig zahlende Abonnenten zu binden:
Gruppenzwang durch Überbevölkerung: Spieler sollen „Freunde“ finden, um sozial gebunden zu bleiben. Wer eigentlich keine Lust mehr auf das Spiel hat, loggt vielleicht trotzdem ein, um, zum Beispiel, seine Freunde in der Gilde nicht zu enttäuschen. Da Blizzard entscheidet, wie viele Spieler sich in einem Layer befinden müssen, bevor ein weiterer Layer generiert wird, ist diese Überbevölkerung beabsichtigt.
Jetzt komme ich zu dem, was mich daran so sehr stört. Das ist nicht einmal das Problem, dass man sich einzelne Mobs gegen die Konkurrenz herauspicken muss, sondern, dass eingie Klassen nie mehr klassengetreu gespielt werden können. Ein Paradebeispiel ist der Magier. Dieser hat sogar Attacken, die sofortigen Schaden machen und den Gegner taggen, bevor er weg ist. Allerdings ist ein Feuerschlag nicht der typische Opener eines Forstmagiers. Es zerstört den Spielspass, wenn man seine Klasse dem Zwang des Sofort-Taggens unterordnen muss. Das Problem betrifft aber alle Klassen, deren Stärke nicht im sofortigen Schaden liegt. Blizzard provoziert damit ein Gameplay, das nicht nur frustriert, sondern auch die Identität der Klassen auslöscht.
Zwei Lösungsvorschläge. Eines greift in die Spielmechaniken ein, das andere funktioniert mehr administrativ hinter den Kulissen.
Erste Lösung: Ein Tagging-System
Die Einführung eines neuen Tagging-Systems könnte dieses Chaos beenden. Genauer, tagging durch ein „Mal des Jägers“-ähnliches System:
- Ein Spieler kann maximal einen Gegner für maximal 10 Sekunden „reservieren“.
- Tagging erzeugt kein Schaden und keine Aufmerksamkeit des getaggten Gegners
- Dieses Tagging sichert lediglich den Anspruch, der Gegner ist für andere Spieler „weiß“
- Nach Ablauf gibt es eine erzwungene Pause von 3 Sekunden für denselben Gegner
Die bedeutet:
- Nur ein getaggter Gegner pro Spieler gleichzeitig.
- Kein strategisches Dauer-Reservieren von Rare-Mobs durch Tag-Pause
- Strategisches Gameplay bleibt erhalten:
- Spieler können ihren Gegner in Ruhe und klassengetreu vorbereiten
Den ersten Einwand kann ich schon jetzt in der Ferne hören: „Das gab es in der ersten Version von WoW auch nicht! Und wir wollen doch Classic spielen!“
Das stimmt. Aber in der ersten Version von WoW gab es auch menschenleere Gebiete, in denen man alle Zeit der Welt hatte, um seine Klasse so zu spielen, wie sie ausgeprägt war. Das ist heute auf den Jubiläums-Servern nicht mehr der Fall. Dieses Tagging-System verunstaltet also nicht das Classic-Feeling – es stellt es in kleinem Rahmen wieder her.
Zweite Lösung: Spieler-Präferenzen
Eine andere Lösung wäre eine intelligente Layer-Verteilung: Spieler könnten in den Einstellungen zum Spiel angeben, ob sie lieber auf leeren, mittelvollen oder übervollen Servern spielen. Die Layer-Typen wären entsprechend angepasst.
Das ist technisch Technisch machbar. Als erfahrener Entwickler von System-Software kann ich versichern, dass das technisch keine Herausforderung wäre. Nichts am Spiel müsste geändert werden, es würde lediglich einen weiteren Menüpunkt in den Einstellungen geben und die Generierung neuer Layer und die Zuweisung der Spieler müssten komplexer werden. Am Gameplay würde sich sogar gar nichts ändern.
Und sicher: Keine Farming-Exploits. Die Idee, dass man bei der Wahl für leere Server automatisch eine Situation für schnelles Farmen von Rohstoffen vorfinden würde, ist natürlich nicht zutreffend. Layer können dynamisch auf die Respawn-Raten der Rohstoffe abgestimmt werden, es entstehen dann keine Vorteile für Spieler auf weniger vollen Layern. Es sind dann zwar weniger Spieler vorhanden, die Rohstoffe abbauen, aber eben auch weniger Rostoffe selbst, so dass sich am Ende für Farmer nichts ändert.
Fazit: Blizzard hat mit den Jubiläums-Servern eine Spielumgebung geschaffen, die den Kern von WoW Classic verrät: Klassenidentität, strategisches Gameplay und das Gefühl einer lebendigen Welt. Ein durchdachtes Tagging-System oder dynamische Layer könnten diese Probleme lösen.