schaudert
Da treibt sich alles rum, aber keine Elite. Im Zuge einer Artikelrecherche vor Jahren mal getestet… schaudert härter
Hier, weil ich gut gelaunt bin, die Kolumne.
Viehmarkt Internet
Das Internet ist schon ein großer Viehmarkt. Der einzige Unterschied zwischen einem tatsächlichen Viehmarkt und dem Internet ist nicht einmal der hintergründig penetrante Gestank der herumliegenden Misthaufen, sondern vielmehr die fingierte Verschleierungstaktik der selbsternannten Viehhändler und nicht zuletzt das Vieh, das sich bestenfalls selbst, bestenfalls mit geringfügigerer Verschleierungstaktik zu verkaufen trachtet.
Der virtuelle Viehmarkt besteht im Wesentlichen aus zwei Hallen oder besser gesagt: Einer Halle, hübsch ausgestattet mit der Illusion von strapazierfähigem, für die tägliche Nutzung geeigneten Polyesterteppichboden, handelsüblich in freundlichem Grau oder Blau (soll modern wirken) und dem industriellen Charme fehlgeleiteten 80er-Jahre-Designs.
Die zweite Halle ist gar keine Halle, sondern befindet sich irgendwo auf dem Messegelände, bestenfalls mit teilweise funktionierendem Reinigungsservice, zumeist aber eher die Müllhalde: etwas schmuddelig, wie jeder Bürgersteig, mit schlecht abgekratzten Kaugummiflecken und undefinierbaren Überresten allen denkbaren Mülls neben kleinen, schimmernden Rotzpfützen - überraschenderweise übrigens nach wie vor viel- und gut besucht, und zwar von jeglichen Schichten jeglichen Klientels.
Bereits genanntes Vieh, die lieben Mitmenschen also, welche sich gleich wie auch immer geartet zu verkaufen trachten, haben nun die Wahl, das Grundgebührgelände zu bescheîßen oder aber die noble Messehalle zu betreten, welche wiederum aber mit zusätzlicher Standgebühr ordentlich zu Buche schlägt.
Kassieren tun die Viehhändler - die allerdings ja gar nicht tatsächlich verkaufen, sondern mit fachgesimpelten Züchtungs-gutachten das passende Stück Vieh zum anderen Vieh empfehlen. Das ist dann auch schon deren gesamte Funktion. Und wie Vieh nun einmal beschaffen ist, so folgt es dem Wegweiser blind und begeistert muhend nach.
Was zur Hölle, sage ich. Was zur Hölle. Und ich sage das vollkommen ruhig und ohne Abstriche überlegt. Sind wir denn wirklich alle bescheuert? Wahrscheinlich sind wir das. Aber die monatliche Standgebühr der unfreien Händlerplattformen ist keinesfalls gerechtfertigt, Testsieger hin oder her. Was ist denn das für ein Vermittler, der einem gerade einmal ein einziges Hallo zugesteht und bereits für die Übermittlung der Antwort mindestens dreißig Euro verlangt? Würden Sie zu so einem auch in ihrem nichtvirtuellen Leben gehen? Sehen Sie, das dachte ich mir. Eine Garantie für Glück dagegen ist in den dreißig Euro ganz sicher nicht - oder zumindest ausschließlich ohne Gewähr und mit beschränkter Garantie enthalten.
Die glücklichen Kühe, das ist meine feste Überzeugung, scheîßen nach wie vor auf die Wiese. Und die ist draußen vor der Tür.