[RP-Geschichten] 🌙 Unter dem Sternenlicht - Auf den Spuren einer Reisegruppe

Das Nest des Drachens
Aurora Revelis
Irgendwo auf Amirdrassil

„Das letzte Mal, dass ich diesen Zauber gewirkt habe, hat mein Leben grundlegend verändert. Ich möchte nicht, dass es euch so ergeht.“

Sie erinnert sich der Worte mit jedem Schlag, den sie durch die Luft sausen lässt. Das Surren des technomagischen Spielballs fördert den erneut aufkeimenden Zorn nur. Aber es soll ihr recht sein. Irgendwo muss das Feuer hin, das sie zu ihrer beider Schutz unter der Kälte begraben hat. Hier an diesem Ort hat der Drache sich eingenistet und kann Feuer spucken, wie er will. Er wird niemanden verletzen.

„Du hättest es von vorneherein nicht anbieten sollen. Er hat dich in einem Zustand der Schwäche gesehen. Er wird es nicht wieder vergessen. Du wirst für ihn immer diejenige sein, die Schutz bedarf.“

Sie hält inne, sieht über die Schulter. Nickt. „Ja, vielleicht hast du recht.“


Sie formuliert Zweifel, die sie sich nicht eingestehen will. Wer weiß, ob sie am Ende nicht sogar nützlich ist.

6 Likes
Blutende Monde, stürzende Sterne
Shendori Schattennacht
Zwischen Zweigen, Ästen und Stämmen lauerten sie: Wuchernde und wachsende Schatten, dem Wind geneigt und der Stille geschuldet. Selbst das Wispern der Wälder wusste zu schweigen und trug keinen einzigen Laut heran. Diese Wälder waren verlassen, verloren. Einzig und allein aus dem Grund hatte es die Reiterin hierher verschlagen.

Die gepolsterten Pfoten des Säblers, dessen nachtgetünchter Pelz sich den Blicken entzog, hinterließen weder eine eindeutige Spur, noch nicht einmal das leiseste Geräusch. Tief und tiefer drangen Reiter und Tier in das verdorbene Herz dieser Ländereien – und mit jedem zurückgelegten Meter verschwand die ohnehin bereits spärliche Farbe aus Gräsern, Büschen und Pflanzen. Zurück blieb ein trostloses Zusammenspiel aus dem Malkasten eines Jünglings: Grau in Grau, eine verwischte Spur von Schwarz.

Beißend war er – der Gestank von in den Boden gesickerten Chemikalien, angereichert mit genug Gift, dass der Umtrunk an nahen Gewässern einem gesunden Lebewesen vermutlich das Leben genommen hätte. Noch immer trugen Verwehungen den fahlen Beigeschmack von verbranntem Holz und Asche rieselt bei jeder sich ergebenden Gelegenheit. Die Kehle gekleidet in Staub, trocken und unnachgiebig.

Die gespitzten Lauscher vermochten das Unheil zu hören, bevor es eintraf: In einem Ruck riss sie die Zügel herum und presste sich tief in den Sattel. Plock, plock, plock. Drei Pfeile versenkten ihre Eisenspitzen in nahen Stämmen, spalteten das brüchige Holz – angekündigt bloß vom leisen Surren der pechschwarzen Fiederung. Ein klirrend kalter Schauer fährt über den Rücken der Reiterin; die nebelgewobene Magie, welche den Geschossen innewohnt, war keine unbekannte.

Verdächtig rasselt es, als Bewegung in den bebenden Untergrund fährt: Erdige Schollen brechen unter eigenem Gewicht zusammen, als sich eine eiserne Kette spannt – Pfoten, die über das gestraffte Seil stolpern, sich darin verwickeln und ein gewaltiger Körper, der sich jaulend dieser Kraft ergeben muss, als er zur Seite geschleudert und seine Reiterin unter ihm begraben wird. Allmählich zeigen sie sich: Rot getünchte Blutmonde in Büschen, auf Bäumen, hinter Stämmen. Nicht nur ein Mond im Namen der Göttin, gleich mehrere, die sich dort in den Schatten erheben. Frevel – in seiner pursten Form.

»Ihr seid weit entfernt von Euren schützenden Grabhügeln, Wächterin – fernab eines mondlichtgetränkten Pfades.« Ein Raunen geht durch die nahen Wälder, als sich elfische Silhouetten nahtlos aus dem Schatten naher Bäume schälen. In dunkles, zerfressenes Leder gekleidet war die blasse Haut der Elfen ein regelrecht widernatürlicher Kontrast. Stille legte sich über die verwüstete Lichtung, bloß das verräterische Funkeln mehrerer Pfeilspitzen vermochte jene klanglos zu unterbrechen. Die Wortführerin pirschte mit gehässigem Grinsen um die Wächterin; die Rüstung braun gefärbt und triefend vom unfreiwilligen Umweg, als sie sich aus dem Dreck erhob.

»Sagt mir, Schwestern – was sollen wir mit diesem prächtigen Fund anstellen?«
Die Antworten überschlugen sich in erwecktem Hall, in ihnen so viel Zorn, dem nie Luft gemacht wurde.
»Ertränken sollten wir sie, in ihrer strahlenden Rüstung!«
»Der Sturm soll sie holen – sie ist unserem Stahl nicht wert.«
»Treibt sie durch den Wald wie räudiges Wild, dreht den Spieß um!«
Die dunkle Waldläuferin hob eine einzige Hand – ihre Geschwister verstummten, ohne eine Ausnahme.
»Was sagst du, hohes Wächterlein? Eine Jagd soll es sein!«

Als die Elfe ihre Hand hob, um sich dem Jubel der Geschwister zu ergeben, da regte sich die Wächterin zum ersten Mal. Der Freudenausbruch – mit einem Mal unterbrochen von dem knirschenden Spannen mehrerer Sehnen. In aller Ruhe glitten die Hände der Wächterin auf Schulterhöhe.
»Lasst sie gewähren – ihr letztes Stündlein hat ohnehin geschlagen.«
Verbranntes Metall wirbelt den Staub vor den Füßen der Waldläuferin auf: Ein Abzeichen, so schwarz wie die verbrannte Rinde Teldrassils. Die violette Prägung auf silbernem Grund kaum mehr eine Ahnung.
»Lasst mich zu euch sprechen, gefallene Sterne – Ihr seid weder vergessen, noch verloren.« Standhaft in ihrer Haltung, Stolz in ihrer Stimme – und die den Blutmonden langsam annähernde Gewissheit, dass die Wächterin sich ohnehin hätte bereits zur Wehr setzen können, wenn es ihr um das Ausmerzen der Abtrünnigen gehen würde.

Ein Glucksen entgeht der dunklen Waldläuferin, als sie mit ihrem schwarz gefärbten Daumen über die militärische Marke strich. »Es sei dir eine Audienz gewährt.« Stimmen und Laute der Missgunst wurden laut; die roten Monde im Hintergrund regten sich in zurückhaltender Aufregung.

»…solltest du mit dem Leben davonkommen, wenn sich unsere Klingen kreuzen. Wähle deine Waffe, oh tapferes Wächterlein.« Ein Jauchzen geht durch die gestürzten Sterne, ihr Strahlen schon lange vergangen, als sie sich im schattenverspielten Kreis um beide herum einfanden. Die wuchtigen Klauen der Wächterin legten sich um den Schaft ihres Speeres – ein besticktes Band zum Griff, darunter das gehärtete Holz des gefallenen Baumes und der Stahl aus gehärtetem Elunit, das in Vollmondnächten zu leuchten wusste. In dieser Nacht jedoch war es dunkel und schwarz wie die sich krümmenden Schatten in ihrer Nähe.

Als Zeichen des Respekts berührte die Wächterin mit zwei Fingern ihre Stirn, dann ihr Herz. »Möge die Schärfe deines Stahls der deines Geistes gerecht werden, Schwester.« Ein abfälliges Zischen, bevor die dunkle Waldläuferin in der ihr zugetanen Dunkelheit verschwand – nicht mehr als einer von vielen Schatten, dessen Klinge sich alsbald enthüllen würde.

6 Likes
Häppchen
Aurora Revelis
Im Dikicht

"Die Gnade, die mir zuteil wurde, habe ich nicht verdient. Wenn ich in deinen Armen liege, bin ich versucht dir davon zu erzählen. Aber ich habe zu große Angst vor deinem Urteil. Mehr noch als vor dem Elunes.
Denn bei dir weiß ich nicht, wie es ausfallen wird."

Die Schale sinkt zu Boden, eine kurze Zeit der Stille folgt, in der sie den Kopf fort neigt und der Blick in die Ferne schweift:

"Also füttere ich dich mit Häppchen anstatt mit Mahlzeiten - in der Hoffnung, dass du einfach in meiner Nähe bleibst."

Man hört, wie sie die Luft bebend einsaugt und darum ringt, ihre Stimme ruhig und tief zu halten.

„Ich glaube ich weiß jetzt, warum sie mir nie etwas erzählt hat.“

6 Likes
Elunes Feuer
Aurora Revelis
Amirdrassil

"Nein. Das heißt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass du dich jemals ergibst. Das du es jemals nötig hättest...

…dich überhaupt zu ergeben."

"Das hatte ich aber!

~ Zumindest machte sie mich das glauben.
Ich sah kein Licht.
Ich sah auch keine schwarze Rache.
Das einzige was ich je zu sehen bekam war Feuer.

… Oft genug, dass es jetzt in meinem Herzen wohnt … "

7 Likes
Schall & Rauch
Shendori Schattennacht
Dichter Rauch, der sich an ihren Körper und an ihre Lungen schmiegte – in ihrem Kopf, aber auch in der Höhle, die sie mit aufgeschlagenen Augen erfassen konnte. Ein Husten aus heiserer Kehle; der Versuch, sich aufzurichten und das klägliche Scheitern an stechendem Schmerz, der den Nebel zu lichten vermochte.

Eine Hand fuhr sich an die Stirn, von Pein geplagt. Erinnerungen – nicht mehr als flimmernde Bilder am Rande ihres Bewusstseins, kaum zu erahnen. Dunkle Wälder, aufgehende Blutmonde, flitzende Pfeile. Ein Schmerz, der ihre Schulter durchbohrt. Kaltes Metall, elfisches Holz und ein wispernder Schatten in seinem Innern.

Ihre Handfläche legte sich auf das Zentrum der Kälte – statt klaffendem Wundrand jedoch nur in beißende Kräutermischung eingelegtes, triefendes Moos und Fetzen geknüpften Stoffes. Neben ihr loderten gesättigte Flammen, doch die Wärme vermochte sie nicht zu erreichen.

In ihrer Nähe wuchsen die Schatten zu beachtlicher Größe an und ihre Sicht färbte sich schwarz wie ungekannte Nacht für elfische Augen. Als ein Krampf sie zu schütteln drohte war es eine pelzbesetzte Pranke, welche sie zurück in ihre Schranken wies – zurück auf die Unterlage, bis die Muskulatur sich der vorgegebenen Ruhe ergab.

Federschmuck an seinem Kranz, geschnitzte Traumfänger um seinen Hals und die feuchte Nase, der Glanz ungebrochen. Spröde Lippen, die Worte formen wollen – doch sie hallen im Geiste ungesprochen mehrfach wieder und lassen sie verstummen. „Ruhe sanft, Kind der Sterne. Das Gift der Finsternis muss weichen, noch bevor es dein letztes Licht nimmt.“ Widerworte, verschluckt von erneutem Sturm aus tiefschwarzen Wellen – gewillt, den Fels in der Brandung mit gewaltiger Wucht vom Antlitz Azeroths zu tilgen.

Der gutturale Gesang des Bärenwesens nahm den Stein ein, an dessen bemalter Oberfläche die Geister der Ahnen zum Rhythmus zu tanzen, zu jagen, zu leben begannen. Der Geruch von entzündeten Räucherbündeln ließen ihre Lider flattern und noch bevor sie sich der drohenden Ohnmacht ergab, da könnte sie schwören, dass die kirschroten und beerenblauen Malereien an der Wand sich in das unsägliche Schwarz undurchdringlicher Nacht wandelte.

6 Likes
Schwächen und Wein
Tluth Nachtklaue
Bel'ameth, Amirdrassil
"Frieden macht einen unachtsam und schwach. Und wir wissen ja mittlerweile was ich davon halte."
"Und der Krieg nimmt dir alles was du liebst."
"Das ist so. Deswegen liebe ich recht selten."

Die Flasche war nicht ganz leer und er hatte auch nicht vor diesen Umstand zu ändern. Aber sie eine Weile durch die Gegend zu tragen und sie somit von der Spenderin fern zu halten, die damit deutlich schlechter umgehen konnte als er, war es Wert sich mit einer Hand gänzlich einzuschränken. Der Deckel war fort und die ersten zehn Schlücke ebenfalls und zurück blieb der scharfe Geruch, der einem die Nase von innen verbrannte. Manch einem hätte vermutlich gereicht, einfach einmal daran zu riechen. Für den Rausch, für das Gefühl. Aber für ihn schmeckte an diesem Abend alles bitter. Es gab keinen Rausch, es gab kein Schweben, kein Hoch. Am Ende gab es nur ihn und die angebrochene Flasche und die Nacht, die lediglich durch die verlorenen Seelen in den Wurzeln erleuchtet wurde.

Der Frieden erstickte ihn. Er merkte es, jeden Tag ein Stück mehr und an den Tagen, wo es gar Thema wurde, weil der Großteil eben diesen Frieden mit sich trug wie eine zweite Haut, war es besonders schlimm. Frieden machte ihn hilflos und unfähig. Es gab keine Schritte, kein Vorankommen, kein Beweisen, kein Überleben. Wie lange war die letzte Narbe her, die seinem Körper einen weiteren Pfad auf die riesige Landkarte zeichnete? Wann hatte er das letzte Mal Angst und das damit einhergehende Gefühl von Mut, wenn man sie überwunden hatte? Die Jahre liefen ineinander über und er war nicht einmal mehr in der Lage dazu die Erinnerung zurückzurufen, denn irgendwann hatte er einfach verlernt wo er danach suchen musste.

Dinge erinnerten ihn. Gesichter, Orte. Sie erzeugten ein Flackern im Geist, eine Reminiszenz, einen Zeitrahmen. All das was er eben brauchte, um irgendwas einem gewissen Raum seines Lebens zuzuordnen. Aber ohne all das war alles verschwommen und fern. Das, was er dachte vor achttausend Jahren getan zu haben, hätte auch ein anderer getan haben können. Es ist so lange her und nicht alles war mit einer Prägung auf seiner Haut verbunden.
Und manchmal, wenn er sich Raum ließ um an all diese Unstimmigkeiten zu denken, fragte er sich oft wer er war, wenn er die Bilder in seinem Kopf so schemenhaft wahrnahm wie eine Luftspiegelung.

Aber das war es eben. Im Krieg hatte man keine Zeit sich selbst vor einen Spiegel zu stellen und zu reflektieren. Im Krieg war man nicht auf die eigenen Fehler konzentriert, sondern auf die der Welt. Und sie machte doch, aus Erfahrung, Tausende.

Ein Schluck aus der Flasche, der letzte des Abends, bevor er sich ruckartig auf dem Pfad herumdrehte und eine komplett andere Richtung ansteuerte. Der Spiegel wurde losgelassen, der die Schatten der Zeit zeigte, und seine Füße führten ihn in Gefilde, in denen er aufhörte an sich zu denken. Und der Frieden war noch da und keine Wolke am Himmel kündigte an, dass sich das in naher Zukunft ändern würde. Also hatte er noch genug Zeit für einen Blick ins eigene Gesicht.

Ja, wenn er was hatte, dann Zeit.
6 Likes
Weglose Weiten
Shendori Schattennacht
Feralas
Klink, klonk. Regen, der sich wie fallende Klingen in den Stahl ihrer Rüstung bohrte, ohne sichtbaren Schaden zu hinterlassen. Kaum auf der Rüstung gelandet, nahmen die Tropfen bereits die Flucht auf – hinab ins Erdreich, schon vor triefender Nässe dunkel gefärbt. Der Geruch des Regens - erdig und frisch - verlieh selbst dem tiefsten Dschungel seinen eigenen Charme. Nur eines zerschnitt die Ruhe dieses Landes, geformt vor nahezu jeder Zeit; die schrille Stimme eines Kindes.

»Was machst du hier alleine?«
»Wieso schiebst du die Lianen weg, statt sie zu zerschneiden?«
»Warum stecken deine Ohren in dem Helm?«
»Wieso leuchtet es da hinten?«

Stillstand. Kaum kam die Wächterin zum Stehen, fühlte sie, wie das Elfenkind sich die Nase an ihrem Rücken platt gedrückt hatte, weil es derart nah gekommen war. »Aua…« Sie rieb sich die Nase und stolperte zurück. »Ganz schön gemein von dir.«, jammert sie dann mit dazugehörigem Rotznäschen.

»Du musst zurückkehren, Kind. Das hier ist kein Ort für dich.«
»Wieso?«
»Hier lauern Gefahren, die deine Vorstellungen übertreffen.«
»Wieso?«
»Weil-…« Stille.
»Genug.«, entstieg es aus tiefster Kehle, die Stimme so schneidend, dass das Kind mit geknickten Ohren zurückwich. »Geh jetzt.«
»Ich weiß nicht, wohin.«, schluchzte sie dann mit ersticktem Laut.
»Woher bist du denn überhaupt gekommen?«

Die Wächterin schlug den klingenbewehrten Umhang zurück, bevor sie in die Hocke ging – sie wischte dem Mädchen erdige Klumpen von der Kleidung und strich ihr eine nasse Strähne des dunkelblauen Haares aus dem Gesicht, um es richtig sehen zu können. Der Nebel hatte sie inzwischen in Wolken und Watte gepackt; selbst die dicksten Baumstämme in der Nähe waren nicht mehr als dunkelgraue Schemen vor hellgrauem Hintergrund. Ein Seufzen, gedämpft vom getragenen Helm. Sie war töricht genug gewesen, zu denken, das Balg würde verschwinden, sobald sie das Dickicht betreten würde.

»Ich bringe dich zurück.«
»Wohin?«
»Zur Mondfederfeste.«
»Da gehöre ich nicht hin.«
»Wohin gehörst du denn so-…«

Der Ruf einer Eule ließ sie sich in den Stand drücken und sich umsehen. Ein Pfiff ihrerseits als Antwort, bevor geübte Flügel den Wall des wirbelnden Nebels durchschnitten und gewohnte Krallen sich an ihren Unterarm hefteten. Shari’fal gurrte in offensichtlicher Empörung, einen derartigen Aufwand leisten zu müssen, sie mitten im Nirgendwo aufzutreiben. Die Wächterin ersparte sich einen gleich gearteten Laut, als sie ihr abermals eine Kralle mit gerolltem Brief hinstreckte.

»Dein Befehl war, derartige Briefe in der Feste zu lagern bis zu meiner Rückkehr.«

Die Eule rückte näher, die Kralle schabte an ihrer Rüstung. Schon anhand der Strichführung der ersten, gerollten Zeile erkannte sie die Verfasserin. Ein Stich ins stählerne Herz. Ich brauche deine großmütterlichen Ratschläge nicht.

»Geh. Ich habe zu tun.« Mit einem Grollen schüttelte sie sich den gefiederten Boten vom Arm – jener hackte großzügig mit dem Schnabel auf die getragene Rüstung ein, ohne auch nur einen Kratzer zu hinterlassen.
»Schluss. Nimm das Kind gleich mit di-…«

Doch da war niemand mehr, als sie sich zur Seite drehte. Die Ohren gespitzt, die Augen auf Wanderschaft – nichts. Nicht einmal versunkene Spuren im Matsch.

6 Likes
Tiefe Wasser
Aurora Revelis
Im Traum


Erneut die Dunkelheit, die sie umfängt.

Sie ist nasskalt, hart und undurchdringlich.

Grünes Schimmern wirft Schatten an die Höhlenwand. Einer umfängt den anderen in liebevoll tröstender Umarmung. Und er andere? Er reißt ihm das Herz heraus. Sie versteht nicht.


Wie von fern, wie durch tiefes Wasser hört sie einen Namen, der fremd klingt:

„Aurora!“

Schweißgebadet wacht sie auf. Da ist keiner, der ihren Namen gerufen hat. Sie tastet im Sand umher. Die Kerze! Als sie sie wie gewohnt magisch entzünden will, ist da nichts als Flimmern.

Es bleibt dunkel.

Ihr rasender Herzschlag will sich auch mit dem monotonen Wellenrauschen nicht beruhigen.
Schließlich traut sie sich doch hinaus in Mutter Monds unnachgiebigen Blick. Sie sieht hinauf, erinnert sich eines deplatzierten Lächelns. Und wünschte, sie könnte es vergessen.


Aber die Zeit ist unnachgiebig. Eine Ewigkeit währt lange.
Und die Vergangenheit lässt sich nicht ändern, nicht wahr?


Sie legt die Arme fröstelnd um den Oberkörper.
Da funkelt etwas auf ihrer Schulter. Sie denkt an Muscheln, Byltanbänder, Silberreife, Samen, Federn, Kissen und an Licht.

Sie findet auch ohne die Kerze in ihr Stoffzelt zurück.
Und mit einem leisen Lächeln in den Schlaf.




6 Likes
Ein Herz, geschlagen aus Stein
Schleiersang
Amirdrassil
"Dort drüben müssten sie sei-..." Huch, was war das? Mitten im Satz verlässt die Luft ihrer Lungen, als ihr der Stand geraubt wird und die Welt sich einmal auf den Kopf stellt. Es folgt ein grüner Wirbel, dem nicht einmal ihre Augen folgen können – smaragdgrün, tannengrün, grasgrün, moosgrün, seegrün. Alles auf einmal, immer mal wieder. Ab und an die Ahnung eines leuchtenden Glühwürmchens, das ob der rasanten Schlitterpartie der Elfe schnellstens Reißaus nimmt.

Die Hände wollten keinen Halt finden bei dieser Steigung, sie riss Gräser und Halme aus, die ihrem Gewicht nicht einmal ansatzweise standhielten. Jede Wurzel, jeder Kiesel, jede Unebenheit nahm sie auf ihrem Weg bergab mit – veranlasste sie zu schmerzhaftem Laut, wo sonst nicht einmal tief im Fleisch versenkter Stahl das zustande brachte.

Es waren zwei glühende, blaue Kugeln, die ihr da unten am Hang entgegen starrten, als der schelmische Schwindel endlich von dannen zog und ihr wieder den Wald zeigte, statt Farbklecksen aus verschiedenen Grüntönen. Für jenen Moment sah sie flackerndes Feuer in den nun gefrorenen Augen der Elfe ihr gegenüber – es erfüllte sie mit unvergleichlicher Wärme, selten so nachhaltig wie gerade eben in diesem Moment.

Schon seit Jahrtausenden hatte sie sich nicht mehr dem Umstand erfreut, sich Zweige aus geflochtenem Haar ziehen zu müssen und sich bröckelnde Erdklumpen vom dunklen Leder zu klopfen. Sogar die Aussicht auf die dunklen Flecken auf der Haut, die Zeuge des kurzzeitigen Schmerzes waren, ließen ihr Herz schneller schlagen.

"Nochmal!", wollte sie rufen. "Was jetzt?" – "Schon vorbei?" – "Wann wieder?" Keine einzige Silbe davon verließ jemals ihre Lippen, als sie sich der Gegenwart gewahr wurde. Ernüchterung über diesen wortwörtlichen Ausrutscher; ein Herz, geschlagen aus Stein, zum Stillstand gezwungen.
7 Likes
Zu viel
Zwei Freundinnen
Amirdrassil

"Nach allem was du erlebt hast, sind Gefühle schwierig geworden.. ", dringt eine sachte Stimme in das gequälte Bewusstsein. Es klingt fast als wisse sie mehr darüber, als sie sollte.

Ein zischelndes Ausatmen folgt - Aber die Widerworte bleiben wohl doch im Halse stecken. Das Kopfschütteln wirkt erschöpft und die Stimme trüb, als sie ansetzt zu erklären: "Es war so einfach… So einfach… ", als sie die Hände wieder wegnimmt, ächzt sie. Sie hält sie vor sich als müsse sie sich ihrer Echtheit versichern.

„Es wird dir nur Schmerz bringen, mir zu vertrauen… Bitte… lass mich los.“

„Warum solltest du mir weh tun…?“, fragt die Stimme immer noch ruhig.


Die Antwort lässt lange auf sich warten. Vielleicht ringt sie darüber mit sich selbst. Vor ihren und vielleicht auch dem Auge der Beobachtetin tippt der Daumen die Finger an. Hübsch nacheinander. Ein eigenmächtiger Takt. Als würde sie unablässig die Finger abzählen. Eine andere Stimme antwortet dieser Frage in ihrem Kopf, so oft, bis sie all ihre Gedanken ausfüllt und die Erinnerung an eine sehr dunkle Zeit wiederaufleben lässt.

„Weil…“


4 Likes
Vergebung
Aurora Revelis
Ein Lager am Strand der Dorneninsel

"Könntest du ihr verzeihen?"

Die Frage geistert wie seit Wochen schon durch den weißgekrönten Kopf, während die azurblauen Augen das dunkle Dach des herrenlosen, wächterlichen Zeltes anstarren. Könnte sie? Wäre es möglich? Durch Vergebung?

„Hattest… du schon einmal einen Speer im Bauch?“

„Du solltest MIR gehören.“

„Dann… musst du sie loswerden.“

Musste sie das? Hatte sie ihr nicht auch eine Menge zu verdanken? War sie nicht immer diejenige gewesen, die Ordnung in das Chaos brachte? Die letztlich ermöglicht hatte, dass sie dieses Leben führte?

„Danke, dass du da bist, Aurora.“ - „Du gehörst hier her.“ - „Von allen Seelen die ich je kennenlernte, bist du die Stärkste.“

„Dann stimmt es, du bist eine Gefahr für uns alle.“

Sie seufzt, zieht sich den Schlafsack über den Kopf, wie um die Stimmen auszublenden, die durch ihre Erinnerung geistern und ihr den Schlaf rauben, den sie so dringend gebraucht hätte. Wieviel würde sie jetzt für ein bisschen von Deianiras Schlafkraut geben.

„Dann verstehe ich, warum du gehen musst.“

„Du bist mutig, trage es mit Stolz - nicht mit Scham.“

~

„…und dem Umstand, dass auch sie mir einen Gefallen tut, in jedem Moment, in dem sie in meiner Nähe weilt.“

„Könnte ich sie retten, ich würde es immer und immer wieder tun.“

Raunt es dennoch klar und schlußendlich seltsam beruhigend in ihrem Geiste.

6 Likes
Abgründe & Anfänge

Sie spürte noch immer die Kluft. Ein Abgrund, Unendlichkeiten die sie trennte. Sie erinnerte sich nicht mehr wie es davor wahr. Wie sich das anfühlte. Doch irgendetwas war im Gange. Auch das konnte sie spüren.
An diesem schicksalhaften Tage vor langen Jahren, als der Dolch der Naga sie an die Pforten zu Elunes Sternenreich gebracht hatte war etwas geschehen. Die Vision lies sie nicht mehr los. Es war ein furchtbarer Moment gewesen sich in die Augen zu sehen. Zu hoffen auf Rettung, die aufkommende Panik zu spüren als das Leben aus ihr floss und IHR Licht nicht erschien, nur um dann zu verstehen das die Hilfe schon längst da war. Die Erkenntnis floss derzeit in die schier unendlich erscheinende Kluft und begann dort etwas zu füllen.

Mutter! Geh nicht!“ schallte es durch die Erinnerungen und brach eine sehr alte Wunde auf. Einige Augenblicke drehte sich in ihr alles im Kreise. Ein Wirbel aus so vielen Erinnerungen an eine Person die ihr fern, aber doch irgendwie so nah gewesen war. Sie fühlte sich taub ob der Flut an Emotion. Ihre letzten Gedanken galten ihr.

Woher sie die Kraft nahm um an diesem Einsatz teilzunehmen wusste Sie nicht. Viel zu warm war es hier und sie hätte sich gern das sündhaft teure Rüstzeug wieder vom Leibe gerissen. Ihr Zelt hatte Deianira am Rand des Felsenüberhanges zwischen einigen Büschen aufgeschlagen. Wenigstens ein Hauch von Privatsphäre. Zusammengekauert lag sie auf ihrer Schlafrolle und starrte in den kleinen Handspiegel. Es war nicht das gleiche. Nicht wie in der Vision.
Sie fühlte sich dennoch gut. Besser als in all den letzten Jahren. Frei. Sie konnte selbst entscheiden. Ihr Schuldgefühl hatte sie gekettet und jene wusste nur all zu gut wie sie an der Kette hatte ziehen müssen um das zu bekommen was sie wollte. Endlich war dies vorbei. Sie spürte nun nur noch ein Echo des Krampfes in ihr, der immer durch das ziehen an der Kette ausgelöst worden war. Erleichterung. Ihre Gedanken galten nun ihrer Freundin. Sie war ebenfalls hier und sie fühlte sich nicht mehr allein. Würde sie ihr helfen können? Sie hatte sie freigelassen. Sie verdiente ein eigenes Leben voll der Dinge die sie glücklich machten, nach all dem was geschehen war. Sie erinnerte sich an die Hand die ihre gehalten hatte und schloss die Augen. Nur Sekunden später rutschte der Handspiegel aus den Händen der schlafenden Alchimistin…

5 Likes
Ein Licht, für immer erloschen
Shendori Schattennacht
Insel von Dorn
Sie hörte das Rauschen der brandenden Wellen, von schaumiger Gischt übersehen, schon lange nicht mehr. Auch das Wispern des rauen Windes dieser ungezähmten Küste war nur ein nebensächliches Geräusch in ihrer Wahrnehmung.

»…und was macht es mit dir?« Die Sorge in ihrer Stimme war es, welche ihr Herz schwer wiegen ließ. Ihre stählernen Klauen zogen sich abrupt zusammen, bevor sie sich allmählich wieder in ruhende Position begeben.

»…bevor es an der Tür klopft, hm?« Ob sie es wohl zugeben würde, wenn es zu spät war? Die Frage bleibt unbeantwortet, vom dunklen Sand des Strandes verschluckt. Ein Gegenstand wechselt den Besitzer im schummrigen Schein des Mondes, unter den wachsamen Augen ihrer Göttin – eine Sphäre, dessen Licht so hell scheint wie das der Mutter im Mond selbst.

»Was wird geschehen?« Zögern. Sie hat die Wahrheit verdient – die reine, aufrichtige Wahrheit. Ob sie sich dazu bringen kann? Es wird erstmals seit Langem still in ihr. So still, dass sie ihrer eigenen Atmung lauschen konnte, von unregelmäßigen Unterbrechungen geprägt.

»Da wirst du dir aber etwas überlegen müssen, um mich gut zu entlohnen.« Ein zucken des Mundwinkels in selten gesehener, belustigter Ahnung; nicht etwa, weil sie keine Einfälle dazu hervorbringen könnte. Sondern allein ob des Umstandes, dass sie diesmal – vielleicht sogar aus Absicht? – nicht mal so weit gedacht hat.

Es gelang ihr nur mit Mühe und Not, etwas auf die Schnelle zu finden. Die Zahnräder im Kopf, sie ratterten unerlässlich - so darf es weder zu gewöhnlich, noch zu außergewöhnlich sein. »Winterquell.«, heiserte sie letztendlich, »Lass uns nach Winterquell gehen.«

6 Likes
Der ewige Kreislauf und die Suche nach dem Ende
Tluth Nachtklaue
Insel von Dorn
Zwei Schritte, vielleicht drei, dann kam der Regen. Vier Schritte, vielleicht fünf, dann klärte sich der Himmel wieder auf und die Sterne wurden zur Sonne der Nacht. Das Haar war noch nicht richtig trocken, dann folgte der nächste Schauer. Ein Trauerspiel, dieses Wetter, welchem er sich stetig aussetzte ohne nur einmal daran zu denken sich eine überdachte Bleibe zu wählen. Es war gut nass zu werden, es war gut zu trocknen. Und auch die Kälte, die sich ins Mark fraß, war etwas, was er mit offenen Armen empfing. Doch irgendwas neues hing in der Luft, ein bitterer Beigeschmack den er nicht kannte. Er war sich nicht sicher ob es daran lag, dass er vorher einfach nicht richtig gekostet hatte oder ob es einer Neuheit verschuldet war, die er nicht kommen sah. Etwas war anders.

Er stand in der altbekannten Gruppe, mit den gleichen Gesichtern, aber irgendwas war anders. Vielleicht sah er nun genauer hin oder vielleicht war er vorher auch einfach blind.

"Die Leere also."

Die Leere also. Drei Worte die dafür sorgten, dass sich sein Innerstes zusammenzog und sich ein Schmerz über seinen Rücken ausbreitete, den er kaum bewältigen konnte. Es ließ ihn für den Moment sogar krampfen, drei Schritte, oder zehn, abseits tun, um dort auf die Knie zu gehen. Das Atmen fiel ihm schwer und die Schwäche kotzte ihn an. Und dabei war da gar nichts, er verfluchte alles und sich selbst, denn da war einfach gar nichts. Es war ganz einfach in einem Wort, so einfach:
Phantomschmerz.

"Wer wacht über dich?"

Niemand. Er war ein Wächterdruide. Das war das Einzige was er noch fest greifen konnte, etwas was er festnageln konnte und mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. Er war ein Wächter, er wachte, über alles und nichts und niemand über ihn. Niemand. Das war etwas, was er sich einreden musste, denn sonst hatte er bereits alles seiner Persönlichkeit aufs Spiel gesetzt. Verwettet und verschachert.

Also drückte er sich wieder in die Höhe, spuckte einmal zur Seite aus und schob die Hände in seine Hosentaschen. Ein tieferer Atemzug und vielleicht noch einer mehr, bevor er sich in Bewegung setzt, in die Richtung des Lagers, wo ein dünnes Feuer brannte und die Anwesenheit der Anderen verkündete.
Wieder ein Krieg, wieder mit ihnen und das alles mit weniger Distanz und einem schlagenden Herz. Fluch und Segen zugleich und doch erlaubte er sich Zweiteres nicht. Aber er war bereit, für sie und das was kam.

Die Leere also.
4 Likes
Eine unumstößliche Wahrheit
Ayreath Klingenstolz
Insel von Dorn
“Eine unumstößliche Wahrheit.” wisperte die Priesterin, während sie den vom Wasser glatt polierten, nahezu perfekt runden Stein in die Mitte der Runen legte. Runen, die sie mit einem einfachen Ast in den Boden gezeichnet hatte, angeordnet in einem Kreis. “In mondpriesterlichem Körper hat die Leere wenig zu lachen.” wiederholte sie die Worte, die einst gesprochen worden waren. “Das werden wir sehen, meine Freundin.” Ayreath erlaubte sich ein kurzes Zucken des Mundwinkels, während sie einen schillernden, leicht bläulichen Staub in die Rillen der gezeichneten Runen rieseln ließ, dicht gefolgt von einer Mischung aus getrockneten Kräutern. Vom Lager selbst hielt sie nur wenig Abstand, aber genug, um zu der Ruhe zu finden, die sie fürs Kommende benötigte. Den Rest erledigte die Wächterin, die sich wie ein Schatten um den gefertigten Ritualplatz legte. Bereit, jegliche Störung auf Abstand zu halten.

Der Mond erhellte den auserwählten Platz in voller Gänze und es war Zeit, sich vollends der Sache hinzugeben. Nackt und ausschließlich mit je einer Armschiene an den Unterarmen wagte sich die Priesterin in die Mitte des Ritualkreises, hockte sich dort auf Knien auf die Erde und richtete den zuvor platzierten Stein noch ein wenig aus.
“Eine unumstößliche Wahrheit.” murmelte sie erneut. Es war nur ein Blick, den sie der Wächterin zuwarf und jene sorgte mit nur einer einzigen Handbewegung dafür, das die Kräuter entzündet wurden. Die aufkeimende Flamme züngelte die Runen wie eine Zündschnur entlang und binnen weniger Lidschläge war die Priesterin in einem Dunst aus Qualm und Rauch verschwunden.

Dunkelheit umfing sie und Ayreath fand sich sitzend auf einem endlosen Meer aus pechschwarzem Wasser wieder. Sie fühlte keine Erde, sie sah keine Runen. Die einzige Quelle des Lichtes, welches sich nur wie der Schein einer Kerze erstrecken konnte, war sie selbst. Wäre jenes nicht gewesen, so hätte sie schwören können, die Lider schlicht geschlossen zu haben. Nichts war in der Dunkelheit zu erspähen. Keine Umrisse, keine Silhouetten, nicht einmal eine Ahnung, was außerhalb ihres Scheins sein könnte. Nur die Priesterin, das Wasser unter ihr und… der Stein. Der perfekte, glatt polierte Stein, den sie in der Realität platziert hatte. Sie hob ihn auf, drehte und wendete ihn zwischen Daumen und Zeigefinger, verschloss ihn fest in der Faust und lief los.

Und sie lief und lief. Sie wusste nicht wie lange, die Zeit hatte in dieser Sphäre des Bewusstseins keine Bedeutung. Mit jedem Schritt breiteten sich kleine Wellen von ihren Füßen aus, doch ein Geräusch gab es nicht. Die Dunkelheit zerrte an ihrem Verstand; bewegte sie sich überhaupt vorwärts? In welche Richtung geht sie? Geht sie im Kreis? Es gab keine Anhaltspunkte, an denen sie sich hätte orientieren können. So endlos lang durch das Nichts, bis sich ein violettes Licht in der fernen Dunkelheit zeigte. Die Priesterin hielt inne, tätigte mehrere, tiefe Atemzüge; und dann rannte sie, so schnell ihre Füße sie tragen konnten. Sie kam näher und das violette Licht war eines, welches eine einzelne Tentakel umgab, so wie ihr eigenes. Jene Tentakel wurde kleiner, je näher Ayreath kam. Immer weiter zog sie sich in das Wasser zurück, doch kurz bevor sie gänzlich verschwand, es ragte nur noch ein kläglicher Zipfel heraus, da wurde sie von der Hand umgriffen und dem pechschwarzen Wasser entrissen.
Die Welt blieb stehen und Ayreath sah sich und ihre eigenen Bewegungen wie in Zeitlupe ablaufen. Ihre Hand, wie sie noch knapp über dem Wasser hing und die Tentakel entrissen in der Hand hielt. Wie sie sie langsam zu sich zog, als wäre sie in einem Zeitfenster gefangen. Und dann dieser Ruck, der ihren Körper durchfuhr, als würde eine riesige Hand nach ihr greifen, sie umklammern und sie hinfort zerren.

Der Rauch verschwand; Stunden waren vergangen und obwohl die Kräuter längst erkaltet waren, hatte er bis zum Ende dieses Medtitationsrituals durchgehalten. Die in die Erde gezeichneten Runen leuchteten hell und silbern, genauso wie die zahlreichen mondfarbenen Tätowierungen auf der dunklen Haut der Priesterin. Beides verlor seine mystische Leuchtkraft erst, als jene keuchend erwachte. Sie saß unverändert auf den Knien, nackt und mit nur zwei Armschienen bekleidet. Doch der Stein, der war nicht mehr auf dem Boden vor ihr. So, wie sie ihn in anderer Sphäre in die Hand genommen hatte, so ruhte er auch jetzt dort. Sie hob die Hand, öffnete die Faust und entblößte nunmehr einen Stein, in dessen glatte Oberfläche sich ein Zeichen eingebrannt hatte. Eines, welches durchaus bereits Bekanntheit erlangt haben sollte.

4 Likes
Tief und Schwarz wie der Ozean
Aurora Revelis
Irgendwo im Meer?

Das Wasser spritzt meterhoch auf, als sie den Kopfsprung hinein wagt. Die See ist kalt und umfängt sie sprudelnd und drückend. Luftblasen steigen aus ihrer Nase auf. Aber ihr Ziel liegt tief unten. Der Rest muss gut eingeteilt in ihrer Lunge verbleiben.

“Meine Lunge?“
“Du weißt schon, das Ding in deiner Brust, das wie ein Blasebalg funktioniert und Luft in deinen Körper pumpt.“

Längst ist das Licht von der Oberfläche nur noch ein schwacher Hauch. Ruhige Schwimmzüge tragen sie bis an den Grund des Meeres. Eine geöffnete Muschel fällt ihr ins Auge. Etwas leuchtet darin. Hell und klar wie der Mond. Der Anblick wärmt ihr Herz und vertreibt die Kälte in ihren Gliedern. Und weckt eine unstillbare Sehnsucht.
Sie streckt die langen, blassen Finger danach aus und umgreift die Perle.

„Du hast mir beigebracht, was Freiheit ist.“

Es ist ein Gefühl der Freude, der Gewissheit. Von… Friede. Beinahe vergisst sie, dass ihre Zeit hier begrenzt ist. Die Perle leuchtet aus ihrer Faust hervor, während die schwindende Atemluft sie nach oben treibt. Der Aufstieg ist mühsam. Sie erkennt bereits die glitzernde Oberfläche die im Licht des Mondes wogt.

“Du bist hier genau richtig.“

Sie schließt die Augen, um das Wohlgefühl des Durchbruchs genau zu spüren.
Doch er kommt nicht. Sie schlägt die Lider wieder auf.

Etwas dunkles schiebt sich über den Mond am Himmel.
Es sieht aus, als würde tintenschwarzes Blut von dem vollen Rund ins Meer fließen.
Verzweifelt versucht sie hinauf zu gelangen.

Aber die Oberfläche ist hart wie Eis.

Als ihr der Odem schließlich nach langem Kampf erstirbt, sinkt die Perle aus ihrer Hand zurück gen Meeresgrund. Genau so schwarz und tief wie der Ozean.

„Nur kurz.“

Nach Luft japsend schnellt sie aus den Decken hoch. Wischt sich Schweiß und Tränen aus dem Gesicht und atmet. Atmet so gut sie kann.



2 Likes
Eine Melodie, verloren in der Zeit
Schleiersang
Dornogal, Khaz Algar
Hoch oben auf den Dächern Dornogals, da balancierte ein Langohr auf den steinernen Zinnen und ließ die flinken Finger über die Löcher der holzgeschnitzten Flöte gleiten, der sie feierliche Töne entlockte. Ihre einzigen Zuhörer waren die Vögel, die hier in der Nähe in den Kalksteinen nisteten: Aber auch nur, weil sie ihre Erinnerung nicht trübte, dass sie schon einmal von ihr den ein oder anderen Brotkrumen abbekommen haben.

Heute jedoch, da gehörte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit der eigenen Melodie. Einer, die bereits Zeuge eines gefallenen Imperiums war: Wo die wallenden Banner mit den Nähten des Lichts der Lichter geziert war, aus jeder Quelle perlend süßer Wein entstieg und dem Leichtsinn gefrönt wurde, den die Kinder der Sterne zwischen Tür, Angel und versenkten Brunnen verloren haben. In ihren Ohren, da hallte das Echo vergangener Jahrtausende - das von aufbrausenden Fanfaren, ausgerollten Teppichen und getragenen Sänften.

Im Hier und Jetzt jedoch musste sie sich damit begnügen, inmitten einer Stadt aus Steinen das einzige, lebendige Lichtlein zu sein. Sie war dort, wohin der Wind sie wehte - so frei wie auf den Schwingen Avianas, ohne überhaupt ihrer Gunst habhaft zu sein. „Wohin nur - oh Herrscherin der Lüfte! - wohin nur mit mir?“, fragte sie unverblümt den wolkenlosen Himmel, das melodische Spiel einzig für das flehende ausbreiten der Arme unterbrochen.

Lange musste sie sich nicht auf die Lauer legen, als sich unter der bewachten Pforte dieser monumentalen Stadt nicht nur einer, aber mehrere Volksgenossen mit weißen Schöpfen auftaten. „Na, wer sagt’s denn - die schlohweißen Schlawiner sind zurück.“ Ein spitzbübisches Lächeln schlich sich auf ihre dunklen Lippen.

Mit erfreutem Glucksen sprang sie von der Mauer ab - die abrupte Bewegung erntete empörte Flügelschläge der flatterhaften Zuschauerschaft. „Stechen ein Mondlicht, ein Wurzelliebhaber und ein Grünschnabel in die See-…“ Sie kommt gar nicht dazu, den schlechten Scherz abzuschließen - nicht etwa, weil die Vögel Reißaus genommen haben und sie alleine war, sondern weil… „…die Aufzählung nicht vollständig ist.“, rätselt sie dann, das Mundstück der Flöte nachdenklich an das Kinn führend.

Als die letzte Elfe jedoch in der Stadt eintrudelte, da war sie längst fort - vom Winde verweht.

3 Likes