Zwischen Zweigen, Ästen und Stämmen lauerten sie: Wuchernde und wachsende Schatten, dem Wind geneigt und der Stille geschuldet. Selbst das Wispern der Wälder wusste zu schweigen und trug keinen einzigen Laut heran. Diese Wälder waren verlassen, verloren. Einzig und allein aus dem Grund hatte es die Reiterin hierher verschlagen.
Die gepolsterten Pfoten des Säblers, dessen nachtgetünchter Pelz sich den Blicken entzog, hinterließen weder eine eindeutige Spur, noch nicht einmal das leiseste Geräusch. Tief und tiefer drangen Reiter und Tier in das verdorbene Herz dieser Ländereien – und mit jedem zurückgelegten Meter verschwand die ohnehin bereits spärliche Farbe aus Gräsern, Büschen und Pflanzen. Zurück blieb ein trostloses Zusammenspiel aus dem Malkasten eines Jünglings: Grau in Grau, eine verwischte Spur von Schwarz.
Beißend war er – der Gestank von in den Boden gesickerten Chemikalien, angereichert mit genug Gift, dass der Umtrunk an nahen Gewässern einem gesunden Lebewesen vermutlich das Leben genommen hätte. Noch immer trugen Verwehungen den fahlen Beigeschmack von verbranntem Holz und Asche rieselt bei jeder sich ergebenden Gelegenheit. Die Kehle gekleidet in Staub, trocken und unnachgiebig.
Die gespitzten Lauscher vermochten das Unheil zu hören, bevor es eintraf: In einem Ruck riss sie die Zügel herum und presste sich tief in den Sattel. Plock, plock, plock. Drei Pfeile versenkten ihre Eisenspitzen in nahen Stämmen, spalteten das brüchige Holz – angekündigt bloß vom leisen Surren der pechschwarzen Fiederung. Ein klirrend kalter Schauer fährt über den Rücken der Reiterin; die nebelgewobene Magie, welche den Geschossen innewohnt, war keine unbekannte.
Verdächtig rasselt es, als Bewegung in den bebenden Untergrund fährt: Erdige Schollen brechen unter eigenem Gewicht zusammen, als sich eine eiserne Kette spannt – Pfoten, die über das gestraffte Seil stolpern, sich darin verwickeln und ein gewaltiger Körper, der sich jaulend dieser Kraft ergeben muss, als er zur Seite geschleudert und seine Reiterin unter ihm begraben wird. Allmählich zeigen sie sich: Rot getünchte Blutmonde in Büschen, auf Bäumen, hinter Stämmen. Nicht nur ein Mond im Namen der Göttin, gleich mehrere, die sich dort in den Schatten erheben. Frevel – in seiner pursten Form.
»Ihr seid weit entfernt von Euren schützenden Grabhügeln, Wächterin – fernab eines mondlichtgetränkten Pfades.« Ein Raunen geht durch die nahen Wälder, als sich elfische Silhouetten nahtlos aus dem Schatten naher Bäume schälen. In dunkles, zerfressenes Leder gekleidet war die blasse Haut der Elfen ein regelrecht widernatürlicher Kontrast. Stille legte sich über die verwüstete Lichtung, bloß das verräterische Funkeln mehrerer Pfeilspitzen vermochte jene klanglos zu unterbrechen. Die Wortführerin pirschte mit gehässigem Grinsen um die Wächterin; die Rüstung braun gefärbt und triefend vom unfreiwilligen Umweg, als sie sich aus dem Dreck erhob.
»Sagt mir, Schwestern – was sollen wir mit diesem prächtigen Fund anstellen?«
Die Antworten überschlugen sich in erwecktem Hall, in ihnen so viel Zorn, dem nie Luft gemacht wurde.
»Ertränken sollten wir sie, in ihrer strahlenden Rüstung!«
»Der Sturm soll sie holen – sie ist unserem Stahl nicht wert.«
»Treibt sie durch den Wald wie räudiges Wild, dreht den Spieß um!«
Die dunkle Waldläuferin hob eine einzige Hand – ihre Geschwister verstummten, ohne eine Ausnahme.
»Was sagst du, hohes Wächterlein? Eine Jagd soll es sein!«
Als die Elfe ihre Hand hob, um sich dem Jubel der Geschwister zu ergeben, da regte sich die Wächterin zum ersten Mal. Der Freudenausbruch – mit einem Mal unterbrochen von dem knirschenden Spannen mehrerer Sehnen. In aller Ruhe glitten die Hände der Wächterin auf Schulterhöhe.
»Lasst sie gewähren – ihr letztes Stündlein hat ohnehin geschlagen.«
Verbranntes Metall wirbelt den Staub vor den Füßen der Waldläuferin auf: Ein Abzeichen, so schwarz wie die verbrannte Rinde Teldrassils. Die violette Prägung auf silbernem Grund kaum mehr eine Ahnung.
»Lasst mich zu euch sprechen, gefallene Sterne – Ihr seid weder vergessen, noch verloren.« Standhaft in ihrer Haltung, Stolz in ihrer Stimme – und die den Blutmonden langsam annähernde Gewissheit, dass die Wächterin sich ohnehin hätte bereits zur Wehr setzen können, wenn es ihr um das Ausmerzen der Abtrünnigen gehen würde.
Ein Glucksen entgeht der dunklen Waldläuferin, als sie mit ihrem schwarz gefärbten Daumen über die militärische Marke strich. »Es sei dir eine Audienz gewährt.« Stimmen und Laute der Missgunst wurden laut; die roten Monde im Hintergrund regten sich in zurückhaltender Aufregung.
»…solltest du mit dem Leben davonkommen, wenn sich unsere Klingen kreuzen. Wähle deine Waffe, oh tapferes Wächterlein.« Ein Jauchzen geht durch die gestürzten Sterne, ihr Strahlen schon lange vergangen, als sie sich im schattenverspielten Kreis um beide herum einfanden. Die wuchtigen Klauen der Wächterin legten sich um den Schaft ihres Speeres – ein besticktes Band zum Griff, darunter das gehärtete Holz des gefallenen Baumes und der Stahl aus gehärtetem Elunit, das in Vollmondnächten zu leuchten wusste. In dieser Nacht jedoch war es dunkel und schwarz wie die sich krümmenden Schatten in ihrer Nähe.
Als Zeichen des Respekts berührte die Wächterin mit zwei Fingern ihre Stirn, dann ihr Herz. »Möge die Schärfe deines Stahls der deines Geistes gerecht werden, Schwester.« Ein abfälliges Zischen, bevor die dunkle Waldläuferin in der ihr zugetanen Dunkelheit verschwand – nicht mehr als einer von vielen Schatten, dessen Klinge sich alsbald enthüllen würde.