Es gibt einiges an anhaltender Kritik (schon seit BfA), dass der Charakter Sylvanas Windrunner unglaubwürdig sei und die Lore um diesen Charakter keinerlei Sinn ergeben würde und somit auch die Lore der Shadowlands-Erweiterung irgendwie unlogisch sei.
Das ist jedoch nicht der Fall. Daher will ich hier einen kleinen Deep Dive vornehmen um darzulegen, warum die Lore Sinn ergibt und stimmig ist.
Ich will das Ganze anhand der Kritikpunkte abarbeiten:
1. Sylvanas war früher nicht einfach nur von Hass, Tod & Zerstörung getrieben!
Das war sie sehr wohl. Sylvanas wurde in der Lore von Warcraft III von Arthas, dem Lichkönig, durch Frostmourne getötet und als Rachebanshee wiedererweckt, zunächst als unterwürfige Dienerin. Nach der Kette der Ereignisse, welche Illidan Stormrage in Gang setzte, verlor der Lichkönig an Macht und Sylvanas konnte ihren freien Willen und später auch ihren Körper zurückerlangen.
Nach einer kurzen Phase der Verwirrung und Ratlosigkeit: “Welches Glück soll dieser Fluch schon bringen? (Warcraft III)” richtet sich Sylvanas Handeln ziemllich schnell auf ein einziges Ziel: Arthas zu vernichten.
Von diesem Zeitpunkt an ist Rache & purer Hass auf den Lichkönig ihr einziger Motivator für ihr Handeln. Begriffe wie Hoffnung oder Gedanken an eine Zukunft kommen dort nicht vor, sondern nur das Ziel der Vernichtung von Arthas.
Dazu schreckt Sylvanas vor nichts zurück. Sie benötigt dazu eine Streitmacht, militärische Stärke. Aus diesem Grund befriedet sie Lordaeron und reißt die Herrschaft über große Teile von Untoten an sich. All diese Geschehnisse waren aber auch schon dort ein Mittel zum Zweck: Der Zweck, Arthas zu töten.
Sie unternimmt sowohl in Warcraft III einen Versuch Arthas zu töten, als auch später bei den Ereignissen der Pforte des Zorns findet ein Angriff auf Arthas durch die Verlassenen statt, ohne Rücksicht auf andere Verluste. Wieso auch, die sind für Sylvanas nur Zinnsoldaten. Sylvanas kann eine aktive Teilnahme an Wrathgate noch einmal von sich abweisen und auf Varimathras und Co. abwälzen.
Im Verlauf von Wrath of the Lich King wird Arthas schließlich durch Tirion Fordring vernichtet, wobei unter anderem Frostmourne und damit eine ganz erhebliche Quelle der Macht des Lichkönigs zerbrochen und die Seelen freigesetzt.
Als Arthas starb, starb auch Sylvanas einziger Grund, für den sie noch existierte: Arthas zu vernichten. Im Roman Edge of Night bekommt Sylvanas Charakter daher eine neue Wende. Sie sieht keinerlei Sinn mehr in ihrer Existenz und stürzt sich von der Eiskronenzitadelle in den Tod.
Zu diesem Zeitpunkt tritt sie in eine bisher im Dunkel liegende Interaktion mit den Schattenlanden und der Kreatur, die wir nun nur als “Der Jailer” kennen. Was immer im Zuge dieser Begegnung passiert ist: Sylvanas kehrt letztlich zurück in “unsere” Realität und verfolgt ab da an offensichtlich neue Ziele.
2. Das Shadowlands was vorgestelllt wurde passt garnicht zu den bisherigen Vorstellungen des Shadowlands.
Doch. Die Schattenlande stellen das Jenseits dar, also eine andere Existenzebene mit mehreren Ebenen & Orten in dieser Existenzebene. Die Legion installierte den Lichkönig, welcher die Kontrolle über die Schattenlande an sich nahm.
Wenn Charaktere sterben und diese grau-weiße Welt betreten, sind sie zwar auch in den Schattenlanden, gleichzeitig aber auch nicht. Man muss sich das ganze wie eine Art Phase des Übergangs vorstellen. Eine Art Schleier. An genau diesem Punkt zwischen dem eigentlichen Schattenland und der Realität befinden sich dann die Geistheiler (die Kyrianer), welche uns zurück in die Realität geleiten.
Man kratzt also nur oberflächig an den Schattenlanden.
Nach dem Fall des Lichkönigs, waren die Schattenlande somit kurzzeitig ohne Kontrolle und in wie weit Bolvar Einfluss ausüben konnte auf die Schattenlande ist noch nicht geklärt und mit Sicherheit Bestandteil des nächsten Addons.
3. Sylvanas hat sich früher aber immer noch um “ihre Leute”, die Verlassenen gesorgt.
Nichts liefert darauf einen Hinweis. Sylvanas hat immer eine Streitmacht benötigt um bestimmte Ziele zu erreichen. Anders als z.B. Orcs, war sie aber noch nie darin interessiert, so etwas wie eine “sichere Heimat” zu schaffen. Ihr Kurs war seit jeher aggressiver Natur.
Nach den Ereignissen von Eiskronenzitadelle war Sylvanas augenscheinlich überaus bestrebt, auf der einen Seite eine aggressive Kriegspolitik zu betreiben (massive Expansion in den östlichen Königreichen), als aber auch die Horde nicht zu sehr zu verärgern und diese von der Notwendigkeit ihrer Stärke zu überzeugen.
4. Es ist komplett unlogisch, dass Sylvanas Warchief wurde.
Nach dem sich Sylvanas in Legion immer stärker dazu bemüht, die aufrichtige und starke Kämpferin für die Horde zu mimen, stirbt Vol’jin im Zuge des Angriffs der Legion an der verheerten Küste.
In seinen letzten Worten gibt er bekannt, dass die Loa ihn drängen Sylvanas zum Warchief zu ernennen. Und das es viele nicht verstehen werden, es aber notwendig sei. Die anderen Hordeanführer geben viel Wert auf Vol’jins Worte, denn er war eine absolute Respektsperson, dessen Wort für viele Bedeutung hatte.
Und jeder sieht die Notwendigkeit im Angesicht der Legion Stärke zu demonstrieren und die Verllassenen stellen die größte Streitmacht.
Später in BfA stellt sich im Zuge der Vol’jin-Questreihe heraus, was vorher schon viele ahnten: Das Sylvanas Warchief wurde war kein Zufall. Und auch das Vol’jin die Loa an diesem schicksalhaften Tag verliesen, war kein Zufall.
5. Bolvar als Lichkönig ergibt auch keinen Sinn und er ist viel zu schwach.
Bolvar arbeitete bereits zu Legion daran eine Armee aufzustellen. Vermutlich weil er ahnte, dass in den tiefsten Schatten der Schattenlande eine weitaus mächtigere Kraft lauert.
Bolvar ist ein Stellvertreter-Lichkönig gewesen, welcher die Krone der Dominanz benutzte, um die Untoten Herden zu kontrollieren. Ob er jemals wie Arthas eine gänzliche Kontrolle über die Schattenlande erlangen konnte ist fraglich, da er keine Legion im Hintergrund hatte, die ihn auf den Thron setzte.
Die Gedankenmanipulation durch die Krone der Dominanz wiederum ist nutzlos gegen Sylvanas, die selbst starke Fähigkeiten in diese Richtung entwickelt hat.
Alles deutet daraufhin, dass durch den Sturz des Lichkönigs damals in Wrath die Kontrolle über die Schattenlande kurzzeitig verloren ging und dadurch eine Macht entfesselt wurde, auf die Bolvar Ende BfA nicht mehr zugreifen konnte, dafür aber eine andere Person, nämlich Sylvanas.
6. Der Krieg Horde vs Allianz ergab keinen Sinn.
Es stimmt, dass einige Fraktionen etwas mehr Widerspruch eingellegt haben sollten. Abgesehen davon ergab der Krieg aus Sylvanas Blickpunkt anscheinend tatsächlich Sinn.
Es scheint eine direkten Zusammenhang zwischen Todesopfern in der Realität und ihrer Stärke zu geben. Tote Seelen werden in den Maw der Schattenlande gesaugt, woraus Sylvanas ihre Stärke bezieht und diese einzigartige Form von Magie.
7. Sylvanas Motive sind fragwürdig.
Ja, das sind sie. Aber nur, weil die Geschichte noch nicht zu Ende ist. Wir haben nun sehr viel mehr erfahren und vieles ist klarer geworden. Vieles hängt davon ab, welches Wesen Sylvanas in den Schattenlanden entdeckte. Das ist das große Mysterium dieser Erweiterung.
Und, Spekulation, auch Elune wird ein Mysterium dieser Erweiterung sein, denn die Geschichte Tyrandes wird fortgesetzt.
Fazit:
Wir haben mit Shadowlands die Zuspitzung einer Story, deren Wurzeln bis zurück nach Wrath of the Lich King reichen. Sylvanas ist einer der wenigen Charaktere, welche großartig aufgebaut wurden und der stets dem eigenen Wesen treu geblieben ist.
Sylvanas war immer schon von Hass & Verbitterung getrieben. Spätestens seit BfA führt Sylvanas einen Krieg gegen das Leben selbst, da ihr Hass sie immer mehr zu verzehren scheint.
Dies wird im Teldrassil Cinematic sogar explizit herausgearbeitet.
“You can’t kill hope!” “Can’t i?”
Und Hope besteht für die Nachtelfen im Leben selbst.
Im Roman “Before the Storm” richtet Sylvanas die eigenen Verlassenen hin, weil sie denkt, diese könnten so etwas wie “Hoffnung” empfinden.
Sylvanas wird definitiv seit jeher von einem unstillbaren Hass und auch Verbitterung getrieben. Aus diesem Grund ist ihre große Schwäche auch ihre Instabilität.
Saurfang wusste dies im Cinematic Reckoning.
Er hatte nie vor diesen Zweikampf zu gewinnen. Er wollte Sylvanas provozieren, da er genau wusste, dass Sylvanas die Horde nicht aus Glaube an die Werte der Horde heraus führt, sondern diese als Mittel zum Zweck betrachtet. Wie es Sylvanas immer schon getan hat.
Und auch nur deshalb hat Sylvanas ihre dunklen neue Kräfte weitestgehend geheim-gehalten. Erst als sie durch ihre große Schwäche, ihre Instabilität, entlarvt wird, besteht kein Grund mehr für sie ihre Kräfte zurückzuhalten und Saurfang stirbt folglich bevor er auch nur “For Azeroth” aussprechen kann.
Sylvanas war dort also nicht “schwächer” als beim Kampf gegen den Lichkönig. Sie hat versucht ihr Image aufrechtzuerhalten und die Horde weiter zu benutzen. Saurfang hat das verhindert und die Horde befreit.
Die finale Frage bleibt: Was ist Sylvanas finales Ziel. Wer ist diese Kreatur, dieser Schrecken tief in den Schattenlanden, welcher dort seit so langer Zeit seine Intrigen spinnt, wovor selbst Entitäten des Todes wie Bwomsamdi, der Lichkönig oder Eyir Respekt zu haben scheinen?
Das werden wir erfahren und ich bin daher sehr gehyped für dieses Addon und finde die Lore bisher sehr stark und überhaupt nicht unglaubwürdig.