Vorab: Hier geht es nicht um die Nutzung von Tools wie TradeSkillMaster oder Ähnliche. Wer hofft, hier Tipps zum Gold machen zu finden, ist hier eher falsch.
Seit längerer Zeit versuche ich, ganz für mich im Stillen und ohne Forschungen, nachzuvollziehen, wie sich der Goldwert (d. h. nicht ein Umrechnungswert, sondern der ordinäre Wert des Goldes für die Spieler) über die Zeit entwickelt.
Um zu verdeutlichen, was ich meine, verweise ich ganz einfach auf Draenor. Die Garnison ermöglichte es Spielern, Gold zu scheffeln, ohne die Garnison überhaupt zu verlassen. Da konnte man Missionen über den Missionstisch starten, für die es eine Ressource brauchte, die praktischerweise ganz von allein wieder anstieg, weil man nur draußen vor dem Gebäude den Ressourcenhaufen aufnehmen musste. Darüber hinaus konnte man die gängigen Erze und Kräuter ohne zu Farmen einfach in einem Gebäude des Garnisonsbereich täglich abgrasen und sogar noch im Auktionshaus verkaufen. Spieler mit mehreren Twinks haben hiervon stark profitiert. Viele haben über die Nutzung ihrer Addons fürs Missionsabschicken mehrere Millionen an Gold gescheffelt, indem sie sich einfach täglich durch ihre Charaktere geloggt haben. Das teuerste Mount war in Pandaria noch 116.000 Gold wert, in Legion gab es eine Spinne zu kaufen, die 2.000.000 Gold wert war, in BfA dann den Dino, der 5.000.000 Gold zu Buche schlug. Die damals stattgefundene Überinflation des Goldwertes hatte über diese Addons Bestand, schließlich konnte man sich schnell zu Addon-Beginn ein einzelnes einfaches Kraut, gepflückt binnen einer Sekunde für 60-100 Gold kaufen. Auch die teuren Mounts haben vielerorts zwar mal wieder existierendes Rohgold aus dem Spiel entfernen können, trotzdem war der Besitz einer Million Gold seit WoD keine Besonderheit mehr, dazu passend wurde schließlich auch das tragbare Goldcap von 1 Million auf 10 Millionen je Charakter hochgesetzt.
In der weiteren Historie schien sich Richtung BfA so langsam etwas zu drehen. Denn einige Spieler hatten durch den Kauf des teuren Dinos sich endlich von ihrem Vermögen losgesagt, welches sie anhäufen konnten. Zeitgleich wurden zu Shadowlands nunmehr die Golddrops aus älteren Inhalten verringert. Blizzard hatte dies also als Problem erkannt.
Gespannt wartete ich nun darauf, dass die ersten Spieler feststellen werden, dass sie so langsam weniger Gold zur Verfügung haben, was zur Folge hätte, dass auch das Geschäfte machen im Auktionshaus etwas schwieriger wird, eine Deflation entsteht. Dies wäre ja ein völlig legitimer Punkt. Endlich hätten nur noch wenige Spieler wirklich viel Gold, die damals eben massiv aus jener Zeit profitiert haben, sei es durch die Garnison einerseits oder durch den Auktionshaus Handel ab da andererseits, wo der Verkauf von legendären Items für 100.000 Gold ja keine Seltenheit mehr war, obwohl diese nicht etwa zu 1% von einem Boss gedroppt sind, sondern durch die einfachen Berufe mit einigermaßen wenig Mühe selbst hergestellt werden konnten.
Nun blieb also die Frage: Wie entwickelt sich der Rohgold-Gewinn für die durchschnittlichen Spieler. Gemeint damit ist, wie viel Gold stellt Blizzard den Spielern durch Goldbeute, durch den Verkauf von Trash-Items oder Missionen zur Verfügung. Was wird neu durch das Spiel erschaffen, ohne von Spieler zu Spieler gehandelt werden zu müssen?
Als Leitmotiv hierzu nahm ich meinen Hauptcharakter, mit dem ich keinen AH-Handel vornehme, der auch nichts aus dem Auktionshaus kauft (in der Regel), bei dem also dieser Prozess der Gold-Zunahme ersichtlich ist. Hierbei ist Folgendes zu beachten: Wir spielen täglich alle Anima-Quests in einer kleinen Gruppe, sodass wir die Weltquests in 1 Stunde jeden Tag (und damit meine ich wirklich jeden Tag (bis auf wenigste Ausnahmen!)) durchbringen. Wir nehmen also die Abgesandten-Kisten mit, wir erledigen die Berufsquests. Und natürlich nutzen wir den Missionstisch.
Mein Hauptcharakter verkauft mangels Verzauberer-Fertigkeit die epischen Items an den Händler, die aus Missionen kommen. Alle Fische, Fleisch, Leder, Stoff usw. wird eingelagert, bei mir, bei anderen Spielern für die Schlachtzüge, es entsteht also keine Ungenauigkeit durch Auktionshaus-Handel, es bleibt bei der Entstehung von Rohgold und bei den wenigen Goldausgaben für Flugpunkte, für Reparaturen.
Das Ergebnis ist so einfach wie simpel.
Ein so gespielter Hauptcharakter nimmt jede Woche 15.000 Rohgold ein, schafft dieses Gold in das Spiel. Das sind 65.000 Gold pro Monat oder 780.000 in einem gesamten Jahr.
Über eine Laufzeit von knapp 2 Jahren des Addons werde ich also 1.500.000 Gold reicher sein, wenn es keine großen Goldausgaben, die Gold aus dem Spiel entfernen, seien es höhere Kosten für Reparaturen (50 Gold pro Wipe derzeit) oder eben für Gold käufliche Reit-, Haustiere oder Spielzeuge. Auch die Mounts der einzelnen Rufhändler schlagen mit 25.000 Gold kaum zu Buche. Auch die weiteren Käufe wie Wappenröcke oder Spielzeuge sind preislich auf dem Niveau für unerfahrene Spieler.
Ist das viel?
Das kommt darauf an, wie sich diese Zahl zusammensetzt. Die Missionen (in der Regel bis zu 1000 Gold pro Tag) benötigen weniger Arbeit als die Erledigung von Berufsquests oder das Wegbringen von Abgesandten-Kisten. Je mehr dieser kleinen Goldquests es gibt und je weniger Anima diese brauchen bzw. je mehr Anhänger man sich erspielt hat, desto größer wird der Einfluss des Missionstisches. Droht hier vielleicht ein neues Garnison-Schlamassel, in dem wir ohne viel Spieleinsatz nicht nur Goldmissionen wegschicken können, sondern auch die Material-Truhen direkt mitnehmen können? Ich würde tatsächlich sagen, dass die Rohgoldproduktion derzeit zu hoch derzeit ist. Mit anderen Worten: Es ist zu einfach, frisches Gold zu schaffen. Und dies wird sich nachteilig auswirken, da es keine großen Goldentfernungen aus dem Spiel gibt, Reparaturkosten wie Flugkosten zu gering sind (also die Rohgoldproduktion der Entfernung entrückt ist) und inaktivere Spieler hier Probleme haben werden, mit den steigenden Kosten im Auktionshaus mitzuhalten, wenn sie nicht selbst alles farmen können oder wollen.
Mein erster Twink
Um jetzt zu untersuchen, ob uns durch den Missionstisch eine Garnison 2.0 droht, die eine Hyperinflation zur Folge hätte, nahm ich mir meinen zweiten Charakter zur Brust, in der Erwartung, eigentlich damit vorrangig später M+ laufen zu können. Aufgrund von mehr Freizeit als mir normalerweise zugestanden hätte, hatte ich in den vergangenen 2 Wochen etwas Zeit, ihn nicht nur auf 60 zu ziehen, sondern ebenfalls eine Grundbasis an Anima durch tägliche Weltquests zu bilden, die Paktkampagne durchzuspielen, kurze Ausflüge nach Torghast zu machen und den Missionstisch mit den heutigen Erfahrungen voranzubringen, sodass ich derzeit bei 8 (von rund 16-18) Gefährten stehe und einen satten Anima-Überschuss habe.
Die relevante Frage wird nun sein: Kann ich mit den Anima-Missionen am Tisch die Goldmissionen abdecken? Kurzum: Nein, es wird immer Lücken geben. Die Grundkosten der Missionen für das Anima sowie des Goldes betragen 10 Anima, der Ertrag pro Quest 30 Anima, wobei man 10 Anima ja bereits für die Absendung dieser Quest losgeworden ist.
Zunächst also die Entwarnung
Es ist kein Selbstläufer. Es kann schon entscheidend sein, ob man nahe Quests für 250 Anima mal mitnimmt, z. B. indem man doch das Paktsanktum verlässt und einen Weltboss tötet. Außerdem müssen wir nochmal festhalten, dass es im Gegensatz zur Garnison nicht ausreicht, einfach nur auf Stufe 60 zu kommen und auf genügend Garnisonsressourcen zu warten, die automatisch erzeugt werden. Es braucht 1000 Anima, um den Missionstisch zu erstellen. Die Paktkampagne bringt erst genügend Gefährten mit, um tatsächlich Hochbetrieb am Missionstisch zu erstellen. Zeitgleich muss man den Charakter tatsächlich einigermaßen spielen können (statt gar keine Ahnung davon zu haben), weil es Paktstufen benötigt, um die Kampagne (Gefährten) voranzubringen. Das ist ein größerer, aber einmaliger Zeitfresser.
Aber auch wenn man all dies mit einbezieht: Es ist nicht wegzudenken, dass aktive Spieler derzeit aus dem Nichts Gold erschaffen. Zu viel Gold.
Fazit
Ich bin mir darüber im Klaren, dass viele Spieler die grundsätzliche Gefahr einer Hyperinflation an Gold ausblenden. Es ist ja gut, dass man viel Gold hat und wenn die Preise im Auktionshaus steigen, kann man ja auch davon profitieren. Und wenn Reparaturen verhältnismäßig günstig ist, profitiert man ja selbst, weil man mehr Gold als noch vor Beginn des Addons besaß.
Die Gefahr ist jedoch, dass wir unerfahrene Spieler oder auch seltener aktive Spieler komplett abhängen und den sachlichen Werten deutlich entrücken. Im Gegensatz zum realen Leben droht keine Katastrophe, wenn wir unsere Umwelt einfach ignorieren, nur um mehr Kohle machen zu können. Die digitale Welt kennt keine Grenzen, abgesehen von 65.536 Zeilen in Excel 2003 …
Und dennoch sollte Blizzard ein Auge darauf haben, dass wir nicht unsinnige Vermögen ansparen, nicht nur bei guten Händlern bzw. viel Händlergeschick im Auktionshaus, sondern bei dem durchschnittlichen Spieler.
Der Missionstisch ist eine unterschätzte Goldquelle, durch die nicht nur unsere Main-Charaktere, sondern auch unsere Twinks Gold aus dem Nichts erschaffen können. Im Gegensatz zur Garnison in WoD braucht es deutlich mehr Vorarbeit, die späteren Instandhaltungskosten dieser Goldquelle sind aber so human, dass der Tisch auf Dauer ausgenutzt werden wird und über die Masse an Twinks bis zu 1.000 Gold pro Tag pro Twink erschaffen wird.
Ich habe über all die Jahre in WoW verstanden, dass wir sehr viele Tage hier verbringen, bis das nächste Addon folgt. Es ist daher zu erwarten, dass diese Goldquelle erst in 1,5 - 2 Jahren tatsächlich versiegt. Es besteht also die Gefahr, dass wir mit insgesamt nur wenig Aufwand bei nur 2-5 Charakteren (aktive Spieler werden auf Dauer Twinks erzeugen und entsprechend vorbereiten) ca. 1-3 Million Gold bleibendes Vermögen mit ins nächste Addon nehmen. Wer nur etwas weiter macht, kann ebenfalls Kräuter, Erze, Stoffe, Leder, Verzauberungsmaterial … all dies kann er außerdem erzeugen (für Zusatzarbeit von etwa 1 Weltboss-Kill pro Woche + 1-2 weitere Weltquests Je Twink) und im AH verkaufen.
In das nächste Addon werden wir voraussichtlich mit Kräuterpreisen in den ersten Tagen für heutige Todesblüten (also die Standardpflanze) von 500-1000 Gold rechnen können. Wenn alles so bleibt. Natürlich wird sich das wieder entspannen, aber etwas Abschreckung muss schon sein.
Ich kann nur hoffen, dass man
a) den Missionstisch bereits mit 9.2 unattraktiver macht und
b) den Spielern neue Möglichkeiten anbietet, große Goldvermögen loszuwerden, um Gold aus dem Spiel zu entfernen.
Denn nach aktuellen Maßstäben wird es für Spielrückkehrer nach einer aktuellen Pause schwerer, weil sie diesen Goldvorteil nicht mitnehmen können.
Vielen Dank und viel Spaß beim Kommentieren.