Inzwischen waren fast sechs Monate vergangen und Elina wunderte sich ernsthaft wo die Zeit abgeblieben war. Genüsslich sog sie an ihrer Nyyrbaum-Pfeife und stieß den Rauch unter einem wohligen Seufzer wieder aus, als Sabrina genau die Stelle aus massierte, welche ihr schon die ganzen letzten Tage zu schaffen gemacht hatte.
Gemeinsam saßen sie in ihrer alten Gruppe bei Fiona auf dem Balkon und ließen sich ausgiebig über die Schikanen ihrer Ausbilder und deren Methoden aus.
Hatte Elina anfangs noch gedacht, sie wäre die einzige gewesen, welche eine harte Zeit zu haben schien stellte sich inzwischen heraus das es den anderen nicht so viel besser ergangen war, was sie immer hin ein klein wenig tröstete.
Angeblich, so hatte Rhogar von einem angehenden Jungmagier erfahren, diente dies alles dazu um bei den Adepten ein Fundament der Lernbereitschaft zu schaffen und ihnen die nötigen Mittel an die Hand zu geben, den Stoff der nun auf sie alle zukommen würde besser auf nehmen zu können.
Trotz dessen blieben immer noch Fragen offen.
Eine davon, welche die Restlichen aus der Gruppe beschäftigte war, weshalb Elina in ihrer Ausbildung von den meisten Fächern wie Sport und allgemeiner Magiekunde ausgeschlossen war.
Aber nachdem sie ihnen, soweit sie es durfte und möglich war, von Lauras Lernmethoden erzählte, schüttelten sich eh die meisten und kamen unausgesprochen über ein, dahingehend nicht weiter nach zu bohren.
Und ein wenig war Elina schon stolz darauf.
In den letzten vier bis sechs Wochen hatte sie sich selbst immer wieder dabei ertappt, wie sie sich nackt vorm Spiegel betrachtet hatte.
Der tägliche Parcours hatte deutliche Spuren hinterlassen. Zwar hatte sie noch nie viel Farbe angenommen. Und nach zwei heftigen Sonnenbränden, der ihr die Haut abgeschält hatte war sie wieder weiß wie eine Adlige gewesen. Aber inzwischen besaß sie eine deutlich sichtbare, gesunde Bräunung, ihre Haare leuchteten im hellen Gold …. und sie war durchtrainiert.
Zum Glück wie sie fand, hatten sich zwar keine gigantischen Muskelberge gebildet. Aber dennoch. Der Bauch zeichnete leichte Konturen der Muskeln ab. Die Waden, der Po und die Arme waren straff.
Und sie hatte inzwischen eine ungeheure Kondition erlangt.
Kurzum. Dieses kleine diebische Monster Namens Stolz stichelte von allen Seiten.
„Sach mal Elina…“
„Mal“, warf diese ein.
Doch Nancy reagierte gar nicht auf diesen Einwurf und fuhr unbeirrt fort ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen: „Du hast doch auch ab Übermorgen drei Wochen frei oder?“
„Im Grunde könntest du sogar schon von Morgen sprechen“, lachte die Adeptin. „Sobald ich meinen Parcours hinter mir habe ist für mich Schluss. Das schriftliche werde ich irgendwann innerhalb der drei Wochen erledigen und mich ab Morgen Mittag erst einmal mit einem Eis in den Park setzen und das tuen, was man als guter Student eigentlich tuen sollte.“
„Sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen und den Kerlen auf den Hintern schauen?“, fragte Fiona frech und ließ ein paar mal ihre Augenbrauen in schneller Folge hochschnellen.
„So ungefähr.“, bestätigte Elina und lachte.
„Weshalb fragst du Nancy?“
„Ganz einfach“, schaute diese sie ganz erstaunt an. „Warst du seit dem wir hier her kamen überhaupt noch einmal mit einem von uns wirklich unterwegs gewesen? Und ich meine nun nicht nur mal abends drüben bei Chen im Restaurant eine Schüssel Nudeln essen oder zwei Gläser Bier trinken.
Hast du überhaupt etwas gemacht außer zu lernen?“
Elina verzog das Gesicht und verneinte, während sich zwei Arme von Hinten um ihren Hals schlangen, Sabrinas Gesicht neben dem ihren auftauchte und diese ihr einen dicken Schmatzer auf die Wange gab.
„Tja … Lin war halt schon immer unsere kleine Streberin, nicht war Prinzessin“, wand sie sich an Fiona, die gerade dabei war Vincent und sich selbst nach zu schenken.
„Nicht nur das“, lachte sie heiter auf. „Allen voran war Linchen auch die einzige von uns, die sich durch das alte Abflussrohr hinter der Schmiede traute um uns wieder rein zu lassen, wenn einer das Tor verschlossen hatte.
Schaudernd schlang Sabrina ihre Arme noch fester um die Adeptin.
„Ich kann immer noch nicht verstehen, wie du dich durch dieses Rattennest durch trauen konntest.“
„Dann ist es also beschlossene Sache!“, kommentierte Vincent die Situation.
Beinahe hätte Elina ihr Ziel erreicht gehabt. Beflügelt von der Vorstellung sich am Abend mit ihren Freunden und einigen ihrer neuen Bekanntschaften zu treffen und das erste mal seit einem halben Jahr wieder richtig etwas zu unternehmen, war sie so schnell sie konnte durch den Parcours gerannt.
Zwar mussten sie mittlerweile jeden Zauber nur noch in einer Ausfertigung pro Tag einreichen, dafür aber hatte sich der Parcours verschärft. Zusätzlich standen nun überall kleine Zielscheiben, um auch praktische Erfahrung zu gewinnen, welche sie gezielt zwischen ihren Übungen und Fragen auf Befehl hin angreifen mussten. Zudem trugen sie nun alle Manschetten welche ihnen zuweilen einen schwachen Stromstoß versetzten, wenn sie einen Zauber ausführen sollten oder aber einer der Ausbilder versuchte sie mit einem Windstoß um zu schubsen, um so ihre Konzentration zu stören.
Dennoch. Elina war in Bestform gewesen und hätte an diesem Tag vermutlich auch einen neuen Gruppenrekord aufgestellt. Wenn da nicht Laura gewesen wäre.
Vor der Adeptin lagen nur noch zwei weitere Hindernisse und sie war gerade dabei gewesen ein weitmaschiges Netz zu erklimmen und hatte alle Zauber der letzten sechs Monate auf ihrer Zunge…
Als ihre Ausbilderin sie unvermittelt nach einer schnellen Blitzverwebung mit einem Lichtschlüssel fragte.
Völlig perplex hatte sie in den Seilen gehangen und ihre Ausbilderin ganze fünf Sekunden entgeistert angestarrt, als es dann hieß: „Zurück zum Anfang!“
Schlussendlich hatte sie dieser Vorfall so sehr aus der Bahn geworfen, das sie noch zwei weitere mal von vorne anfangen durfte. Und als Elina endlich zu Hause ankam und in die Badewanne stieg, neigte sich der Nachmittag schon stark in den frühen Abend hinein.
Grimmig verfluchte sie Laura. Monate lang ging es einzig und alleine um Wasser und Eis Zauber. Mit keiner Silbe wurde irgendetwas anderes erwähnt… und dann so etwas.
Langsam sank sie tiefer und ließ aus ihrem Mund dicke Blasen an die Wasseroberfläche blubbern, während sie sich zum Teil selbst eine Närrin schollt.
Immerhin war sie es gewesen, die sich vorgenommen hatte, alle Magieformen zumindest ansatzweise zu erkunden. Und hatte sie auch nur irgendetwas in dieser Richtung unternommen?
Immerhin hielt ihr Ärger nicht lange an und als dann auch noch Fiona, Sabrina und Vincent ihre Räume in Beschlag nahmen, ehe sie aus dem Wasser raus war, war dieser eh wie weggeblasen und vergessen.
Zwar hatten sie zu Vincents Verdruss noch fast eine halbe Stunde benötigt um eine passende Kleiderkombination zu finden, welche die drei Mädchen einstimmig absegneten, aber schon kurz darauf waren sie unterwegs gewesen und Elina ließ sich von den Anderen durch das Nachtleben von Estralma führen, welches sie bisher noch nie richtig kennen gelernt hatte.
Mit weit aufgerissenen Augen sah sie sich um und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie kannte Städte und auch teils welche in denen es eigene Straßen oder gar kleinere Stadtteile voller Wirtshäuser, Tanzlokalen und andere Dinge gab. Auch hatten sie schon am ersten Tag hier in Estralma die ganzen magischen Artefakte bewundert welche überall mal eingesetzt wurden.
Aber auf das was sie nun sah, war sie definitive nicht vorbereitet gewesen.
Für sie war es schon eine Art kleines Wunder gewesen, das in allen Straßen der Stadt magische Lampen standen, welche Abends zeitgleich angingen, ohne das ein Reiter diese einzeln entzünden oder einen Spruch auf sie wirken musste. Und hatte dahingehend sogar schon mehrfach Laura gelöchert, sie möge ihr zumindest einen Hinweis darauf geben wie dies funktionierte.
Aber hier ?
Die Straßen waren fast Tag hell erleuchtet. Überall waren Licht- und Illusionszauber am Werke, welche die Passanten auf besondere Angebote, Spezialitäten und andere Dinge hinwiesen.
Teilweise schmückten Haus hohe sich bewegende Figuren und Waren die Straßen um die Leute schon von weitem an zu locken und ihnen den Weg zu weisen. Die Straßen waren überfüllt mit Leuten und selbst ihre Freunde konnten ihr nicht sagen wie groß dieser Bezirk in Wirklichkeit war.
Dankbar diesen vielen Reizen entfliehen zu können die sie überfluteten, drängte sich Elina schließlich durch den Eingang in eine der Tavernen, zu der sie Sabrina geführt hatte.
Innen war es relative schummrig und an den Wänden liefen Rinnen mit brennendem Öl entlang. Dazu hingen überall große Laternen und von dem tosenden Lärm der Leute auf der Straße war hier nahezu nichts zu hören. Was Elina auf einen weiteren Zauber zurückführte, der hier aktive sein musste.
Erleichtert atmete sie auf und folgte dann Vincent, der auf einen der Tische weiter hinten deutete.
Erst als sie fast dort angekommen waren, erkannte sie Nancy und Rhogar, die zusammen mit vier anderen schon in einer kleinen Ecke saßen und sich unterhielten.
Es stelle sich heraus, dass sie sich alle in einer der Vorlesungen der allgemeinen Magiekunde kennen gelernt hatten. Natürlich einem der Fächer, aus denen Elina selbst heraus gestrichen war. Da, wie sie von Hoglar einem ihrer Senioren im Rang eines Hochmagiers erfahren hatte, sie während ihrer Ausbildung zum Kampfmagier wesentlich tiefgreifender in die Materie eindrangen, als wie sie es in den Vorlesungen zur allgemeinen Magiekunde taten.
Dennoch schmerzte es die Adeptin. Sie war auch so schon nahezu die gesamte Zeit ihrer Ausbildung von ihren Freunden isoliert. Und ein Großteil der wenigen Fächer die man hätte zusammen belegen können, waren ihr nun auch noch aufgrund ihrer Ausrichtung ebenfalls versperrt.
Immerhin gefielen ihr die Leute auf Anhieb. Sie passten einfach dazu und schon kurze Zeit später war die gesamte Truppe in einer Hochstimmung, die sie an so viele Abende in Fenier mit einigen ihrer besten Freunde von dort erinnerte. Jene Abende an denen man so viel Lachte, das man sich nur wünschte der Morgen würde niemals kommen.
Mehrmals zogen sie noch weiter von einer Taverne zur nächsten. Teils weil sie Elina ein wenig herum führen wollten. Teils weil sie unterwegs noch andere Leute trafen die sie kannten und die sie darauf aufmerksam machten dass sie schon andere Freunde und Bekannte andernorts getroffen hatten, welche man ebenfalls begrüßen wollte.
So verstrich dann auch langsam die Zeit. Sie plauderten ausgelassen, tanzten und lachten.
Doch als Elina schließlich vom Abort eines kleinen Lokals in einer Seitenstraße zurück an den Tisch kehrte, schien etwas in der Luft zu liegen.
Die gute Stimmung der Runde hatte sich verflüchtigt. Statt dessen schien es so als hätte Prisan, ein Freund von Rhogar, ein Wortgefecht mit einem, der Kleidung nach zu urteilen, Jungmagier und dessen Gefolgschaft.
„Was ist denn hier los? Wer sind denn diese Einfaltspinsel?“, fragte die Adeptin an Nancy gewandt, als sie sich wieder setzte.
Doch ehe diese darauf etwas antworten konnte hämmerte jemand seine flache Hand vor ihnen auf den Tisch und ergriff mit der Anderen die von Elina.
Es war ein pockennarbiger, korpulenter Kerl, der Elinas Einschätzung nach versuchte einem Stück Brot Konkurrenz in Punkto Intelligenz zu machen ; und sich entsprechend viel eher darauf besann Probleme mit seiner Fülle und seinen Muskeln zu begegnen. Die fast schon leuchtende rote Robe mit der goldenen Kordel und den Stickereien wirkten lachhaft übertrieben und sein Atem stank fürchterlich.
Angewidert riss sie sich los, verpasst ihm einen Faustschlag mitten ins Gesicht und beobachte selbstgefällig wie der Fett.kloß drei Schritte nach hinten strauchelte, über einen Blumenkübel stolperte und im Fall den Kerl mit zu Boden riss, der schon die ganze Zeit damit beschäftigt gewesen war auf Prisan ein zu reden und diesem stetig seinen Zeigefinger vor die Brust stieß.
„Was fällt dir ein. Wir sind vom Orden des Rubins du billiges Flitchen !“, mühsam rappelte sich der Anführer auf und versuchte sein Bein unter dem Gewicht seines Gefolgsmanns hervor zu ziehen, der sich jammernd die Nase hielt.
„Also wer sind diese Idioten?“, wollte sich Elina gerade erneut an Nancy wenden, als der Kerl mit einem Humpen vor ihnen stand und dessen Inhalt in Richtung von Elinas Gesicht schleuderte.
„Ich habe dich gefragt was du glaubst wer du bist, du Mists.tück. Welchem Ordenshaus gehörst du …“, die Augen des jungen Mannes weiteten sich und langsam wanderte sein Blick zur linken Schulter, die auch seine rechte Hand zu erreichen versuchte.
Ehe es Elina selbst begriffen hatte was sie tat, hatte sie das Bier im Flug abgefangen, in einen Eispfeil verwandelt und es dem Brüllaffen tief in die Schulter gerammt.
„Sie …Sie… Sie hat hat jemanden mit Magie angegriffen!“, stammelte jemand.
Selbst noch unter Schock stehend erhob sich Elina, wobei sie sich am Tisch fest krallte.
„Du willst also wissen in welchem Ordenshaus ich bin? Na schön. Ich gehöre zum Orden der weißen Lilie!“, zischte sie aufgebracht.
„Und nun? Willst du etwa ein Beschwerdebrief verfassen? Oder was haben Du und deine Gruppe an Gehirn losen Speichelleckern sonst vor?“
Panisch sprangen zwei weitere Leute in den roten Roben herbei, packten ihren Freund und versuchten ihn weg zu zerren, während ein dritter dem Fett.kloß aufhalf.
„Vergiss es, Malarg !“,in dessen Augen ein gefährliches Feuer aus Demütigung, Abscheu und Hass loderten. „Die gehört zum Assassinen-Orden! Die bringt uns alle um!“
Wenig später, als es sich um sie herum wieder etwas beruhigte, zitterte Elina immer noch am ganzen Körper.
„Schei.ße!“, schluchzte sie, als Sabrina einen Arm um sie legte und die Adeptin zu sich zog.
„Mach dir keine Sorgen Lin. Jeder hier kann bestätigen das es Notwehr war.“
„Ähm…Linchen.“, wagte Fiona einen kleinen Vorstoß und Rückten ihren Stuhl etwas näher. „Was genau hatten die eigentlich gemeint, als sie sagten du seist eine Assassine?“
Die Adeptin seufzte und nahm dankbar einen tiefen Zug von einem Getränk das Vincent gerade gebracht hatte und spürte wie nicht nur ihre Freunde, sondern auch ihre neuen Bekannten sie interessiert anstarrten und ihre Köpfe vorschoben.
„Na schön ….“, begann sie.
„Assassine ist dahingehend zwar viel zu weit hergeholt… Aber ja. Irgendwie bin ich bei den Kampfmagiern gelandet.“
„Du bist was?“, schrien Fiona und Sabrina im Chor, das Elina glaubte ihr Trommelfell würde platzen. „Bist du noch bei Sinnen?“
Fast eine Stunde hatte sie die Umstände erklären müssen, wie sie dorthin gelangt war. Darüber wie sie Ulthar begegnete. Dass er Simur schon aus dessen Ausbildungstagen kannte und dass sie anfangs so aufgeregt war, dass sie sämtliche Konsequenzen nicht bedacht hatte.
Leise pfeifend nickte Sabrina. „Na immerhin wirst du während deiner Reise als Jungmagier in keinerlei Schwierigkeiten geraten.“ und gab etwas beschämt hinzu: „Alleine wenn ich bedenke wie du den Eispfeil beschworen hast. Ich brauche für so etwas fast fünfzehn bis zwanzig Sekunden in denen ich mich konzentrieren muss … Und du hast den mühelos aus dem Stehgreif erschaffen.“
Etwas gequält blickte die Adeptin zu ihrer Freundin auf. „Danke Biene. Aber dies ändert dennoch nichts daran, dass ich mitten in der Stadt jemanden mit Magie angegriffen habe. Mit Pech werde ich noch Ende der Woche rausgeworfen.“
„Ha ! Dass sollen die mal versuchen.“ warf Vincent trotzig ein. „Wie schon gesagt. Jeder hier kann bezeugen dass es nur Notwehr war. Besonders als dieses fette Schwein über dich herfallen wollte.“
Dankbar lächelte sie ihren alten Tischnachbarn an.
„So. Nun möchte ich aber doch langsam mal wissen, wofür ich hier gerade meine Ausbildung aufs Spiel gesetzt habe“, gab sie schließlich von sich, wobei wieder etwas mehr ihres sonstigen Selbst nach Außen vordrang und wandte sich mit dieser Frage in Richtung von Rhogar und Prisan.
Ein wenig gedämpft und sich ein paarmal umschauend dass niemand sie belauschte erklärte Prisan schließlich, dass er ein Mitglied einer königlichen Familie aus Ultran wäre. Ultran war ein Verbundstaat, welcher aus einunddreißig Königreichen und Herzogtümern bestand und von einem Hochkönig in Promien gelenkt wurde wo dieser den Vorsitz im Königsrat hatte.
Malarg, dem Elina den Eispfeil in die Schulter geschossen hatte, war einer seiner entfernten Cousins und betrachtete jeden der nicht ebenfalls zum Adel gehörte als minderwertig und unwürdig überhaupt die Magie zu erlernen.
„Aber der Kodex legt doch ganz klar fest, dass alle innerhalb der Akademie unabhängig von Rasse, Herkunft und sozialem Status gleichgestellt sind“, warf Elina ein.
„Das mag zwar stimmen, Lin“, fuhr nun Rhogar fort. „Aber dieser Malarg ist leider kein Einzelfall. Viele Adlige, gerade aus dem höheren Adel, verabscheuen die Idee das normale Menschen die gleichen Vorzüge genießen könnten wie sie selbst. Ihrer Auffassung nach sind niedere Magie-Ränge zwar noch notwendig um entsprechend Handwerker, Soldaten und Heiler aus zu bilden. Sehen es aber als ihr persönliches Privileg an die höheren Künste zu erlernen.“ und mit einem Blick auf Prisan fuhr er fort.
„Deswegen war überhaupt erst der Streit entbrannt. Malarg gehört zum Orden des Rubins, in welchem sich ausschließlich solche Leute befinden. Sie betrachten sich selbst als die Elite der Akademie und die Familien und ehemaligen Mitglieder stellen ungeheure Summen zur Verfügung um ihnen eine bessere Ausbildung als allen anderen zu ermöglichen. „ Er seufzte.
„Leider gibt es dahingehend wirklich kaum Leute die ihnen das Wasser reichen können. Jeder von ihnen hat mindestens drei private Ausbilder, welche sie rund um die Uhr betreuen. Und auch wenn Sklaven innerhalb von Estralma verboten sind, so haben sie doch unzählige Angestellte, welche man eigentlich als genau DAS bezeichnen müsste.“
Wütend griff er nach einem Tonkrug und schenkte sich noch etwas saure Milch mit Honig nach. Man konnte mehr als nur deutlich erkennen wie sehr ihn dieses Thema und die entsprechenden Leute anwiderten.
„Also ging es nur darum dass Prisan hier mit uns zusammen an einem Tisch gesessen hatte?“, fragte Elina, nach einer längeren Pause in welcher jeder von ihnen missmutig drein geschaut hatte.
„So in etwa“, bestätigte Prisan.
„Er hatte herumgeschrien, dass Ich die Familie entwürdige und verlangt Ich solle mich gefälligst von niederem A.bschaum wie Euch fern halten. Von daher kann ich dir eigentlich gar nicht genug danken, dass du ihm eine kleine Lektion verpasst hast“, schmunzelte er.
Aber die gute Stimmung war ruiniert gewesen. Eine kleine Weile hatten sie sich noch unterhalten und waren dann aufgebrochen um nach Hause zurück zu kehren.
Die darauf folgenden Tage hatte Elina zwar stets damit gerechnet, dass sie in irgend ein Büro gerufen würde, aber aus irgend einem Grund geschah dahingehend nichts, was nach Rhogars Vermutung wohl an Malargs gekränktem Stolz lag und das dieser den Vorfall nie gemeldet hatte.
Zwar war Elina dem gegenüber etwas skeptisch, wollte sich aber wenn möglich nicht die ganzen freien Tage dadurch vermiesen lassen.
Fast täglich hatten sie sich nun mit den Anderen getroffen. Waren an großen Seen zum Baden, hatten kleinere Wandertouren außerhalb von Estralma unternommen oder die Zeit genutzt gänzlich neue Bereiche der gigantischen Akademie und der sie umgebenen Stadt zu erkunden, die sich auf das große Olsan-Fest vorbereitete.
Das Olsan-Fest war eines der Höhepunkte im Jahr und innerhalb der Akademie, gab es etliche Turniere in denen die Teilnehmer ihr Können und die Geschicklichkeit unter Beweis stellen konnten.
Hoglar, der zu ihrem Orden gehörte, hatte seit fast vier Wochen von nichts anderem mehr gesprochen. Neben seiner Ausbildung zum Meistermagier trainierte er auch für den zweiten Grad im Speerkampf und wollte unbedingt an den „freien Kämpfen“ teilnehmen, in denen sowohl Waffen als auch Magie erlaubt waren. Er war ein ziemlich stämmiger Kerl, der sich trotz seiner Fülle geschmeidig wie eine Katze bewegte und hatte einen Großteil seiner Wanderschaft als Jungmagier mit einer Gruppe von Abenteurern verbrachte, die in den Labyrinthen von Solingon ihr Glück versuchten.
Ein wenig wehmütig dachte Elina daran, dass sie eigentlich selbst ebenfalls den Kampf mit dem Schwert erlernen wollte. Doch bei dem Pensum dass ihr Laura auferlegt hatte, war sie noch nicht einmal mehr dazu gekommen daran zu denken.
Dennoch war es ein atemberaubender Spaß.
Täglich waren sie unterwegs gewesen und schauten sich die Stände an an denen alle möglichen Waren feilgeboten wurden. Hunderte Klubs hatten vor allem für Familien und deren Kinder Aktionen, bei denen diese mitmachen und spielerisch lernen konnten. Die Sportvereine warben um neue Mitglieder und überall konnte man neue Dinge entdecken die einen in staunen versetzten.
Doch insgeheim gefielen Elina die Turniere am besten.
Ganz besonders hatte es ihr eine Art Sport angetan, bei welchem jeweils zwei Teams gegeneinander antraten.
Das Spielfeld bestand aus einem Rechteck, von hundertfünfzig mal zweihundert Metern, und auf beiden Seite hatte jede Mannschaft fünf Türme, die einen Brunnen schützten. Ziel des Spiels war es eine blaue Erz-Kugel sieben mal in den gegnerischen Brunnen zu werfen, wobei zuvor mindestens zwei der gegnerischen Türme zerstört werden mussten, welche die Zugangswege versperrten und von den Verteidigern als Deckungen genutzt wurden, aus denen sie angriffen.
Die Teams selbst bestanden aus sechs Magiern, welche unterschiedliche Aufgaben hatten. Einige verfügten über große Schilde, andere über Schuhe, die ihre Laufgeschwindigkeit erhöhten und wieder andere waren darauf ausgelegt ihre Teamkameraden durch defensive oder offensive Zauber zu unterstützen.
Wurde einer der Magier drei mal in Folge direkt getroffen, musste er eine gewisse Zeit aussetzen, wodurch das andere Team einen kleinen Vorteil erhielt. Darüber hinaus gab es nicht nur noch drei Artefakte , welche die gegnerischen Türme direkt angriffen, hatte eine Mannschaft diese erobert, sondern das gesamte Spielfeld war auch noch mit Hecken und Mauern übersät, so dass nur die Zuschauer oben auf den Tribünen einen wirklichen Überblick hatten.
Elina war fasziniert davon und hatte auch schon bald eine Mannschaft gefunden, die sie nicht nur laut stark anfeuerte, sondern bei jedem ihrer Spiele vor Ort war und sich zwei Hemden kaufte, auf denen das Wappen groß aufgestickt worden war.
Zwar konnte nicht jeder ihrer Freunde wirklich etwas mit diesem Sport anfangen, aber Elina schien er geradezu auf zu saugen und sie steigerte sich immer weiter hinein.
Er nannte sich recht schlicht MEV, „Magische Erz-Kugel Verteidigung“ und war erst vor etwa zehn Jahren wirklich in Mode gekommen, erfreute sich aber seitdem einer rasant wachsenden Beliebtheit und angeblich gab es schon weit über dreitausend Vereine.
Elina hatte sich definitive vorgenommen diesen Sport ebenfalls aus zu probieren.
Und war ziemlich überrascht, als sich herausstellte, das Laura der Vereinskapitän des größten Teams in Estralma war und dessen Infostand leitete.
„Auch wenn dies wohl teilweise ihre Trainingsmethoden erklären würde.“, dachte sie sich nebenbei.
Schlussendlich hatte Laura es sogar geschafft die Adeptin zu einem Probetraining zu überreden. Besonders mit dem Hinweis darauf, dass es ab dem nächsten Halbjahr nicht mehr ganz so anstrengend würde und ihnen wesentlich mehr Freizeit blieb, das Team aber unbedingt neuen Nachwuchs suchte.
Und so saß Elina nun erschöpft, mit etlichen blauen Flecken übersät aber von einem Ohr zum anderen grinsend mit Fiona an einem Tisch und löffelte die Reste aus ihrem Eisbecher heraus, welcher schon halb geschmolzen war, ehe sie ihn überhaupt angerührt hatte.
„Glaub mir, dass hättest du sehen müssen! Von rechts kam eine Ranken-Attacke, welche er mit einer Treppe aus Eis überspringen konnte, von Links kam ein Schattengeschoss, dass unser Unterstützer mit seinem Körper abfing und dadurch auf die Bank ging und in der letzten Sekunde hatte er es noch geschafft die Kugel in den Brunnen zu werfen, ehe er von der Sandpeitsche getroffen wurde.“
Elinas Augen leuchteten, während Fiona sie grinsend ansah. So aufgedreht, hatte sie sie schon lange nicht mehr erlebt.
„Also Linchen, habe ich das nun richtig verstanden? Wenn Anfang nächster Woche der Unterricht wider anfängt, werdet ihr mit Eurem Orden zwei Wochen lang das Labyrinth in Myrnar besuchen, damit ihr praktische Kampferfahrungen sammelt? Und anschließend, wenn sich Euer Training eigentlich reduzieren würde, damit ihr mal so etwas wie Freizeit habt, spielst du MEV?“
Elina ergriff die Hand ihrer Freundin: „Komm schon Fiona. Du musst das unbedingt selbst mal aus probieren. Außerdem sind es nur zwei Tage in der Woche an denen Training ist.“
Mit großen, flehentlichen Augen rückte die Adeptin noch etwas näher an ihre Freundin.
„Du bist die einzige die noch übrig ist. Sabrina hat zeitgleich ihren Chor, Vincent hat seinen Nebenjob als Kellner und Rhogar und Nancy können mit dem Sport nichts anfangen.“
Egal was Fiona der Adeptin auch gerade antworten wollte, es wurde jäh durch ein schrilles Kreischen übertönt bei dem sich alle Personen vor Schmerz die Handflächen an die Ohren pressten.
Dann verschob sich die Welt. Es sah so aus, als hätte man ein Bild zerschnitten, verschob es entlang der Schnittkante und als es zurück schnellte stob eine magische Entladung von dieser Linie ausgehend durch die Straßen die alles in Scheiben schnitt was diese berührte.
Entsetzt Blicken sich die beiden Frauen um, die von ihren Stühlen gefallen waren. Überall schrien Menschen, rannten um ihr Leben oder lagen am Boden.
Einzig eine Person schien seelenruhig durch die Straßen zu schlendern und kam unglücklicher weise auch noch genau auf sie zu.
Es war Malarg.
Seine Haare waren fettig und hingen ihm in Strähnen ins Gesicht. Seine Augen waren wahnsinnig und das Gesicht in einer irren Grimasse verzehrt, als er seine linke Hand hob, in der irgendein Artefakt in einem schmutzigem Orange-Braunen Licht pulsierte.
Dann stieß er einen undeutlichen Laut aus und erneut ertönte das kreischende Geräusch. Erneut schien es die Welt zu zerschneiden und erneut fegte eine magische Entladung durch die Straße, welche die beiden Freundinnen nur um gut einen Meter verfehlte.
Panisch rappelten sie sich auf und rannten um ihr Leben. Doch kaum waren sie fünf Meter weit gekommen, ertönte erneut der markerschütternde Schrei.
Noch im Sprint wurde sie von Fiona zur Seite gerissen und beide fielen durch die Glasscheibe eines Geschäfts, als auch schon die Energiewelle über sie dahin fegte und selbst die Mauern des Hauses fast durchtrennte.
Blut überströmt krochen sie durch die Scherben, welche die ungeschützten Arme und Beine aufgeschnitten hatten und versuchten die Tür im hinteren Bereich zu erreichen, die auf den Hinterhof führen würde. Verzweifelt, unter Tränen und schreiend, rüttelte Fiona am Knauf und hämmerte gegen die verschlossene Tür, während sich Elina auf der Theke abstützte, hatte sie bei dem Sturz durch das Fenster doch die meisten Schnitte abbekommen.
Doch es half nichts. Die Tür war verschlossen und ein knirschendes Geräusch offenbarte ihnen, das Malarg im Fenster stand.
Eilig riss Elina Fiona zu Boden und pumpte alles was sie nach dem Training noch an magischer Energie übrig hatte, in einen Verwebung die sie mit Hilfe von Simurs Buch die letzte Woche über selbst entworfen hatte. Erneut ertönte das Kreischen. Und als die Energiewelle über sie hinweg fegte, meinte sie am lebendigen Leibe verbrennen zu müssen, während ein hochtönendes splittern davon zeugte, das ihr Eisschild zerbarst.
Wage nahm sie noch das triumphierende Lachen von Malarg wahr, dann versank sie in Ohnmacht.