Arathihochland, nachts
Endlich hatten sie das morastige, triste Sumpfland zurückgelassen. Lebensbejahender waren die scharfen Winde und die steilen Klippen des vorderen Arathihochlands zwar auch nicht, doch alleine das Gefühl eines tiefen Atemzuges ohne Feuchtigkeit und zumindest das Versprechen, dass die Strümpfe irgendwann einmal trocknen würden, hatte Riordans Gemüt aufgehellt. Eigentlich war er kein wetterfühliger Mensch, aber irgendwann hatte man es satt Pilzeintopf zu essen und Sumpfmücken zu verscheuchen.
Teils gebeutelt, teils verletzt hatten sie sich nach Norden aufgemacht und gut Strecke gemacht - immer nach Norden, bis sie den Thandolübergang erreicht hatten. Einige Momente hatten sie auf das Wasser geblickt, im Schatten der gewaltigen Brücke so klein wie Ameisen, und einem Schwadron an Wildhammerzwergen dabei zugesehen, wie sie Formationen abseits der Heimat übten. Mit ihnen war ein frischer Wind gekommen, und so hatten sie sich etwas früher als sonst dazu entschieden, nahe eines Wasserlaufes zu rasten und die Zelte aufzuschlagen. Mit dem Sternenhimmel über den Köpfen und den lachenden Gutsbewohnern, die im klaren Wasser badeten, spielten oder Fische zu fangen versuchten setzte sich Riordan an einen Stein und stieß ein wohliges Ächzen aus. Die vom Turnier und vielem Reiten müden Glieder streckten sich dem prasselnden Feuer entgegen und er schaute seiner Frau beim Schnitzen zu, während er den Kopf auf den Armen stützte und den Geschichten über Steinkreise und Monolithen lauschte. Über uralte Menschen, Runen und Könige, die Länder vereint hatten. Über die Wiege der Zivilisation und das erblühende Stromgarde.
Vor allem aber lauschte Riordan Triss, der kleinen Arathi, die hier Zuhause war und seit dem Thandol strahlte wie eine Winterhauchkerze. Wie begeistert sie sich umblickte, wie sie alle Eindrücke aufnahm. Es war eine gute Idee gewesen, die Reise in den Norden anzutreten, auf dem Weg zum Hof ihrer Familie. Es war wichtig, seine Lieben zu besuchen, wann immer es möglich war. Und so wie sie im Sumpfland mehr über Isabella erfahren hatten, würden sie in den kommenden Tagen der Reise gewiss auch mehr über Triss erfahren. Über das Land, das sie geformt hatte und über die Traditionen - edelmütig, stark, kriegerisch - die das Mädchen nach Sturmwind gebracht hatte.
In der Dunkelheit sah man nur Schemen durch den See tanzen und hörte nur das triumphale Gelächter, wenn ein glitschiger Fisch in die Hände der emsigen Jäger gehüpft war. Weisenfische, gebraten an Stöcken. Vielleicht keine Delikatesse, doch zusammen um das Lager zu sitzen und zu plappern, während man das zarte Fleisch vom Stock zupfte (oder, wie manche Knappenlappen, vom Ast nagte wie bei einem Maiskolben). Zu erzählen, zu lachen …
Sie mochten weit, weit weg von der Heimat sein. Aber Riordan seufzte wohlig, während er die Augen schloss und das Quatschen um ihn herum zu einer angenehmen Hintergrundmusik verschmolz. Warum fühlte es sich dann dennoch nach Zuhause an?