[A-RP] Die andere Seite der Straße

Hallo ihr Lieben,

manche*r kann sich vielleicht noch daran erinnern, dass es diesen Threadnamen schon mal gab. Damals wurde der Thread mit Geschichten derer gefüllt, die das Glück verlassen oder nie gefunden hatte. Die, deren Leben kein Pudertöpfchen bereithielt, konnten ihre traurigen, lustigen, hoffnungsvollen, verzweifelten, hungrigen, trunkenen Eindrücke, Gedanken und Erfahrungen hinterlassen. Das würd ich gern hier wieder ein wenig aufgreifen. Natürlich mag auch eine Person, die einen Fuß ins Elend setzt um ein wenig Hilfe zu hinterlassen, ihre Eindrücke beschreiben. Aber vordergründig sollte es ein Thread für andere Geschichten werden.

Der Thread unterscheidet sich insofern vom Gerüchte-Thread, dass nicht jede Geschichte unbedingt als IC-Wissen dient. Solange nichts dabei steht, sollte also nicht davon ausgegangen werden, dass euer Charakter etwas darüber wissen kann.

Sturmwinds neuste Bettlerin saß im Licht des Vollmonds auf der Mauer am Hafen. Rothaarig, bleich vom Silber der Monde berührt, farblose Kleidung. Ein Schatten in der Nacht. Es war spät oder vielleicht war es auch schon wieder früh, sie hatte den Glockenschlag verpasst. Eine Weile hatte sie hinter ein paar Kisten gedöst, doch die Kälte und ihr schmerzender Bauch hatten sie schnell wieder auf die Beine gebracht. Sie hätte es wissen müssen, immerhin war es nicht das erste Mal gewesen, dass sie völlig ausgehungert gewesen war. Und doch hatte sie den Eintopf runtergeschlungen, als gebe es kein Morgen. Nun musste sie mit den Magenschmerzen leben.

Zwei Tage hatte sie auf dem Karren gesessen, den Linda bezahlt hatte. Zwei Tage und nur eine halbe Scheibe trockenes Brot. Bis auf die Rinde hatte sie die am ersten Tag bereits aufgegessen. Nach dem größten Gebäude sollte sie Ausschau halten, das hatte Linda gesagt. Dort würden sie ihr auf jeden Fall etwas zu essen geben. Und das Mädchen hatte gesagt, sie würden ihr dort Schuhe und ein Gewand schenken.

Reia, die war nett gewesen. Anders als die beim größten Gebäude. Ein Ort des Glaubens hatte ihr Reia im Nachhinein erklärt. Lachhaft, sogar zuhause war die Lichtfrau nicht so hämisch gewesen. Der andere hatte Reia sogar erpresst, hatte versucht, sie gegen andere arme Leute auszuspielen. Was für eine Stadt. Von der Bleibe hatte er die ganze Zeit gesprochen und von diesem Bob, der tot war. Und erwartet, dass sie dann schon brav spuren würde. Nur hatte sie keinen blassen Schimmer, wovon er sprach.

Wieder war es Reia gewesen, die es ihr erklärte. Eine Unterkunft für die Obdachlosen. Doch seit Bob tot war, waren komische Kerle dort. Reia war nett. Rotes Haar, so wie ihres. Und lustig. Hoffentlich sahen sie sich wieder. Sie konnte ihr helfen, einen Platz in der Stadt zu finden. Bis sie wieder heim durfte.

Dann waren da noch die Frauen in der Taverne gewesen. Die hatten ihnen nicht nur Münzen gegeben, sondern auch ihr Essen bezahlt. Und trotzdem war sie sich nicht sicher, ob sie die mochte. Irgendwas… war nicht gut gewesen.

Mit einem Stöhnen krümmte das rothaarige Mädchen sich zusammen. Aufstehen und bewegen. Nur wohin in dieser fremden Stadt? Wo war es sicher für ein Mädchen um diese Zeit? Frierend und von Magenkrämpfen geplagt, zog die Rothaarige durch die nächtliche Stadt. Vielleicht war diese Bleibe doch eine Option für den Anfang. Sie war wehrhaft und würde sich hoffentlich gegen aufdringliche Kerle mit ihrem Mundwerk behaupten können.

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“Könnt Ihr mir einmal verraten, warum Ihr mich wie einen dummen Esel durch meine Zunft schleift, und obendrein kein Wort bisher sagtet warum und weshalb?!”

Wenn Ihr Euch verhaltet wie der Esel der Ihr im Moment seid, dann lasst Ihr mir kaum eine andere Wahl als Eure Vertreterin. Man nahm Euch nun zur Genüge in Schutz - es ist Zeit für Veränderung, Teuerste.

Tief gruben sich die beinahe schon klauenartigen Finger der hageren und hoch gewachsenen Frau mit schlohweißem Haupte in ihren Oberarm. Der Griff fest, harsch und sehr unnachgiebig. Das kränklich blasse Gesicht von Bitterkeit und Gram gezeichnet, während falkenartige Augenpaare beinahe schon lichterloh im Zorne glühten. Doch als die größer gewachsene Frau zu ihr hinunter sah, dann war es nicht wirklich Zorn den sie da erblickte, denn mehr tiefen Schmerz. Das gleiche Antlitz wie vor ein paar Monaten, nachdem die ersten Untersuchungen des Massakers auf Burg Grauwall unternommen wurden, und man die verkohlten Leichnahme ihrer beiden Kinder in Urnen zurück brachte. Jene hagere Frau, welche stellenweise die Kinder mit ihr zusammen groß zog, als sie noch alleinstehend war. Dieser eine Blick reichte gänzlich, um die Rebellin in ihr wieder in ihre Schranken zu weisen, als man es wagte sie aus ihrer kleinen Seifenblase zu zerren. Zurück in eine Welt wo die Zeit eben nicht still stand, und ein Planet sich ewiglich weiter drehte - die Realität.

Schmerzlich kniff sie die Augen zusammen, als sie in die Freiheit gezerrt wurde und sowohl Tageslicht als auch frische Luft ihre Sinne im ersten Moment überforderten. Was auch kein Wunder war, wenn man sich über Wochen und Monate versteckt hielt in tiefen Kellergewölben. Die Furcht vor der Öffentlichkeit saß ihr immer noch in den Knochen - so fühlte sie sich nackt und schutzlos. Die Sinne die den städtischen Trubel vernahmen, ließen das Herz in ihrer Brust schmerzlich und rasant rasen - es hämmerte bis in ihre Ohren hinauf. Das Haupt von einer Kapuze geschützt erlaubte ihr verstohlene Blicke auf ihre Umgebung zu werfen. Das was eigentlich vertraut war, fühlte sich nun mehr noch fremd an. Mit angespannter Haltung und unsicherer Miene sah sie zu ihrer Vertrauten hinüber, welche sie förmlich vor die Türe warf. Irritierten Blickes betrachtete man das Bastkörbchen voller weißer Papierrosen, welches man neben ihr abstellte, ehe die Hagere sich mit verschränkten Armen vor die Pforten der Künstlerzunft des Eisernen Pinsels positionierte - einer Wächterin gleich die diese Pforten hütete.

Ich - Helena Morley und Eure Stellvertreterin dieser Zunft - verweise Euch von diesem Tage an dieser Zunft auf unbestimmte Zeit. Niemand wird Euch Einlass gewähren, niemand wird Euch Hilfe leisten und ich werde es als Erste herausfinden, sollte etwas heimlich hinter meinem Rücken von statten gehen.

Fassungslos wie auch ängstlich sah sie Helena entgegen, als hätte man sie gerade zum Tode verurteilt - denn mindestens genauso ohnmächtig und hilflos kam sie sich gerade mit dieser Situation vor.

“Ich…Ich bin die Zunftmeisterin und…”

Nein, Ihr tragt nun die Rolle von Meret Carlyle - Hilfskraft im Bereich Verkauf und Botengänge. Und das so lange, bis dieser Korb leer ist und diese Rosen neue Besitzer gefunden haben. Und exakt so lange, wie dieser Korb nicht leer ist, so lange werde ich Euch den Zutritt in Eure Zunft verwehren. Ihr werdet Euch nicht zurück in Euren staubigen Keller verkriechen und in Eurer Angst, dem Selbstzweifel und der Schuld die Ihr auf Euch selbst abladet ertrinken - denn ich für meinen Teil werde dabei nicht zusehen. Wir haben verloren und der Tag für Gerechtigkeit ist ungewiss - wenn nicht gar unerreichbar. Aber wenn Ihr Euch jetzt in den Dreck legt und Euch nicht aus diesem erhebt, dann hat Euer Peiniger genau das erreicht an dem er sich labt. Er hat Euch viel genommen - nicht nur Menschenleben, sondern auch Euren Titel und Euren Namen. Lasst Euch nicht den letzten Funken an Würde nehmen. Bewahrt diese, steht auf und lebt. Wenn Ihr es nicht für Euch selbst tut, dann tut es für das einzige Kind das Euch noch geblieben ist.

Ihrem Herzschlag gleich hämmerten jene Worte immer wieder in ihrem Gedächtnis. Die Zeit schritt unaufhörlich weiter voran, und sie wusste bereits nicht mehr wie lange sie vor verschlossenen Pforten ihrer Zunft stand, hinter welcher Helena vor einer Weile verschwand. Ihre Beine schmerzten vom langen stillstehen, und die Kälte die ihre Knochen hinauf kroch machte es auch nicht besser. Dünne Finger griffen nach dem Körbchen voller kunstvoll gefalteter Papierrosen, welche sie aus müden Augen betrachtete. Sie verstand, warum man sie zwang eine solche Hürde alleine zu gehen.

Für Unwissende waren es einfache Rosen, aber sie waren mehr als das. Sie waren ein Symbol - gewidmet einer einzigen Person, welche ihr damals in Westfall stets ein Symbol und Vorbild war. Ein Symbol der Hoffnung, selbst in tiefster Dunkelheit das Licht zu erblicken. Ein Symbol der Stärke, selbst dann wieder aufzustehen wenn der Lauf des Lebens einen unerbittlich zu Boden drückt. Ein Symbol der Träume, um sich stets daran zu erinnern wofür wir leben, kämpfen und sterben.

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Das Mädchen mit dem kupferfarbenen Haar stapfte durch die nächtlichen Straßen, setzte mürrisch einen Fuß nach dem anderen auf den Steinboden, drückte die Hände tief in die Taschen ihres Gewandes und ballte sie zu Fäusten, bis die Nägel ins Fleisch schnitten.

Wie könnt ihr nur?

Regen setzte ein. Das Mädchen fröstelte, ging auf eine Hauswand zu und drückte sich unter einem kleinem Vordach an die kalte Wand, um nicht völlig durchnässt ihren Schlafplatz zu erreichen.

Ihr seid die vom Licht, verdammt!

Sie kontrollierte den Inhalt ihrer Tasche. Das Brot war nicht nass geworden. Reia seufzte erleichtert auf - wenigstens das.

Warum habt ihr Rubi nichts gegeben bei der Armenspeisung? Was seid ihr bloß für Leute? Bloß weil sie Geld von euch genommen hat?

Dicke tropfen fielen vom Dach knapp an ihrer Nase vorbei auf den Boden. Sie fühlte die Kälte in sich hoch kriechen. Lange würde sie hier nicht bleiben können, wollte sie sich nicht den Tod holen. Um die Zeit war die Bleibe keine Lösung. Nicht mehr, seit Bob tot war. Andere hatten seinen Platz eingenommen und die waren bei Weitem nicht so ehrenhaft wie er. Für die würde es sicher kein Begräbnis mit Ehrenwache geben.

Das ist keine Armenspeisung, wenn Arme nichts von euch bekommen. Sagt doch gleich, ihr spendet nur an Leute, die euch passen!

Reia wusste natürlich, dass arme Leute wie sie und Rubi nichts erwarten durften. Dass sie für alles, was ihnen jemand schenkte, dankbar sein musste. Das wurde so erwartet. Sei artig und du wirst belohnt.

Sei artig und du wirst nicht bestraft, eh?

Jedenfalls verstand sie nun, dass sie von der Kathedrale nichts erwarten durfte. Und aus irgend einem Grund enttäuschte sie das. Als wäre die Kathedrale ein Ort der Güte gewesen - früher und jetzt nicht mehr.

Sie schlang die Arme um sich. Mittlerweile zitterte sie am ganzen Körper. Höchste Zeit für einen trockenen Schlafplatz, aber dafür würde sie durch den Regen gehen müssen. Sie seufzte, blickte die leere Straße entlang: Dunkle Hauseingänge, dunkle Fenster. Nur die Laternen bildeten Inseln aus Licht.

Sie zurrte die Tasche enger, schlang einen Teil des Umhangs drüber, schritt hinaus in den Regen und eilte die Straße entlang.

Tut mir Leid, Rubi, wenn du morgen nasses, pampiges Brot bekommst, aber ich muss jetzt heim. Setz es den Lichtheinis auf die Rechnung. Wir werden es ihnen schon noch heimzahlen!

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Eine lange, nasse Nacht lag hinter Rubinia. Den größten Teil hatte sie wach gelegen, mit dem Rücken zur offenen Seite hin, der Blick auf die Holzwand. Wenn sie hier überwintern wollte, brauchte sie eine regenfeste Plane, die sie spannen könnte. So würde sich der trockene Raum vergrößern. Und wenn der Regen sich erst in Schnee wandelte… Darüber wollte sie gar nicht nachdenken. Wenn sie hier überwintern wollte… sie wollte nicht, aber es sah nicht so aus, als würde es eine andere Lösung geben. Das waren ihre Gedanken am Morgen, als sie schniefend und durchgefroren die ersten Schritte durch die Stadt setzte.

In der Nacht hatte aber nicht nur der kalte Regen sie wachgehalten und auch die Gedanken an ihr Lager waren weniger gewesen. In der Nacht war es die kalte Wut gewesen, die in ihrem Bauch gedrückt hatte. Sie hatte die Wahl gehabt und sich für irgendwas entschieden. Wieder ballte das Mädchen mit dem herbstroten Haar die Hände zu wütenden Fäusten. Dieser Lichtmann hatte ihnen die Wahl gelassen, ihnen Münzen zu geben und dafür der Bleibe was wegzunehmen. Die Münzen hatte sie erst genommen, als er das zurückgenommen hatte. Eine andere Wahl hatte er nicht erwähnt. Und überhaupt… Rubinia stapfte durch eine Pfütze und bereute es sofort. Nässe sog sich in ihren Stiefel. Was war das denn für ein Mensch, der einer Hungrigen Essen sofort ermöglichte oder ihr die Wahl ließ, vielleicht irgendwann später, dafür öfter was zu bekommen?

Sie kam in dem Viertel an, wo die Zwerge arbeiteten, und erreichte einen dieser Feuerkörbe, in die die Zwerge die Reste ihrer Schmiedefeuer kippten. Hier konnte sie sich zumindest für ein paar Minuten aufwärmen. Doch ihre Gedanken drehten sich weiter, voller Wut und Bestürzung.

Die Priesterin, oder was auch immer sie war, war beleidigt davongegangen, als die andere ihr trotzdem ein Gebäckstück zuwarf. In den Dreck, wo sie ihn aufheben durfte. Sie war es gewohnt, dass andere sie verachteten, aber das waren doch die Lichtleute. Wo hatten die ihre Tugenden gelernt? Respektvoll war das jedenfalls nicht. Mitgefühl und Geduld hatten sie auch nicht. Die hörten sich ja nicht mal an, warum es in der Bleibe schwierig war für Mädchen wie Reia und sie. Das ist kein Puff, hatte die gesagt. Hatte sie auch gar nicht behauptet. Trotzdem wollte sie sich nicht zu irgendwem ins Lager legen und das auch gar nicht angeboten bekommen. Dass sich niemand so verhielt, wenn die Obrigkeit zu Besuch war, war ja wohl klar. Und es war ja toll, dass die sich um die Leute da bemühte, aber dass sie deswegen blind war für die Sachen, die nicht gut liefen…

Rubinia knirschte mit den Zähnen und hustete. Wie hatte Linda sich nur so täuschen können? In der Kathedrale würde man ihr helfen. Helfen, schneller zu sterben vermutlich. Das Mädchen schob die angewärmten Hände in die feuchten Hosentaschen und stapfte los. Wenn sie nicht verhungern oder erfrieren wollte, musste sie genug Münzen für Essen UND eine Plane erbetteln. Und wie schwierig das in dieser Stadt war, zeigte sich jeden Tag aufs Neue.

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Nebel lag über der frühmorgendlichen Stadt, als der Rotschopf langsam auf die Beine kam und das Fenster zum Platz öffnete. Es war kalte, fast eisige Luft, die ihr an dem Morgen entgegenschlug und Red atmete tief ein.
Die Dunkelhainerin mochte die kalte Luft nicht sonderlich, denn einmal zu oft hatte sie in der alten Zuflucht gezittert, oben zwischen den alten Planen-Abteils. Doch hier, in der eigenen Wohnung, die sie dank dem guten Doc des Ärztehauses ergattert hatte, musste sie weder Kälte noch Dunkelheit erleiden, außer natürlich wenn sie diese einlies.
Während sich die Company-Arbeiterin anzog, das Hemd sowie die kleine Krawatte darunter richtete, ging ihr Blick immer wieder hinaus. Zu den Plätzen vor der Kathedrale, an denen sie mit Esme, Cale, Sunje und wie sie alle hießen tagsüber gesessen hatten, um Brot oder Geld zu erschnorren, nur um es wie eine teure Trophäe nach Hause zu tragen. Es war manchmal hart gewesen. Beleidigungen, verbal oder nur durch den Blick hatten sie getroffen, weil man ihnen die Armut ansah. Etwas, was sie heute - mit Blick in den Spiegel - von sich wieß.
Hier und da hatte sie zugelegt, nicht dick bei weitem. Aber auch nicht mehr verhungert. Vor allem im Gesicht sah sie das - nicht wie bei den beiden Straßenmädchen im Schwein. Oder dem alten Obdachlosen am Hafen. Nein, Red wusste was sie hatte. Sie wusste wo sie herkam und auch wenn sie nicht mehr auf dieser Straße schlief, würde diese immer ein Teil ihrer selbst bleiben.

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(Ältere Texte von mir, aus dem Dornengeflecht Forum kopiert.)


Sturmwind erwachte aus unruhigem Schlaf.
Im Westen über dem Hafen war der Himmel noch dunkel, doch im Osten glühte er bereits violett und orange. Die Nacht zog sich langsam aus den Straßen der gewaltigen Stadt zurück wie eine geschlagene Streitmacht, während das erste Licht des Tages über die Dächer kroch und in Gassen und Hinterhöfe hinabtröpfelte. Silbern erhoben sich die Zinnen der Wehrmauer vor dem flammenden Streif am Horizont, silbern auch die Glockentürme der Kathedrale. Zwei Tagelöhner torkelten über den menschenleeren Platz vor dem Haus des Lichts, schwerfällig und betrunken. Einer hob seinen Kittel und urinierte gegen die Steinfassade; der andere stimmte ein schweinisches Lied an und weckte einen Hund auf, der wütend zu bellen begann.
Ein Hahn krähte im Hinterhof einer Herberge, ein zweiter in der Gasse bei den Schmieden im Zwergenviertel, ein dritter in den Gärten der Botschaft. Straßenräuber entrissen ihren sterbenden Opfer die Geldkatze, wischten ihre Dolche ab und flohen vor der Morgendämmerung in ihren Schlupfwinkel. Bettler und Habenichtse regten sich in der Gasse der Altstadt und durchsuchten ihre Lumpen nach Brotresten. Kupplerinnen und Dirnen am Hafen zählten den Lohn der Nacht.
Hunderttausend Seelen seufzten, während allmählich die Wirklichkeit in ihre Träume drang.


Der Kampf um das Überleben ist, für viele Mitglieder der Allianz, der direkte Kampf auf dem Schlachtfeld. Heldenhaft stellt man sich dem Feind. Man kämpft nicht nur um sein eigenes Leben, sondern um die Freiheit der Völker, um Frieden für die kommenden Generationen. Diese Kämpfer werden auf einen Podest erhoben und bejubelt. Eine Aufopferung für das große Ganze.
Wie klein und schmutzig wirken dann die Familien der Straße. Sie kämpfen nur für ihr eigenes Wohl, um Vermögen und Macht zu mehren. Doch auch in diesem winzigen, schmutzigen Kosmos erheben sich Helden aus dem Unrat der Gassen. Tapfer erheben sie das Wort gegen Ungerechtigkeit und beschützen die Habenichtse und Taugenichtse…
naja… vielleicht pöbeln sie auch einfach nur Wachen an, weil sie Bock drauf haben.
Die Gosse ist einfach ein eigene kleine Welt.


Viel zu oft schon wollte man meine Lebensgeschichte hören. Besonders junge Leute setzen sich gerne zu mir und fragen mich nach meinem Leben aus. Es muss die Langeweile der Jugend sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie von mir belehrt werden wollen nicht ebenso zu enden. In der Gosse, auf der Straße, am Rande der Gesellschaft. Es ist mir egal warum sie es hören wollen, denn sie bringen Schnaps und Zigaretten mit. Und eigentlich erzähle ich Geschichten sehr gerne. So gerne und ausladend, dass mir ein Arzt, mit einer hässlichen Augenklappe, die Zunge vergolden wollte. Dazu kam es nie, aber das ist auch eine andere Geschichte. Zurück zu meinem Leben und wie ich das wurde was ich bin. Dabei habe ich keine große Fähigkeit zur Selbstreflexion. Spannender ist es Geschichten aus zu denken, denn wer zeigt schon gerne seine innersten Gefühle, wenn die Fassade bereits runtergekommen ist. Den letzten Rest dem einem bleibt, den schützt man. Deswegen habe ich viele Lebensgeschichten. Manchmal erzähle ich, dass ich Barde war am königlichem Hof. Ich spielte die Laute mit göttlichen Fingerbewegungen und sang wie eine Nachtigall. Diese Fähigkeiten und auch mein junges, schönes Antlitz verdrehte den Frauen reihenweise die Köpfe. Man kann sich denken, wie solche Geschichten ausgehen wenn man im Schlafgemach einer Dame landet und deren Gatte hinzu stößt. Ungehalten war er, aber mitmachen wollte er nicht. Er ließ mir die Finger brechen, zerstörte meine Laute und mein Ansehen. Niemals wieder sollte ich als Barde auftreten. Es ist grauenvoll was Menschen mit ein wenig Einfluss und Macht bewerkstelligen können. In meiner Niedergeschlagenheit, der Kunst und dem Palast abkömmlich geworden zu sein, wand ich mich dem Alkohol und Rauschmitteln zu. Damit begann meine Abwärtsspirale in die Gosse. Mir ist heute nicht nach großen Ausschmückungen, aber die Leute hängen mir an den Lippen, wenn ich erst einmal aus mir herauskomme. Ich beschreibe den prachtvollen Palast, die rauschenden Feiern und die bildschönen Menschen so lebendig, dass die Leute mir Münzen zu stecken, damit ich aufhöre ihre triste Welt mit dem Unerreichbaren zu quälen.
Warum also sollte ich ihnen die Wahrheit erzählen?


(Und noch ein kleiner, neuer Text.)


Nebel steigt über den Dächer der Altstadt auf. Das nass, klamme Wetter fährt einem tief in die Knochen. Besonders wenn man alt und gebrechlich ist schmerzen die Gelenke und der Körper widerstrebt bei jeder Bewegung. Eine trockene Decke und ein warmes Kaminfeuer, mehr wünschen sich manche Menschen zu dieser Zeit nicht. So auch der alte Bettler, der sich stöhnend unter einem Lumpenhaufen bewegt. Verborgen liegt er in der Gasse, hinter einem großen Baum, zwischen Wänden und kargen Büschen verborgen. Sein Lager wird von einem löchrigem Segeltuch überspannt. Eine Ecke ist aus der Halterung gerissen und peitscht im Wind gegen die Ziegelwand. Der alte Mann erhebt sich schwerfällig aus seinem Lager, sein Knie knackt, sein Rücken schmerzt. Mit schlürfenden Schritt quält er sich zu dem kläglich, kleinen Haufen mit Holzresten. Er sammelt ein paar Holzscheite ein und wirft diese in eine verrostete Feuertonne. Asche und Glut stoben ihm entgegen. Er hustet trocken, hält seine Hände über die Tonne und wartet, dass die Wärme bei ihm ankommt, sobald die Glut das Holz wieder zu einer Flamme entfacht hat. Gebückt steht er da, die Schulter hochgezogen, der magere Leib zitternd.
Ratten huschen über den Pflasterstein. Andere Menschen sieht man hier wenig. Einst kamen zunächst zwielichtig wirkende Gestalten in die Gasse, haben die Segeltuch gespannt, Feuertonnen aufgestellt und Decken verteilt und gezeigt, dass sie freundlich sind und wie die Priester aus der Kathedrale den Kontakt zur Gosse nicht meiden, sind sie doch aus dieser hervorgestiegen.
Doch für den alten Mann ist es zu spät. Die eifrigen, jungen Menschen können sich aus solch einer Lage befreien. Aber nicht er… nach jedem kläglichen Versuch, erwachte er wieder in der Gosse.
Im Dreck und in der Hand den Schnaps.


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Elend. Das war das richtige Wort. Elend.

Eine extrem heruntergekommene Straße in der Altstadt. Wie einmal. Wieder einmal war es ihm vergönnt, sein Frühstück zu beenden.
Frühstück… etwas, wovon jene, die hier in dieser Straße, die diesen Namen nicht einmal verdiente, lagen, höchstens träumen könnten. Freiwillig war hier ganz sicher niemand gelandet. Ein paar wenige, die sich bemühten, erregten Mitgefühl bei den Menschen, sodass sie ihnen Hilfe boten, wie es die Kathedrale tat, oder die Stadtwache, indem sie die Möglichkeit von Aufträgen zur Hilfe bei der Stadtreinigung stellten. Jene waren zumeist in Ordnung. Ehrgeizig. Konnten noch etwas sich machen.

Und dann gab es jene, die es nicht einmal versuchten, aus ihrer Lage fortzukommen. Stattdessen beschwerten sie sich darüber, wie ungerecht die Welt doch sei, vor allem, wenn sie Diebstähle und Räubereien einer ehrlichen Arbeit vorzogen und dann natürlich lauthals klagten, wie ungerecht die Stadtwache doch zu ihnen sei.

Leonid schnaubte aus, ehe ein junger Gefreiter auf ihn zukommt. “Ehre der Krone, Sir!” Es wird ein knapper Salut getauscht, ehe der Soldat fortfährt: “Gefreiter Ferntal meldet: Bewaffneter Streit unter Alkoholeinlfuss mit Todesfolge. Tatverdächtiger festgesetzt, Zeugen werden zur Befragung zum Wachhaus gebracht. Der Leichnam wird gleich zur Leichenkammer verbracht, Sir.” Damit beendet er seine Meldung.
Wenige Augenblicke später treten auch schon zwei weitere Soldaten heran, welche neben Leonid innehalten. Auf der Trage zwischen ihnen lag ein schwer geschundener Mann. Seine Kleidung verschlissen, die Zähne gelb und der Körper blutig. Leonid nickt knapp, winkt die Soldaten, weiterzugehen.

Solch ein Anblick war Alltag geworden, aber richtig gewöhnen tut man sich daran nie. Nach Sicherung der Umgebung zog der Soldat sich in die Kaserne zurück, jedoch nur, um den neuen Rekruten bei den Übungen zuzusehen. Auch, wenn das nicht die erste Leiche war: Der Appetit war ihm vergangen.

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Es war immer das selbe. Ob sie aß oder nicht, am Ende hatte sie Bauchweh. Sie musste endlich aufhören, jeden Bissen in sich hineinzustopfen. Doch wer konnte schon sagen, ob erbeutetes Essen lange in ihrem Besitz blieb, wenn sie es nur in den Taschen und nicht im Magen mit sich trug? Das Mädchen mit dem rostroten Haar steuerte an diesem frühen Morgen die Hafengegend an. Frische Seeluft sollte ja gegen alles helfen. Sagte man. Doch darum war sie nicht hier. Sie wollte das grüne Schiff finden. Und so suchte sie sich oben am Hafen einen Platz und wartete. Darauf, dass ihr Magen nicht mehr verrückt spielte. Darauf, dass ihr Kopf nicht mehr so dröhnte. Darauf, dass dieser Seemann sie fand.

Rum war also nicht so ihre Sache. Das wusste sie nun. Hatte auch wirklich widerlich geschmeckt, den Abend aber lustiger gestaltet. Da hatte ihr der Leichtsinn noch Spaß gemacht. Im Nachhinein war ihr klar, dass das leicht hätte schief gehen können. Wenn die Wachen sie nicht so leichtfertig diesem Kerl anvertraut hätten… Kayle… dann hätte sie richtig Ärger kriegen können. Kayle, der war nett gewesen. Auch das hätte leicht schief gehen können.

Dieser Typ, der Reia und ihr den Rum weggetrunken hatte, war auch lustig gewesen, irgendwie. Dass der freiwillig mit zur Wache gegangen war. Vermutlich hatte der gewusst, dass die Wachen sich nicht darum scherten, wenn zwei Mädchen beklaut worden waren. Auf wen war in dieser Stadt eigentlich Verlass? Auf niemanden. So viel war fast schon sicher. Aber doch, es war lustig gewesen. Nur… würde sie nicht weit kommen mit lustigen Abenden. Vor allem nicht weiter Richtung Zuhause. Wenn sie nicht in dieser verdammten Stadt überwintern wollte, musste sie sich wirklich zusammenreißen.

(Vielen Dank an die Beteiligten des gestrigen Abends, es hat mir sehr viel Spaß gemacht.)

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Ufff der Thread Haut auf die Gefühle ein wie ein Rammbock. geht Likes und Wärme decken verteilen

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Gerade als die Sonne den höchsten Punkt ihres Standes erreichte, verdunkelten mehrere kleine Schatten kurz den Himmelskörper. Eine Hand voll Brotstückchen, die hochgeworfen wurden und schließlich vor einer kleiner Schar Vögel landeten, die aus dem Norden kamen und einen Stop eingelegt hatten, ehe es sie ins Schlingendorn führen würde.
Leyandris strich sich die Kapuze vom Haupt und gönnte sich einen Moment der Eitelkeit, als sie das recht lang gewordene Haar ausschüttelte. Das lange Haar, dass ihr ehemaliger Verlobter so gemocht hatte. Es war nach über einem Jahr, an dem es an der Front unfreiwillig gekürzt worden war, wieder zu seiner Länge herangewachsen und im Frieden der Hauptstadt gepflegt worden.
Wie die Krumen die Vögel fütterten, gab es anscheinend auch wieder Speisungen für die Armen. Wie die Haare, die nachgewachsen waren, gab es eine neue Generation junger Menschen, die noch jung und unverbraucht waren - den Schrecken des Krieges zumindest nicht mit der Hand am Schwert kannten.
Seltsam rührseelig wandte sich der Paladin von der Schar Vögel ab und lief hinter der Kathedrale entlang zum Friedhof. An jedem der frischen Gräber hielt sie kurz Inne. Laß Namen und Lebzeit, falls diese verfügbar waren, ehe sie zum Grabmal der Königin ging und dort ein stilles Gebet für die Verstorbenen sprach. Es waren immer viele, die gehen mussten, bevor die nächste Generation erblühte.
Ob auf dem Schlachtfeld, ob in den heiligen Hallen oder auf der Straße. Erst der Winter - dann der Frühling.

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Das Mädchen mit dem kupferfarbenen Haar lehnte am Kamin in einer Nische zwischen zwei Dächern, geschützt vom Vordach des viel höheren Nachbarhauses. Dort oben fühlte sie sich sicher. Niemand außer ihr und Rubi (und ein paar Katzen) wusste, wie man dort hin gelangte. Sie streckte die wunden Füße aus und grinste. Der Kamin in ihrem Rücken fühlte sich wundervoll warm an. Sie fasste in die Tasche, holte ein belegtes Brot hervor, gutes, dunkles Brot mit Käse und Tomaten, biß davon ab und zwang sich, langsam zu essen. Das hatte sie gelernt. So verging der Hunger, auch wenn man nur wenig zu Essen bekam.

Wenn sie nur wüsste, wo Rubi war. Das letzte Mal hatten sie sich vor ein paar Tagen gesehen, aber dann war sie einfach verschwunden.

Von der Straße hörte sie ein Geräusch und erstarrte. Still wartete sie ab. Wieder ein Geräusch, als würden langsame Füße über das Kopfsteinpflaster schlurfen. Und sie glaubte auch zu hören, wie etwas Großes, Schweres, (Nasses?) über die Steine gezogen wurde.

Reia schluckte das Brot und balancierte auf allen Vieren leise bis zur Dachkante. Sie hielt den Atem an, schob den Kopf über die Ziegeln hinweg, ganz vorsichtig, und spähte hinunter. Nichts. Sie lauschte angestrengt, hörte das Glucksen des Kanals, das Rascheln der Blätter und irgendwo in der Ferne grölten Menschen wohl auf dem Heimweg vom Schwein.

Sie seufzte und huschte zurück zum warmen Kamin. Aber die Anspannung wich nicht. Sie hatte was gehört! Ganz sicher! Gestern erst hatte die Wache sie vor einem Massenmörder gewarnt, der durch die Stadt zog und mordete. Sie wusste auch, dass er Nieren klaute, nachdem er gemordet hatte. Nieren! Reia konnte sich nicht vorstellen, wozu jemand Nieren stehlen sollte. Aber sie wusste sehr genau, dass man tot war ohne sie.

Was, wenn sie vorhin den Nierendieb gehört hatte? Was, wenn er ihr Versteck kannte? Nein! Unmöglich! Niemand kannte es und niemand konnte einfach so hier rauf. Vor allem kein Massenmörder mit einem Körper wie ein Stier, der würde Geräusche machen beim Klettern über den Baum und ganz sicher würden die zarten Zweige brechen unter seinem Gewicht. Nur Rubi und sie konnten hier hoch. Wenn sie nur wüsste, wo sie war!

Reia erstarrte. Ein schrecklicher Verdacht keimte in ihr. Vor ein paar Tagen geschah der erste Mord.

Gehetzt packte sie ihre Tasche. Sie musste dringend Rubi finden!

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In stiller Resignation atmete sie langgezogen aus, während Wort für Wort von der Seite auf sie einprasselte. Berichterstattung im gänzlich vollen Ausmaße: Termine, Aufträge, Einladungen, Anfragen, Stadtgeflüster. Im Grunde so ziemlich alles, was man am frühen Morgen mit einem deftigen Kater ungerne in Empfang nahm, um nicht mit dem nächsten Schießeisen zu liebäugeln, und sich von dem Bösen zu erlösen.

Rasch die gewählten Schritte über´s städtische Pflasterstein, begleitet vom gleichmäßigen hallen zweier Absätze. Der filigrane Leib nicht länger mehr umsäumt von einer verbraucht anmutenden Arbeitskleidung, sondern von feinster gilnearischer Nadel im geschäftlichen Stil. Ein Anblick der manch patriotisches Herz höher schlagen lässt! Titel und Namen verloren - doch gab es keinen Grund länger mehr sich zu verstecken. Behörden versorgt mit Informationen für ihre Akten, für ihr unersättliches Streben nach Gerechtigkeit. Familien der Toten wurden entschädigt mit dem was vom Vermögen noch da war. Es brachte ihre Liebsten nicht zurück - diese Bürde würde sie ewig tragen, und die Toten Tag für Tag vor Augen haben - aber sie konnten Winterhauch mit vollem Magen zelebrieren und vielen Geschenken. Und vielleicht nahmen sie Erspartes mit ins nächste Jahr, und griffen nach der Hand die man vor allem zurück gelassenen Ehefrauen reichte, um aufrecht den Weg der Selbstädigkeit zu bestreiten, so wie sie es einst tun musste mit zwei Kindern die es zu versorgen galt. Die Welt drehte sich weiter, und nahm wie immer keine Rücksicht auf jene, die stehen blieben um nach Atem zu ringen. Diese Welt in die sie hinein geboren wurde, war nicht fair - das war sie nie, und sie würde es nie werden. Glück in Händen zu halten, ist wie das anhängliche Klammern an einer Illusion, bis sie splitternd zerbrach. Das sonderbare daran: Ganz gleich wie sehr die Hände bluteten, man wurde nicht müde immer wieder diese Splitter aufzusammeln und von neu zusammenzufügen. Traurig, oder auch einfach nur massiver Volkssport!

Miss Frühling? Habt Ihr mir überhaupt gerade zugehört?
“Was? Oh…natürlich habe ich das, Magus Morley!”

Falkenartig anmutende Augenpaare blickten dem personifizierten Frühling reichlich skeptisch entgegen, während dieser mit einer förmlichen Unschuldsmiene zurück sah und die Lippen ein kleines glimmendes Tabakröllchen aufnahmen, ehe ein Etui wieder in den Untiefen der Manteltasche versank. Weisheit für´s Leben: Wenn man nicht zuhörte und dabei entlarvt wurde, dann war es an der Zeit mit unterbewusst gespeicherten Informationen um sich zu werfen, als hätte man ein paar hunderte Frikadellen zu viel übrig, die man einem schön an die Wange klatschen kann - Totstellen war keine gute Option!

“Ich muss eine Reihe von Schreiben aufsetzen. Für den Grafen von Athencord, für Lady van Darrow, für Magistrix Silberfeder und die Erzmagierin Abendlied, und…wie hieß die Lady von diesem ritterlichen Knochenkasper noch gleich? Ach egal, für die Noblesse auch! Wäre nett wenn Ihr mir alle Utensilien vorbereitet, gleich unten in der Zunfthalle. Ich mache mir erstmal einen Tee zum wach werden.”
Ihr habt in Eurer Auflistung das Haus von Heavensbrook vergessen - man hinterließ Euch eine Einladung zum Winterhauchbankett.

Würzig mit leicht süßlicher Note zog sie den Rauch mit sich durch die Straßen. Man wich dem Trubel von emsigen Individuen aus, die zu früher Stund’ ihrem Tagewerk nachgingen - nahm Abkürzungen über verwinkelte und vertraute Gassen in denen man nicht den Tod fürchten musste, sondern viel mehr die Begegnung einer schwarzen Katze. Aber so viel Unglück wie an ihr klebte, knabberte und neckte, würde eine solche Begegnung kaum noch einen Unterschied machen. Eine Antwort auf die Frage der Magierin blieb aus - und das schien schon wieder Antwort genug zu sein, bei der man schlicht an Atem sparte.

Aus einer Bauerstochter eine Frau der Aristokratie zu formen war eine Kunst für sich, und erforderte Geduld wie auch Finesse. Und eine Sache lernte sie sehr schnell, um das Spielchen der Noblen sehr rasch mitspielen zu können auf schmierigem Parkett: Einladungen zu solch Feierlichkeiten erfolgen mit einem persönlich adressierten Schreiben mit noch mehr persönlichen Worten, welches eben nicht wie ein einfaches nettes Rundschreiben adressiert wird für Hinz und Kunz. Lord James J. Ashford stellte schon einst hohe Maßstäbe für Ansprüche im geschäftlich/diplomatischen Rahmen, unabhängig von Graf, Baron, Ritter oder einfacher Pöbel. Im Herzen würde sie eine Ashford bleiben - und sie hatte noch immensere Ansprüche an jene, welche sich Freunde und Verbündete schimpften. Freunde hatten ihren gewissen Wert - und sie war DER Frühling!

“Wurde die Großbestellung schon vorbereitet für den Versand? Gibt es einen vorliegenden Aushang zum Mörder, welcher in der Stadt sein Unwesen treibt? Wie mich das nervt…es versaut so richtig das Geschäft. Möge diese Existenz nicht meine Wege kreuzen - sonst hatte diese einmal Nieren gehabt.”
Versand für morgen früh bereit, und ein Aushang wurde verwahrt und hängt im Eingangsbereich der Zunft aus.
“Wunderfein!”

Kaum das sich die Künstlerzunft mit ihrem weißen Gestein und gläsernem Kuppeldach inmitten von Efeu bedeckten Häuserfassaden und violetten Dächern empor hob, trennten sich die Wege beider Frauen. Während Morley geschäftig hinter eichernen, verzierten Pforten verschwand, blieb sie noch außerhalb um das letzte bisschen von ihrem Tabakröllchen aufzurachen und in die kalte Luft zu entlassen. Röchelnd und schleimend hustete jemand sein Leiden heraus, unweit der Brücke welche direkt gegenüber liegend der Zunft zur Tüftlerwerkstatt “Unendlich” führte. Der Blick aus Sturmblau fiel auf eine kümmerliche Lumpengestalt unter der Brücke, an welcher Kälte und Hunger nagten - kein seltener Gast, aber ein sturer Esel.

“Komm’ in die Zunft rein Lambrecht, wenn du deine Zehen und Lungenflügel behalten willst. Wenn nicht, dann stell dich anderswo hin mit einem Schild um den Hals: ‘Habe Nieren zu verschenken.’”
Hrmpf…
“Ich dich auch, und nun entscheide dich. Du verschreckst mir und Miss Callaghan die Kundschaft. Sei kein Esel - heute Mittag gibt es Hühnersuppe!”

Wie Vater immer einst so schön sagte: “Manche Leute muss man zu ihrem Glück ganz einfach treten.” Wie wahr. Vermutlich lachte er sich im Jenseits bei einem Glas Wein darüber nun selbst eins ist Fäustchen, so sehr wie sie ihm am Ende doch ähnelte, als entspringe sie wahrhaftig seinem Blute.

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Dieser Text gehört zum Hintergrund des Chars und ist absolut nicht als Metawissen gedacht.

Wütend stieß Rubi mit dem Fuß gegen einen großen Kieselstein, der im hohen Bogen in den Straßengraben flog, und fluchte. Wegen ihres schmerzenden Knies und wegen des Verrats. Wie konnten sie nur! Sie hatte Blut und Schweiß gelassen, sie hatte alles getan, was sie von ihr verlangt hatten. Und wozu? Sie schickten sie zurück in die Stadt. Das Mädchen wischte sich Tränen und Schnodder aus dem Gesicht. Was brachte Geheule schon? Jetzt galt es wieder, die Straßen im Blick zu behalten, zu wissen, wer Böses wollte und wann. Sich auf die Spielchen einzulassen, nur um ein paar Kupferlinge zu erhalten, nur um ein Stück trockenes Brot zu ergattern.

Rubi duckte sich an den Wachen vorbei, als sie die Stadt betrat. Ihr herbstrotes Haar war zu auffällig und sie hatte keine Kapuze mehr, um es darunter zu verbergen. Nicht hier. Bei dem Einbruch hatten sie ihr eine gegeben, hatten ihr trotzdem mit Ruß das Haar und auch das Gesicht geschwärzt. Sie hatte bessere Kleidung bekommen und wenigstens für ein paar Tage nicht gefroren. Doch nachdem sie ihnen gebracht hatte, was sie wollten, hatten sie ihr die warme Kleidung einfach wieder weggenommen. ER war nicht einmal dort gewesen. ER hatte nicht einmal einen Gruß mitgeschickt. Sie hatte getan, was ER verlangt hatte und sie hatte nicht einmal Dank dafür bekommen.

Am Kanal angelangt, blieb die Bettlerin stehen. Wohin sollte sie sich wenden? Zum Platz? Oder zum Schwein? Sie dachte an die Köchin, die ihr Reste versprochen hatte. Dieses seltsame Frikasse. Und bevor sie es hatte probieren können, hatte sie die Stadt verlassen müssen. Ob sie ihr jetzt noch von den Resten abgeben würde? Rubi seufzte leise. Immerhin war sie nun sauber und allein das brachte ja manchmal Sympathien der Leute, ihr etwas zu geben, was sie einem stinkenden Mädchen nicht geben würden.

Wo würde sie Reia finden? Sicherlich am ehesten am Kathedralenplatz oder dahinter. Also lief sie weiter, versuchte das schmerzende Bein nicht zu sehr zu belasten und dennoch nicht durch Humpeln aufzufallen. Reia war dem, was sie unter einer Freundin verstand, wohl am nächsten. Doch sie wussten nichts voneinander. Vielleicht war es an der Zeit, das zu ändern. Sie konnte sie verraten und dann… dann… Rubi wusste, was dann geschehen würde. Sie durfte Reia nicht in diese Dinge mit hineinziehen. Sie wär nicht sicher und was ihr selber blühen würde, wollte sie sich gar nicht ausmalen. Trotzdem… Reia war dem, was sie unter einer Freundin verstand, wohl am nächsten.

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Noch nie hatte sie so gefroren. Ihr ganzer Körper zitterte, die Zähne schlugen so laut aufeinander, dass ihre Ohren davon dröhnten und ihre Finger und Zehen waren taub.
Ihre Kleider hingen neben ihr am Kamin auf dem Dach, aber noch immer tropfte Wasser auf die Dachschindeln. Es würde Tage brauchen, bis ihre Sachen trocken waren.

Alles wegen dem verdammten Worgen!

Sie schlang Rubis Umhang enger und wickelte sich in die fleckige Decke. Mehr an trockenen Sachen hatte sie nicht. Rubi war fort, wusste der Henker, wohin schon wieder. Immerhin hatte sie eine halbe Flasche Schnaps im Versteck gelassen. Und ein bisschen Schokolade vom Zwergenmädchen.
Reia angelte danach und zitterte so stark, dass sie fast den Verschluss nicht auf bekommen hätte. Gierig trank sie die eiskalte Flüssigkeit und nach kurzer Zeit fühlte sie sich etwas wärmer, doch sie wusste, dass sie trotzdem noch fror - der Schnaps sorgte nur dafür, dass sie es nicht mehr so sehr spürte.
Viele von der Straße starben so. Sie betranken sich ein letztes Mal und am nächsten Tag waren ihre Körper kalt.

Verdammter See!

Sie war so dumm gewesen. Sie hätte den Worgen einfach stehen lassen sollen und abhauen. Wie alle ihr geraten hatten. Aber nein, was tat sie? Provozierte ihn immer weiter, bis er es sich schließlich nicht mehr gefallen lassen hatte.

Zum Henker mit all den Sabberschnauzen!

Dabei hatte sie ihn doch nur provoziert, weil er auf Rubi losgegangen war. Das hatte sie wütend gemacht! Das konnte sie nicht haben. Auch wenn ihr klar war, dass er nur einen Scherz mit ihr getrieben hatte.
Und warum hatte Streuner nichts getan? Außer schlau zu reden? Nicht dass sie wirklich mit Hilfe gerechnet hatte. Das tat sie nie.

Ich hasse alle. Einfach alle. Der hätte einfach Rubi stehen lassen sollen. Dann wäre ich jetzt trocken.

Als er die Nase voll von ihre hatte, krallte er sie sich, hob er sie hoch wie eine Puppe und warf sie in den See hinter der Kathedrale. Tausend Eisnadeln bohrten sich in ihren Körper, als sie in das eisige Wasser fiel und für ein paar Sekunden hatte sie Panik, weil sie nicht mehr wusste, wie man atmete. Irgendwie gelangte sie durch das nachtschwarze Wasser ans Ufer, prustend und keuchend, kroch durch den Schlamm an Land, hielt inne und schleppte sich triefend und bitter frierend durch die halbe Stadt zu ihrem Versteck.

Leute waren gekommen und wollten helfen, eine junge Frau erbleichte, als sie sie sah und gab ihr einen Umhang, der sich gleich mit Wasser vollsog. Eine Gnomin riet ihr, in der Kathedrale um Hilfe zu bitten, aber die Blöße wollte sie sich nicht geben, da triefnass zu erscheinen wie ein kleines Mädchen, das ins Wasser gefallen war und jetzt von Mama trockengerieben werden wollte.

Die lachen mich doch alle aus.

Es war ein bitterer Fehler, nicht in die Kathedrale zu gehen, das sah sie mittlerweile ein. Irgendwann würde ihr verdammter Stolz sie umbringen. Wenn sie nicht vorher erfror, versteht sich.

Sie betrachtete die Sterne über sich und trank noch einen Schluck Schnaps. Oder sollte sie vielleicht in die Bleibe gehen? Da wäre es warm und kuschelig. Aber das hätte sie vorher machen sollen - vom Versteck aus war die Bleibe am anderen Ende der Stadt und Reia hatte keine Lust, nur in Umhang und Decke gewickelt dorthin zu laufen. Und außerdem war da noch der Nierendieb, der Mörder, den man noch nicht gefangen hatte.

Meine kalten Nieren will der eh nicht haben.

Sie trank die Flasche leer und langsam spürte sie, wie ihre Augenlider schwer wurden. Wohlige Wärme breitete sich vom Magen her aus.

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Dicke, weiße Flocken fielen hinab.
Kalt waren sie, sollten sie zumindest sein. Doch wirklich spüren tat sie nichts. Schon lange nicht mehr. Zumindest fühlte es sich wie eine halbe Ewigkeit an.
Dennoch streckte sie die kalkweiße Hand danach aus. Gewohnheit. Nichts mehr als das.
Langsam sank der Blick auf die aufgefangenen Flocken, die statt zu schmelzen sich zwischen den Fingern verfingen und in ihrem Zustand harrten. Ein ähnliches Schicksal mit ihr teilten – für den Moment. Lästig.
Mit einem grunzenden Geräusch schüttelte das Mädchen die Hand aus, ehe sie schier mühelos weiter durch den kniehohen Schnee stapfte. Sie mochte Schnee nicht. Sie mochte den Winter nicht mal.
Der Winter erinnerte sie an Zeiten des Hungers. Als sie sich auf der Straße durchschlagen musste. Allein. Nun, zuerst allein. Die Kälte, die sie zittern ließ. Vor der ihre löchrige und übergroße Kleidung nicht zu schützen vermochte. Der Frost, der ihre Hände erst rot und dann bläulich verfärbte. Der sie langsamer werden ließ, träge. Der sie nahezu umbrachte. Die Angst, die sie vor jeder Nacht hatte. Die Fragen, die kamen. Hätte sie ein Dach? Eine Unterkunft? Oder würde sie erfrieren?

Weitere Flocken verfingen sich auf ihr. Klammerten sich an sie, an das rabenschwarze Haar, die totenbleiche Haut, die dunkle Rüstung. Sie spürte davon nichts mehr. Keine Kälte, kein - nun, kein wirklicher Hunger, kein Leid, kein Elend.
Es waren lediglich Eindrücke. Eindrücke aus einem anderen Leben. Unbedeutend. Und trotzdem war da etwas, dass sie nicht loslassen konnte.
Nicht vermochte, loszulassen.
Weitere Bilder. Mehr Eindrücke. Ein grässlicher Winterhauchpullover, den sie zum Leidwesen ihrer Kollegen und Freunde jedes Jahr wieder hervorkramte. Winterliche Winterhauchdeko. Schnee im Gesicht, wenn sie heroische Schlachten schlug - nicht auf dem Schlachtfeld, doch auf einem Platz. Als Waffe der Schneeball, nicht die Armbrust, nicht die Klinge. Und zumindest eine warme Schokolade am Abend, sofern sie der Nichtwirklichquasihalbziehstiefmutti nicht auf den Sack gegangen ist. Oder die Küche ausversehen angezündet hatte. Wirklich ausversehen. Schwarzpulver war nun mal leicht mit Mehl zu verwechseln. Nicht?

Sekh knirschte mit den Zähnen. Um ein Haar hätte sie aufgelacht. Kurz hob sie den Blick zum grauen Himmel, ehe sie erneut grunzte.
“Lichtverdammt, ich hasse den Winter.”

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In einem anderen Teil der Stadt schlotterte eine andere rothaarige Göre. Die andere Schwester fror genauso. Sie hatte den Umhang im Versteck liegen lassen, damit Reia ihn fand. Ihre Decke hatte sie ebenfalls dortgelassen. Wenn diese ganzen Leute Recht hatten, würde sie frieren, so völlig durchnässt. Wenn sie allerdings nicht Recht hatten, fror sie selber nun völlig umsonst. Wenn sie nicht Recht hatten… dann hatte die verdammte Flohschleuder Reia vielleicht Schlimmeres angetan.

Rubi hatte keine Lust mehr, durch die Stadt zu streifen. Ihr Bein tat weh und ihre Hand inzwischen auch. Und sie war sauer. Reia hatte sich so dermaßen dämlich angestellt. Und das Tollste ist, dass sie nur uns zusammen gesehen haben, nicht jede einzeln. Aber sie war es, die zu weit gegangen ist. Nun gut, Bewegung würde ihr vielleicht ein wenig Wärme bringen. Also rappelte sie sich auf und verließ ihr Versteck zwischen den Kisten wieder.

Wieder humpelte sie durch die Stadt, jetzt sichtbar mehr ein Humpeln als noch Stunden zuvor. Sie war einfach zu durchgefroren, um sich darum zu scheren. Sie schlich um die Kathedrale herum, lauschte den Gesprächen, an denen sie hier und dort vorbeikam. Bis sie welche reden hörte. Von dem Mädchen, das von einem Worgen in den See geschmissen worden war. Ob das Konsequenzen haben würde? Der eine Mann verneinte. Eine Straßengöre, interessierte niemanden. Genau, dachte Rubi. Sie war schon wieder viel zu wütend. Wer interessierte sich schon dafür, wenn ein Straßenmädchen in nasser Kleidung in einer dunklen Winternacht erfror?

Rubi fühlte sich hin und hergerissen. Natürlich machte sie sich Sorgen um Reia und irgendwie wär sie am liebsten zum Versteck gegangen um zu gucken, was sie noch für sie tun konnte. Doch andererseits war sie furchtbar sauer. Warum war Reia nur so furchtbar dumm gewesen? Natürlich hab ich die blöde Flohschleuder angemacht, die hat mir ja auch aus reiner Gehässigkeit Angst gemacht. Blödheini. Und natürlich hab ich versucht, Reia zu verteidigen. Aber SIE war es, die nicht Ruhe geben wollte. Und das machte sie wirklich sauer. Denn immer mehr Leute hatten sich um sie versammelt. Leute, die ihr vielleicht morgen ein warmes Essen bezahlt hätten. Leute, die sie und Reia zusammen gesehen hatten und sie in einen Topf warfen. Es waren genügend da gewesen, die über sie beide geschimpft hatten.

Blöder Tag. Ne, blöde Woche. Verflucht! Blöder Winter. Nichts lief, wie es sollte. Sie hatte gehofft, inzwischen längst wieder nach Hause zu können. Stattdessen kroch sie nun wieder zwischen irgendwelche Kisten, wo sie nicht vernünftig würde schlafen können, denn es war viel zu kalt. Stattdessen schmerzten ihr Knie und ihre Hand und sie hatte den warmen Kamin einer dummen Schnepfe überlassen. Gut, Reia würde ohne den Kamin vermutlich wirklich erfrieren. Und wenn sie zum Versteck gehen würde, würde sie Reia vermutlich vom Dach werfen. Mama, es tut mir Leid. Du hast immer gesagt, ich soll nicht so wütend werden. Ich bemüh mich. Wirklich.

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Die Morgensonne schien auf den Kanal und goldene Nebelschwaden dampften zu ihr an den Steg. Sie ließ die Füße baumeln, blinzelte in die Sonne, knabberte an einem halbgefrorenen Brot und hauchte in die Finger, um sie zu wärmen.

Irgendwie war es schon nett, dass sie Sean getroffen hatte. Er hatte ihr Essen spendiert und sogar für Rubi etwas ausgegeben. Und das, obwohl er sie nicht einmal kannte. Aber es machte sie auch misstrauisch. Was wollte er von ihr? Niemand war einfach nur so nett! Alle verfolgten ihre eigenen Pläne. Aber welche verfolgte Sean?

Reia sah zwei Enten, die den Kanal entlang schwammen und ab und zu ihre Köpfe unter Wasser steckten. Sie brach ein kleines Stück Brot ab und warf es ihnen zu. Flink paddelten die zwei her und verlangten quakend nach mehr.

Sie warf noch etwas Brot ins Wasser, die beiden fischten es aus dem Wasser und kamen näher. Sie legte Brotkrumen auf die Handfläche und hielt sie ihnen hin. Die Enten beäugten sie misstrauisch aus ihren kleinen, schwarzen Äuglein und schwammen zu ihr. So nahe, Reia hätte nur die Hand ausstrecken brauchen, um sie am Hals zu packen.
Enten waren viel wert. Sie könnte sie fangen und verkaufen oder ganz einfach selbst essen. Doch dann näherten sich Wachen und schepperten an ihr vorbei, die Enten erschraken und flohen.

Reia seufzte tief. Das war es wohl mit ihrem Entenbraten.

Ja, es war nett, dass sie Sean getroffen hatte. Aber auch gefährlich.

Reia blickte den Enten nach, die den Kanal entlang paddelten. Sie würde gut auf sich acht geben müssen in nächster Zeit.

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Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch betrat Rubi die schmutzige Taverne. Im Schwein war zu diesen frühen Morgenstunden kaum etwas los. Eine Matrosin, die von der letzten Nacht noch übrig geblieben war, saß allein an einem Tisch und versuchte mit Kaffee ihre Lebensgeister genug zu erwecken, um es zurück zum Schiff zu schaffen. Eine junge Katze saß unter einem anderen Tisch und verschlang die Essensreste, die dort noch lagen. In einer Ecke lagen Holzstücke rum, vermutlich vom Mobiliar, das gestern Nacht bei einer weiteren wilden Prügelei zu Bruch gegangen war. Ellie, die Angestellte, hatte oben begonnen, den Boden zu fegen. Das Bettlermädchen hustete trocken und näherte sich dem Tresen. Niemand stand dort und so wartete sie unruhig.

Es war ein paar Tage her, dass Rubi hier gewesen war. Doch nirgendwo in der Stadt würde sie so günstig an Tee kommen, in den sie dieses Medisin geben konnte. Hannah hatte ihr gezeigt, wie. Und der Husten ging einfach nicht weg. Zum Glück hatte Reia ihr ab und zu was Lauwarmes zu essen mitgebracht, so wie gestern den Eintopf. Mit Schwung schlug die Tür gegen die Wand als zwei schwergerüstete Krieger die Taverne betraten. Die rothaarige Göre am Tresen zuckte zusammen und ein hastiger Blick über die Schulter versicherte ihr, dass es sich um weitere Menschen handelte. Und keiner gehörte zu diesen Leuten, mit dem Schwert und dem Schild auf dem Wappen. Der eine mit den ganzen Narben im Gesicht war ja erst ganz nett gewesen, hatte ihr Münzen gegeben für Eintopf. Und die Frau, die war ja auch nett. Hatte ihren Wetteinsatz akzeptiert, als seien ein paar Kupfer und ein Stück Schokolade mit einem Gold gleichzusetzen. Fin, das war Reias Bekannte gewesen. Aber dieser Zwerg…

Endlich trat Langstein vor Rubi und nahm ihre Bestellung nach dem Kräutertee entgegen. Finster starrte das Mädchen ihn an. Natürlich verdiente der nicht viel an Straßengören, aber immerhin kamen Reia und sie doch regelmäßig. Trotzdem hatte der nur zugeschaut, als dieser blöde Feuerzwerg erst ihr Essen durch die Taverne und dann sie in den Bauch geschlagen hatte. Das war so wahnsinnig schnell gegangen. Noch schneller waren die paar Bissen Eintopf, die sie schon gegessen hatte, auf dem Zwergen gelandet. Geschah ihm Recht!

Vorsichtig gab Rubi von der Medisin in den dampfenden Tee. Hoffentlich wirkte es dieses Mal. Reia hatte gesagt, an solchem Husten wie ihrem starben viele auf der Straße. Und unzweifelhaft hatte die schon einen größeren Erfahrungsschatz. Rubi schielte nach den Kriegern und zog die Nase hoch. Die würden ihr hoffentlich nichts tun. Wenn der Narbige von denen mit dem Wappen nicht eingegriffen hätte, hätte der Zwerg sie vermutlich umgebracht. Das war ja auch noch ganz nett gewesen. Aber dass er dann meinte, sie hätte den doofen Feuerzwerg provoziert… das fand sie gar nicht mehr nett. Immerhin hatte er einfach ihr Essen durch die Gegend geschlagen. Dafür war er von dem Narbigen aber auch ganz schön übel zugerichtet worden. Geschah ihm Recht!

Rubi nahm ihre Tasse Tee und verzog sich damit nach oben. Dort würde ihr niemand unerwartet in den Rücken fallen können. Irgendwie fürchtete sie sich ziemlich vor dem Zwergen. Das würde sie natürlich niemandem erzählen, Reia schon gar nicht. Aber sie konnte ja nicht wissen, ob der nicht noch auf Rache aus war, weil sein Kumpan ihn ihretwegen so verhauen hatte, dass er den ganzen Boden mit Blut vollgespuckt hatte. Am Ende hatte der Narbige ihr noch mal Münzen gegeben. Weil sie dafür gesorgt hatte, dass er sich prügeln konnte. Leise hustete sie und überlegte, dem anzubieten, öfter für ihn Prügeleien anzufangen. Dafür würde sie aber mehr als ein paar Kupfermünzen verlangen.

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" Hast du den blauen Stoff von Tante Helena her? "
„Ja! Wir waren auf dem Dachboden, und haben nach einem alten blauen Kapuzenumhang gesucht. Tante Helena meinte, es hätte einmal Onkelchen gehört, der leider nicht mehr ist - aber sich freuen würde wenn ich ihn tragen würde im Dienst der kleinen Kleinkompanie! Den trage ich dann einfach über den einfachen Harnisch, den mir Sir Harbold in Cordberg gab - damit trage ich dann beide bei mir und mache sie stolz.“

Shanelle bleibt nichts anderes übrig als einfach nur entzückt zu lächeln und mit einem gewissen stolzen Funkeln im Blick der Kleinrekrutin entgegen zu blicken, während man brav das Sofa hütet und auch einen zweiten Tag unter der Decke mit einer Wärmeflasche da liegt, um Krämpfen der Unterleibgegend entgegen zu wirken mit ganz simplen Mitteln, wie etwa die weisen Ratschläge die eine jede Mutter einer Tochter weitergibt. " Haltung annehmen, Kleinrekrutin! " Prompt nimmt Marigold Haltung an, wie man es sich bei den großen Wachen auch abgeguckt hat und dabei auch keine schlechte Figur macht - manch großer Rekrut würde wohl vor Neid gänzlich erblassen. Ein sanftes Lächeln umspielt abermals die blassen Lippen, während man das Mädchen mit innigen Blicken bedenkt, als könnte es schlicht der letzte Moment sein in dem es ihr vergönnt ist sie zu sehen. " Wirkt auf mich höchst professionell, Liebes! Vielleicht solltest du es dennoch nochmals mit Adrian Pierce oder Andrew üben. Sie können dir sicher noch mehr Ratschläge geben. "

„Andrew auch? War er Soldat?“
" Ja - ein Soldat aus Gilneas. Heute noch nach wie vor sehr stolzer Patriot seiner Heimat. "
„Ob er Großvater kannte? Großvater kam doch auch aus Gilneas.“
" Das eher nicht. Du musst wissen, dein Großvater hat mit 18 Jahren Gilneas verlassen um sich selbstständig zu machen und ein großer Geschäftsmann zu werden - er reiste viel und immer weiter weg von den heulenden Straßen seiner Heimat hinfort. "
„Mh!“

Marigold blinzelt und lockert ihre Haltung auf, als sie auf die filigrane Hand ihrer Mutter nieder blickt, welche sich mit offener Handfläche zu ihr hinüber streckt. So legt sich die deutlich kleinere Hand in die weiche Hand ihrer Mutter wo Finger sich sanft einander umschließen und die sturmblauen Augen in das von Sanftmut geprägte Antlitz blicken. " Ich…fühle mich sehr sicher in deiner Nähe, Kleinrekrutin. " Marigold zieht die Brauen leicht sorgevoll zusammen, während man das blasse und ausgelaugte Gesicht der Mutter betrachtet.

„…Stirbst du, Mama?“
" Oh…nein, nicht doch Liebes. Ich bleibe dir lange erhalten - schließlich möchte ich doch mit Stolz erleben wie mein Mädchen den Weg des Ritters geht, oder gar als Soldatin der Wache. Ich…bin nur etwas müde. " Die Jüngere kniet sich neben das Sofa hin und streift sich die Kapuze vom Schopf, um den Kopf unweit der Mutter auf das Kissen nieder zu legen und sie nachdenklich zu betrachten, während man ihre Hand feste hält.

„Vielleicht Wache! Adrian meinte, er kennt dich und dadurch konnte er vermutlich grob ahnen wer ich bin. Das ist irgendwie gruselig…mich kennen hier viele, aber ich erinner mich nicht.“

" Bevor ich euren Großvater kennenlernte, da waren deine Schwester, du und ich ganz alleine - aber das war nicht schlimm. Wir hatten ja uns - Tag und Nacht habe ich über euch gewacht, und ihr beiden wart stets an meiner Seite. Sogar als ich meine Blütenlichter verkaufte, und die Leute haben sich so sehr gefreut euch beide zu sehen. So sehr, das sie uns hin und wieder etwas mehr Münzen gaben, oder etwas ganz Leckeres, damit ihr einmal größer werdet als ich. Ihr wart noch klein, aber…manche Menschen habt ihr beiden sehr im Herzen berührt und ihnen für einen Tag mehr ein Lächeln geschenkt. " Sanft berühren die blassen Lippen die kleine Stirn des Mädchens und ein paar Strähnen werden sorgsam hinters Ohr gestrichen. " Unsere Welt meint es nicht immer gut mit einem…daher ist es sehr wichtig wie du deinen Mitmenschen begegnest, Liebes. Sei stets aufrichtig und ehrlich…sei hilfsbereit und lass Güte genau dort walten, wo diese gebraucht wird. Eines Tages werden Menschen auf dich zählen - auf den Schutz und die Geborgenheit die du ihnen einmal geben wirst. Gehst du diesen aufrichtigen Weg, wirst du niemals fürchten müssen alleine zu sein…man…wird sich an dich immer erinnern, und dir Güte zehnfach zurückgeben die du einmal anderen Menschen gegeben hast… "


„…Mama?“
Dem fernen Echo gleich dringt die noch so junge Stimme in ihr Unterbewusstsein ein, und lässt die schweren und müden Augenlider nur sehr langsam wieder aufschlagen. Das anrückende Abendgold flutet die bescheidene und überschaubare Dachstube gegenüber den Hallen des Eisernen Pinsels - spendet ein letztes Mal ein Hauch von Frühlingswärme und abendlichem Gezwitscher, bevor die Nacht von Neuem den Zwielichtschleier über die Hauptstadt der Menschen legt.

Der müde Blick geht ins Leere, als sie ihre Hand betrachtet in der noch wenige Stunden zuvor eine deutlich kleinere Hand ruhte. Sie musste wohl eingeschlafen sein, und man besaß die Güte sie auch dort zu belassen im Reich von Träumerei und Stille. Langezogen atmet sie durch und streicht sich verfahren durch das dunkle, gekürzte Lockenhaar um ins Chaos etwas der Ordnung hinein zu bringen - mit eher weniger Aussicht auf Erfolg, und so blieb man einfach liegen auf dem Rücken mit den Händen auf den flachen Bauch niedergelegt. Blicke wandern entlang der schrägen Decke über ihr. Revue passierend das was einmal war, und das was einmal kommen könnte. Namen und Gesichter, ganz gleich welcher Schicht und welchen Alters. Doch allem voran er - Adrian Pierce. Und mit ihm Arundell.

Verschrien und gefürchtet vor den Meisten als Gesicht des Gesetzes und Hüter von Ordnung - Monster mit keinerlei Empathie. Die wenigsten Menschen nahmen sich die Zeit den wahren Kern eines Gegenübers zu betrachten und Urteile über Jemanden werden rasch gefällt - recht wie unrecht. Das eigene Selbstmitleid und der eigene Egoismus hinterfragen nicht, warum ein Mensch im Sinne von Ordnung wie auch Fairness auch mit der Faust durchgreifen muss, sobald jeglicher Respekt im Sinne der Kooperation verwirkt ist - pochend auf Rechte, wo keine sind. Dabei bedarf es doch nur Menschlichkeit, etwas Grips, und den Hauch von Anstand.
Schei.ßkerl…
Verlässt es leise raunend und unter aufkommenden Tränen das unterschiedliche Augenpaar von milchig trüb und Sturmblau. Fluchend, doch nicht wirklich den Menschen an sich verteufelnd, denn mehr der Umstand das er es ihr schwerer macht abzulassen. Distanz zu nehmen, nur um einen weiteren wunderbaren Menschen vor Enttäuschung zu wahren. Die Augen des anderen behütend geschlossen zu halten, damit man nicht sehen muss, zu welchem hässlichen Menschen sie verkommen ist, der ein Leben führt in einem ewigen Katz und Maus Spiel. Gefangen und eingekesselt zwischen Gesetz und Kriminalität als Hüterin von Geheimnissen die besser verschwiegen bleiben und niemals in falsche Hände geraten. Ein Leben auf der ewigen Flucht, getrieben von Angst. Der Tag würde auch für sie einmal mehr wieder kommen, eine bitterliche Entscheidung treffen zu müssen.

Die Entscheidung zwischen Schwarz oder Weiß.

(Liebe für einen Thread den ich sehr gerne gelesen habe - hoffentlich schreibt ihr wieder fleißig!

Bestäubende Grüße
Ein ganz hibbeliger und erwartungsvoller Frühling :cherry_blossom: )

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Den dritten Tag verbrachte sie schon damit, diese blöde Schnur ins Wasser zu halten. Sie hatte es versprochen, hatte zugesagt, es zu probieren. Aber ihr Bauch tat inzwischen zu sehr weh. Maus kannte das. Es begann mit einem dumpfen Grollen, ging über in stechende Schmerzen, Krämpfe, die sie nicht schlafen ließen und irgendwann spürte sie fast nichts mehr, nur noch das sehnsüchtige Ziehen. Bald würden die Krämpfe aufhören. So war das, wenn sie nicht den ganzen Tag damit verbrachte, Münzen zu sammeln. Ob sie nun ihre Armbändchen verkaufte, den Leuten Schwefelhölzchen andrehte oder einfach bettelte. Irgendwie bekam Maus meist genug zusammen, um zumindest die stechenden Schmerzen fern zu halten. Nun krümmte sie sich allerdings unter einem besonders gemeinem Krampf, stieß ein leises Keuchen aus. In den letzten Tagen hatte sie nur die Reste eines trockenen Brotes und Wasser zu sich genommen. Wenn sie heute wieder nichts fing, dann musste sie an den Vorrat gehen.

Der Vorrat waren versteckte Münzen. Maus verließ sich nicht darauf, dass ein Versteck ausreichte, darum hatte sie an vielen verschiedenen Stellen versteckt, was sie an Geld besaß. Wie ein Eichhörnchen. Wie würde Eliott gucken, wenn er wiederkam und sie würde ihm erklären, die Maus wär nun ein Eichhörnchen? Sie lächelte verhalten, krümmte sich anschließend über einen neuen Krampf und seufzte dann. Wahrscheinlich hatte Eliott gelogen und es gab überhaupt keine Fische in diesem See. Wie er wohl gucken würde, wenn sie seine doofe Angel einfach in’s Wasser warf?

Im ersten Moment spürte sie das Zupfen gar nicht. Zu tief war sie versunken in Selbstmitleid, Trotz und Hungerkrämpfe. Doch als das Holz der Angel ihr beinah aus der Hand gezogen wurde, zuckte Maus zusammen und krallte die Finger fest darum. Ganz vorsichtig, das wusste sie. Oft genug hatte sie an anderen Orten den Anglern… nein, darüber wollte sie nicht nachdenken. Lieber hierauf konzentrieren. Langsam, aber stetig zog sie die Angelschnur komplett aus dem Wasser. An ihrem Ende zappelte ein Fisch in wildem Widerstand, schlug mit der Schwanzflosse heftig aus. Doch sie hatte die gemalten Anleitungen in dem Buch ganz genau studiert, während der langen Stunden des Wartens. Und als schließlich ein toter Fisch neben Maus lag, war es mehr als Stolz. Es war ein Triumph.

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