(überarbeitet am 11.5.20)
DKP-Systeme sind in Classic ein notwendiges Übel. Hier möchte ich das System vorstellen, welches ich über 1 Jahr lang als Lootmaster einer „normalen“ Raidgilde verwendet habe, und mit dem es keinen Ärger gab (2010, WLK).
Das perfekte DKP-System:
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Jeder Spieler hat ein DKP-Konto, das er für jede seiner Figuren verwenden kann. Neue Mitglieder oder Gäste steigen mit 20 DKP ein.
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Für die Teilnahme an einem Raid bekommt jedes Raidmitglied 5 DKP, plus 2 DKP pro Stunde.
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Regelmäßige Mitglieder dürfen für eine ihrer Figuren eine Main Spec festlegen.
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Items werden versteigert. Das Anfangsgebot ist 1 DKP, danach wird in Vielfachen von 5 weitergeboten. Wenn jemand für seine Main Spec bietet, müssten alle anderen (Gäste, Alts, Offspec) bei 20 DKP aufhören zu bieten, dann dürfen nur noch andere Main Specs weiter bieten.
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Das höchste Gebot gewinnt. Wenn mehrere Leute dasselbe geboten haben, gewinnt das im Chatverlauf erste dieser Gebote. Wenn niemand etwas geboten hat wird das Item verwürfelt.
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Jede Woche wird der DKP-Score von allen Mitgliedern um 7% verringert („Steuer“), aber nicht unter 20 DKP.
Diskussion:
In Classic beobachte ich zur Zeit viele Fixed-Price-Systeme (FP), häufig gemischt mit etwas Loot Council (LC). Ebenfalls beliebt sind modifizierte /roll-Systeme, die im Prinzip auch FP sind (wer ein Item gewinnt gibt in der Regel sehr viele seiner gesammelten „Punkte“ ab). Bietsysteme werden eher vermieden.
Insbesondere LC erfreut sich großer Beliebtheit. Für World-First-Top-Gilden ist LC wahrscheinlich das beste System. Wenn jedes Mitglied genau weiß, was für den Raid als Ganzes am Besten ist, und danach handelt, gibt es zu LC keine Alternative. In Hobby-Gilden allerdings ist LC nur so gut, wie der Lootmaster, und das Maß an Zufriedenheit im Raid so groß wie die Einsicht. Wer traut sich ernsthaft zu, von jedem Drop genau zu beurteilen, wer ihn bekommen soll, damit die Gilde maximalen Fortschritt erzielt?
FP-Systeme haben einen gemeinsamen, zentralen Nachteil: sie führen zu Disenchants. Es gibt bei FP regelmäßig Situationen, in denen ein Drop für irgend jemanden ein Upgrade wäre (d.h. der Raid ein kleines bisschen besser werden würde), dieser jemand aber nicht bereit ist, den festen (in der Regel hohen) Preis zu bezahlen, weil es für denselben Slot ein besseres Item gibt. Also wird dieses Item gedisst.
Bietsysteme haben in der Regel zwei spezifische Probleme: Preistreiberei und Preisabsprachen (Collusion).
Ein drittes Problem, welches häufig mit Bietsystem assoziiert wird, tatsächlich aber auch in FP-Systemen besteht, ist das des uneinholbaren Vorsprungs älterer Mitglieder gegenüber Neueinsteigern. Die Lösung ist immer eine Steuer (Decay).
Das oben vorgestellte System ist ein auf seinen Kern reduziertes klassisches DKP-System. Bevor ich es damals eingeführt habe gab es ein paar Wochen Diskussion in der Gilde und mit den anderen Offizieren. Dabei wurde insbesondere die Steuer kritisiert. Steuern sind doof und bestraft vor allem die regelmäßigen Spieler mit vielen DKP.
Dieses Argument ist bereits theoretisch falsch, und wie sich im Betrieb zeigte auch praktisch. Tatsächlich profitieren auch die aktiven Spieler. Die Steuer betrifft fast jeden (nur die Leute mit sehr wenig Punkten sind davon ausgenommen, aber die zahlen sowieso fast nix), deswegen ändert sie an der Reihenfolge gar nichts. Wer nicht regelmäßig an Raids teilnimmt, oder auf kleinere Upgrades verzichtet um zu sparen, verliert DKP an die Steuer.
Gäste hatten wir damals eher wenige, von daher weiß ich nicht, wie gut das wirklich funktioniert, vielleicht könnte man die Regel einführen dass Gäste mit nur 10 DKP einsteigen.
Positiv angenommen wurde die Punktevergabe. Die im Raid verbrachte Zeit zu belohnen ist sehr gerecht, ansonsten entsteht leicht das Problem, dass progression runs, die nur Zeit und Geld kosten, aber wenig Beute bringen, unterbelegt sind, während sich um die Plätze in farm runs (viel Beute und wenig Wipes) geschlagen wird. Das Argument, dass dieses System Müßiggang belohnt, ist nicht stichhaltig. Die berühmten Slacker gibt es meiner Meinung nach kaum, und wenn, dann ist es nicht die Aufgabe des Lootsystems, sie zu disziplinieren.
Ein weiteres Argument in der Diskussion war, dass es ärgerlich sein kann, für einen Drop viele Punkte bezahlt zu haben, der einen Monat später für 1 DKP an Offspec und Alts verteilt wird. Das theoretische Argument dagegen ist, dass niemend dazu gezwungen ist, ein hohes Gebot abzugeben. Praktisch ist diese Unzufriedenheit auch nicht aufgetreten.
Der subjektive Wert eines Drops ändert sich ständig - das ist gerade das Problem von FP-Systemen. Der feste Preis ist häufig zu hoch, bei den Top-Drops gleichzeitig oft zu niedrig. Wenn ein Veteran einen seltenen Drop nimmt, verliert er in FP-Systemen weniger Plätze auf der Rangliste als in einem Bietsystem. Neueinsteiger dagegen bezahlen für ihre wichtigen „normalen“ Upgrades überhöhte Preise und verlieren dadurch jede Chance auf Top-Items.
Wir haben damals 2-3 Tage pro Woche geraidet, die durchschnittlichen DKP-Einnahmen pro Spieler und Woche lagen zwischen 25 und 30. Der DKP-Leader hatte etwa 220 Punkte. Neue Gildenmitglieder bekamen typischerweise schon beim ersten Run 2-3 Items, und konnten nach etwa 1 Monat bei den Top-Items mitbieten.
Das Problem der Preisabsprachen wird durch die Offspec- und Alt-Regel gemildert, weil sich an einer Absprache nicht nur die regelmäßigen Raidmitglieder beteiligen müssten, sondern auch alle Offspec, Alts und Gäste. Die Regel bewirkt eine Art weiches Mindestgebot. Vollständig vermeiden lässt sich das Problem aber nicht. Es gibt entweder Disenchants oder sinkende bzw. abgesprochene Preise, einer dieser Effekte ist unvermeidbar.
An dieser Stelle kann auch die Frage gestellt werden, ob Absprachen überhaupt ein Problem sind. Bei einer Absprache wird im Raid kommuniziert, Leute machen sich Gedanken über ihre Mitspieler. Man kann das als eine Art LC im Kleinen interpretieren, und das ist eigentlich positiv.
Preistreiberei wird in diesem System nicht direkt verhindert. Im Gegenteil, dass jeder bis zu 20 DKP bieten kann ist eine Art Anreiz für limitiertes Hochbieten. Über 20 Punkten darf nur Mainspec gegen andere Mainspec bieten. Damit es Preistreiberei würde, dürfte einer der beiden kein echtes Interesse an dem Drop haben. Diese Konstellation kam damals kein einziges Mal vor. Der Hochbietende ginge ein erhebliches Risiko ein, das Item zu einem (für ihn zu) hohen Preis zu bekommen.