Die Schatten lockten erneut.
Wie lang hatte sie diesen Moment gefürchtet? Vom letzten Tag an an dem die damals noch junge Akolytin im Dienst der Geißel stand, hatte sie im Verborgenen, im Schatten gewartet. Versucht ein normales Leben zu führen. Versucht einen neuen Sinn zu finden.
Doch ihr sollte es verwehrt bleiben. Man hatte ihr schon ihren Liebsten genommen, ihr den Tod den sie suchte verwehrt und sie dann zu einer andauernden Existenz in Kälte und Dunkelheit verdammt. Und sie verdammte alle die dafür verantwortlich waren. Die Adligen von Sturmwind, die Apotheker der Verlassen, eigentlich alle Lebenden und Untoten.
Doch nun hatte man sogar ihre Gunst und Gnade mit Füßen getreten. Abberworth hatte sie weg gejagt nachdem du Hexe des Schwarzforsts einen neuen Angriff auf ihn gestartet hatte. Die Gnomin wusste nicht einmal davon doch wurde ihr die Verantwortung dafür zugeschoben. Und damit war das flüchtige Bündnis der Beiden nichtig. All die Zeit und Energie die sie in die Hexenjagd investiert hatte umsonst.
Und dann geschah das Undenkbare. Die Geißel kehrte zurück und fiel sogar durch den gefallenen Wall in Gilneas ein. Diesmal war niemand da der sie hätte zurückhalten können, kein versammeltes Militär, keine Magier, keine Orden des Lichts. An diesem Ort gab es nichts was die verrottende Meute hätte niederringen müssen. Daher traf es die Halbinsel nicht so schwer wie die Städte des Königreichs Sturmwinds, welche, das vermutete die Totengräberin, inzwischen einem neuen Pestland mit Sturmwind als zweitem Stratholme gleichen würden.
Auch Khaz Modan würde von der Flut des Todes Überschwemmt werden, doch die Zwerge und Gnome hatten ihre Bunkeranlagen in denen sie sich verschanzen konnten. Das konnte ihr nur recht sein, denn irgendwer sollte ja auch überleben und sei es nur um diese Apokalypse im Untergrund auszuharren. Vielleicht war das auch die Chance für ein paar der anderen Bewohner Azeroths, das heißt, wenn ihre Vettern sie aufnehmen würden.
Wie es auf den anderen Kontinenten aussehen würde konnte die Gnomin nicht einschätzen, aber sie war sich sicher, dass die halbwegs intelligenten Völker in der Lage wären gegen den Ansturm zu bestehen.
Wieder einmal war Wispel dabei die Linien eines Ritualkreises zu vollenden. Versteckt in ihrem kleinen Sanktum wollte sie eine Botschaft aussenden… Nun ja… zwei Botschaften um genau zu sein. Zwei Botschaften die sie während ihrer Bestattertätigkeit auf den meisten Friedhöfen der Königreiche verborgen hatte nur um sie zu enthüllen wenn jemals die Zeit für jene wie sie gekommen wäre sich erneut aus dem Schatten zu erheben und die Welt unter ihrer dunklen Magie erzittern zu lassen.
Die erste Nachricht galt all jenen, die jetzt den Zorn der Toten zu spüren bekamen. Eine Warnung und ein dunkles Angebot verfasst in violetten Lettern der Gemeinsprache:
„Erzittert Sterbliche! Die Zeit des Erwachens ist gekommen! Die Geißel ist zurückgekehrt um eine blutige Ernte einzuholen. Auch der Kult der Verdammten hat sich aus den Schatten erhoben und so bleiben euch nurmehr zwei Möglichkeiten. Ergebt euch der Dunkelheit und schließt euch uns an um auf eine gemeinsame Ewigkeit Seite an Seite hinzuarbeiten oder wartet auf euer unausweichliches Ende!“
Zwischen den Zeilen dieser Nachricht versteckte sich eine zweite, nur lesbar für Jene die des Nerubischen mächtig waren. Nur erkennbar für jene die die versteckten Runen in der Anordnung der Buchstaben ausmachen konnten.
Die grobe Übersetzung lautete:
„Herold der Kälte und des Todes wartet im gefallen Königreich des Nordwestens zwischen Fluss und Ozean. Brüder und Schwestern, tretet aus Schatten und folgt dem Ruf.“
Jeder Student der schwarzen Kunst der Nekromantie würde es interpretieren können, ein paar fähige Archäologen und vielleicht die schwarze Klinge auch. Aber Wispel machte sich keine Sorge darüber. So vollendete sie die Runen und entzündete eine Kerze mit schwarzer Flamme darauf.
In den nächsten fünf Nächten würde das Signal einer Kaskade gleich von Friedhof zu Friedhof springen und die dunkle Kunde preisgeben die auf den Grabsteinen versteckt war. Die Nachricht war genau abgestimmt, dass man die versteckte Botschaft in jeder Anordnung der Gräber herauslesen konnte, wenn man nur danach zu suchen wusste. Zuletzt würde es auf Sturmwinds nördlicher Friedhofsmauer erstrahlen für alle sichtbar.
Von der Midnacht an bis zum Hahnenschrei würde diese Botschaft andauern und dann mit den ersten Sonnenstrahlen verschwinden. Die Gnomin wendete ein großes Maß an Kraft an um dieses Leuchtfeuer auszusenden aber es würde sich lohnen.
Jeder der versuchte das Signal zurückzuverfolgen würde spätestens am Dalarankrater die Spur verlieren. Dafür würde dessen Anomalie sorgen. Um allen anderen die ihr nachstellen könnten die Jagd zu erschweren, müsste Wispel nur ihre Rolle als die Totengräberin weiterspielen. Wer würde eine lichtfromme Frau schon verdächtigen Teil der aktuellen Bedrohung zu sein?
Vielleicht würde der verrückte Wirt eine effektive Ablenkung bieten, vielleicht könnten die andere Hexen falsche Fährten auslegen.
Aber eines war sicher. Niemand würde sich ihr in den Weg stellen. Bald würde Gilneas Ihr und ihr allein gehören.
Der Siegeszug von Wispel Frost hatte begonnen.