[Guide] Norddeutsch für Anfänger

Also gebürtige Hamburgerin mit plattdeutschen Wurzeln muss ich ja gestehen, dass sich bei einigen ausgespielten tirassischen Mundarten meine Fußnägel kräuseln. Daher dachte ich, ich fass’ mal 'n büschen was zusammen, um’s euch zu erleichtern :wink:

Das ist keinesfalls als Nonplusultra gemeint. Aber wenn die Tirassen schon norddeutsche Synchronsprecher haben, dann würd’ ich mich freuen, sowas auch im RP zu lesen.

Also hier mal eine kleine Einführung!


Die Quiddjen-Anleitung

Du willst’n richt’gen Norddeutsch’n spiel’n? ‘s wird nich’ einfach, des kann’ich dir vertell’n du. Aber jut, ich will ma’ nich’ so sein, ne?

Zuerst ma’: Norddeutsch is’ nich’ nur ‘ne Mundart, Norddeutsch is’ ‘ne Lebenseinstellung, die sich am Besten mit folgendem Satz beschreib’n lässt: “Wat mutt, dat mutt!” Also schnacken’wa mal über’n Paar Sachen, die nich’ zur Debatte steh’n, sondern sein müss’n!

1. Über’s Wetter wird nich’ gemeckert!
“Schietwetter” fängt bei Windstärke 12 an. Und Sturm is’ auch erst, wenn Schafe keine Locken mehr haben. Und “Regen” isses auch erst, wenn die Heringe auf Augenhöhe schwimmen. Außerdem formt Gegendwind den Charakter.
Un’ überhaupt: Nirgends scheint der Himmel so schön Grau wie in Norddeutschland.
(Das sind alles gängige Redensarten bei uns. Gern benutzen!)

2. 's Fischbrötchen is’n Zweihänder
Wenn du am Hafen wat futterst, halt’s gut fest. Die Möwen sin’ immer hungrig.

3. Allet, wat bergauf geht, is’ auch’n Berg.
Du kommst aus’n “richtigen” Bergen? Mir doch schietegal. Dat is’ 'ne 20 Grad-Neigung, also darf ich meggern!

4. Moin
“Moin” is’ die universelle Begrüßung. Morgens, Mittags, Abends, Geburt, Hochzeit, Beerdigung, jeden Morgen oder nach Jahren das erste Mal.
Ach und “Moin Moin” is’ schon Gesabbel. Dass das klar is’.

5. Tee
Solang wir nich’ über dein Bier meckern, meckerst du nich über’n Tee.

6. Begeisterung
Wenn wir vor Begeisterung ausrasten, äußert sich das in ‘nem “Jo!”. Mehr is’ nich’ zu erwarten. Das is’ bei uns nämlich ‘n vollständiger Satz. Subjekt, Prädikat, Objekt. Is’ klar, ne?

7. Jahreszeiten
Es kann regnen, stürmen oder schneien: Solange die Pfützen nich’ zufrieren, nennen wir das Sommer.

8. Wat der Jung nich’ kennt, dat frett he nich’!
Was wills’u mir da andrehen? Habbich noch nie gehört. Bleib’ mir wech damit!

9. Geiht nich’ givt nich’!
Unsere Version von: Probieren geht über Studieren. Wir probier’n alles aus und lass’n uns nich’ Bange machen!


Weitere Redensarten:

“Nu’ mach’ ma’ Butter bei die Fische!” - Red mal Klartext!

“Nich’ lang schnacken, Kopp in Nacken!” - Nicht nur’n Trinkspruch, sondern auch ‘ne Aufforderung an den Trinkpartner, nich’ soviel zu sabbeln.

“Da kann ich doch nix für!” - Schuldabweisung

“Besser is’ das” - Gespräch verpasst? Perfekte Antwort.

“Lass’ das ma beschnacken, du …” - Die Norddeutsche Version von: “Schatz, wir müssen reden.”

“Dat löpt sich all’ns torecht!” - Das wird schon.

“Bist 'n büschen muksch heute?” - “muksch” bedeutet soviel wie “sauer”, “pissig” oder Sonstiges.

“Denn man tau!” - Wortwörtlich: “Dann mal zu!” Also heißt’s soviel wie “Auf geht’s!”

“Das werd’ ich dir schon noch irgendwie beipulen.” - Beipulen heißt erklären.

“Nu’ komma zu Potte!”/“Mach’ hinne!” - Beeil dich.

“Da nich’ für.” - Die gängigste Antwort auf “Danke”

“Wo geiht di dat?” - Folgt gern auf “Moin”. Heißt “Wie geht es dir?”
“Schieß den Döspaddel in Wind!” - “Mach’ Schluss mit dem Deppen.”

“Hummel Hummel! - Mors Mors!” - Beschde Begrüßung unter Homies vong Bedeutung her!

“Bin schon fast wieder auf’m Damm.” - “Bin fast wieder gesund.”

“Kiek mol wedder in!” - Sagen nur Norddeutsche, die dich mögen. Oder der Barmann. “Schau mal wieder rein.”

“Min Deern/Min Jung” - So wird jedes Kind angesprochen. Oder wahlweise liebe Freunde.

“Schietbüddel” - Baby

“Buddel” - Wir sagen NIE Flasche.

“Dat du min Leevsten büst.” - “Dass du meine Liebste bist.” - Plattdeutsche Liebeserklärung.


Die gängigsten Worte, die auch ein “hochdeutscher Norddeutscher” nicht so wirklich aus seinem Vokabular rauskriegt:

“Quiddje” - Quittierter - Zugewanderter Hamburger/Tirasse
“Gnaddelig” - Schlecht drauf
“Luschern” - Heimlich schauen
“Drömelig” - Langsam/Verpeilt
“Funzel” - Zu dunkle Lampe
“Blagen” - Nervige Kinder
“Plietsch” - Klug/Clever
“Töffel” - Depp
“Büx” - Hose
“Figgelinsch” - schwierig, kompliziert
“Krüsch” - wählerisch
“piefig” - spießig
“Piefke” - Arroganter Mensch
“büschen” - bisschen
“Dummtüch” - dummes Zeug
“Feudel” - Wischlappen (oder ne echt hässliche Frisur)
“Klönen” - Sich unterhalten
“mittenmang” - mittendrin
“pieschern” - pinkeln. Oder leichter Regen. ("'s pieschert 'n büschen.")

“Pott” oder “Pötte” (Mehrzahl) - Im Grunde “Topf” oder auch “Klo”. So wird aber auch ein Schiff genannt.
“In die Pötte kommen” - Mit etwas fertig werden
“Kaffeepott” - Kaffeebecher

“Puschen” - Hausschuhe
“rammdösig” - benommen
“sutsche” - langsam/gemächlich (positiv)
“tüddelig” - durcheinander/wunderlich
“Tüdelkram” - Kennste inzwischen :wink:
“verbaseln” - vergessen
“vertüdelt” - miteinander verknotet (Lichterketten zum Beispiel)
“Pöscher” - Po

“Rinn in’ne Plünn” - Rein in die Klamotten - Oder auch: “Bringen wir’s hinter uns”

“Heiermann” - Ursprünglich 5-Mark-Stück. Kannst’ aber auch zu 'nem Goldstück sagen, als Äquivalent

“Plünnen tosoom smieten” - Die Plünnen zusammenschmeißen. Bedeutet heiraten.

“jiepern” - etwas begehren
“Seuten” - ein Kuss
“Sööt” - Süß
“Töfreden” - Zufrieden
“Eenschichtig” - Einschichtig - ledig
“Hachpachen” - Herzklopfen
“Maanschien” - Mondschein
“Pläseer” - Vergnügen
“snobeln” - schnäbeln - küssen
“Eiah mooken” - streicheln/liebkosen. Kann auch anzüglich verwendet werden.

“Klei mi an’n mors” - Leck mich am A*sch

“Oha” - Ohje
“Ohauehaueha” - Weltuntergang

“Knust” - Das harte Ende von einem Brotlaib
“Ich kriech’ hier gleich’n Knust!” - Ich raste gleich aus

Das war das Gängigste. Viel Spaß damit!

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Eine schöne Auflistung. Vielleicht noch ergänzend als Hilfe: Das “au” ersetzen durch ein “uu”. Aus Haus wird dann Huus, aus Maus wird dann Muus… und so weiter. Die Hausmaus wird dann zu Huusmuus.^^

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Danke und stimmt x3 Generell sprechen wir sehr breit und sind mundfaul. Und das “G” kennen wir nich’. Das is bei uns das “ch”.

ja, ich komme aus NF und hatte Platt in der Schule. Weniger ist manchmal mehr^^

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Und ich dachte unser Dialekt ist schlimm.

Irgendwie feier ich den Guide ein bisschen.

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Die sprechen nicht wirklich so, oder?

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Oh doch. Ist eine herrliche Mundart!

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Da brauch’ ich mir als Tiroler ja gar nicht mehr dumm vorkommen für den Dialekt, spitze. :smiley:

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Das kenne ich, aus NF kommend so nicht.
Aber sehr toll!

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Wie gesagt: Mundfaulheit!

Aber stimmt, das “jut” ist nicht typisch Norddeutsch. Passt aber rein, find’ ich.

Na wat is dat deen? En Geed für Nordeutsch? Eegentlich müsst et ja een Guide für Kul Tirassisch sinn, aye?

Aba veelecht helft it jo de Männers und Madels mesch besser im RP zu versteh´n nesch?

Manche ham damet escht een Problem un esch weeß nesch warum!


Sehr gut gemacht

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Erstmal den Monitor mit Kakao besprenkelt vor lachen.

Bestäubende Grüße
Ein Schietbüddel Frühling

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Moin! Do find sich ook deer torecht, der nie Platt geschnackt hett. Leeven Dank daföör! :slight_smile:

Eine kleine linguistische Feinheit übrigens noch: “Plattdüütsch is een egen Spraak”. Platt ist eine eigene Sprache, die mit dem Niederländischen näher verwandt ist als mit dem Standarddeutschen. Im Gegensatz zu Letzterem hat es nie die deutsche Lautverschiebung durchgemacht. Im RP sollte man sich dann überlegen, wie stark man mit den Sprachen spielen möchte. Das kann von dem Andeuten eines leichten Akzentes gehen (“Ich bin feddich!”) über typische Satzstellungen (Plattdeutsche Satzstellung: “Da kann ich nichts für” ggü. Standarddeutsch: “Dafür kann ich nichts”) bis zu dem Verwenden von tatsächlichem Platt. Zu Letzterem gibt es allerdings keine einheitliche Grammatik oder ein einheitliches Wörterbuch, was den Einsatz, wie auch im Gebrauch im RL, schwierig macht, wenn das Gegenüber einen anderen Regiolekt spricht. An einer Standardisierung, beziehungsweise Erfassung, wird allerdings gerade von Linguisten gearbeitet. :slight_smile:

Schöne Website dafür ist das Plattdeutsche Wörterbuch: “Platt för Plietsche”. Sie befasst sich maßgeblich mit den westniederdeutschen Dialekten, also denen, die im Raum Hamburg/Niedersachsen/Schleswig-Holstein geschnackt werden.

Torüch to’n Thema: 'N propper Guide! :slight_smile:

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Uh, ein Germanist? :3
Lustig, wie einige dieser Worte es sogar zu mir in den tiefen Süden geschafft haben, trotz zwei verschieden starken Lautverschiebungsbereichen … hier in Klein Mordor benutzt man mancherorts auch “Puschen” (allerdings mit kurzem u), “Pott” (nun gut, bei uns ist damit dann das stille Örtchen gemeint) … nur statt Büx sagen wir Bux x)

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Nicht ganz.^^ Ich habe nur eine sehr gute Freundin, die Ethnologin und Linguistin ist und sich damit befasst. Da bleibt gerne mal etwas hängen.

Oh, und niederdeutscher Muttersprachler! :slight_smile:

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Okay, jetzt trau ich mich überhaupt nicht mehr … wenn ich etwas absolut nicht kann - und im schriftlichen RP noch dazu seltsam finde -, dann sind es Dialekte seufzt
Aber der Guide ist toll! :+1:

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Einfach emoten:

kneift die Augen zusammen, zieht an seiner / ihrer kurzen Pfeife und sagt "Jo"

Ich habe es ja leider auch nicht erlernt obwohl von da stammend, wenn ich plattdeutsch spreche, lachen sich echte Plattler halb tot, meine hessischen und bayrischen Freunde denken aber ich spreche es fließend. :wink:

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Als Norddeutscher aus der Nähe von Hamburg ging mir doch direkt das Herz auf, so eine schöne Zusammenfassung der Heimat <3

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Du meinst, mit Wortkargheit könnte man sich um einen stummen Kul Tiraner herummogeln? Hm …

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…obwohl das natürlich auch wieder nur ein Klischee ist…mir sagt man nach, dass ich manchmal Sabbelwasser getrunken habe.

Mir ging übrigens auch das Herz auf, bei dem Guide. :heartpulse:

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