Nasse Katze
In der kleinen Arbeitsstube wurde wie immer fleißig gewerkt.
Die kleine Destille blubberte leise vor sich hin, verkochte ohne Unterlass die darin aufbereiteten Lotusblüten um deren Extrakt zu gewinnen. Das sich bereits im Auffangbehälter gesammelte Destillat verströmte beim Abkühlen einen leicht süßlichen Duft, der sich mit dem Geruch des verbrennenden Fischöls vermischte und dem Ganzen ein leichtes Fischerdorf-Ambiente verlieh.
Es erinnerte Dào immer wieder an sein Geburtsdorf, das kleine Fischerdorf Sri-La. Dort hatte seine Großmutter häufig diese Tinktur hergestellt, und er als kleiner Stöpsel hatte ihr dabei geholfen. Von ihr hatte er viel über die Vielseitigkeit der örtlichen Flora gelernt, was sich nun seit Jahrzehnten in seiner Arbeit im Tian-Kloster wiederspiegelte. Daher mischte er dem Endprodukt auch immer etwas Salbeitee hinzu – Auch wenn man es nicht glauben würde verstärkte der Tee noch die Wirkung und die Bekömmlichkeit des Extrakts.
Wenn das Tee-Extrakt-Destillat abgekühlt war, war dies der Hauptbestandteil für diverse Tränke, Salben und Tinkturen mit schmerzlindernder und entzündungshemmender Wirkung.
Die kleine Flamme des Brenners erhitzte unermüdlich die Destille, flackerte im Rhythmus von Dào’s Atem – Der damit beschäftigt war Seidenkrautstängel und Teeblätter in seiner handbetriebenen Steinmühle zu einer pastellgrünen Paste zu zerreiben. Als Zusatz fügte er immer etwas Steinsalz hinzu, wie von seiner Großmutter unterrichtet. Dies beschleunigte diesen sonst recht langwierigen Prozess.
Der herbe und erdige Geruch der Paste übertönte den des Extrakts bei weitem, war aber vermischt mit den zerkleinerten Salzkristallen keineswegs unangenehm – Es roch beinahe wie in einer Teestube. Dào liebte diesen Geruch, der gepaart mit der wohltuenden, kühlen Bergluft für ein absolutes Wohlfühl-Klima in seiner Hütte sorgte – Auch wenn Besuche rare waren, verließen sie ihn doch meist Entspannter und mit weniger Kummer. Bereits ein angenehmer Duft kann viele Probleme lösen.
Die fertige Paste war der Grundbaustein für eine ganz spezielle Salbe, die er dieses Mal herstellen würde. Eben darum hatte er das Extrakt frisch herstellen müssen – Bereits verwendbares hätte im Lager bereits auf seine Verwendung gewartet. Aber das Resultat war bei weitem besser und ergiebiger wenn sie mit frischen Zutaten erzeugt wurde.
Als er nun mit der Qualität der Paste, ebenso mit der des Destillats zufrieden war, war es Zeit für den nächsten Schritt. Dafür hatte er bereits im Vorfeld seinen großen Granitmörser über einer weiteren Flamme erhitzt, damit die weißliche Flüssigkeit, die sich im Mörser befand, auf Arbeitstemperatur gebracht werden konnte. Würde die Flüssigkeit einen leicht silbrigen Schimmer annehmen wäre die Zeit gekommen die Zutaten zu vermengen – Langsam und mit äußerster Vorsicht.
Immer eine Messerspitze der Paste nach der anderen. Würde sich die Mischung während der Prozedur leicht bräunlich färben, müsste er ein paar Tropfen des Extrakts hinzufügen um diesem Effekt entgegenzuwirken. So verbrachte er nun die längste Zeit damit eben dies zu tun – Rührend, tropfend, verstoßend.
Der Regen, der kräftig und lautstark auf sein Dach prasselte, war dabei die einzige Geräuschkulisse die er hatte und auch akzeptierte. Alles andere hätte seine Konzentration gestört und war bei dieser Arbeit unerwünscht. Daher konnte Dào diese Salbe meist sehr selten herstellen, da er sich ansonsten nicht sicher sein konnte sie auch ungestört verarbeiten zu können. Das Gewitter, das draußen tobte, sollte aber für diese Ungestörtheit sorgen. Ab und an hallte noch ein Donnergrollen durch das Gebirge, aber dies war keineswegs ungewöhnlich und gehörte schon fast zum Alltag.
Aber dass nun lautstark an seine Hüttentüre gehämmert wurde nicht – Beinahe hätte der den Stößel fallen gelassen.
<<Sensei!! >>
Auch wenn die Stimme durch Regen, Tür und Wind etwas verzerrt war, erkannte er diese dennoch.
Ihm entglitt ein leichtes Seufzen, musste er nun doch seine Arbeit unterbrechen – Hoffentlich nicht zu lange, nicht dass die ganze Arbeit nun doch für nichts gewesen wäre. Er erhob sich schritt gen Tür um der Pandarendame Einlass zu gewähren. <<Ich komm ja schon – Aber Reiß mir doch bitte nicht die Tür ein Nin! >>
Nin, eigentlich Ninchi, war eine junge Pandarendame, die Dào zur Genüge kannte – Eine der Schülerinnen die es einfach immer übertrieb. Viel zu oft war sie dazu ermahnt worden sich doch in Geduld zu üben, und viel zu oft hatte sie dies ignoriert. Daher verletzte sie sich auch signifikant häufiger als die Mehrheit der anderen Schüler – Daher auch ihr Markenzeichen, das abgeschnittene linke Ohr. Das hatte sie sich beim Schwerttraining selbst abgetrennt, in ihrem ersten Jahr im Kloster. Wer unerfahren mit Klingen war und gegen die Anweisungen der Lehrenden handelte hantiert musste damit rechnen.
Untypisch war jedoch dass sie selbst zu ihm kam – Meist musste er wegen ihr zum Trainingsgelände gerufen, von anderen Schülern. Sie war einfach eine Wildkatze.
Aber ihre Ausbildung war seit geraumer Zeit abgeschlossen, und daher war auch etwas Ruhe um sie herum eingekehrt. Auch hatte sie begriffen dass Tatendrand nichts Schlechtes war, aber Zuviel davon oft nicht hilfreich war.
Komplett durchnässt und völlig außer angestrengt keuchend stand Nin nun in seinem Vorraum und presste irgendwelche Laute hervor die zu identifizieren er nicht in der Lage war. Wie schnell war sie nur durch das Unwetter geeilt um ihn aufzusuchen?
Egal, erst einmal beruhigen.
<<Tief einatmen meine Gute – Ich verstehe hier kein Wort>>
Nach mehreren Atemzügen verstand man zumindest etwas.
<<Wu… Waldrand… Lager… Fremde… Regungslos… Nebeltrauben…>>
Mehr brachte die keuchende Nin nicht hervor.