Ich vermisse manchmal auch das ‚alte Gamedesign‘, aber aus anderen Gründen. Früher war man nämlich mit dem Main irgendwann auf einem Stand, ab dem es für recht lange Zeit, zumindest bis zum nächsten Content-Patch, schlicht nicht mehr zu tun gab, um sein Gear oder Raidfortschritt zu pushen, als ~2x die Woche an einem abendlichen Raid teilzunehmen. Dann hab ich echt gerne getwinkt und den Twink dann in einem 2. Raid gespielt.
Heute dagegen gibt es eigentlich immer was zutun und sobald man nen Twink anfasst, lässt man potentiellen Main-Progress auf der Strecke, wenngleich das auch nur irgendeinen Punktestand betrifft. Seither twinke ich nicht mehr und das Spiel fühlt sich für mich ziemlich redundant an, weil ich darin eigentlich ja nur immer wieder dasselbe tue, nur dass das mit jeder Stufe knackiger wird.
Und wenn dann noch das Problem dazu kommt, dass man, ohne einer bestimmten Klasse anzugehören oder ein bestimmtes Item zu tragen, beim Einreihen in die Gruppensuche nebenbei ne Serie anmacht, weil man 20-50 Minuten auf einen Invite wartet, bevor sich die Gruppe nach 2-10 Minuten im Dungeon wieder auflöst und man von vorne mit der Suche beginnt, dann drängt sich immer mehr die Frage auf, wozu das alles gut sein soll.
Kurz, dem Spiel geht die ursprüngliche Seele abhanden und es wird immer mehr zum reinen Fastfood-Erlebnis - kurzer Rausch und danach wird einem erstmal schlecht. Rinse and repeat.
Dennoch ist das M+ Konzept einer von sehr wenigen Hauptfaktoren, die das Spiel überhaupt noch richtig beleben. Und jeder, der nicht drauf steht, muss das ja auch nicht betreiben. Es gibt genug andere Beschäftigungsmöglichkeiten, sowohl in WoW, als auch außerhalb davon. Aber wie auch im echten Leben muss man sich erhöhtem Stress aussetzen, wenn man hier ‚mehr haben‘ will. Und ein Timer ist aktuell eben die beste Möglichkeit, dem gewonnenen ‚Mehr‘ an, in unserem Fall, Punkten eine Skill-Note zu verleihen. Warum?
Naja, weil sonst jeder Pleb mit nem Joystick nach genug Zeit und mit genug Ausdauer M+ Stufe X durchspielen und somit „erfolgreich“ meistern würde - und genau so viele Punkte hätte, wie Leute, die das in der halben Zeit oder weniger schaffen. Wo wäre denn dann deren Belohnung, die nach außen hin sichtbar wäre? Nicht vorhanden. Aber nicht vorhanden bedeutet ein zu geringer Anreiz, weiterzuspielen und monatlich 13 Euro für ein halbfertiges Bananenprodukt auszugeben. (Bananenprodukt = reift beim Kunden…) Sprich, das lohnt sich wirtschaftlich nicht (so sehr) für den Betreiber.
Und diese Ladder-Climberei hat sich eben in verschiedensten Genres als mitunter erfolgreichstes Konzept erwiesen, Leute bei der Stange zu halten. Daher sieht man das auch so häufig. Weil es insgeheim eben doch die meisten lieben, ihr Ego zu streicheln und sich über andere zu behaupten. In welcher Form auch immer. Das gibt Selbstwert, so sind wir nun mal konzipiert.
However, Item Level und M+ Score sind wohl die beiden besten Dinge, die einem rein profitorientierten Spielebetreiber(-Ankäufer…) hätten passieren können, der sich heute noch auf den Lorbeeren eines ursprünglich tatsächlich genialen und tatsächlich leidenschaftlich engagierten Entwicklerteams ausruhen kann und das Produkt mit nur einem Teil des ursprünglichen Arbeitsaufwands endlos weiter melkt. Das Internet macht’s möglich.
Was wäre wohl vor 20-30 Jahren aus einem Studio geworden, das ein Spiel auf den Markt gebracht hätte, das durch und durch verbugt ist, ohne die Möglichkeit, es via Patch nachzubessern? Richtig, das hätte wohl seinen Bankrott nach sich gezogen, weil dessen Spiele nie wieder von Kunden aus dem Regal genommen worden wären.
Heute ist das aufgrund besagter Möglichkeiten nicht nur kein Problem mehr - es wird gezielt danach geplant, dass man Games schneller releasen und in immer kürzeren Abständen Gewinnspitzen erzielen kann, weil ein Teil der abschließenden Entwicklung auf die Zeit nach dem Release verschoben und deutlich vernachlässigt werden kann. Die Leute machen’s ja mit.
Der Börseneinbruch der Aktien diverser marktführender Studios vor einigen Jahren aufgrund des Kaufrückgangs, der durch diese Philosophie schließlich ja doch irgendwann auftrat, war leider nur ein kurzer Reminder, dass man es damit nicht übertreiben sollte, statt ein ‚Gamechanger‘ - jetzt sucht man schlicht den Sweetspot bevor das passiert und ist damit fein raus. Aber ich schweife ab.
Der langen Rede kurzer Sinn ist, 1.) ohne einen Timer oder verschiedene Scores und eine endlose Steigerungsmöglichkeit gäbe es für viele, wenn nicht sogar die meisten ‚Käufer‘/Spieler schlicht keinen ausreichenden Anreiz, für das Spiel langfristig Geld auszugeben bzw. ihr Abo unterbrechungsfrei laufen zu lassen. Daher verbreitet und festigt sich dieses Konzept auch zunehmend - es hat messbaren Erfolg in Form von Knete. Das Unternehmen tut damit einfach nur, was Unternehmen tun in einem System, das komplett darauf ausgelegt ist.
Und 2.) spiel es doch einfach nicht, wenn’s dir zu stressig ist? Entweder man sucht sich Gleichgesinnte und spielt mit denen eben nur den Content, der einem Spaß bringt und dann halt bis zu Stand X eines wie auch immer gearteten selbst gesteckten Charakterfortschritts, oder man lässt das Geld sprechen (ohnehin das einzige unüberhörbare und unübergehbare Argument in so einem Kontext) und stellt das Abo ein.
Grade bei Activision habe ich den Eindruck, dass das im Zweifel das einzige ist, was etwas bewegt. Zitat eines RL-Freundes von mir: „Das ist mir meine Zeit nicht wert“ - und hat gequittet. Ist eigentlich die rationalste und konsequenteste Art, damit umzugehen. Denn truth be told: das einzige, das dem im Wege steht ist die eigene Spielsucht.