Die wenigsten guten „bösen“ Chars sind böse, weil sie Bock drauf haben oder weil’s cool ist, böse zu sein. Die wirklich guten bösen Chars bedienen sich entweder der Randgebiete moralischer Grauzonen und/oder überschreiten diese Grenzen oft und regelmäßig in Richtung des Schlechteren, oder sie wählen bewusst böse Handlungen, weil sie davon überzeugt sind, nur durch diese das Richtige tun zu können.
Einer meiner (vor Jahren eingemotteten) Hexenmeister z.B. war vollkommen überzeugt davon, mit Folter und Felmagie den Worgenfluch umkehren zu können, zum Wohle seiner Mitmenschen. Dafür brauchte er natürlich mehr oder weniger freiwillige Versuchsobjekte, bei denen es durchaus vorkommen konnte, dass sie im Laufe seiner Experimente im Namen der Wissenschaft bedauerlicherweise verstarben - aber selbst dann hatte er ihnen ja auch noch einen Dienst erwiesen, da er sie von der Existenz als Monster erlöst hat.
Ein anderer „böser“ Char könnte aufgrund von Kriegs- oder Gefangenschaftstraumata ähnlich einem RL-Veteranen Flashbacks bekommen und überzeugt davon sein, richtig zu handeln - nur eben ist das Problem, dass er nicht den Einschlag einer Granate neben sich überlebt hat und jetzt mit gezogenem Schwert auf die feindliche Front zustürmt, sondern neben ihn auf dem Wochenmarkt ein Weinfass vom Karren gefallen und lautstark zerbrochen ist… wodurch er nun schreiend, das Schwert in der Hand, auf eine Schulklasse zurennt.
Oder eben der klassische Dieb, der stiehlt, weil er kein Geld und keine Arbeit besitzt, um jemand anderen, der es nicht selbst tun kann (Kleinkind, alternde Verwandte, Kriegsversehrte etc.), vor dem Hungertod zu retten, und so weiter.
Es gibt viele Möglichkeiten, „böse“ Chars im RP zu spielen, ohne, dass sie „böse“ sein müssen. Letztlich kommt es nur darauf an, wie gut man die Hintergründe im RP a) verbirgt und/oder b) transportiert und wie das Umfeld darauf reagiert.
Edit;
Ein weiteres Beispiel, das mir gerade zusätzlich einfällt, da es mir besonders oft auf Seiten der Allianz begegnet;
90%, wenn nicht noch mehr, aller Verbrechergilden und -organisationen, die derzeit im RP aktiv sind und/oder es bis vor kurzem waren, haben als einziges Ziel die persönliche Bereicherung.
Was aber wäre, wenn man - der Mafia nicht unähnlich - einen Ruf als Beschützer anstreben würde?
Sicher, man fürchtet sie, aber gleichzeitig ist man auch dankbar, dass sie da sind. Man gibt ja auch nur einen kleinen Teil seines Geldes ab, und „Don“ XY ist ein echter Gentleman, ein Kunstkenner, ein Feingeist, ein Gourmet, ein Mann des Volkes, und seine Leute benehmen sich ebenfalls immer tadellos…
Quasi - Verbrecher, ja, aber eben mit Moral, oder eher einem Ehrenkodex. Chars, die tun, was sie für richtig halten, weil sie das Gefühl haben, dass die Wache nicht genug tut, die härter durchzugreifen bereit sind, als das Gesetz es tun würde.
Und die eben im Gegenzug dafür von der Bevölkerung, die sie „schützen“, selber in Schutz genommen werden. Weil sie ihnen andere Verbrecher vom Leib halten.
Da könnte man, besonders in Zusammenarbeit mit der Stadtwache, richtig schöne RP-Geschichten draus spinnen.
Über Monate hinweg allmählich zurückgehende Verbrechensstatistiken in bestimmten Stadtteilen etwa, um das ganze einzuführen, einen mysteriösen Gönner, der besonders im Bereich der Wohltätigkeit auffällt und viel für die Armen und Mittellosen der Stadt tut und so weiter.