Wie immer steht die Sonne schon hoch über Dun Morogh, als sich Dolkin langsam aus seinem Bett quält. Wird er alt? Die letzten Tage waren auf jeden Fall sehr anstrengend für ihn gewesen, aber er hatte auch viel erlebt.
Noch schlaftrunken schaut er sich in seinem viel zu hellen Zimmer um. Wo einmal ein kleiner Tisch und ein Stuhl standen liegt nun ein Berg von Waffen, Steinen, Tränken und ähnlichem. Aye, bei seinen Abenteuern hat er gute Beute gemacht. Irgendwo unter diesem Berg liegen wahrscheinlich auch noch Briefe und ein oder zwei Pakete, die er in der Zwischenzeit erhalten hat. Er wird diese Unordnung heute mal ausmisten müssen.
Mit einem Grummeln steigt Dolkin aus seinem Bett und öffnet erstmal die Tür zu seinem Zimmer. Mit immer noch schweren Beinen stapft er die Treppe des Gasthauses hinab und verlässt es durch die Vordertür, um sich etwas abseits einen Baum zu suchen. Während er das Bier von letzter Nacht loswird, streift sein Blick über die schneebedeckten Berge Dun Moroghs. Es war eine gute Idee, nach all den Abenteuern wieder in die alte Heimat zurückzukehren. Hier fühlt er sich wohl, hier kann er frei durchatmen und zur Ruhe kommen.
Nachdem er das Notwendige erledigt hat, stapft der Zwerg zurück ins Gasthaus und bestellt sich erst einmal ein paar Eberrippchen an Biersauce um sich für den Tag zu stärken. Dabei muss er daran denken, wie der Berg auf seinem Zimmer angefangen hat zu wachsen. Mit einem Aufstand im Gefängnis Stormwinds.
Es war lange her gewesen, dass er in einer Gruppe gekämpft hatte und aye, war das chaotisch gewesen im Verlies. Sie waren gut durchgekommen und hatten schlussendlich den Aufstand niedergeschlagen, aber bis dahin war es ein anstrengender Weg. Doch trotzdem hatte Dolkin grossen Spass daran gehabt. Die Gruppe, hauptsächlich Zwerge, verstand ihr Handwerk und auch wenn er ab und an darauf achten musste, mit seiner Axt (oder seinem neuen Hammer, den er dort gefunden hatte) nicht einen seiner Mitstreiter zu treffen, war es eine Freude, den Verbrechern der Menschen gemeinsam eins auf die Rübe zu geben.
Gleich im Anschluss gab es dann ein paar gute Biere im Zwergendistrikt von Stormwind, wobei auch einige Langohren auftauchten. Allen voran natürlich wieder das Fischchen. Und da traf er auch einen Verwandten der Schwarzbärte, jene Truppe, die Dolkin noch zu gut aus seiner Zeit bei den Wildhammern kennt. Eine ehrenvolle Gemeinschaft von Zwergen, ansässig in Thelsamar und immer für ein Bier gut. Oder eine kleine Rauferei.
Nachdem er den letzten Bissen hinuntergeschlungen und sich die Biersauce aus dem Bart gewischt hat, stapft Dolkin wieder hoch auf sein Zimmer, um endlich ein wenig Ordnung zu machen.
Oben angekommen flattert ihm auch schon ein bunter Vogel entgegen. Dolkin hatte ihn in den Todesminen gefunden, als er ein paar Tage später mit einer anderen Gruppe gegen Van Cleef und seine grünen Gnome gekämpft hatte. Tief in den Minen gab es doch tatsächlich ein riesiges Schiff mit Piraten drauf. Die Lilien hätten ihre helle Freude gehabt. Und einem dieser Seeräuber hatte er den Ara, welcher nun bei ihm im Zimmer herumflog, abgenommen. Naja, abgenommen konnte man so nicht sagen. Der Pirat hatte sich nunmal entschieden, anzugreifen und Dolkin tat was man dann so tut. Ihm ordentlich auf den Schädel geben. Hätte er den Papagei danach zurück lassen sollen, ohne jemandem der ihn füttert?
Eifrig kramt der Zwerg durch die ganzen Taschen und Rucksäcke, bis er endlich ein kleines Stück halbtrockenes Brot findet und hält es dem Ara hin. Während dieser genüsslich daran knabbert, muss Dolkin wieder an diese komischen Gnome in der Mine denken. Lange, spitze Ohren hatten sie und giftgrün waren sie gewesen. Naja, wahrscheinlich einfach nur seekrank. Aber wie bitte war das Schiff überhaupt in die Mine gekommen? Azeroth erstaunte ihn immer wieder.
So wie neulich im Park von Stormwind (er war in letzter Zeit definitiv zu oft in der Menschenstadt gewesen), als er einer für seinen Geschmack zu leicht bekleideten Dame (Puppe wurde sie später genannt) geholfen hatte, das richtige Gasthaus zu finden. Die Gesellschaft darin schien nur aus Menschen zu bestehen aber trotzdem hätte sich Dolkin zu einem Bier überreden lassen, wenn der Wirt nicht so ein sturer Kopf gewesen wäre. Verlangte doch glatt, dass der Zwerg seine Waffen am Eingang abgeben sollte! Als ob ein wahrer Zwerg jemals freiwillig seine Waffe hergibt. Schon gar nicht dafür, nur ein paar Bierchen zu trinken. Allgemein schien ihm die Gruppe in dem Gasthaus sehr suspekt und auch der Name der Schänke war seltsam gewesen. Wie lautete er noch gleich? Zum jammendern Esel? Er kann sich nicht mehr daran erinnern.
Zwischen einem alten Schild und ein paar Tränken sieht Dolkin eine kleine Kiste blitzen, welche er vorsichtig aus dem Stapel herauszieht. Doch trotz seiner Mühe fällt der Rest, der auf der Kiste gelegen hat, zusammen und der ganze Stapel kollabiert. Grummelnd stapft der Zwerg zu seinem Bett und öffnet die Kiste. Sie war mit der Post gekommen, schon vor einigen Tagen, und der Absender verrät ihm dass diese kleine Blümchen-Gnomin dahinter steckt. Terizza oder so hatte sie geheissen.
Vorsichtig (man weiss ja nie) öffnet der Zwerg die Kiste und betrachtet für einen Moment den Inhalt. Die Gnomin muss nebenbei einen Kleiderversand besitzen und sich in der Adresse geirrt haben! Doch der Brief, der beiliegt, ist eindeutig an Dolkin gerichtet. Er schaut noch ein paar mal von der Kiste zum Brief, vom Brief zur Kiste.
Natürlich hat er nicht vergessen, dass er der kleinen Gnomin sein Wort gegeben hatte beim nächsten Anlass der Lilien vorbeizuschauen. Aber ganz sicher hatte sie doch nicht damit gerechnet, dass er sich dafür auch noch verkleidet? Als Lachnummer des Abends oder was? Hatte sie etwa doch nicht so viel Ahnung von Zwergen? Trug sie etwa selbst zwischendurch so eine Menschenverkleidung? Na, er würde der Kleinen schon sagen, was er davon hielt. Spätestens am kommenden Freitag, wenn er sein Wort halten und auf das Fest der Lilien gehen würde!