Die Mannigfaltigen und Vielseitigen Facetten des Krieges sind’s, was den Soldaten im Sonnenfeuer schmiedet. Ein Grundsatz, den Kath ihr Leben – zumindest an den Teil, an den sie sich erinnern konnte – stets verfolgte. Es war erst einige Tage, vielleicht eine Woche her, seit sie in Orgrimmar mit ihrer Einheit angerückt war. Rebellen, Loyalisten, das Rad des Krieges drehte sich von vorne, immer um sich selbst, immer wieder aufs Neue. Volk baut Reich, Volk trifft auf anderes Reich, Krieg, Frieden, Krieg, Frieden und ein paar Jahrtausende später lernen die hohen Herren immer wieder aufs Neue, wie viel sie doch eigentlich ‚gemeinsam‘ haben, wenn nach ein paar tausend Leichen ihnen einmal mehr ihre eigene Sterblichkeit vor Augen geführt haben. Krieg mit Trollen, Frieden mit Trollen, Krieg gegen die Horde, Bündnis mit der Allianz, Krieg mit der Geißel, Krieg mit der Allianz, Bündnis mit der Horde, Frieden mit der Allianz, Krieg mit der Allianz, Krieg als Teil der Horde gegen die Horde, Frieden mit Allianz und Horde und dann wieder Krieg. Und siehe da? Nun auch wieder Krieg gegen die eigenen Leute.
Kath beobachtete ihre Rekruten gern dann und wann, die sie auf das vorbereitete, was ihr selbst so wichtig war. Was bringt einen Soldaten dazu, Soldaten zu werden? Abgesehen von den stumpfen Methoden der Anwerbung, die sie selbst nur allzu gut beherrschte. Frieden? Wohl kaum, sonst hätte man ja diesen Beruf nicht für nötig gehabt zu wählen. Oder doch? Schutz der eigenen Grenzen? Raus in die weite Welt? „Mal was aus sich machen, hah? “ Es gab so viele vorgeschobene Gründe und Vorwände, die über die Nichtigkeiten hinwegtäuschen, mit denen man sich selbst zu belügen sucht. Kath „mochte“ ihren Beruf. Sie war „gut“ darin. Sie „mochte“ die Herausforderung, „mochte“ es sich mit anderen zu messen. Warum aber dann Soldat? Es war eine Erkenntnis, die ihr selbst einmal mehr vor Augen geführt wurde, „was“ sie selbst eigentlich dazu bringt. Die Sicherheit des Kollektivs ihres Volkes lag ihr am Herzen. Sie kannte und kennt andere, die ihre Mutter nie kannten, da sie bei der Geburt verstarb und andere, die ein isoliertes Leben ganz allein auf die Beine gestellt hatten. Doch für eine Elfe war da immer etwas, das sie nährte. Der Sonnenbrunnen. Klar, man mag sich jetzt ächzend die Stirn reiben. Klassisches Klischee, brüllen es doch alle immer weit hinaus, wie ‚wichtig‘ dieser hässliche, pissgelbe übergroße Teller am Rand der Welt war. Doch wusste man es ‚wirklich‘? Parolen und Floskeln waren schnell gesprochen. Doch was Kath suchte und kannte, war immer eine gewisse Sicherheit. Eine Sicherheit, die nicht allein durch Waffen und Rüstzeug, Panzer und Stadtmauern zu erringen war. Alles vergeht, alles stirbt. Das wusste die Elfe selbst. Doch es waren die Freunde, die Familien, nicht nur die eigenen, auch die der anderen, durch die in Zusammenarbeit diese komplexe Struktur geschaffen wurde, der Wohlstand, die Sicherheit, in der solche wandelnden Möchtegern-Künstler, leichtbekleidete Edelhuren und Schneeflöckchen doch erst möglich machten. Ein Zeichen für den Wohlstand, das wars. Wie sollte ein Mensch oder ein Orc verstehen können, dass dieses unliebsame Gezücht ein Symptom genau dieser systematischen Funktionstüchtigkeit eines gesamten Systems waren?
Doch das waren nicht die Gedanken, die sie in diese Stadt gebracht hatten. Es war der Krieg, der unvermeidbare, immer wiederkehrende Krieg. Die Grundlage ihres Berufs, den sie doch nicht hatte, um zu töten, sondern um zu verhindern, dass sie oder andere getötet werden! Fressen oder gefressen werden! War doch so! Ein Subjekt, dass sich nicht wehrt wird früher oder später von einem anderen verschlungen. Es können Trillionen friedlicher anderer darum sein, aber wenn nur eines gerade diese Schwäche für sich nutzen will? Zack! Das wars! Ende Gelände, Aus die Maus! Und sie hatte sowas von die Schnauze voll davon.
Sie wusste nicht wieso, doch an diesem Abend, als sie zusammen mit ihrem Trupp durch den Canyon schritt, musste sie wieder und wieder dran denken. Die ganze Woche eigentlich. Lynantia, Vam… Vamempho… … Vamessa und dieser Gahlbrucht oder so hatten oben die Klippen bereits eingenommen. Ein Hinweis der von ihr kam. „Wer das obere Gelände hält, gewinnt die Schlacht.“ Taktik, eingedrillt in die Soldatin, dank der Schule des Lebens … und die Militärische Akademie… und Offiziersschule, aber die lassen wir hier mal aus. Klingt weniger Dramatisch, sagt man. Tazzik, der Hauptmann von K.A.B.O.O.M. der ihr weniger subtil anbot mal ein paar fesche Bildchen in knapper Wäsche zu knipsen hatte das Sagen. Tillimi, die Goblin, die sie einige Stunden zuvor noch in das von Leutnant Na’ruun eingerichtete Lazarett eingeführt hatte, war als Heilerin dabei. Emerell, Blutritterin, frisch rekrutiert und Efanielle. Rekrutin, Magiebegabt, unsicher. Etwas das Sorgenkind der Truppe, aber Kath wollte ihr eine Chance geben, sich zu formen. Sie war immerhin ihr Offizier. Ihr Unteroffizier. Ein Irrtum, als sie gerade an sich heruntersah. Unteroffizier war sie nicht mehr. Leutnant, frisch befördert. Ziemlicher Sprung. Sehr nostalgisch, fast wie früher im Dritten Krieg. Oder wars im Zweiten? Im Ersten? Sie hatte dem Haus Windläufer lange und treu gedient. Der Verlust Lireesa Windläufers war ihr damals so unvorstellbar gewesen. Sie war auch nicht weit weg, als die Orcs das Gemetzel am Clan der Windläufer anstellten. Sie war verletzt worden, bevor sie Alleria durchs Dunkle Portal folgen konnte. Sie hatte versagt, als Sylvanas im Dritten Krieg gefallen war. Nochmal würde sie das nicht tun, niemals.
Ein wenig unwohl kamen ihr die Verlassenen da oben auf der Klippe erst schon vor. Doch sie war vorbereitet. Sie hatte bei den Goblins gefälschte Seuchengranaten anfertigen lassen. Rauchgranaten, mit grünem Rauch. Sie hatte viel Zeit mit Lynantia und Vamemphois… genau, so hieß die!.. verbracht. Sie überzeugt, die Seuche nicht einzusetzen. Es reicht, wenn man das, was der Feind von einem denkt gegen ihn verwendet. Sie hatten ihr zugestimmt, sie vertraute ihnen. Also war es ein angenehmes Gefühl, sie zu sehen. Sie hatte ihre Arbeit gemacht, ihren Job.
„Was, wenn ihr irgendwann gegen euresgleichen ziehen müsstet?“ Das war die Frage ihres Kommandanten, Blutrittermeister Lemartes Blutphönix, als sie ihm von ihrer Schwäche erzählte, die niemand wissen sollte. Es war viel geschehen im Dritten Krieg, viel Zuviel. Und ein langes Leben ist gleichzeitig dann ein Fluch, wenn’s Unterbewusstsein da, wo der Schmerz am tiefsten sitzt immer dann anspringt, wenn’s am ungünstigsten ist. „Dann werde ich versuchen, meinen Dienst so gut zu erfüllen. Doch solltet ihr dann bedenken jemand anderen zu schicken.“ Das Zittern ihrer Hand, immer dann, wenn sie eine Ihresgleichen, einen Verbündeten im Visier hatte… sie konnte es nicht abstellen. Sie hatte viel Versucht. Meditation, Rauchkraut, Mönchs-Entspannungs-Dehnübungen oder wie dieser Yoghurt heißt. Nichts half. Niemand durfte es wissen, nicht mal der Feind. Als sie aus der Stadt flüchtende Rebellen mit Übungspfeilen aufhielt – das ging noch! Waren keine tödlichen Geschosse. Und Zack! Kam die Quittung. Ehemalige Kommandantin, die die Schwachstellen kennt, foltert sie mit den Erinnerungen, die sie quälen. Für einige Sekunden, die gefühlt zu Stunden werden. Und schon war der Tatterich wieder da. Sie hatte einen Tag gebraucht, sich davon zu erholen. Auf der Spähmission, als sie nach dem Kinder- und Adlergeschrei auf ihre Aktion in Tor’krens Hof aufmerksam wurden, da wars nur ein Adler, auf den sie schoss. Eigentlich hatte sie auf das Ross des Blutritters gezielt. Sie konnten nicht so weit sehen, was ‚genau‘ die Rebellen da machten, aber die Rufe der Bevölkerung, die Kinderschreie? Die vergriffen sich an denen! Was sonst sollten die da machen?
Dieser Krieg war der letzte Dreck und es sollte der letzte werden. Sie hatte es so satt, dass sich die Mühlen des Krieges immer wieder aufs Neue drehten. Klar, Zivilisten in einem Weltenbaum abfackeln wie Zunder? Das war nicht der Grund, wieso sie Soldat geworden war. Das war was, für ihr Gewissen. Wie auch nicht? Ein Soldat ist keine Maschine. Aber sie musste funktionieren. In jedem verdammten Dreckskrieg, von dem sie hoffte, dass er sie stumpfer und stumpfer gemacht hätte. Anderen konnte sie das gut verkaufen, doch für sich selbst war sie der schlechteste Händler. Es tat weh, schmerzte, brannte. Doch der Weg war eingeschlagen. Sie hatte die Weichen nicht gestellt, aber sie war ihn mitgegangen. Sie würde Sylvanas, die für sie und ihr Volk damals im Dritten Krieg gestorben war, die sie zur Horde geholt hatte, so verhindert hatte, dass die Elfen vom Prinzen zu Dämonensklaven gemacht wurden, nicht nochmal enttäuschen. Nochmals würde sie das nicht tun. Niemals!
Denn was, wenn sie ‚wirklich‘ gewinnt? War das nicht ein greifbares Ende mit Schrecken in Sicht, statt einem Schrecken ohne Ende? Würde nicht jeder lieber von seinen Nachfahren bei gut gedecktem Tisch und friedlicher Gesellschaft verdammt werden, wenn dafür endlich Frieden herrscht? Ein gefährlicher Gedanke, sehr sogar. Denn am Ende ist es nichts weiter, als eine Rechtfertigung für das, wofür man sich machtlos fühlt es zu ändern. Doch es war eine – und genau dieses Ziel hatte sie so fest, so tief in sich aufgenommen, dass sie sich weigerte davon loszulassen. Sie war Soldat. Soldaten haben keine Wahl. Sie haben Befehle. So siehts aus. Alles andere würde dieses System, dieses gesellschaftliche Produkt, diesen Handel zwischen Zivilbevölkerung und Soldaten zunichtemachen.
Der Moment, der sie wieder in die Schlacht holte, das war, als die Seuchengranaten flogen. Nein, nicht die gefälschten. Es waren kleine, dünne, zu Kugeln geformte Flakons. Gefüllt mit einer Flüssigkeit die sie nur zu gut kannte. Sie flogen beinahe in Zeitlupe vor ihrem geschärften Blick nieder in Richtung der Leerenelfe, der verfeindeten Allianz und der verräterischen Blutritter davor. Sie kannte sogar einige von denen. Da gab es hier und da mal oberflächliche Höflichkeiten und langweilige Zwiegespräche ohne Ziel, wo niemand so genau wusste was man sagen sollte und man sich genauso gut eine Stunde lächelnd und nickend stumm hätte gegenüberstehen können. Und doch: diese flüchtigen Bekanntschaften gewannen in dieser Sekunde so ermesslich an Wert, als die fleißig strickende Nähmaschine der Gedankengänge des Unterbewusstseins die Fäden der Erinnerung zusammenzog. Sie warnte ihre Verbündeten sofort, mit lautem Ruf. Geschockt, in der Erwartung, sie wären es ebenfalls. Doch Tazzik, der mit vernarbten Kinn grinste wieder, diabolischer und befahl den Vorstoß. Kath reagierte, zumindest ihr Körper. Sie war fixiert auf den Kampf. Der Blick schoss immer wieder zu den Verlassenen hinauf. Das Gefühl betrogen worden zu sein wurde vom Gestank der Seuche nur angetrieben. Der Feind wehrte sich verbittert, schaffte es irgendwie die Seuche auszukontern. Diese Leerenelfen… tun so unschuldig, dabei haben sie sich selbst nach der Rettung des Sonnenbrunnens dazu entschieden, weiter durch ihre Studien die Lebensgrundlage aller Elfen zu gefährden. Wie ein Kind, das meint alles besser zu wissen und erwartet, dass die gesamte Welt sich dem anpasst. Nur eben mit Waffen und gefährlicher Magie. Sie Schoss, aus Reflex. Es waren keine Verbündeten! Keine Blutelfen! Und trotzdem… zitterte die Hand. In ihrem Ansturm feuerte sie Pfeil um Pfeil, den der Köcher hergab auf diese Leerenelfe da, die sie als Ziel auserkoren hatte. Ohne Erfolg. Pfeil um Pfeil prallte an Schilden, Schildzaubern und weiß der Teufel sonst noch was ab. Kath verfolgte den vollendeten Zauber der Elfe mit den Augen, sah ihre Rekrutin fallen. Das junge Ding, dem sie eine Chance hatte geben wollen. Die Augen wurden groß. Ihr anderer Soldat, die Blutritterin Emerell befohlen den Rekruten zu schützen, mit dem nächsten Pfeil würde sie die Leerenelfe dafür richten! Dann könnte sie versorgt werden!
Doch da war kein Pfeil mehr. Die zitternde Hand griff ins Leere. Sie hatte alles verschossen und die Magie der Elfen hinderte sie an ihren Tricks, ihre Munition zurück zu erlangen. Mit so zitternden Händen hätte sie eh nichts treffen können. „Wenn der Moment kommt und eure Hände zittern, denkt daran, Unteroffizier:“ hatte Emerell einige Tage vor diesem Einsatz gesagt: „Tal anu’men no Sin’dorei – Tod allen, die sich den Sin’dorei entgegenstellen.“ Das war der Moment, als Kath ‚sie‘ erblickte. Die Leerenelfe, die diese ganzen Schildzauber aufrecht hielt. Die Leerenelfe, die davon gerade abließ, um sich wie schwebend zu erheben. Kath konnte die Magie in der Luft schmecken, das Verdunkeln des Himmels. Allesamt keine guten Zeichen. Die Feindlichen Nahkämpfer waren von den Verbündeten in Gefechte verwickelt, keiner preschte vor, keiner hielt sie auf.
Es war ein Knackpunkt. Ein Knackpunkt, an dem sie wusste, dass nicht einfach die Verlassenen sie betrogen hatten. Sie hatte sich selbst betrogen. Es gab keinen sauberen Krieg. Hatte sie auch nie erwartet. Doch hatte sie gehofft, dass sie mit ihrer Argumentation, die „besiegten Rebellen würden für den Kampf der Allianz noch gebraucht werden“, oder „Benutzt die Seuche nicht, denn sie wird unsere Verbündeten nur an Unterstadt erinnern und ihre Moral schwächen“ hätten bei den ganzen Offizierssitzungen irgendwas, aber auch nur irgendwas gebracht! Es war wie immer. Die Mühlen des Krieges drehten sich weiter und sie würden alles verschlingen, was dazwischenkommt. Es war diese Erkenntnis, dieser Schmerz, der die geübte Soldatin weitertrieb. Schmerz reichte nicht, um nun einfach die Seiten zu wechseln, um zu den „Guten Jungs“ zu gehören, die sich mit einem „FÜR AZEROTH“ sicher gegenseitig lachend auf die Schultern klopften und Daumen nach oben zeigten. Diese kurzsichtigen Idioten, dieser Krieg hätte alle Kriege beenden können! Nein, dieser Schmerz löste etwas anderes in ihr aus.
Sie war sich nicht sicher, ob sie einen SO weiten Sprung überhaupt schaffen könnte. Doch sie machte einen Satz, nutzte die ‚Tricks‘ die ihr noch blieben und rauschte auf diese verfluchte Zauberwirkerin zu. Den Knackpunkt in der feindlichen Taktik! Sollte diese fallen, die Loyalisten würden diesen Kampf gewinnen! „Tal anu’men no Sin’dorei“ peitschte ihr wie Feuer über die Lippen, als sie die Leerenelfe beinahe erreichte. Zitternde Hände? Ja, aber sie würden reichen, ihr den Hals umzudrehen. Das war der Moment, als sich ein anderer Leerenelf vor sie warf. Leichenblass und regelrecht verdorrt, mit einer Verlassenen hinter ihm. Einer, die sie vor dieser Schlacht, noch ohne zu zögern eine Freundin genannt hätte. Vamemphois hatte dem Elfen das Leben regelrecht ausgerissen. Sie! Eine der Verlassenen, die sie betrogen hatte! Deren Ehrlichkeit sie ‚geschätzt‘ hatte, dessen Kontakt sie Emerell zuvor noch empfohlen hatte, sich ein wenig mit den Verlassenen vertraut zu machen. Eine, die ehrlich war. Sie war es nun, die Kath vor diesem Leerenelfen rettete. Kath stürzte zu Boden, der Kampf musste weitergehen. Sie wollte sich gerade herumwerfen, als sie die ausgestreckte Hand der Leerenelfe erblickte, auf die sie eben noch all ihre Pfeile verschossen hatte. Es war, als würde die Realität um sie zusammenfallen. Sie wusste es war nicht echt. Es war eine Illusion. Ein Gedanke, den sie jedoch ebenso schnell wieder vergessen hatte, wie sie ihn erhielt. Sie war wieder zurück. Zurück im Dritten Krieg. Zurück bei ihrer Einheit, dem Feind, der Geißel vor ihr. Den nun lebenden, toten, toten Lebenden. Dumpf fühlte sie, wie sie von den Füßen gerissen wurde, als wollte ihr Körper sie daran erinnern, dass sie eigentlich wo anders gerade existierte und Zauber sie zu Boden rissen. Leerenzauber. Sie hatte gar keine Zeit, die in sie einprasselnden Schmerzen mit den Bildern zu vergleichen, mit der sie in Illusionen gezwängt wurde. Erinnerungen, mit denen Sydori sie erst zuvor gequält hatte. Viele Freunde in einem langen Leben, mit größeren und größten Fehlern. Denn mit dem für sie demoralisierenden Einsatz der Leere war ihr Geist gefundenes Fressen für die perfide Leerenwirkerin geworden. Gefangen in den Sünden des Lebens einer Soldatin, bis hin zu dem Punkt, in dem ihr vor Schmerzen brennender Leib von der Seuche verzehrt wurde und in Stücken auseinanderfiel.
Sie hatte den Windläufern immer treu gedient, dennoch waren sie so fern, für eine einfache Soldatin, eine Offizierin, die als Veteranin suchte, ihre Werte durch ihre Taten zu vermitteln. Sie spürte den Schmerz, als die Illusion riss. Sie wollte die Augen öffnen, doch sie konnte nichts sehen. Sie war am Ende. Noch immer loderte die Leere in ihr. Der Ton des Schlachtenlärms wurde dumpf. Sie wusste nicht mehr, was um sie herum geschah. „Ah, übrigens – deine Sinne schalten sich nacheinander ab, weißt ja, was das bedeutet.“ Schoss ihr der eigene, geistige, sonst so motivierende Komiker in Gedanken durch den Kopf. Sie kämpfte weiter, sie kroch. Sie spürte den Boden unter den Füßen nicht mehr, nur ihr Gleichgewicht, irgendwie. Sie wusste, sie kam vorwärts. Dann waren auch die Geräusche weg. Sie schmeckte den vertrauten Geschmack von Blut auf ihrer Zunge. Sie roch den Geruch von angesengtem Fleisch in ihrer Nase. Es blieb keine Zeit mehr für philosophische Ergüsse. Sie kannte diesen Moment, diesen Punkt. Der Gleichgewichtssinn war das letzte, was ihr verlorenging. So weit hatte sie jemand getragen. Jemand, den sie ihr Leben lang für seinen Dienst so malträtiert hatte. Ihr eigener Körper, ihr Instinkt, der, auf den sie sich immer verlassen konnte. Ihr Bester Freund versagte ihr den Dienst. Und in einem letzten Moment fühlte sie, wie sie dankend Abschied nehmen wollte.
Und dann war es aus.
Als Kath wieder etwas fassen könnte, was man einen Gedanken nennen könnte, den sie eh vergessen würde, war sie angebunden, gefesselt, mit einem Knebel im Mund. Die Wärme des Lichtbrunnens wärmten ihre Seele und eine Stimme sprach zu ihr: „Sh, ich bin hier…“
Und die Mühlen des Krieges drehten sich weiter.