Hallo Zusammen,
bevor ich zum eigentlichen Thema komme, möchte ich vorab ein paar Punkte meinerseits klarstellen, da es sich wohl um ein eher politisches Thema handelt:
- Jeder soll so spielen, wie er möchte.
- Ich verurteile keinen Spieler für seine präferierte Spielweise, höchstens die Spielweise an sich (aus meiner subjektiven Sicht), vor allem, wenn diese anderen Spielern auferlegt wird.
- Obwohl dieser Post eher auf die aus meiner Sicht negativen Aspekte des aktuellen Spiel- und Community-Geschehens fokussiert, muss dies nicht für andere Spieler in gleichem Maße oder überhaupt gelten.
Meine WoW-Wurzeln liegen in der Zeit kurz vor Release von TBC als Alli auf Nera’thor. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als ich meinen damaligen Main in Vanilla auf Level 58 (auch Hexer) hatte, wurde TBC veröffentlicht. Das Endgame von Vanilla habe ich demnach nicht wirklich erlebt, sondern bin nahtlos in die Scherbenwelt übergegangen.
Mein erstes richtiges Endgame war quasi das von TBC. Da ich damals noch Schüler war, hatte ich genug Zeit, mich voll und ganz dem Spiel zu widmen. Mit meiner damaligen Gilde wurde 3-4x die Woche der Content geraidet, nebenher habe ich minimal PvP und Arena gemacht. In WotLK war ich zunächst auch hauptsächlich im PvE unterwegs, habe mich dann aber einer reinen PvP-Gilde angeschlossen und mich fast ausschließlich auf PvP mit Premades und Arena konzentriert. Cata war das letzte Addon, in dem ich aktiv war. Hier war ich neben normalen Dungeons zu 100% in Arena und BGs unterwegs und konnte mir so das damalige Gladiator-Set holen.
Ich habe also so ziemlich alle Facetten des Spiels bis zu diesem Zeitpunkt mal durchlebt. Da mir Vanilla in meiner Historie fehlte und mir ab MoP alles irgendwie zu individualisierbar (Mikrotransaktionen etc.) wurde, habe ich mich schon seit Jahren auf WoW Classic gefreut. Nochmal neu anfangen und diesmal ganz von vorne.
Nun sind meine Freundin und ich seit knapp zwei Wochen mit der Levelphase fertig (im RL war einfach viel los) und auf 60 angelangt. Seitdem waren wir viel in Dungeons unterwegs, um uns erstmal ein bisschen zu equippen und machen nebenbei auch ausreichend PvP.
In dieser Zeit, also der Zeit auf 60, ist mir vieles aufgefallen, das ich von damals nicht so kannte respektive erlebt habe und was ich gelinde gesagt etwas schade finde.
#1 Das "Boosten"
Gottseidank habe ich den Großteil meiner Levelphase wirklich direkt nach dem Release von Classic durchlebt. Man fand für alle Quests Gruppen, die Mitspieler waren zuvorkommend und hilfsbereit. Man erlebte den Content von Neuem, ging zusammen in die altvertrauten Dungeons und sah sich immer mal wieder ein zweites Mal beim Questen. Natürlich ist man lieber früher als später 60, bei Classic gehört für mich der lange Weg (ohne alles in den Allerwertesten geschoben zu bekommen) aber dazu und ich habe die Zeit - wenn auch lang - genossen.
Aktuell möchte ich jedoch nicht mehr als Low-Lvl unterwegs sein. Der Handels- und LFG-Chat ist voll mit Leuten, die gegen TG boosten und es gibt vermutlich genauso viele Spieler, die dieses Angebot nutzen oder sogar nachfragen. Ich persönlich habe das Gefühl, die Retail-Mentalität, wegen der viele ursprünglich aus Retail ausgestiegen sind, hat letzten Endes nun auch in Classic Einzug gehalten. Am besten direkt Max.-Lvl sein und alles abfarmen, sei es Equip, Ehre oder Ruf. Würde Blizz 100 Euro dafür verlangen, die Spieler würden es nutzen.
Das kenn ich von früher noch anders. Man „zog“ Kumpels oder Gilden-Twinks durch Inis, wenn mal keine Gruppe zusammengefunden hat. Man machte kein Geschäft daraus. Prio war das Spielerlebnis, nicht der schnellstmögliche Erfolg (natürlich nicht für alle Spieler, sondern subjektiv für die Mehrzahl der Spieler).
#2 Performance-Dungeon-Gruppen bzw. -Runs
Es kommt nicht oft vor, dass man eine Gruppe bzw. Member findet, mit denen man ganz normal einen Dungeon-Run bestreiten kann. Oft wird das Dungeon in effizientester Art und Weise roboterhaft abgefarmt. Es werden Bosse ausgelassen, weil dort nicht das dropt, was der Groupleader gerne hätte. Stellt man selbst Gruppen zusammen, z.B. in Düsterbruch, fragen manche gar verdutzt „Du willst nen Full-Run machen? Keine Jump-Runs?“. Was zur Hölle ist ein Jump-Run? Klar, ich kann mich schnell darüber informieren, aber warum geht man nicht einfach normal rein, lässt die Leute ihre seit Tagen im Questlog lungernden Quests im Dungeon abschließen und geht auf die Bedürfnisse der Leute in der Gruppe ein? Hier muss alles nur wieder so schnell und effizient wie möglich abgegrast werden, nach dem Gusto einzelner. „Ich brauch nur Boss XY, der dropt BiS für mich“. Genauso wie manche Member progressiver Raid-Gilden, die Raid-Ansprüche an Dungeons und an die Leute in der Gruppe stellen. „Kommt mal alle. Erst laufen, dann reggen. Die Grundregel sollte doch jedem klar sein“, „Wo bleibt der AoE? Sowas hab ich nun wirklich noch nicht erlebt“, „Mehr Tempo bitte“. Ich muss an dieser Stelle klarstellen, dass es deren gutes Recht ist, so zu spielen. Ich muss da nicht mitgehen und kann eigene Gruppen zusammenstellen. Trotzdem habe ich früher nicht so stark diese Oberlehrer-Mentalität verspürt.
Nun, ich habe auch schon viele sehr positive Runs erlebt, wo einfach jeder chillt und in denen auch mal ein kurzer Umweg gegangen wird, weil jemand irgendwo wegen einer Quest hin muss oder in denen eine nette Konversation zustande kommt. Leider waren gefühlt viele Negativbeispiele wie oben beschrieben dabei.
Klar, die Spieler, die nen Raid- oder Dungeon-Boss versucht haben zu solo-en und ihre Grenzen immer weiter versucht haben zu pushen, gab es schon immer. Das ist ja auch bewundernswert, was viele Leute aus dem Spiel rausholen. Mir kommt es nur so vor, als würde das mittlerweile als Benchmark gesehen und jeder Spieler, der nicht so skilled ist, ist automatisch ein Noob. Dies bringt mich auch gleich zum nächsten und letzten Punkt.
#3 Elitarismus, Arroganz, BiS-Gear und Meta-Mentalität
„Na gottseidank spiel ich nen Gnom-Warlock, ich wär ja auch überaus dumm, wenn ich bei dem 5% Int-Bonus einen Mensch spielen würde, oder?“
Scherz, aber so ungefähr kommt mir die Mentalität vieler Classic-Spieler vor. Wer nicht alles ausmaxt, nicht die optimale Klasse mit der optimalen Skillung spielt, als Caster nicht das komplette Blutrebenset inklusive der besten Verzauberungen und generell nicht das allgemeingültig anerkannte BiS-Gear trägt, ist lediglich ein Leecher im Raid, wenn nicht sogar für manche Gruppen unwürdig, in einem 60er-Dungeon mitzugehen.
Erst heute hatte mir ein 60er Schurke (mit mehr als guten Equip) erzählt, wie wenige Gruppen ihn als DD mitnehmen oder plötzlich „voll“ sind, wenn er anfrägt, obwohl schon seit langer Zeit 3 DDs gesucht werden. Mit seinem Hexer wird er so gut wie immer eingeladen, meinte er.
Warum wohl? Weil sich mit Range DDs vermutlich schneller das Dungeon abfarmen lässt. Fehlt nur noch, dass ihn jemand frägt, ob es sein Ernst sei, mit nem Schurken anzufragen.
Die Elite ist, wer sturr der Meta folgt, alle anderen sind Plebs.
Abschließend:
Für manche mag dies ein weiterer von vielen „Mimimi“-Posts sein. Andere haben vielleicht ähnliches erlebt und teilen meine Ansicht. Wieder andere haben das genaue Gegenteil erlebt und denken ich schreibe Schwachsinn.
Ich will einfach mal eure Meinung zu den genannten Punkten hören, egal aus welcher Richtung. Ich zumindest habe die genannten Sachen vor allem im jetzigen Classic so stark erlebt. In meiner Zeit zwischen TBC und Cata war dieser Elitarismus und Optimierungsdrang (außer vielleicht in den richtigen Progress-Gilden) nicht so vorhanden. Das kritisiere ich aus meiner Sicht.
Also schießt los, ist euch Ähnliches aufgefallen oder wie erlebt ihr die Mentalität im Endgame von Classic?
VG