Ich möchte meine Kritik damit beginnen, dass das ich World of Warcraft seit Vanilla spiele und den Wandel den es durchlebt hat durchaus zu schätzen weiß. Deshalb ist diese Kritik nicht über das Spiel sondern über das Unternehmen. Konkret geht es um die Handhabung wichtiger Titel wie Warcraft III: Reforged und dem neuen Fiasko - das Verschieben des Erscheinungstermins von Shadowlands.
Dieses Jahr ist nicht sonderlich geprägt von schönen Dingen. Corona ist und wird noch für eine längere Zeit für viele Unternehmen strukturelle und eventuell auch finanzielle Probleme hervorrufen. Das weiß und spürt jeder der einen Fuß ins Real Life setzt. Aber es gibt wenig was die Aktion von Blizzard rechtfertigt, das Spiel überhaupt so kurzfristig angekündigt zu haben. Komplexe Projekte wie Shadowlands brauchen einen immensen Aufwand und müssen sorgfältig in Verbindung mit den Usern aufgebaut werden um das bestmögliche Ergebnis in einem absehbaren Zeitraum zu erschaffen. Falls das nicht glückt, muss mit Verzug gerechnet werden. Genau das ist hier passiert. Aber warum ist das genau schlecht?
Die Wochen vor einem Addon Release
Die Wochen vor einem Addon Release sind meist die Wochen gewesen, wo die meisten Spieler ausgebrannt von dem aktuellen Content sind. Sie haben über einen längeren Zeitraum die gleichen Raids und Dungeons gesehen als auch Quests gespielt. Es gibt nicht viel mehr am Horizont als das ersehnte Ende des Regenbogens zu erreichen, nämlich das neue Addon.
Dieses Gefühl wird meist gestärkt wenn dann ein konkretes Datum feststeht. Damit fällt auch jegliche Restmotivation weg, noch das letzte aus seinen Charakteren rauszuholen. M+ ist gepushed, Raid ist gecleared - warum dann also noch spielen? Die Motivation fehlt, denn es ist absehbar dass an einem Datum der Effort nichts mehr wert sein wird.
Auf der anderen Seite beginnen Gilden und Communitys damit, ihren Kader wieder aufzustocken, zu planen wie was bei Raideröffnung aufgestellt wird, welche Ressourcen man hat, etc. - Spieler kommen wieder zurück um die restlichen Vorbereitungen für das Addon zu treffen. Accounts werden wieder reaktiviert. Geld fließt.
Nun verschiebt sich diese Antizipation auf das angekündigte Datum nach hinten. Man hätte nochmal weiterspielen können, noch die Achievements machen können die man hätte erreichen wollen und man hätte noch keine seelische Umstellung auf das neue Addon vollziehen müssen, denn es hätte noch mehr Zeit gegeben.
WoW-Addon-Release als Urlaub
Ich möchte es nur kurz erwähnt haben, aber es wird für einige - wie auch in meinem Umfeld - eine sehr bescheidene Situation sein sich für den Release Urlaub genommen zu haben um dann herauszufinden, dass diese Planung jetzt verworfen werden kann.
Ein Blick durch die Kristallkugel
Komplexe Projekte sind schwierig zu schätzen und geraten oft in Verzug. Besonders dann, wenn Nutzerfeedback einen sehr hohen Wert einnimmt. Es werden Sachen sicherlich zehntausend Mal gedreht und gewendet bis sie für die breite Masse an Usern - oder Käufern - die richtigen Merkmale in richtiger Ausführung beinhalten. Das sind Dinge die man hierbei beachten muss. Besonders in Zeiten von Corona gibt es Hürden zu überwinden, die maßgeblich die Projektabnahme beeinflussen können.
Schade ist aber, dass die Vorwürfe an Blizzard komplett inkompetent zu sein oder einen PR Stunt geliefert hat, hier völlig berechtigt. Inkompetenz in diesem Fall heißt konkret, dass die Schätzungen so abstrus daneben waren, dass man selbst 8 Wochen vor dem angedachten Datum die Probleme hätte absehen MÜSSEN, dies aber nicht tat oder aber ignorierte um einen Gewinn abzuschöpfen, der irrational gewesen wäre. Irrational deshalb da die Auswirkungen bei Nicht-Einhalten des genannten Datums zu massiven Schäden führen könnten.
Hier ist es besonders wichtig zu wissen, wann veröffentlicht wurde dass Shadowlands am 27. Oktober 2020 erscheinen wird. Denn das ist grob etwas mehr als vier Wochen her. Jedem Softwareentwickler der bei einem großen Projekt wie diesem mitwirkt, sollten in diesem Fall die Alarmglocken läuten. Es war absehbar, dass dieses Datum nicht eingehalten wird. Warum also das Risiko eingehen Unternehmsruf zu verlieren? Ruf der sowieso schon wegen diversen Vorgeschichten in Bedrängnis gekommen ist? Die Entscheidung dieses Datum veröffentlicht zu haben zeugt in jeglicher Hinsicht von Inkompetenz, es sei denn Blizzard weiß wie man seine Kunden abzieht.
"A delayed game might be good, a rushed game is never good."
Ich möchte noch als letzten Punkt betonen, dass dieser Punkt nicht greift - denn hier geht es nicht um die Qualität des Endprodukts sondern die Art und Weise wie mit der Community (Kunden) umgegangen wird. Natürlich muss das Spiel erstmal einen Stand erreichen, der möglichst fehlerfrei ist - was maßgeblich zur Qualität beiträgt. Das sollte jedem bewusst sein. Es geht schlichtweg darum dass die Ankündigung nicht notwendig war und zu vielen unnötigen Umbrüchen, Planungen und Antizipation geführt hat.
Und alle zusammen
Die Kommunikation eines Release Datums von einem WoW Addon schlägt Wellen in der Community und lädt auch dazu sein sein Privatleben auf dieses besondere Event abzustimmen. Man baut sich eine Antizipation auf und lässt auch den aktuellen Content erstmal Content sein. Man schaut nach vorne und nicht auf das Hier und Jetzt. Denn es ist nicht mehr weit bis was neues, ersehntes kommt. Nun wurde dieser Sonnenaufgang auf unbestimmte Zeit verschoben. Ein Siegel auf die zuvor lodernde Vorfreude. Das verbrochene Versprechen ist das, was nun erstmal übrig bleibt, aber wie auch diese im Zwischenmenschlichen zu Konsequenzen führen, hoffe ich auch dass das zwischen Kunden und Unternehmen zu Konsequenzen führt. In der einzigen Sprache die Letztere verstehen.