Nach der Evakuierung Teldrassils wurden viele Überlebende nach Sturmwind gebracht, wo sie durch Feldärzte und Priester versorgt wurden. Auch Reas Schattenklinge, neuester und temporärer Zugang im Sprengkommando Drei, wurde in die Kathedrale gebracht, wo sich die dortige Priesterschaft um seine Genesung kümmerten. Während Kügelchen und Zitterklinge sich an den Dunkelmondjahrmarkt verzogen und auf weitere Befehle warteten, blieben Spektralia und Ya beim Menschen und kümmerten sich ebenfalls nach Kräften um ihn.
Nach fünf Tagen ging es dem Seefahrer wieder etwas besser. Die Zauberin erhielt Bescheid, dass der Mensch folgenlos geheilt werden kann, und dies nicht zuletzt auch dank Ya’s Soforthilfe auf dem Boot während ihrer Flucht. Bruder Sarno untersuchte ein letztes Mal die verschlossene Wunde an Reas‘ Rücken, dann gab er Ya das Zeichen, ihn wieder zu verbinden, was die Draenei sofort ausführte.
„Sehr gut gemacht, Lichtgeschmiedete. Dieser „Abenteurer“ wird das Krankenbett folgenlos verlassen können. Leider können wir das nicht von allen armen Seelen sagen, die hierher gebracht worden sind. Viele Kaldorei werden die Kathedrale nicht mehr lebend verlassen. Wir haben leider immer noch immer zu wenig Plätze für sie alle.“ Verkündete der Bruder und blickte Spektralia bittend an. Die Zauberin wusste sofort, worum der Kleriker bat, es aber nicht offen auszusprechen wagte.
„Wir werden Reas natürlich umquartieren um Platz zu machen für eine weitere pflegebedürftige Seele.“ Verkündete Spektralia und schickte sich an, Reas aufzuhelfen. Doch aufgrund des Grössenunterschiedes Mensch/Gnomin übernahm Ya diese Aufgabe und half dem Schleicher auf die Beine. Sie stützte ihn, so dass er seinen Rücken nicht zu sehr belasten musste.
„Eine grosszügige Gabe werden wir selbstverständlich im Opferstock hinterlassen.“ Sagte Reas und nickte Bruder Sarno dankend zu.
„Ja, und nichts gleichzeitig rausnehmen.“ Flüsterte die Zauberin dem Schleicher zu und kicherte leise. Reas blickte sie kurz erstaunt an.
„Wir kennen uns aus mit Schleichern, weisst Du. Falls es dich interessiert, Kurt Kügelchens Freundin ist…äh…war…naja, das wissen wir nicht so genau ob sie uns wieder sehen wird. Aber sie ist eindeutig eine begabte Schleicherin.“ Sagte die Zauberin, während Ras von Ya vorsichtig nach draussen auf die grosse Treppe der Kathedrale gebracht wurde und beim Eingang noch einen dicken Beutel mit klingenden Münzen hinterliess.
„Wo sollen wir Dich hinbringen?“ Fragte Ya. Reas kniff die Augen zusammen, weil das grelle Licht der Mittagssonne ihn blendete. Als er antworten wollte, fiel sein Blick auf eine seltsame Gestalt, eine dunkle Elfe, die unten bei den Treppen stand und nach oben blickte.
„Auf alle Fälle raus aus Sturmwind. Ich mag diese Stadt überhaupt nicht. Das Holzfällerlager wäre mir lieber.“ Meinte er.
„Das lässt sich bewerkstelligen. Also auf ins Holzfällerlager mit Dir!“ Quittierte Spektralia und sie schritten die Treppen hinunter, näher zu der Gestalt hin, die sie jetzt als Leerenelfe erkannten. Diese Elfe musterte sie lange, und als sie das Treppenende erreicht hatten, legte sie ihren Kopf elfentypisch schief und lächelte: „Ein stattlicher Mensch, eine Lichtgehörnte und eine Kurze. Wie nett! Kämpft Ihr etwa auch in Lordaeron?“
Die Zauberin musterte die Leerenelfe lange, und fragte dann mit kühler Stimme: „Wer will das wissen?“
„Bitte verzeiht, ich wollte nicht unhöflich sein. Ich gehöre zu den Geisterklingen und möchte mit der Belagerung Lordaerons anschliessen und der Sache unseres Königs dienen.“ Ergänzte die Leerenelfe. Ya blieb stehen und musterte sie eindringlich aber schweigend, während Reas ihr zunickte: „Nein, wir haben den Kaldorei bei der Verteidigung ihres Weltenbaums geholfen. Ich bin ebenfalls ein Schleicher, auch wenn man mir das in meinem Krankenhemd grad nicht ansieht.“
Die Leerenelfe trat näher auf ihn zu, ihr Lächeln galt nur ihm: „Ihr habt sicher tapfer und gut gekämpft! Ein so stattlicher Mensch wie Ihr es seid. Ihr solltet Euch nach Eurer Genesung den Truppen des Königs ebenfalls anschliessen und für die Sache der Allianz im Norden kämpfen. Lordaeron ist sowieso verloren!“
Ya mischte sich in das Gespräch ein: „Reas kämpft grad nicht. Er muss sich ausruhen und erholen. Ihr müsst euch andere Kampfgefährten suchen, Ren’Dorei.“
„Nein, er kämpft grad überhaupt nicht. Ausserdem verdankt er es unserer lichtgeschmiedeten Streiterin, dass er überhaupt noch lebt!“ Fügte Spektralia mit Überzeugung hinzu.
Die Leerenelfe biss sich auf die Unterlippe und meinte dann abschätzig: „Lichtgeschmiedet? Heilig? Wie nett. Aber in Lordaeron braucht es weit mehr als Lichtmagie und leeren Glauben, um die Leichen aus der Unterstadt zu vertreiben. Gut, dass ich Euren Namen kenne, Reas. Wenn Ihr eine wahre Herausforderung sucht, dann lasst es mich wissen, wenn Ihr bereit dazu seid. Eure Dienerinnen könnt ihr ja dann gerne mitnehmen!“
„Wir sind keine Dienerinnen, Elfe!“ Rief Spektralia protestierend, während die Leerenelfe einfach ruhig da stand, sie ignorierte und Reas anlächelte.
„Wie schade. Ihr Menschen wart schon immer viel zu bescheiden. Nun gut, ich will euch nicht länger behelligen. Ich wollte mir einen Segen holen bevor ich kämpfen werde, aber ich bin zur Überzeugung gelangt, dass das keine gute Idee ist.“ Die Elfe deutete eine Verbeugung an, dann zog sie sich wortlos zurück.
„Wer war denn das? Kennst Du sie etwa?“ Meinte Ya und blickte Reas fragend an. Doch dieser schüttelte nur den Kopf: „Nein, keine Ahnung. Ich kenne diese leeren Elfen gar nicht. Ich kenne einige wenige Hochelfen und natürlich Kaldorei, aber Leerenelfen? Oh, und ausserdem…“ Er hielt inne und blickte die Zauberin fragend an.
„Ausserdem was?“ Fragte Spektralia.
„Ich brauche ein neues Hemd. Mit Wundverbänden umwickelt möchte ich mich nicht im Holzfällerlager blicken lassen. Könnt Ihr Schwadroneurshemden herstellen, Jael? Ich bräuchte ein rotes Hemd.“ Wollte er wissen. Die Zauberin kramte sofort ihr Rezeptbüchlein hervor und durchsuchte es nach passenden Rezepten. Doch dann schüttelte sie ihr Köpfchen.
„Nein, Herr Seefahrer. Schwadroneurshemden gehören leider nicht dazu.“
„Dann werde ich mich an die Schneiderin Djara Colman wenden. Sie beherrscht nahezu ALLE Schneiderrezepte die wir Seefahrer brauchen.“ Verkündete Reas.
Ya blickte ihn ein weiteres Mal fragend an: „Warum brauchen du Seefahrerhemd wenn du ins Holzfällerlager willst?“
Der Schleicher korrigierte sie lächelnd und mit sanfter Stimme: „Warum BRAUCHST DU…nicht brauchen. Ich werde es euch selbstverständlich zeigen, wenn wir dort sind. Aber lasst uns jetzt aufbrechen, sonst werden uns noch weitere leere Elfen belästigen.“ Reas lachte kurz, musterte dann die Stadtwachen, die quer über den Kathedralenplatz patroullierten und war froh, bald von Sturmwind weg zu kommen.
Nach ihrer Ankunft im Holzfällerlager bezog Spektralia im Gästehaus Quartier. Reas wollte draussen bleiben und sich umsehen, und Ya begleitete ihn dabei. Ihr entging nicht, dass der Seefahrer gleich nach ihrer Ankunft nachdenklich wurde. Er wurde zudem von den Arbeitern, den Vorarbeitern und den übrigen Bewohnern als bekannte Person begrüsst. Nachdem er sich in aller Ruhe umgesehen hatte, nahm er auf einer hölzernen Bank unweit des kleinen Westbächleins Platz. Ya setzte sich neben ihn.
„Du wirkst nachdenklich. Ist das der Ort, an dem du aufgewachsen bist?“ Wollte sie wissen. Er schüttelte den Kopf.
„Nein, das ist der Ort, wo ich mich zuletzt zuhause gefühlt habe. Das ist alles.“
Die Lichtgeschmiedete nickte nachdenklich: „ Dann war es aber doch Dein Zuhause. Es ist sehr friedlich hier. Die schönen Bäume, die zufriedenen Bewohner, die singenden Vögel. Hier ist ein guter Platz zum Leben.“
„Ja, das wäre es durchaus. Aber für mich stellt er nur einen weiteren geplatzten Traum dar. Die vergebliche Hoffnung nach einem ruhigen, geregelten Leben.“ Fügte Reas hinzu.
„Warum ist dieser Traum denn geplatzt?“ Wollte Ya wissen.
„Aye, es ist schon eine Weile her. Die Leiterin des Lagers, Sibella Kaufmann wurde vergiftet oder sowas. Ich war ihr Beschützer, aber sie hat es nicht überlebt. Ich habe hier zwar eine Weile nach dem Rechten gesehen, aber die meisten Bewohner haben den Ort verlassen, und Sturmwind hat die Kontrolle hier wieder übernommen. Wir haben die Pacht nicht aufrecht gehalten, es war zu teuer.“ Erklärte Reas.
„Das war bestimmt nicht Dein Fehler. Vieles kann in einem Leben nicht verwirklicht werden, Reas. Wichtig ist, dass wir trotzdem daran glauben und die Hoffnung nicht verlieren.“ Sagte Ya und der Seefahrer blickte sie erstaunt an.
„Du sprichst wie eine Priesterin, weisst du das?“
„Eine Priesterin? Das bin ich aber nicht. Oh, wie geht es Deinem Rücken?“ Wollte Ya wissen und half ihm, den Verband abzunehmen. Vorsichtig tastete sie seine frische Narbe ab und nickte dann zufrieden.
„Sieht schon viel besser aus. Gefällt mir gut.“
„Ich gefalle dir gut?“ Reas grinste frech über sein eigenes Wortspiel, und die Lichtgeschmiedete brachte einen frischen Verband an, ohne auf sein Spielchen weiter einzugehen.
„Deine Verletzung heilt. Bald bist du wieder einsatzfähig. Wo bist du denn hingegangen, nachdem du den Ort hier verlassen hast?“
„Es hat mich zurück auf die See gezogen. Ich bin mit einem Kursschiff nach Kalimdor an die Dunkelküste gereist. Ich habe eine alte Bekannte meines Käptns getroffen und war dann auf der Suche nach seinem vor der Küste gesunkenen Schiff. Ich war monatelang dort und habe gesucht, aber nichts gefunden. Schliesslich bin ich eurer Zauberin begegnet und bei Euch gelandet. Aber nur PROVISORISCH. Und wo kommst du eigentlich her, Ya?“ Wollte Reas wissen.
„Argus.“ Bemerkte sie knapp.
„Argus? Dort war ich nie. Wie ist es dort? Wie war der Kampf gegen die Dämonen?“
„Es ist nicht mehr die Welt, die ich damals kannte. Der Ort aus dem ich stamme, existiert nicht mehr. Es wurde alles zerstört. Ich möchte darüber lieber nicht sprechen.“ Sagte Ya nachdenklich und der Seefahrer nickte langsam.
„Bitte verzeih, das wollte ich natürlich nicht. Aber wie bist DU als Nicht-Gnomin zum Sprengkommando gestossen, Ya?“
Die Lichtgeschmiedete blickte ihn lange schweigend an und erzählte dann: „Sie haben mich von Argus mitgenommen, ich bin ihnen dort „begegnet“. Seither kämpfe ich für sie und bilde mich im Kampf aus. Sie sind zwar klein gewachsen, aber ihre Herzen sind umso grösser. Doch du musst wissen, nicht alle vom Sprengkommando sind hier. Sie sind entzweit. Aber das ist eine lange Geschichte.“
„Eine lange Geschichte? Ich habe grad Zeit und hänge gerne an deinen Lippen, Ya.“ Sagte der Seefahrer und lächelte die Lichtgeschmiedete an. Ya blickte ihn wieder einen Moment lang irritiert an, nickte dann und erzählte weiter.
„Wir kommen ganz woanders her, aber wir wissen nicht, woher. Die gleiche Welt, und doch ist sie anders. Jael fand ein Buch über spektrale Magie und probierte einen Portalzauber aus. Sie landete HIER, und die übrigen blieben DORT. Eine seltsame Sache, die wir nicht verstehen. Ich bin ebenfalls gereist um sie zu suchen, und unser Gnomjäger, der…naja, der ist unfallmässig hier gelandet.“
„Unfallmässig? Wie denn das?“
„Er hatte wohl Feinde die ihn loswerden wollten. Aber jetzt fehlt uns die Möglichkeit zurück zu kehren oder die anderen aus dem Sprengkommando zu uns zu rufen.“ Sagte sie und hielt dann inne, während sie gedankenverloren dem Gurgeln und Plätschern des Bächleins zuhörte. Reas blickte sie erstaunt an.
„Eine wirklich seltsame Geschichte. Würdest du mir verraten, wer die ANDEREN sind? Was ist mit Zitterklinge?“
„Nein, Flix war schon immer hier, er gehörte nicht dazu. Aber es gibt da noch Sofinchen, die Priesterin, Serpentin die Hexe, Schildchen, der immerzu betrunkene Krieger und der Braumeistermönch Curcumo, der dem Krieger beim Trinken nacheifert. Und Kügelchens Freundin Lagartha, die Schleicherin. Sie sind noch immer DORT.“
„Unser Jäger hat eine Schleicherin zur Freundin? Interessant. Vielleicht kann ich ja helfen, eines Tages.“ Verkündete Reas und legte nachdenklich einen Zeigefinger an seine Lippen.
„Wie denn? Du bist doch kein Magier. Portalmagie ist nichts für Seefahrer oder Schleicher?“ Jetzt wurde Ya neugierig.
„Nein, natürlich nicht. Aber ich verfüge über Kontakte im Norden. Ich möchte jetzt auch nichts versprechen, aber vielleicht kann ich Eure Zauberin mit den richtigen Leuten zusammen bringen. Im Gegenzug könnt ihr mir dann helfen, das Wrack der goldenen Perle zu finden. Ja, das wär doch was. Eine Hand wäscht die andere, so war es doch schon immer, nicht wahr?“ Meinte Reas, und die Lichtgeschmiedete schüttelte ihren Kopf.
„Damit wird Jael bestimmt nicht einverstanden sein. Teldrassil brennt, und die Dunkelküste sieht nicht besser aus. Sie wird deins und unser Leben nicht aufs Spiel setzen bloss für eine Suche nach einem gesunkenen Schiff. Warum willst du es finden?“
„Im Lagerraum sollte ein dicker Beutel gefüllt mit Gold liegen. Ich kann mir damit den Ärger freikaufen, den ich mir bei den Blutsegelbukanieren eingehandelt habe. Ausserdem währt kein Krieg ewig, Ya. Eines…“ Reas wurde unterbrochen, als der Gnomenfunk zum Leben erwachte und Kügelchens Stimme zu hören war: „Kügelchen an Spektralia. Kügelchen an Spektralia!“
Die Zauberin antwortete rasch: „Spektralia hier.“
„Ihr…knacks….nach Kul Tiras reisen. Hier läuft einiges…knickknacks…und ich denke, die Hilfe des Sprengkommando Drei wäre hier willkommen.“ Die Stimme des Gnomjägers klang weit entfernt. Die laute, erboste Stimme der Zauberin dafür umso näher und lauter:
„KUL TIRAS? Heiliges Zahnrädchen, ich bin die Scheffin des Kommandos. Wir treffen uns Morgen Abend zur 8. Stunde in Sturmwind im blauen Eremiten. Lagebesprechung und Entscheidung zum weiteren Vorgehen. Das ist ein BEFEHL!“
Kurz blieb es still im Gnomenfunkkanal, dann meldete sich Kügelchens weit entfernte Stimme wieder, diesmal kleinlaut:
„Leider negativ, Scheffin! Denn wir sind schon in Kul Tiras…“
Die Folgen der Belagerung Lordaerons hatten Einfluss auf die weiteren Pläne des Sprengkommando Drei. Bevor es nach Kul Tiras abreisen konnte, wurden Priester sowie heilkundige Paladine und Schamanen nach Eisenschmiede und in die Pestländer gerufen, um die verseuchten Streiter der Allianz zu heilen. Oder wo eine Heilung nicht mehr möglich war, ein möglichst schmerzfreies „Gehen“ zu ermöglichen. Da die lichtgeschmiedete Draenei Ya eine gewisse Begabung aufwies, die sie auch bei der Behandlung von Reas schon unter Beweis stellte, wurde sie in die westlichen Pestländer gerufen. Und um das Sprengkommando Drei nicht noch weiter zu entzweien, entschied sich Spektralia dazu, mit allen Streitern – ausser Kügelchen und Zitterklinge die bereits in Kul Tiras waren – nach Norden zu reisen.
Angekommen am Zugwindlager zeigte sich das Ausmass der Katastrophe erst richtig. Viele schwer verwundete Streiter der Allianz wurden dorthin gebracht, um sie vor weiteren Angriffen der Horde zu schützen. Für viele aber kam jede Hilfe zu spät, denn die verbreitete Seuche zeigte ihre Wirkung und forderte einen hohen Blutzoll. Überall wurde geröchelt, gehustet, gefiebert und gejammert. Das Elend war allgegenwärtig. Spektralia war entsetzt über die Not, die hier überall herrschte. Da sie nicht heilkundig war, konnte sie nicht helfen. Immerhin konnte sie sich nützlich zeigen und beschwor Portale, um die Toten aus dem Zugwindlager weg zu schaffen an einen anderen Ort, wo die armen Seelen „präpariert“ wurden, damit sie später nicht als willenlose Untote oder als Verstärkung für die Verlassenen dienen durften.
Reas selbst ging es wieder deutlich besser und er war in der Lage anzupacken, wo Hilfe notwendig war. Für viele kam jegliche Hilfe zu spät, doch einige Streiter befanden sich an einem Punkt wo nicht klar war, ob sie genesen oder sterben würden. Und um all diese Seelen kümmerte sich die lichtgeschmiedete Draenei mit ihren Heil- und Läuterungszaubern.
Die meisten der verseuchten Streiter wollten genesen und ins Leben zurück kehren, aber eine verseuchte Streiterin gab dem Sprengkommando Drei Rätsel auf, denn sie wollte nicht behandelt werden. Es war die Leerenelfin, der sie vor einigen Wochen am Fusse der Kathedrale in Sturmwind begegnet waren. Sie hustete unablässig Blut und fluchte über die Art der Kriegsführung der Horde, über die Sin’Dorei und die VerlassenenUnd immer wenn Ya sie läutern wollte, wehrte sie sich und gab an, hier sterben zu wollen.
„Keine Lichtzauber! Die verzehren und schmerzen mich nur. In mir ist die Leere, die Dunkelheit, das Licht vers….“ Sie unterbrach und hustete blutig in den kleinen Eimer, der neben ihr am Lazarett stand. Dann wurde sie bewusstlos und liess ihren Kopf auf das blutverschmierte Kissen fallen.
„Keine Lichtzauber? Dann ist sie verloren.“ Meinte Ya nachdenklich, doch Reas wehrte sich für die Leerenelfe.
„Ach was. Das sagt sie doch nur. Versuch bitte, ihr zu helfen. Ihre Einstellung zum Leben ist ja nicht grad die Beste, aber sie wäre trotzdem ein Verlust für die Allianz!“ Verkündete er und blickte die Leerenelfe mit einer Mischung aus Besorgnis und Faszination an. Spektralia beobachtete ihn dabei: „Ein Verlust für die Allianz oder ein Verlust für Dich, Mensch?“
„Ich werde es mit einem leichten Zauber versuchen, dann sehen wir, was passieren wird.“ Sagte Ya, legte der Leerenelfe ihre Hände auf den Bauch und murmelte einen leisen Zauber, woraufhin sich grelles Licht auf den Körper der Elfe legte. Gleichzeitig begann sie heftig zu zittern, und das Licht wurde durch einen dunkle Aura absorbiert, die sich plötzlich auf ihrem Körper zeigte.
„Das bedeutet wohl nichts Gutes?“ Fragte die Zauberin und blickte die lichtgeschmiedete Draenei an. Diese schüttelte den Kopf.
„Nein. So etwas habe ich noch nie erlebt. Die Heilmagie wird verzehrt durch die Leere. Sie hat sie in sich. So kann ich ihre Verseuchung nicht heilen, sie wird sterben.“
„Sterben? Das kann doch nicht sein! Gibt es nichts, keinen anderen Zauber, der wirkt?“ Fragte Reas und blickte die Beiden erwartungsvoll an.
Spektralia beugte sich über die bewusstlose Leerenelfe und untersuchte sie.
„Hmm, vielleicht gibt es doch einen Weg. Wenn ich sie verwandle, dann könnte sie vielleicht geläutert werden, wenn dies direkt nach der Verwandlung passiert. Was meinst Du, Ya?“
„Vielleicht funktioniert es, vielleicht aber auch nicht. Die Leere würde meinen Läuterungszauber aufzehren. Oder sie würde von den Kräften zerrissen. Ich…ich bin mir nicht sicher.“ Ya wirkte unsicher und blickte zwischen Reas und der Gnomin hin und her.
„Wir müssten es einfach versuchen. Wenn wir nichts tun, wird sie sowieso sterben. Aber ich kann es euch ja nicht befehlen, ich habe hier nichts zu bestimmen.“ Meinte der Seefahrer kleinlaut.
„Nein, das kannst du nicht. Aber wir können es versuchen. Bist du bereit, Ya?“ Fragte die Zauberin und die lichtgeschmiedete Draenei nickte.
„3…2…1…Häschen!!!“ Rief Spektralia und wirkte den Verwandlungszauber auf die Leerenelfe, die sich im nächsten Moment in ein kleines, süsses aber bewusstloses Häschen verwandelte. Gleichzeitig wirkte Ya ihren Läuterungszauber auf das Tierchen, das in einem grellen Blitz verschwand. Reas hielt sich die Hände vor die Augen, und als der Lichtblitz wieder verschwand, lag das Häschen unversehrt an Ort und Stelle. Die Drei blickten es erwartungsvoll an, doch es tat sich nichts.
„Und?“ Fragte Reas.
„Was UND?“ Stellte Spektralia als Gegenfrage und wirkte gereizt.
„Hat es gewirkt?“
„Ich weiss es nicht. Heilzauber entziehen sich meiner Erfahrung.“ War die Antwort. Und Ya ergänzte: „Ich denke, dass die Läuterung gewirkt hat. Ich spürte keine Leere als ich den Zauber wirkte. Die Verwandlung war eine gute Idee. Aber solange die Elfe ein bewusstloses Häschen ist, kann ich das noch nicht abschliessend beantworten.“
„Also müssen wir abwarten. Kümmern wir uns um die weiteren verseuchten Streiter hier. Auch sie haben ein Anrecht auf Heilung. Es gibt noch viel zu Tun.“ Verkündete Spektralia und liess das Häschen weiter schlafen.
„Aye, ich werde später schauen, wie es ihr geht“. Meinte Reas kopfnickend.
Dann entfernten die Drei sich von der verwandelten Leerenelfe.
Da Spektralia und der Rest des Sprengkommando Drei im Zugwindlager hängen geblieben waren, entschied Kügelchen sich dazu, aus Kul Tiras zurück zu reisen, um seine Gefährten am Zugwindlager zu treffen. Mit Zitterklinge im Schlepptau traf er nach ein paar Tagen dort ein.
Die lichtgeschmiedete Draenei Ya war noch immer daran, sich um die verseuchten und vergifteten Seelen zu kümmern, doch die Reihen der Verwundeten hatten sich stark gelichtet. Spektralia kümmerte sich um diplomatische Beziehungen zu den Streitern der silbernen Hand, und Reas, der Seefahrer, kümmerte sich um die Leerenelfin, die auf dem Weg der Besserung war.
Die Zauberin rief zur siebten Abendstunde zur Versammlung, die etwas abseits des Zugwindlagers an einem ruhigen Ort durchgeführt wurde. An einem Ort,, wo auch keine wilden Bären versuchten, in den Gnomen einen willkommenen Snack zu sehen.
„Da wir ja nun vollzählig sind, möchte ich zuerst kurz unser neuestes Mitglied im Sprengkommando offiziell begrüssen. Reas Schattenklinge, Schleicher und Seefahrer. Wir haben uns gegenseitig an der Dunkelküste das Leben gerettet.“ Verkündete Spektralia und blickte den Menschen stolzerfüllt an. Dieser hob seinen Zeigefinger und korrigierte sie.
„Ich muss festhalten, provisorisch!“
„Natürlich provisorisch, Herr Seefahrer!“ Fügte die Zauberin hinzu. Dann fuhr sie fort: „Unsere Arbeit hier im Zugwindlager ist getan. Das Lazarett wird Morgen aufgehoben und unsere Reise führt uns weiter. Kurt, was gibt es aus Kul Tiras zu berichten?“ Sie blickte den Gnomjäger erwartungsvoll an. Dieser trat in die Mitte und begann mit seiner Erzählung.
„Es geht rund auf der Insel der Seefahrernation. Es gibt vieles zu entdecken, neue Sprengkünste, neue Tüfteleien, aber es ist auch ein sehr sehr gefährliches Land. Und die blöde blöde Horde lässt uns dort auch nicht in Ruhe. Aber ich habe meine Kampfkünste weiter verfeinern können. Deshalb möchte ich beliebt machen, dass das Sprengkommando Drei nach Kul Tiras reist. Aber erst, wenn wir Lagartha retten konnten.“
„Äh tut mir leid, das wird nicht gehen.“ Blockte Spektralia ab.
„Das wird nicht gehen? Das muss es aber. Ohne sie können wir dort nicht kämpfen. Wir brauchen unsere Schleicherin!“ Sagte Kügelchen.
„Wir haben Reas als Schleicher. Und ich weiss im Moment nicht, wie wir Lagartha holen können. Meine jüngsten Versuche schlugen leider fehl. Mir fehlt diese spektrale Zauberformel. Tut mir wirklich sehr leid!“ Spektralia hob beschwichtigend ihre Ärmchen, doch Kügelchen liess nicht locker: „Aber vielleicht gibt’s in Kul Tiras ja neue magische Möglichkeiten für Dich, Jael. Also brechen wir auf nach Kul Tiras und…“
„Ich wär in Sachen Kul Tiras vorsichtig. Sehr vorsichtig!“ Unterbrach ihn Reas mit erhobenem Zeigefinger.
„Wir sind immer vorsichtig und werden es auch dort sein!“ Meinte die lichtgeschmiedete Draenei und Spektralia doppelte nach: „Ja, genau, wir waren immer eher vorsichtig als eher nicht.“
Doch Reas liess nicht locker: „Kul Tiras ist anders als alles, was ihr kennt. Dort gibt es verschlagene Seefahrer, Piraten, Meuchel-Mörder und andere zwielichtige Gestalten. Und immer wenn Ihr meint, dass Ihr eine Lage im Griff habt, wird sie Euch wieder entgleiten. Ich stamme aus Kul Tiras, ich bin zwar nicht dort aufgewachsen, aber ich kenne die Sitten und Gebräuche dort recht gut.“
„Dann ist doch ganz gut, wenn wir dich dabei haben, Mensch!“ Rief Flix Zitterklinge und klatschte begeistert in seine Händchen.
„Wir werden uns auf alle Fälle vorsehen dort, und wenn Du dabei bist, dann kannst du uns beschützen und uns mit den Gebräuchen vertraut machen.“ Sagte die Zauberin.
„Aye, das werde ich tun. Wir können…“
Reas wurde unterbrochen, als ein Schatten hinter Kügelchen und Zitterklinge vorbei huschte, und sich neben der lichtgeschmiedeten Draenei enttarnte. Es war die gerettete Leerenelfe, die mit ihrem unerwarteten Auftritt für kurzen Ärger sorgte. Aber die Streiter des Sprengkommando beruhigten sich rasch wieder, als sie ihnen zulächelte und Ya einen Geldbeutel hinstreckte:
„Tut mir leid, ich wollte euch nicht erschrecken. Nein, ich will Euch DANKE sagen für meine Rettung, es bedeutet mir viel, auch wenn ich es erst gar nicht wollte. Hier, für Eure Mühen, Heilerin!“
Sie warf Ya den Geldbeutel zu, welchen die lichtgeschmiedete Draenei geschickt auffing und dann den Kopf schüttelte: „Nein, das ist nicht nötig. Behalte dein Gold, Elfe.“
„Ihr werdet es sicher selbst gut gebrauchen können, Lady, was immer Ihr tut.“ Ergänzte Reas und lächelte die Leerenelfe fasziniert an.
„Was…äh…wirst du jetzt tun?“ Wollte Kügelchen wissen.
„Es tut mir leid, wenn ich Euer Gespräch belauscht haben sollte. Wie Ihr werde auch ich nach Kul Tiras reisen und mich dort nützlich machen. Die Allianz braucht talentierte Geisterklingen. Es sei denn, Ihr habt Bedarf nach einer weiteren „Schleicherin“ und Ihr möchtet mich engagieren? Gegen Entgelt, versteht sich.“
Reas blickte die Leerenelfe begeistert und wollte etwas sagen, doch Kügelchen schüttelte sein Köpfchen: „Nein, kein Bedarf! Das ist doch so, Jael, oder?“
Die Zauberin nickte langsam: „Ja, also eher nicht als eher schon. Im Moment jedenfalls nicht. Vielleicht später, aber das müssten wir beschliessen. Aber nicht jetzt.“
Die Geisterklinge blickte zwischen den Gnomen und Reas hin und her, und schmunzelte dann: „Wie Ihr wünscht. Aber wenn Ihr Eure Meinung ändern solltet, dann lasst es mich wissen. Vielleicht kenne ich auch einen Weg, wie Ihr an spektrale Magieformeln kommt. Aber ich respektiere das.“
„Ihr stört unsere Lagebesprechung!“ Fauchte Ya und blickte zornig zwischen Reas und der Leerenelfe hin und her.
„Dann möchte ich nicht länger stören. Ich heisse Alyndra, die Geisterklinge. Falls Ihr mich braucht, schickt mir einen Brief, und wir werden schon überein kommen. Wann und wo das immer sein soll. Sinu a’manore!“
Sie lächelte Reas noch einmal an, verbeugte sich und ging. Spektralia führte nach einer Weile die Versammlung fort:
„Gut, dann also Kul Tiras. Einwände?“ Sie blickte erwartungsvoll in die Runde, doch niemand hatte einen anderen Vorschlag.
„Dann lasst uns unsere Zeltchen hier abbrechen!“
Das Sprengkommando Drei erreichte Kul Tiras und ihre Hauptstadt Boralus am späteren Nachmittag. Jeder der Mitstreiter sah sich zuerst alleine und in Ruhe um, und Kügelchen nutzte die Zeit, um seine nicht mehr gebrauchten Ausrüstungsteile zu verschrotten, um daraus hochwertige Rohstoffe zu extrahieren. Reas nutzte die Gelegenheit, um Ya in seiner Heimat herumzuführen. Die lichtgeschmiedete Draenei fühlte sich geehrt und war interessiert daran, ein weiteres fremdes Land kennen zu lernen, das so anders war als ihre Heimat auf Argus.
Spät abends trafen sich die Mitstreiter des Sprengkommando Drei in der Taverne „Hafenstube“, wo sie sich austauschen und ein weiteres Mal beschliessen wollten, wo sich das Sprengkommando nützlich machen wollte. Bei einem ausgiebigen Mahl und bei frischem Starkbier wurde fleissig diskutiert.
„Als Scheffin vom Sprengkommando möchte ich hier und jetzt also die Möglichkeiten ausloten, ob wir eine Magie ausfindig machen können, die uns unsere verschollenen Mitglieder vom Sprengkommando Neun hier hin bringen können! Spektral oder auch nicht spektral. Das wäre mein Plänchen!“ Verkündete Spektralia feierlich. Kügelchen nickte.
„Ja, das muss unsere Hauptaufgabe bleiben. Solange Lagartha nicht hier bei uns weilt, werden wir nie stark genug sein!“
„Oh doch. Wir sind stark genug. Wir haben nämlich mich, den stärksten Krieger der Welt. Ausserdem haben wir Ya, unsere strahlende Schildträgerin und Reas, den Seefahrer.“ Wehrte sich Flix Zitterklinge, während er gierig sein Schüsselchen Milchbrei löffelte. Reas sass neben ihm und nippte an seinem Becher Starkbier.
„Diese Lagartha, ich höre Euch immer wieder von ihr sprechen. Warum holt Ihr sie nicht endlich zu uns? Sie kann ja nicht weit weg sein.“
„Leider doch. Sie ist sehr weit weg. Es bedarf spezieller Magie, sie in unsere Welt zu holen. Ausserdem sind da ja auch noch Serpentin, unsere Hexe, Schildchen, der Krieger, Sofinchen, unsere Priesterin mit ihrer Neigung zu grossflächigen Verbänden und Curcumo, unser Mönchen. Sie könnten uns wirklich verstärken.“ Sagte Ya.
„Dann schlage ich vor, nehmen wir halt diese Alyndra, diese Elfe und Geisterklinge, in unsere Reihen auf. Das wäre pragmatischer, oder?“ Fragte der Seefahrer, aber die lichtgeschmiedete Draenei schüttelte nicht unser Weg sein.“
„Ausserdem darfst du nicht vergessen, dass du bloss temporär im Sprengkommando bist, Reas. Temporäre haben kein Stimmrecht und werden es auch nie haben. Serpentin hatte das auch lange nicht!“ Fügte Kügelchen hinzu. Aber die Zauberin beschwichtigte sofort:
„Natürlich werden wir es uns überlegen, ob du bei uns bleiben darfst, oder eher nicht. Also wenns nach mir ginge, kannst du bleiben. Ich bin aber sowieso dafür, alle Möglichkeiten zu prüfen!“
Doch Zitterklinge wehrte sich, während die Milch von seinem Schnurrbärtchen tropfte: „Ich bin aber dagegen. Nur Gnome und Ya als einzige Ausnahme. Ich will keine Menschen, keine Elfen und keine sonstigen Fremden!“
Reas nahm das Argument des Kriegers mit einem Lächeln entgegen: „Soso, nur Gnome und Draenei? Keine Menschen und Elfen? Und ich dachte, nur wir Menschen seien ab und zu etwas…naja…sagen wir skeptisch eingestellt gegenüber unseren kurzen Mitverbündeten?“
Kügelchen zuckte beim Wort „kurz“ zusammen und verteidigte sich: „Wir sind nicht KURZ! Wir sind nur kleiner als Ihr Menschen! Ich muss das immer wieder…“
Die Zauberin fiel ihm ins Wort und versuchte, zu beschwichtigen: „Nanana, wir wollen doch nicht gleich mit Streiten beginnen, oder?“
„Nein? Ich bin aber grad in Laune. Der Mensch da hat uns nichts zu sagen. Ich bin zu lange im Sprengkommando Drei, als dass ich mir was befehlen lasse!“ Wehrte sich Flix Zitterklinge erneut, und Kügelchen trommelte sein Fäustchen auf den Tisch und zeigte auf Spektralia.
„Niemand hier befiehlt, ausser unsere Zauberin tut es!“
„Aber ich halte nochmals fest, ich bin nur kurzfristig im Sprengkommando! Bald seid Ihr mich sowieso wieder los!“ Fügte Reas hinzu und blickte den Gnomkrieger mit ernstem Blick an.
„Ja, du würdest am liebsten mit dieser leeren Elfe kuscheln gehen. Ist ja auch nicht zu übersehen. Schon klar!“ Meinte Flix Zitterklinge und verschränkte trotzig seine Ärmchen. Nun mischte Ya sich ins Gespräch ein.
„Nicht doch. Wir müssen uns nicht streiten. Wir wollten doch klären, was wir hier in Kul Tiras tun. Was denken bloss die…“
„Mir doch egal was die hier denken! Sind auch nur Menschen! Ich streite mich wann und wo ich es will. Wo immer Ihr alle herkommt, Ihr tickt einfach komisch!“ Begann der Gnomkrieger erneut.
„Hör auf, Flix! Ich befehle es. Wir hören jetzt auf mit Streiten!“ Spektralia wurde jetzt auch laut.
„DOCH! Wir streiten jetzt!“ Wehrte sich Zitterklinge.
„Nein, wir streiten uns nicht!“
„Doch!“
„Nein!“
Ya und Reas blickten sich an und verdrehten entnervt die Augen. Die Bedienung der Hafenstube stand plötzlich am Tisch und Spektralia befürchtete schon, dass das Sprengkommando Drei nun hochkant aus der Taverne geschmissen würde. Doch die üppige Dame servierte mit einem Lächeln kleine Becher gefüllt mit etwas Rotem.
„Eine Runde Schneebeercreme für Euch alle. Sie geht aufs Haus. Schneebeeren beruhigen das Gemüt, ob alt oder jung, gross oder klein! Ihr werdet es mögen.“
Nachdem sie die Portionen verteilt hatte, musterten die Streiter des Sprengkommando die Becher interessiert. Reas war der Erste, der die Creme ass, denn er kannte diese Leckerei. Flix Zitterklinge wollte wieder protestieren und holte Luft, aber wurde von Ya mit einem Löffelchen Schneebeercreme gefüttert.
„Blubb…“
Der Gnom verzog zuerst sein Gesichtchen, dann entspannte er sich.
„Oh, fein!“
Nachdem die Portionen verzehrt waren, verkündete Spektralia: „Gut. Dank den Schneebeeren wäre der Streit nun geklärt. Erkunden wir also zuerst mal Kul Tiras in aller Ruhe. Danach schauen wir weiter, ja?“ Sie blickte erwartungsvoll in die Runde. Niemand erhob das Wort, es waren alle einverstanden.
Kügelchen grinste und nickte der Zauberin zufrieden zu: „Wir stehen unter Deinem Kommando, Jael!“
Vielen vielen Dank für diese Geschichte.
Nach ein paar nicht erwähnenswerten Abenteuern um Kul Tiras, besuchte das Sprengkommando Drei das Anwesen der Norwinsens. Der Ort gefiel ihnen auf Anhieb sehr gut, wurde dort doch jeden Abend gefeiert und gezecht, bis sich die Balken bogen. Und die anwesenden Adligen von Kul Tiras lauschten den Erzählungen des Sprengkommandos Drei, das sich natürlich geschmeichelt fühlte, derart im Mittelpunkt zu stehen.
„Als wir die Sprengladungen an den Dimensionsportalen auf Argus platzierten, war das alles sehr gefährlich, müsst ihr wissen! Die Dämonen waren nämlich sehr gross und gefährlich! Also schon sehr gefährlich!“ Verkündete Kügelchen stolz. Und Spektralia fügte hinzu: „Aber da waren wir auch noch verstärkt durch weitere Streiter, die jetzt nicht da sind. Aber wir waren stark als Gemeinschaft. Wisst Ihr, uns Gnome unterschätzt man nämlich immer!“
Ein Kul Tiraner schmunzelte und deutete auf Reas: „Wie wahr! Und was ist mit Euch, Seefahrer? Gehört Ihr zu diesem Sprengkommando dazu? Seid Ihr nicht zu gross für diese Gemeinschaft?“
Reas räusperte sich, überlegte einen Moment und sagte dann: „Nun, es ist eine interessante Erfahrung für mich. Ich habe schon sehr vieles erlebt, war auf hoher See in Stürmen, oder kämpfte gegen die Blutsegelbukaniere. Aber das Sprengkommando hat meinen Horizont erweitert, auch wenn ich nur temporär mit dabei bin.“
„Temporär? Wie meint Ihr das?“ Wollte eine adlige Dame wissen.
„Nun, ich war in privater Mission vor den Küsten Lordaerons unterwegs. Der pure Zufall führte mich zu den Gnomen. Aber bislang lief es ganz gut.“
„Und Ihr seid in Kul Tiras, um auch Krieg zu führen?“ War die Anschlussfrage.
„Vornehmlich Abenteuer und Erfahrungen. Und neue magische Möglichkeiten. Im Speziellen suche ich nach Möglichkeiten, meine Portalmagie zu verbessern und erweitern. Wisst Ihr, wo ich hier fündig werden könnte?“ Fragte Spektralia.
Die Kul Tiraner blickten einander fragend an, und eine zierliche, junge Lady gab Antwort.
„Reist am Besten nach Drustvar. Dort gibt es allerlei seltsame Magie, leider auch etwas Hexerei. Aber es gibt auch sehr interessante Orte und Kreaturen. Dort könntet Ihr vielleicht fündig werden.“
Reas ergriff das Wort: „Die Hexerei in Drustvar ist mir bekannt, ja. Ich schlage deshalb vor, wir reisen nur in der Gruppe dorthin, damit nichts passiert. Es ist nicht geheuer dort. Aber ein guter Ansatzpunkt wäre es auf…“
Er wurde unterbrochen, als abseits der illustren Gruppe drei junge Adlige um eine Leerenelfe standen und laut auf sie einredeten. Offensichtlich wurde es der Elfe zuviel und sie versuchte, sich aus der Gruppe zu entfernen, was die Kul Tiraner aber nicht zuliessen.
„Hey, das ist doch diese Geisterklinge, die wir retteten und in den Pestländern pflegten.“ Sagte Kügelchen erstaunt.
Und Spektralia fügte hinzu: „Sie war neulich sogar beim Rat der Allianz mit dabei. Sie war die einzige Leerenelfe dort, und ich glaube, sie wurde von vielen Augen misstrauisch beobachtet.“
„Ja, das ist sie. Und sie scheint wieder unsere Hilfe zu benötigen.“ Reas stand auf, um zu ihr zu gehen, und Ya reagierte verärgert.
„Diese Elfe scheint uns auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Das passt mir nicht. Wir haben sie zwar gerettet, aber das gibt ihr kein Recht, sich ständig in unsere Angelegenheiten zu mischen!“
„Aber das tut sie ja gar nicht. Doch scheint sie mit den drei jungen Menschen wirklich ein Problemchen zu haben.“ Meinte Spektralia. Die Drei versuchten, die Leerenelfe am Arm zu packen. Diese zog sich aber geschickt zurück und verpasste dem frechsten der drei Kul Tiraner eine gezielte Kopfnuss. Dann war Reas zur Stelle und mischt sich ein.
„Okay, meine jungen Herren. Mir scheint, wir haben hier ein Missverständnis zu klären?“
Der Grösste der jungen Störenfriede schielte auf seinen Kameraden, der benommen von der Kopfnuss an Ort und Stelle stehen blieb, und knurrte den Seefahrer provokativ an: „Misch dich hier nicht ein, Matrose! Wir sind Neffen der Norwinsens und wir möchten uns heute Abend nur amüsieren mit dieser Elfe.“
Alyndra legte ihren Kopf schief: „Das nennt Ihr amüsieren? Ihr könnt froh sein, mussten wir die Waffen beim Betreten des Anwesens hier abgeben. Ausserdem ist eure Feier hier nur ein Abklatsch und eine billige Kopie von Saltherils Feier in Quel’Thalas! Ihr bietet erstens keinen Sonnentropfen an, und zweitens sind Eure Speisen sowas von…“
„Nun…wir haben uns hier genug amüsiert, nicht wahr Alyndra?“ Mischte sich Reas ein, packte die Leerenelfe am Arm und wollte sie von den jungen Kul Tiraen wegführen.
„Ist sie etwa Deine Freundin? Wenn wir das gewusst hätten. Sie sollte sich in Zukunft etwas höflicher verhalten! Aber wir lassen es gut sein.“ Beschwichtigte der Grosse.
„Wir werden uns beim nächsten Mal Mühe geben. Verzeiht die Unannehmlichkeiten, und gehabt Euch wohl.“ Fügte der Seefahrer hinzu und führte Alyndra weg von den drei Männern hinüber zum Sprengkommando. Die Leerenelfe befreite sich aus seinem Griff, schüttelte verärgert ihren Arm und zischte Reas an:
„Ich hatte das im Griff, Ihr hättet Euch nicht einmischen sollen! Die Bengel hatten eine Lektion verdient!“
Reas lächelte sie an: „Daran zweifle ich nicht, aber es ist besser, wir provozieren hier nicht. Wenn Ihr mögt, dann feiert doch etwas mit uns.“
„Ja natürlich, gute Idee. Wie geht es euch hier in Kul Tiras, Alyndra? Was genau tut Ihr hier?“ Sagte Spektralia und blickte die Leerenelfe erwartungsvoll an.
Alyndra liess sich ein Glas Wasser geben, das sie mit vornehmer Geste nahm, daran nippte und es dann angewidert beiseite stellte. Dann antwortete sie: „Grundsätzlich dasselbe wie Ihr. Ich stelle mich den Gefahren, bestreite Abenteuer und sammle Erfahrungen. Abgesehen von den seltsamen Sitten hier auf der Insel gibt es ja nur ganz wenig Angenehmes hier.“
Kügelchen nickte. „Wir werde Morgen nach Drustvar reisen. Vielleicht kommt Ihr ja mit uns? So kann Euch…äh…uns allen nicht viel passieren.“
Flix Zitterklinge, der sich bislange aus den Diskussionen zurück hielt, schüttelte sein Köpfchen und wehrte sich: „Nein, das ist leider nicht möglich. Es ist sogar unmöglich, denn wir müssen nach Eisenschmiede. Dort hat nämlich das Braufest begonnen. Und einmal im Jahr müssen wir da hin. So verlangt es die Tradition des Sprengkommando Drei!“
„Das Braufest?“ Ya hob eine Augenbraue.
„Das Braufest! Wir müssen das diesjährige Bier probieren, wie es schon immer Tradition war.“
Kügelchen schmunzelte: „Na prima, eine solche Tradition kennen wir doch auch vom Sprengkommando Neun. Ich bin dabei!“
„Ich nicht. Ich bleibe hier!“ Sagte Ya trotzig.
Spektralia blickte zwischen den Gnomen hin und her, dann sagte sie: „Na gut, Traditiönchen wollen wir ja nicht brechen. Wir werden Morgen vor die Tore Eisenschmiedes reisen. Meine Portalmagie kürzt das ja ab. Aber übermorgen werden wir Drustvar erforschen. Kommt Ihr mit uns, Alyndra? Und Ya, es wäre schön, wen auch Du dabei wärst.“
„Ins kalte Land der Zwerge? Nur wenn Ihr es wünscht.“
Reas lächelte: „Es würde uns freuen. Es wird sowieso nur ein kurzer Abstecher, und ohne Zwischenfälle.“
„Nein, Schildchen ist ja nicht mit dabei. Wir werden kein Kopfweh zu kurieren haben wie noch im letzten Jahr.“ Sagte Spektralia und kicherte.
Und Ya knurrte: „Na gut. Aber kein Bier für mich!“
„Kein Bier für unsere lichtgeschmiedete Kriegerin, ist verstanden!“ Meinte Kügelchen schmunzelnd.
Das Sprengkommando Drei reservierte sich einen Tisch an der Sonne mitten auf dem Platz, wo das diesjährige Braufest durchgeführt wurde. Durch die Kriegswirren in Kul Tiras und Zuldazar in diesem Jahr nicht allzu gut besucht. Umso höher wurde der Bierkonsum für die Mitstreiter des Sprengkommandos, und auch mit kulinarischen Angeboten zu guten Preisen geizten die Gastbrauereien nicht.
Kügelchen und Zitterklinge langten beim Starkbier ordentlich zu, und auch Spektralia gönnte sich das eine oder andere Bierchen, aber vorsichtigerweise trank sie immer nur kleine Schlückchen. Ya hielt sich vollständig zurück und trank lieber Bergwasser als Bier, hatte dafür umso grösseren Hunger und fand Gefallen an den Zipfelwürsten. Die Leerenelfin Alyndra sass weit weg von der lichtgeschmiedeten Draenei und rührte überhaupt nichts an. Weder Bier noch Speis konnten sie begeistern. Sie sah sich aber dennoch interessiert um, wunderte und stiess sich aber eher an den Essgepflogenheiten der Gäste am Braufest.
Und Reas der Seefahrer, der war weg. Er hatte sich kurz nach ihrer Ankunft in Eisenschmiede verabschiedet und war nicht mehr gesehen.
„Dassschh Bier ischt diesesch Jahhr aberrr sääähr guuuht, nischt?“ Meinte Flix Zitterklinge, sichtlich angeheitert.
Kügelchen, der selbst noch ziemlich nüchtern war, musterte ihn lange: „Das Bier ist gut, ja. Aber du verträgst nichts, oder? Trinkst du wirklich nie was?“
Der Gnomkrieger schüttelte sein Köpfchen. „Naaiihnn, ischhh musch jaaah immäär kämpf…hicks….kämpfffffnnnn! Brauschisch klar’n Koppffffff, hicks!“
„Vielleicht ist das auch besser so. Einen Zweiten wie Schildchen brauchen nicht, oder?“ Sagte Spektralia kichernd.
Plötzlich stand Reas am Tisch.
„Uppssss, wo…hicks…komssschhh duhuuu dännhärrr?“ Zitterklinge schielte den Schurken an. Dieser lächelte und stellte der Leerenelfin eine Weinflasche und einen Korb mit frisch duftendem Fleisch hin.
„Nun…wenn wir zuweilen aus dem Nichts auftauchen, machen wir es richtig. Ich habe Lady Sternglanz etwas Besonderes besorgt. Einen thalassischen Sonnentropfen und einen Korb voller frischer Bachtatzenhäppchen. Aus der Nähe von Morgenluft. Wohl bekomms!“
Alyndra legte ihren Kopf schief, nahm die Weinflasche und hielt sie prüfend in die Höhe.
„Höchst interessant. Wenn das wirklich Wein aus Quel’Thalas ist, dann bin ich beeindruckt, Herr Mensch!“
Reas zauberte einen Flaschenöffner hervor, entkorkte die Weinflasche, schenkte der Leerenelfin einen Schluck in ein besonderes, mitgebrachtes Kristallglas und streckt ihr das tiefrot leuchtende Weinglas hin. Alyndra nahm es, nippte vorsichtig daran und lächelte dann zufrieden als sie erkannte, dass sich darin wohlgereifter Sonnenwein befand. Dann blickte sie Reas erwartungsvoll an und sagte: „Warum macht Ihr mir den Hof? Wollt Ihr Euch mit der Leere einlassen?“
Die lichtgeschmiedete Draenei mischte sich sofort ein: „Er will garantiert nichts von Euch! Wer will schon in ein schwarzes Loch fallen?“
Der Seefahrer blickte Ya schuldbewusst an, ging zu ihr und schenkte ihr ebenfalls ein Glas Wein, das er ihr hinstellte.
„Bitte verzeiht, ich wollte Euch doch auch ein Glas einschenken, kam aber noch nicht dazu. Es tut mir leid, Euch keine kulinarischen Leckereien aus Eurer Heimat besorgt zu haben. Argus war etwas zu weit weg, so auf die Schnelle!“
Spektralia blickte zwischen Ya und der genüsslich Wein trinkenden Leerenelfin hin und her, und blickte den Seefahrer dann leicht verstimmt an.
„So etwas solltest Du wirklich nicht tun, Reas. Also eher nicht als eher schon! Wir sind hier, um in Frieden Bier zu trinken, und nicht, um Elfen zu bezirzen! Was bezweckst du damit?“
Reas schenkte sich ein weiteres Glas Wein ein und nahm neben der Zauberin Platz. Währenddessen packte sich Zitterklinge, dessen Hände wie Espenlaub zitterten und seinem Namen alle Ehre machten, ein Bachtatzenhäppchen und stopfte es sich ins Mäulchen.
„Ich möchte gar niemanden bezirzen. Ich wollte Alyndra lediglich Speis und Trank aus ihrer Heimat bieten. Ich habe befürchtet, dass Starkbier und Eberhaxen weniger ihr Ding sind. Und Ya, bitte verzeiht, ich meinte das wirklich nicht so.“
Die Draenei winkte scheinbar gelangweilt ab und schwieg beleidigt. Doch Alyndra genoss den Wein sichtlich, denn sie hatte ihr Glas bereits ausgetrunken.
„Ihr müsstet den unbedingt Wein probieren, Gnome. So rasch werdet Ihr nicht mehr in solch einen erlesenen, thalassischen Genuss kommen. Immerhin hat Euer Schildträger Gefallen gefunden an den leckeren Bachtatzenhäppchen. Reas, mit diesen Geschenken habt Ihr mich nicht bezirzt, Ihr macht mir offiziell den Hof!“ Wohl wissend, dass sie die Draenei damit ärgerte, blickte sie Ya fordernd an.
„Äh nein, keinen Hof und auch kein Zirpen!“ Wehrte sich der Seefahrer und klopfte mit seiner Faust auf den Tisch.
„Nun gut. Themawechsel. Ich versuche vielleicht wirklich mal einen Tröpfchen vom Wein.“ Verkündete Spektralia, nahm sich das für sie übergrosse Glas und nippte vorsichtig daran.
„Oh, der ist aber wirklich gut. Der wärmt ja von innen her. Ich bin beeindruckt.“ Sie blickte Alyndra anerkennend an. Im nächsten Moment nahm Ya das vor ihr stehende Weinglas, hielt es neben Tisch, drehte es um und ergoss den Inhalt in den Schnee, der sich blutrot färbte.
„Ihr seid ein so törichtes, junges Ding, Ya. Der Mensch hier offeriert euch etwas, was Ihr nie wieder zu Trinken kriegt, und Ihr verschüttet es wie eine kleine Zicke in den kalten Schnee?“ Sagte Alyndra und weckte damit den Zorn der lichtgeschmiedeten Draenei. Ya stand auf, schäumte vor Wut und baute sich vor der Leerenelfin auf.
„Eurer Magie wegen sind Welten zerstört worden! Die Leere bringt nur Unheil, Verderben und Tod! Und Euren Verstand hat sie längst verschlungen! Ich bin weder jung oder töricht, noch zicke ich! Sprengkommando, bitte entschuldigt mich, ich bleibe nicht länger hier!“
Alyndra verdrehte ihre Augen, entspannte sich dann wieder und blickte den Seefahrer mit verführerischem Blick an: „Leicht reizbar, unsere Lichtkriegerin, nicht? Aber wenn Ihr wollt, werde ich diese Nacht an Eurer Seite für Euch schnurren wie ein Kätzchen, Reas. Es liegt an euch…“
Nun sprang Kügelchen von seinem Platz auf, während gleichzeitig Zitterklinge nach hinten in den Schnee kippte. Das Starkbier war dem Gnomkrieger, der sich den Alkohol nicht gewöhnt war, wohl zu viel.
„Mässige deine Zunge, Elfe! Im Sprengkommando wird nicht gestritten. Wir achten uns gegenseitig, egal wer wir sind und was wir tun!“ Sagte Kügelchen und blickte Alyndra ernst an. Doch Ya war es endgültig zu viel geworden, denn sie ging ohne ein weiteres davon und verliess den Tisch des Sprengkommandos. Reas stand auf, folgte ihr und hob beschwichtigend seine Arme. Ob ihm erst jetzt bewusst wurde, was er tat, war nicht klar.
Spektralia seufzte enttäuscht und beugte sich über Zitterklinge, der im Schnee lag. Gemeinsam mit Kügelchen hoben sie ihn zurück auf die Sitzbank, wo der Gnomkrieger leicht benommen sitzen blieb.
„Wasch wahhr denn dassch fü…hicks….füüühr aihnn Geschrraiihhh?“ Wollte er wissen.
„Nur ein kleiner Streit zwischen Nichtgnomen. Wie immer!“ Sagte Kügelchen.
„Nichtgnome streiten nicht immer. Tut mir leid, aber es ist nicht mein Fehler, wenn der Mensch MIR den Hof macht. Ihr kennt unsere Sitten nicht!“ Verkündete Alyndra, erhob sich ebenfalls und zurrte sich ebenfalls beleidigt ihren ledernen Wams zurecht.
„Ich empfehle mich. Ruft nach mir, oder auch nicht. Ganz wie Ihr es wollt!“ Und sie ging ohne Spuren im Schnee zu hinterlassen ebenfalls davon.
Spektralia und Kügelchen blickten sich einen Moment lang ratlos an. Schliesslich sagte die Zauberin: „Wir müssen reden, Kurt!“
Nachdem das Braufest vorbei war, aber vor Rückkehr des Sprengkommandos nach Kul Tiras, trafen Kurt Kügelchen und Jael Spektralia sich in Eisenschmiede in der Halle der Forscher zur persönlichen Lagebesprechung unter vier Augen.
Der Gnomjäger stellte ihr die Vertrauensfrage: „Die Entwicklung im Kommando Drei geht in keine gute Richtung. Wir haben zu viele Nicht-Gnome im Kommando. Die machen nur Zoff!“
„Ja, Kurt. Ich wusste, dass Du sowas bringst. Ich bin selbst erstaunt, was die lichtgeschmiedete Draenei, die Leerenelfin und der Mensch da zu Stande bringen. Ich bin baff, aber ich mir meine Gedanken dazu gemacht.“ Sagte die Zauberin und las die Buchrücken der dort aufbewahrten Bücher, in der Hoffnung, ein Buch über spektrale Magie zu finden.
„Und?“ Fragte Kügelchen.
„Was, UND?“ Lautete Spektralias Gegenfrage.
Der Gnomjäger präzisierte seine Frage: „Und was wirst Du tun? Muss jemand das Sprengkommando verlassen? Holen wir endlich Lagartha und Sofinchen zu uns, damit uns die Priesterin inskünftig die Streitchen schlichten kann? Sie hat das immer sehr sorgsam zu Stande gebracht. Oder machen wir ein Diszapli…äh…Displinar…äh….du weisst schon, ein Verfahren über den Anstand mit den Betroffenen?“
„Disziplinare Massnahmen? Wegen sowas? Sicher nicht! Es ist ja gar nichts passiert. Weder wurde etwas in die Luft gesprengt, noch gab es Verletzte.“ Die Zauberin blieb stehen und starrte Kurt Kügelchen erstaunt an.
„Aber etwas müssen wir doch jetzt tun. Hätten wir nur Gnome im Kommando, das wäre nicht passiert! Im Sprengkommando Neun gab es sowas nicht. Niemals!“ Wehrte sich der Gnomjäger.
Spektralia holte tief Luft und begann aufzuzählen: „Und was war mit Deiner eifersüchtigen Lagartha? Und dem Gestürm zwischen Sofinchen und Schildchen? Unser Krieger im Neunten war ja kaum in der Lage, sein Schildchen richtig zu halten. Nein, das betrifft nicht nur Nichtgnome, es betrifft uns Gnome ebenso. Es ist ein ganz anderes Thema, was da abging zwischen den Drei.“
„Soso? Und was für ein Thema soll es denn sein? Rotkäppchen und der böse Wolf? Die Allianz und die Horde? Ich kapier nicht, was du meinst.“
„Es ist ganz einfach ein Eifersuchtsthema zwischen Ya und Alyndra. Und Reas ist da dummerweise in ein riesengrosses Fettnäpfchen getreten. Also soweit ich das beurteilen kann. Ausserdem geht es um das alte Thema, die Auseinandersetzung zwischen Licht und Dunkelheit. Und Alyndra ist einfach ziemlich elfisch in ihrem Verhalten. So wie wir Gnome manchmal auch als etwas speziell wahrgenommen werden, vor allem. Hach…ich mache Sofinchen ernsthaft Konkurrenz, nicht wahr?“ Die Zauberin wartete die Antwort des Gnomjägers gar nicht ab und widmete sich wieder ihrer Suche nach den magischen Büchern. Doch Kügelchens Reaktion kam prompt: „Das ist doch zu einfach. Nein, wir sind zu viele verschiedene Völker im Kommando. Unter uns Gnomen passiert sowas nicht.“
„Das würde aber bedeuten, dass wir Gnome es nicht besser halten als diejenigen Völker, denen wir ständig unterstellen, sie würden uns nicht ernst nehmen. Wenn du diese Problemchen auf sowas reduzierst, dann sind wir nicht besser. Nein, es ist kein Problemchen weil sie Menschen, Draenei oder Elfen sind. Es sind Sach- und Liebesthemen!“
„Sach- und Liebesthemen? Aber was soll daran vergleichbar sein? Sachen haben mit Lie…“ Der Gnomjäger wurde unterbrochen, als Spektralia auf ein Buch zeigte und überrascht aufschrie: „Ha, ich hab ein spektrales Buch gefunden! Unglaublich!“
Sie zog ein altes, stark vergilbtes Buch aus dem Bücherschrank hervor, blies den Staub von der Oberfläche und hielt es triumphierend hoch.
„Wahrhaftig! Es ist dasselbe Buch das wir benutzten, als wir versehentlich das Portal beschworen haben! Ich fass‘ es nicht!“
„Du meinst, wir könnten damit Kontakt aufnehmen zum Sprengkommando Neun?“ Fragte Kügelchen und das Thema von vorhin war sofort gegessen.
„Nein, das muss es nicht zwangsläufig heissen. Wo war denn hier die Formel? Auf Seite Dreizehn, oder?“ Sie hielt kurz inne, blätterte das Buch durch und fand auf Seite Dreizehn tatsächlich die gesuchte Formel. Durch den aufgewirbelten Staub musste sie aber kräftig niesen.
„Haaaa-tschichelcheeeeeen!“
Kügelchen grinste sie an: „Gesundheit.“
„Danke. Nun, wir haben die gefährliche Formel wieder. Aber weisst Du, wir wissen nicht, was sie HIER bewirkt. Die Formel in der anderen Welt brachte uns hierher. Ob DIESE Formel hier uns zurück bringt, oder nochmals an einen anderen, ganz anderen Ort, das wissen wir nicht. Und ich möchte es niemandem zumuten, es auszuprobieren.“ Sagte Spektralia nachdenklich.
„Ihr wurdet fündig? Ein gutes Buch. Leihgabe oder Kauf?“ Dem zwergischen Archivar blieb nicht verborgen, dass Spektralia fündig wurde.
„Nun, äh…eine blosse Leihgabe, wenn möglich. Was würde das denn kosten?“ Fragte die Zauberin.
„Eine Goldmünze pro Tag. Und 50 Goldstücke als Pfand natürlich.“ Der Zwerg blickte die beiden Gnome erwartungsvoll an. Kügelchen zückte ohne zu Zögern sein Goldbeutelchen und kramte 70 Goldstücke hervor, die er fein säuberlich abgezählt an dem Zwerg überreichte.
„Hier bitte. 20 Tage inklusive Pfand, das sollte reichen.“
Der Archivar bedankte sich, notierte sich den Titel des Buches, Kügelchen als Ausleiher und Pfandgeber, dann zog er sich zurück.
„Jedenfalls haben wir jetzt wieder spektrale Perspektiven. Das ist fein, also eher fein als eher nicht!“ Der Gnomjäger klatschte begeistert in seine Händchen.
„Und vielleicht können wir bald mit Lagartha, Sofinchen und den anderen sprechen. Aber das würde auch bedeuten, dass wir vielleicht in die andere Welt zurück kehren könnten. Also für immer. Würdest Du es denn wollen, Kurt?“ Fragte ihn die Zauberin.
Der Gnomjäger überlegte einen Moment und zuckte dann mit seinen Achseln: „Nein, ich glaube eher nicht. Die eine Welt ist wie die andere, und Auseinandersetzungen und Problemchen gibt es überall. Ich würde hier bleiben wollen.“
„Gut, ich nämlich ebenso. Aber genauso könnten wir Lagartha und Sofinchen nicht zwingen, zu uns zu reisen. Es ist ihr gnomischer, freier Wille.“ Meinte Spektralia nachdenklich.
„Na, dieses Risiko nehmen wir sicher in Kauf, ja?“ Meinte Kügelchen und Spektralia fügte nachdenklich an: „Sofern wir eine stabile Portalmagie aufbauen können. Bislang hat ein beschworener Wirbel immer nur eine Person verschluckt und das Portal war nie stabil. Ich ziehe mich zu Studien zurück nach Dalaran, vielleicht erhalte ich dort Unterstützung. Führ Du das Sprengkommando bitte zurück nach Kul Tiras und haltet euch dort einsatzbereit, ja? Ihr könnt ja dort noch ein paar Bierchen trinken.“
„Und was ist mit der Leerenelfe?“ Wollte Kügelchen wissen.
„Sie ist nicht im Sprengkommando. Aber wenn sie mit uns reisen möchte, dann nehmt ihr sie bitte mit, ja? Und bitte vertragt euch. Ich werde Reas noch benachrichtigen, ich ihm weitere elfische oder draenische Fettnäpfchen ersparen.“
„Okay, wird so ausgeführt. Bis bald, und sei vorsichtig mit dem Buch und den Formeln.“ Verkündete Kügelchen und rannte ohne eine Antwort abzuwarten davon.
(Wer die Geschichte der Leerenelfe Alyndra, die das Sprengkommando Drei ab und zu besucht, verfolgen möchte, kann diese separate Geschichte gerne hier nachlesen:
https://eu.battle.net/forums/de/wow/topic/17624492509 )
Jael Spektralia und Kurt Kügelchen reisten nach der Durchführung des Rats der Allianz schnurstracks zurück nach Kul Tiras, wo das Sprengkommando Drei wieder komplett war. In der Hafenstube, der grössten Taverne Boralus‘ beim Marktplatz, wollten sie sich zudem vergewissern, dass es auf Kul Tiras Bier gab.
Reas bestellte fürs Sprengkommando die erste Runde, und zwar ein leichtes Porter vom Hakenkap, das ihnen an den grossen Tisch gebracht wurde, wo sie sich hingesetzt hatten.
„Für den Anfang ist das hier mal ganz ordentlich. Auf Euer aller Wohl!“ Verkündete der Seefahrer, hob seinen Bierbecher hoch und eröffnete die Runde. Die Gnome prosteten ihm zu, tranken vom Bier und fanden es mehrheitlich gar nicht so schlecht. Nur Ya starrte das Bier vor sich an und wollte sich weigern, Alkohol zu trinken. Als Reas und Kügelchen es bemerkten und eine Diskussion lostreten wollten, verdrehte die lichtgeschmiedete Draenei aber ihre Augen und trank sofort ein paar hastige Schlücke. Auch Zitterklinge, der ausserhalb des Braufests nie trank, zog fleissig mit.
„Und wie schmeckt es, Ya?“ Wollte Spektralia wissen und blickte sie erwartungsvoll an. Die Draenei wischte sich den Bierschaum von den Lippen, schmatzte kurz und nickte dann: „Gut. Sehr gut sogar. Sowas hatten wir auf Argus nicht.“
„Und ich bin erstaunt. Brichst du jetzt die Prinzipien Eures Lichtordens oder…“ Reas konnte nicht zu Ende sprechen, denn Ya unterbrach ihn.
„Nein, keine Prinzipien. Ich wollte einfach nicht. Aber bevor ich riskiere, dass diese leere, zickige Elfe hier auftaucht und sich einmischt, und das hier zum Thema macht. Nein, definitiv nein. Das Bier schmeckt gut.“
Sie gönnte sich nochmals einen Schluck, und auch Zitterklinge und Kügelchen hatten ihre Becherchen bereits halbleer. Spektralia kicherte: „Alyndra wird nicht wieder auftauchen hier. Sie hat entschieden, uns nicht länger zu begleiten. Ich glaube auch nicht, dass sie zicken wollte, es ist einfach ihre Art. Und wenn Schildchen jetzt hier wäre, dann ginge es am Tisch sowieso ganz anders zu und her!“
Der Gnomjäger nahm das als Stichwort auf blickte sie fragend an: „Bist du übrigens weiter mit deinen Studien? Haben sie etwas gebracht?“
„Ja, ich denke, wir können in Kürze einen Versuch wagen. Es sollte diesmal besser laufen! Ich habe in Dalaran gelernt, ein stabiles Portal aufzubauen durch das wir uns hindurch und wieder zurück wagen könnten. Aber trotzdem müssen wir vorsichtig sein.“ Sagte Spektralia und blickte ihre Mitstreiter geheimnisvoll an.
Reas schüttelte seinen Kopf, winkte der Schankdame zu und bestellte eine zweite Runde einer anderen Biersorte.
„Bevor aber wieder irgendetwas passiert das wir nicht wollen, schlage ich vor, noch ein anderes Bier zu testen und den heutigen Abend fern von internen und externen Streitereien zu geniessen. Und damit einhaken konnte, war die Schankdame bereits an ihrem Tisch, stellte neue Becher mit etwas dunklerem Bier hin und garnierte das Ganze mit ein paar frischen Fischsnacks, eine lokale Spezialität.
„Die zweite Runde geht aufs Haus. Ein frisches Fahlheim Hell, und ein paar frittierte Butterkekse. Wohl bekomms!“ Sagte sie, sammelte die leeren Becher ein und entfernte sich grinsend vom Tisch.
„Äh…noch ein Bierchen? Das ist aber schon fast zuviel, oder?“ Sagte Flix Zitterklinge und schielte das zweite Becherchen skeptisch an. Die lichtgeschmiedete Draenei fackelte nicht lange, griff ihren Becher und sagte: „Ich mag die Farbe. Das probieren wir ebenfalls. Prost!“
Und das zweite Bier wurde probiert, das ebenfalls bestens schmeckte. Sogar Spektralia trank ihr Becherchen in wenigen Zügen leer und stellte es zufrieden hin.
„Lecker. Wie hiess dieses Bier schon wieder?“
„Fahlheim Hell, es kommt aus einer lokalen Brauerei.“ Antwortete Reas und musterte Ya wiederum erstaunt. Er konnte nicht glauben, dass der lichtgeschmiedeten das Bier aus Kul Tiras so gut schmeckte.
„Meine Lieblingssorte kommt als Nächstes. Anker-Dunkelbier. Das müsst ihr aber vorsichtig trinken, sonst könnt ihr leicht „müde“ werden.“ Verkündete er mit einem Schmunzeln.
Flix hatte sein Becherchen ebenfalls bereits ausgetrunken, stellte es stolz hin und sagte mit stolzgeschwelltem Brüstchen: „Na, jetzt erschüttert mich gar nichts mehr! Bitte eine weitere Runde von diesem Ankerbier. Geht auf mich!“
Spektralia wollte abwinken, aber die Schankdame zögerte nicht lange und brachte eine weitere Runde Bier. Diese Becher waren grösser und bis unter den Rand gefüllt mit einem dunklen, fast schwarzen Bier.
„Oh, ich hatte wohl nicht erwähnt, dass es das Anker-Starkbier nur in der grossen Ausführung gibt. Trinkt einfach, was Ihr mögt, und lasst den Rest stehen.“ Sagte Reas schmunzelnd.
Wieder prostete das Sprengkommando Drei sich zu, trank etwas, und dann ergriff Ya das Wort.
„Ich möchte mich entschuldigen. Neulich beim Braufest wollte ich mich nicht streiten. Bitte nehmt meine Entschuldigung…hicks…an, es wird nicht wieder vorkommen.“
Spektralia winkte ab und sagte: „Ach…hicks…das ist schon wieder vergessen.“ Sie erschrak als sie merkte, dass das Starkbier seine Wirkung entfaltete. Flix Zitterklinge kicherte plötzlich los.
„Ich finde es plötzlich so…hicks…lustig hier. Und ich muss schon sagen…hicks…dass auch Ihr vom neuen Sprengkommando Drei ganz okay seid. Also eher okay als eher nicht. Egal wo Ihr her…hicks…kommt!“
Kügelchen hatte seinen Becher mit Starkbier bereits halb ausgetrunken, als er dem Krieger wohlwollend zunickte: „Du passt auch gut zu uns, und wir sind ganz froh, bist du…hicks…also eher als eher nicht nüchtern und kampfbereit. Wir…hicks…kennen das anders. Oje…hicks!“ Er hielt kurz inne, blickte auf das Holz des Tischs und fuhr dann fort: „Ich glaube, wir bleiben diese Nacht hier.“
„Eine gute Idee, ich organisiere uns ein paar Zimmer.“ Verkündete Reas, klopfte auf den Tisch, sprang auf und ging zur Schankdame. Mit ihr unterhielt und verhandelte er kurz, dann wechselten ein paar Goldmünzen ihren Besitzer und er kehrte zum Tisch zurück. Reas selbst zeigte keine Anzeichen, beschwipst zu sein.
„Gebucht. Aber es gibt ein kleines Problemchen.“ Sagte er.
„Problemchen? Was..hicks…denn genau?“ Fragte Spektralia.
„Sie haben nur zwei Zimmer. Eins extra hergerichtet für Kur..äh…für Gnome. Und eines speziell für Menschen und gleichgrosse Wesen. Waren die letzten Zimmer.“ Er blickte die Zauberin skeptisch an. Jael überlegte und sagte dann: „Das..hicks…muss Ya entscheiden. Isch kann das..hicks…nicht.“
Die lichtgeschmiedete Draenei hatte ihren grossen Becher mit dem Starkbier bereits ausgetrunken. Sie hatte Mühe, ihren Kopf grade zu halten: „miiier egahhl…isch bin schon müde. Aber Bier..hicks…aber das Biehr war guhht. Zeiggg mir das Zihmmer, Reas, isch muss etwass ausruhn!“ Verkündete sie und stand mit Mühe auf. Der Seefahrer war sofort bei ihr um ihr zu helfen.
„Natürlich. Komm.“ Er führte Ya nach oben.
Kügelchen und Zitterklinge prusteten los, und Jael konnte sich ein Schmunzeln ebenfalls nicht verkneifen: „Golminne wird…hicks...froh sein zu hören, dass es hier gutes Bier gibt. Die…hicks…Zwerge können kommen. Oje, ich glaub…hicks…ich geh auch schlafen.“ Sie stand ebenfalls auf, verabschiedete sich und trottete Ya und Reas hinterher.
„Wer ischt…hicks…Golminne?“ Wollte Flix wissen.
„Aschicks….eine Zwergin die waahr neulisch beim Rat dabei. Die wollte wischen..äh..hicks…wissen, ob’s Bier führ Zwerghee gibht, hicks!“
Der Gnomjäger gönnte sich noch einen Schluck, und Zitterklinge bestellte eine weitere Runde Starkbier für die beiden Gnome und Reas, der sich kurz darauf wieder zu ihnen gesellte.
„Sahhg…hicks…hascht du das extra ge…hicks…gemacht? Wir wohllten nischt zuviel…hicks…tringgn.“ Wollte Kügelchen wissen. Der Seefahrer schüttelte den Kopf.
„Mir war nicht bewusst, dass es bei euch weniger braucht, tut mir leid.“
„Na egahhl…hicks…nehm’n wia‘ nosch ein paar…hicks…Schlüggn.“ Sagte Flix.
„auf Kul Tiras und auf die Abenteuer, die vor uns liegen…hicks!“ Verkündete Reas, hob seinen Becher und prostete seinen kurzen Kameraden zu. Nun forderte das Bier auch bei ihm eine erste Reaktion.
*danke für die Fortsetzung*
Nachdem die Zauberin sich vom Ausflug in der Hafenstube erholt hatte, zog sie sich vom Rest des Sprengkommandos zurück und reiste nach Eisenschmiede, um an ihren Lagerplatz hoch oben auf den Gipfeln Dun Moroghs zu reisen. Dorthin, wo die ungewollte Dimensionsreise damals ihren Anfang nahm und die gnomische Gemeinschaft getrennt wurde. Spektralia hatte das geliehene Buch aus Eisenschmiede eingehend studieren können und hatte eine Formel bereit, die sie nun – ohne Absprache mit ihren Mitstreitern – ausprobieren wollte. Sie stand am längst erloschenen Lagerfeuer, während der eisige Wind um ihre Robe wehte und Schneeflocken in ihr Gesichtchen zauberte.
Einen Moment lang zögerte sie, doch dann nahm sie das Spruchröllchen aus ihrem Beutelchen hervor, hob es in die Höhe und sprach mit lauter Stimme die Worte, die sie modifiziert hatte:
«Dimensionus spektralus portus stabilus!»
Vor ihr entstand ein geisterhaftes Portal, das an Ort und Stelle stehen blieb und dieses Mal nicht auf sie zuwanderte. Durch den Ereignishorizont konnte sie sogar auf die andere Seite blicken, sah dort aber nichts Merkwürdiges. Spektralia klatschte begeistert in ihre Händchen und war zufrieden mit ihrem Werk. Sie blieb aber lange stehen und überlegte, ob sie einen Versuch wagen und hindurch schreiten wollte. Doch schliesslich nahm sie all ihren Mut zusammen und schritt einfach hindurch. Es fühlte sich überhaupt nicht besonders an und war so, als würde sie durch eine Türe von einem Zimmerchen in ein anderes Zimmerchen gehen. Auf der anderen Seite angekommen sah sie sich um und war erstaunt, dass sich überhaupt nichts verändert hatte. Derselbe kalte Wind, dieselben Schneeflocken umwehten sie und liessen sie frieren. Doch halt! Es war doch nicht alles so wie vorhin. Das Lagerfeuer war zwar ebenfalls erloschen, aber vor kurzem brannte hier noch ein Feuer, denn die Asche und die Holzstückchen waren noch frisch. Sie hob einen verkohlten Holzscheit auf und hielt ihn in den kalten Wind. Er begann sofort wieder rot zu glühen.
«Ha, der Zauber hat also funktioniert. Endlich! Aber ob ich hier richtig bin?»
Spektralia sah sich weiter um und entdeckte hinter dem Zelt ein paar leere Bierfässchen und Flaschen, die vorhin ebenfalls nicht da waren. Das sah für sie stark nach Georg Schildchens «Werk» aus.
«Hmm, interessant. Wirklich höchst interessant!» Sagte sie zu sich selbst, nahm ihren Gnomenfunk hervor und wollte einen Versuch wagen, ihre verschollenen Mitstreiter zu kontaktieren:
«Sprengkommando Drei! Sprengkommando DREI! Jael Spektralia hier, könnt Ihr mich hören?» Sprach sie laut und deutlich in ihren Funk.
Der Wind heulte weiter, doch das Funkgerät blieb still. Sie wiederholte ihre Anfrage: «Sprengkommando Drei, könnt Ihr mich hören? Hier ist Jael Spektralia!»
Wieder keine Antwort. Die Zauberin seufzte enttäuscht. Sie war wohl doch nicht am richtigen Ort angelangt? Seltsam. Sie drehte sich um, nahm ihr Spruchröllchen hervor und wollte die das Dimensionsportal wieder beschwören, um zurück zu reisen. Aber plötzlich erklang eine bekannte Stimme im Gnomenfunk.
«Hier ist Serpentin, Sprengkommando Neun, nicht Sprengkommando Drei. Wer war das eben? Spektralia?»
Jael konnte nicht glauben, was sie da hörte. Sofort antwortete sie:
«Serpentin! Das ist ja unglaublich! Also eher schon unglaublich als eher nicht. Ja, ich bin es! Und wo bist Du? Wo seid Ihr alle? Wir sind alle wohlauf, Kügelchen, Ya und auch ich! Es tut so gut, Dich zu hören!» Ihr Stimmchen überschlug sich förmlich vor Freude.
«Wir hatten Euch schon aufgegeben, Euch alle. Ihr wart ja plötzlich weg und seid nicht zurück gekehrt. Ich bin in Boralus. Lagartha hat das Sprengkommando leider verlassen nachdem Kügelchen verschollen bleib. Ich weiss nicht, was sie aktuell tut. Schildchen ist am Schlotternachtsfest und tut, was er schon immer tat und geniesst seine Bierchen. Und Sofinchen, ja, sie passt auf ihn auf, wie immer. Curcumo ist ebenfalls seiner Wege gegangen.» Erklang es erneut aus dem Gnomenfunk. Spektralia antwortete: «Ich habe einen Weg gefunden, sicher durch die Dimensionen zu reisen. Bitte rufe alle nach Boralus, ich werde zurück reisen, Bescheid geben und dann reisen wir alle zu Euch. Oh, wie schön, dass es endlich klappt!»
«Bestätigt! Ich werde alle zusammen rufen. Vielleicht wird mein Briefchen auch Lagartha erreichen. Und Curcumo. Wir werden in Boralus auf Euch warten, in Ordnung!» Sagte Serpentin, und die Zauberin antwortete erneut: «Bestätigt. Wir sehen uns! Spektralia Ende!»
Sie war hocherfreut, dass es klappte und dass alle im Sprengkommando Neun soweit gesund waren. Es würde ein baldiges Wiedersehen geben, und was für ein Wiedersehen! Sie sprach die Worte erneut, trat durch das Portal und funkte sofort:
«Sprengkommando Drei? Könnt Ihr mich hören? Jael Spektralia hier!» Einen Moment lang hatte sie Angst, dass sie nicht am richtigen Ort war, aber rasch meldete sich die vertraute Stimme des Gnomjägers:
«Kurt Kügelchen hier, was gibt’s, Jael?»
«Ich habe das Sprengkommando Neun kontaktieren können! Sie leben! Sie sind wohlauf! Wir werden sie bald treffen!» Gab sie zur Antwort.
«Wie jetzt? Du hast das mit den Portalen wieder ausprobiert? Ohhhhh! Wie geht es Lagartha? Ist sie wohlauf? Und den Anderen?» Wollte Kügelchen wissen, seine Überraschung und seine Freude waren gut zu hören.
«Wenn alles klappt, wirst Du sie bald wiedersehen. Ich kehre zurück nach Boralus, weitere Informatiönchen folgen! Spektralia Ende!» Hochzufrieden verstaute sie ihren Gnomenfunk und begann ihre Rückreise nach Boralus.
Wird der Gang durch die Dimensionen erneut klappen?
Werden der Jäger und seine Schleicherin sich wiedersehen?
Wie werden Schildchen und Zitterklinge miteinander klarkommen?
So viele Fragen und ich freu mich drauf wie es weitergeht.
„Unglaublich!“ Rief Kügelchen, als er das stabile Portal sah, das Spektralia nicht ohne Stolz an Ort und Stelle in einem Nebenzimmer des Portalraumes in Boralus beschwören konnte. Geheimnisvoll, spektral-wabernd schwebte das Portal in der Mitte des Ortes und blieb stabil.
„Ja, ich bin durchaus etwas stolz auf mich! Also eher stolz als eher nicht!“ Verkündete die Zauberin und klopfte mit ihrem Magierstab auf den Boden. Flix Zitterklinge observierte das Portal mit skeptischem Blick und meinte: „Und da sollen also jetzt Eure verschollen…“
Weiter kam er nicht, denn durch das Portal schritt ein Gnom-Krieger in starrender Rüstung, der sofort sein Schwertchen zog, als er erschien. Kurz darauf folgte eine Gnomin in einer weissen Robe und eine weitere Gnomin in einer violett-grünen Robe. Der Gnomkrieger sah sich um, senkte sein Schwertchen als er Kügelchen und Spektralia erkannte und rief dann: „Unnmfffpfff! Wffffhbbbnnnnsssssgssssssfffffttt!“
Die Zauberin klatschte begeistert in ihre Händchen und rief: „Sofinchen, Serpentin, Schildchen! Ihr habt es geschafft!“
Die Gnomin in der weissen Robe sah sich einen Moment lang vorsichtig im Raum um, entspannte sich dann, als sie ihre vermissten Mitstreiter ebenfalls erkannte: „Jael! Kügelchen! Ya!“
Sie trat auf die Zauberin zu und herzte sie innig. Der Gnomkrieger hob das Visier seines Helmchens an und sagte: „Hier siehts aber nicht anders aus als grad eben noch. Wo hattet Ihr euch versteckt, Kurt?“
„Wir haben uns nicht versteckt, das ganze Dimensionsdingensspektralzauberschnackszeugs ist halt etwas speziell. Und Du bist nüchtern, oder?“ Fragte der Gnomjäger und schielte weiter zum Portal, das an Ort und Stelle blieb und nicht an Kraft verlor.
Die Gnomin in der violett-grünen Robe war natürlich die Hexe Serpentin, die sich am Schnellsten zurechtfand und grinste: „Es war eine Bedingung an ihn, dass wir ihn überhaupt mitgenommen haben. Nur nüchtern wird portalisiert. War eine interessante Reise. Ich hoffe, wir können aber auch wieder zurück, Jael?“
Diese nickte: „Natürlich. Das sollte klappen. Also falls Ihr überhaupt zurückwollt.“
Flix Zitterklinge beobachtete die ganze Szenerie skeptisch und zurückhaltend. Als Georg Schildchen sein Helmchen ganz abnahm, fühlte er sich provoziert und trat auf ihn zu: „Ey, aber ich bin hier der Krieger, ja? Und ich bin und bleibe der stärkste Krieger der Welt! Und das bist nicht DU!“
Schildchen musterte ihn einen Moment und sagte dann: „In DIESER Welt vielleicht, auch wenn DU mir nicht danach aussiehst. Aber bei uns nicht. Mir ist jetzt eh zum Feiern und nicht zum Kämpfen zu Mute, gibt’s hier auch so feines Anker-Starkbier?“
„Ha, und wenn ich jetzt kämpfen möchte? Duelle magst Du wohl nicht?“ Sagte Flix Zitterklinge und wurde lauter in seinem Ton. Schildchen begann zu lachen und deutete auf Flix‘ Ausrüstung: „Ohne Helmchen und Rüstung nur mit Schwertchen? Eigentlich verlierst du eher, als eher nicht!“
„Hey, hier wird nicht schon gestritten, kaum sind wir wieder vereint! Sonst schreite ich selbst ein!“ Sagte Ya und stellte die Gnome in ihre Senkelchen.
Kurt liess sich davon nicht beeindrucken und beobachtete noch immer das Portal. Er wartete hoffnungsvoll auf Lagarthas Ankunft, aber es tat sich nichts. Sofinchen trat zu ihm, lächelte mitfühlend und meinte: „Ich muss Dich leider enttäuschen, Kurt. Unsere Schleicherin ist nach Eurem Verschwinden ebenfalls verschwunden. Sie hat zwar mal ein Lebenszeichen von sich gegeben sodass wir wissen, dass sie in unserer Welt geblieben ist. Aber wo sie ist und was sie tut, das wissen wir leider nicht.“
„Wir versuchten natürlich, sie zu erreichen und zu informieren, aber sie hat weder im Funk noch per Briefchen reagiert.“ Ergänzte Serpentin. Ya meinte spontan: „Ich kann sie suchen gehen, wenn Ihr es wollt.“
Aber die Gnome schüttelten alle einstimmig ihre Köpfchen und die Zauberin meinte: „Auf gar keinen Fall! Jetzt wo wir wieder vereint sind, werden wir nichts riskieren.“
„Aber Lagartha MUSS doch auch zu uns kommen. Das…das kann einfach nicht sein!“ Rief Kügelchen und blickte traurig zum Portal.
„So wichtig kann die doch gar nicht sein, oder? Und wen wir eine Schleicherin brauchen, dann kann uns doch diese Leerenelfin helfen.“ Sagte Zitterklinge emotionslos, und Schildchen reagierte prompt: „Nein, niemals. Keine Elfe, ob nachtig oder leer ist so gut wie unsere Lagartha!“
„Ha, das werden wir ja sehen. Wir können das gerne im Duellchen auskämpfen. Dann wissen wir auch grad, wer hier der Scheff ist!“ Doppelte Zitterklinge nach, doch Spektralia winkte ab: „Ruhe jetzt! Aktuell bin ich das Persönchen hier, die das Tönchen angibt. Falls Lagartha noch kommt, muss sie sich beeilen, denn das Portal hält nicht mehr lange. In wenigen Sekunden wird es instabil!“
Tatsächlich begann das spektrale Portal bald zu flackern, hielt sich aber noch immer hartnäckig. Kügelchen trat ans Portal und rief hindurch: „Lagarthaaaaa! Wo bist Duhuuuu! Komm jetzt bitte!“
Die Türe zum Zimmer tat sich auf, und Reas trat ein. Sichtlich erstaunt, dass so viele Gnome versammelt waren, meinte er: „Nanu! So schnell könnt Ihr Euch doch gar nicht vermehren. Woher kommt…“
Er kam nicht weiter, denn durch das Portal surrte plötzlich ein Pfeil, der neben ihm im Türrahmen stecken blieb. Und eine weitere Gnomin sprang durch das Portal, rollte sich gekonnt am Boden ab und stand auf. Es war Lagartha!
Sie rief: „Macht es zu, bitte! Da darf nichts nachkommen! Das Portal war meine Rettung!“
Spektralia reagierte prompt, murmelte etwas und kurz darauf verschwand das Portal, nachdem ein weiterer Pfeil durch die Luft pfiff und in der Türe stecken blieb. Reas war bereits aus der Schusslinie gegangen, trat zu den Pfeilen und musterte sie kurz, dann blickte er Lagartha amüsiert an und fragte: „Die sind doch vom Syndikat? Probleme, kleine Schurkin?“
Lagartha klopfte sich den Staub von ihrer Lederrüstung, hustete kurz und schüttelte dann ihr Köpfchen: „Nein, keine Problemchen. Also keine wirklichen. Warum? Ah, das? Nun…äh…ich kann das erklären. Aber nicht jetzt.“
Kügelchen blinzelte ungläubig, trat auf sie zu, umarmte sie und hob sie an Ort und Stelle hoch: „Lagartha!!! Endlich bist du da? Ich…äh…wir haben Dich so vermisst!“
Und die Gnome, die lichtgeschmiedete Draenei und der Mensch blickten sich zufrieden an.
Ich danke Euch !
Nach der ersten Überraschung über Lagarthas Auftauchen, zog Kügelchen sich mit ihr in eine separierte Ecke der Hafenstube zurück. Er hatte grosse Freude, seine Schleicherin endlich wieder in die Arme schliessen zu können und Lagartha erging es ebenso, auch wenn sie etwas ruhiger und weniger euphorisch wirkte als der Gnomjäger.
„Warum seid Ihr eigentlich nicht zurück gekehrt? Wir haben nie wieder etwas von Euch gehört!“ Fragte sie ihn.
Kügelchen strahlte über seine Bäckchen, während er ihnen eine Runde Anker-Starkbier bestellte.
„Ist halt eine sehr komische Sache, diese spektrale Magie. Jael entdeckte erst kürzlich, wie sie ein stabiles Portal beschwören kann. Du bist hier jetzt irgendwo anders, aber dennoch ist dieser Ort fast wie unser Zuhause. Eigentlich ist es jetzt sogar unser Zuhause, denn wir kehren nicht wieder zurück. Wir haben uns daran gewöhnt und bleiben hier. Wir kennen unterdessen so viele Leute, so viele Gnome, und sind immer wieder an diesem Rat der Allianz dabei, das macht uns grossen Spass. Ausserdem werden unsere Sprengkünste hier noch dringender gebraucht, weisst Du. Und was ist Dir passiert? Warum flogen diese Pfeile durch das Portal?“ Es sprudelte förmlich aus ihm heraus und er nahm gleich einen grossen Schluck vom Bier, als die Schankmaid sie bediente.
Lagartha hörte ihm gespannt zu, trank ebenfalls und erzählte dann: „Na, als du plötzlich auch weg warst, dachten wir, dass Du getötet wurdest. Ich hätte nie wieder damit gerechnet, DICH zu sehen. Dass es wieder diese Dumpfgnomin von Toshleys Station war, die Dich attentatiert hat, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Wir blieben wochenlang beim Lager in Dun Morogh und warteten auf Yas und Spektralias Rückkehr, aber nichts passierte. Irgendwann hat sich das Sprengkommando Neun mehr oder weniger aufgelöst. Also eher aufgelöst als eher nicht. Ich hab meine Sachen gepackt und habe neue Abenteuer gesucht. Und da kam ich dann in kleine Problemchen mit einer Schiffscrew.“
„Mit einer Schiffscrew? Oha! Aber das war ja in der anderen Welt und nicht hier. Hier kannst Du doch…“
„Ja, hier kann ich neu beginnen. Ich werde auch hier bleiben. Schön, wenn alles, was ich verbockt habe…naja…sagen wir mal, in all den Jährchen die da waren, einfach vergessen kann. Als wäre es nie geschehen, das ist doch herrlich! Und hier ist wirklich alles so wie am anderen Ort? Hier gibt’s auch Kräuter, Pilze und dieselben alchemistischen Möglichkeiten?“ Die Schleicherin blickte Kurt Kügelchen treu an und lächelte ihn in einer Art an, die ihn schwach werden liess.
„Nun, ich bin ja kein Pflanzen- und Kräuterkenner, aber wenn ich es von den Sprengmöglichkeiten her vergleiche, ist auch alles genau gleich hier. Es gibt keinen Unterschied. Also trifft das auch auf die Pilze zu. Aber bitte sei auch hier vorsichtig, ja?“
„Jaja, das bin ich doch immer. Und die Bierchen hier sind auch fein, besonders dieses Anker-Starkbier. Das könnte man gut mit etwas Gromsblut anreichern, das muss ich mal probieren.“ Sagte Lagartha, doch der Gnomjäger schüttelte sein Köpfchen.
„Nein, lieber nicht. Den Zwergen schmeckt das Bier auch so. Ach, schön bist Du hier und schön, führen wir wieder diese Diskussionen.“ Er nahm ihr Händchen und drückte es, während er sie anhimmelte. Doch die traute Zweisamkeit wurde jäh unterbrochen, als Reas plötzlich am Tisch stand.
„Tut mir leid, ich möchte Euch nicht unterbrechen, aber darf ich unsere Schleicherin kurz etwas fragen?“
Lagartha nahm bei ihrer Ankunft keine Notiz von ihm, blickte ihn aber nun an, als hätte sie einen Geist gesehen. Der Schleicher bemerkte, dass sie ihn entgeistert ansah, und streckte ihr den Pfeil hin, der vor kurzem durch das Portal flog und im Türrahmen stecken blieb: „Wer hat diesen Pfeil abgefeuert? Galt er Euch?“
„Ich…äh…ich weiss es nicht. Ich kenne auch Euch nicht, nein, überhaupt nicht! Das war Zufall!“ Lagartha lief knallrot an, wich Reas‘ Blick aus und starrte auf die Tischplatte.
„Nein, wir kennen uns wirklich noch nicht. Ich bin Reas Schattenklinge, und dieser Pfeil trägt die Markierung eines Nachtelfenjägers, den ich kannte.“ Reas trat etwas näher zum Tisch, während Kügelchen zwischen ihm und Lagartha hin und her blickte. Lagartha wehrte sich erneut: „Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht. Ich bin Lagartha, die Schleicherin des Sprechkommandos von „drüben“.“
„Lassen wir das Thema wohl besser. Reas, wir wollten uns eigentlich grad alleine unterhalten.“ Doppelte der Gnomjäger nach. Reas blickte zwischen den Gnomen hin und her und lächelte mitfühlend: „Oh, das war wirklich unhöflich von mir. Schankmaid, die nächste Runde Anker geht auf mich. Bitte verzeiht!“ Er stand auf, war flink beim Tresen, wo er eine Goldmünze hinlegte und der Schankmaid zuzwinkerte. Dann ging er lässigen Schrittes aus der Hafenstube. Lagartha verfolgte ihn mit skeptischem Blick, wartete noch einen Moment und trank noch etwas vom Ankerbier. Kügelchen blickte sie fragend an: „Was war denn los? Das war doch nur Reas, der uns im Moment aushilft. Er ist nett und zuverlässig.“
Die Schleicherin schüttelte ihr Köpfchen: „In der ANDEREN Welt war er nicht ganz so nett. Aber du hast recht, hier ist wirklich vieles anders, auch wenn es nicht anders aussieht. Ich kenne diesen Menschen von der anderen Welt her. Er dient auf dem Schiff dieses Piratenkäptns, mit dem wir schon zu tun hatten. Erinnerst du dich?“
Kügelchen überlegte und klopfte dann mit seinem Fäustchen auf den Tisch. Doch bevor er sprechen konnte, brachte die Schankmaid zwei weitere Anker-Starkbiere, die sie absetzte und den Gnomen zulächelte: „Die sind von Reas. Prost Euch zwei!“
Der Gnomjäger nickte ihr zu und fuhr dann fort: „Das waren die Piraten die uns fast übers Ohr gehauen hätten. Und dieser Piratenkäptn, wie hiess er schon wieder?“
„Sie nenntn ihn Sandokan. Und ihr Schiff ist die goldene Perle. Und dieser Reas ist dabei. Versprichst du mir, dass du ein weiteres Geheimnis für dich behalten kannst, Kurt?“ Stellte Lagartha als Gegenfrage und blickte Kügelchen geheimnisvoll an. Dieser nickte.
„Gut. In der anderen Welt habe ich sie kürzlich bestohlen. Reas erwähnte diesen Nachtelfenjäger vorhin. Es stimmt. Der hat tatsächlich solche Pfeile. Ich hatte eine Rechnung mit ihnen offen. Und mit gnomischen Schleicherinnen ist nun mal nicht zu scherzen.“ Flüsterte sie leise. Die Augen des Gnomjägers weiteten sich: „Ui ui ui!“
„Wie, ui ui ui?“ Wollte Lagartha wissen.
„Na, Ui ui ui, halt. Du machst ja Sachen, Lagartha!“
„Ich mache keine Sachen, ich bestehle. Und sie haben sich natürlich gewehrt. Oder sie wollten es, aber es war vergeblich.“
„Deshalb bist du also durchs Portal geflüchtet und hast dich bloss zu uns gerettet.“ Meinte Kügelchen nachdenklich, und Lagartha griff nach seinem Händchen, hielt es wieder fest und lächelte ihn an.
„Nein, ich wäre auch so in diese Welt gekommen, keine Sorge. Das waren halt jetzt etwas andere Umstände. Vertraust du mir?“
Er nickte treu: „Natürlich. Du hast Glück, dass du jetzt auch hier bist. Hier kannst du diese Dinge vergessen. Reas kennt dich nicht, und hier ist nichts passiert. Er kann dir nicht böse sein für etwas, was du nicht hier gemacht hast. Stell dir vor, Spektralia hat ihn vor ein paar Monaten an der Dunkelküste aufgegabelt, und er hat uns beim Angriff der Horde sogar das Leben gerettet. Wir mussten uns ins Wasser flüchten, und er war plötzlich da mit einem Ruderboot und hat uns weg gerudert. Und dann hat Ya ihn ebenfalls gerettet, weil er einen Orkpfeil abgekriegt hatte. Das war eine seltsame Geschichte.“
„Das ist wirklich seltsam. Ist er denn wirklich alleine? In der anderen Welt ist er nur ein Besatzungsmitglied einer grossen Schiffscrew.“ Fragte die Schleicherin.
„Ja, er ist alleine und ich glaube, er hat sich sogar etwas in Ya vernarrt. Aber dann war noch diese Leerenelfe, diese Geisterklinge, die wollte ihn wohl auch für sich. Das gab etwas Zoff, also eher grossen Zoff als eher nicht. Und jetzt ist die Elfe weg. Ist vielleicht auch besser so.“ Sagte er und Lagartha blickte ihn nachdenklich an: „Und Ya haben wir wieder gerettet in der anderen Welt. Das ist schon alles merkwürdig, nicht wahr?“
Kügelchen drückte fest ihr Händchen und lächelte: „Hauptsache, wir sind wieder da, wir alle. Egal ob Sprengkommando Drei oder Neun. Auch Sofinchen und Serpentin. Der Rest wird sich weisen. Bestellen wir uns doch eine Runde Schneebeercreme, das haben wir uns verdient! Und die ist sehr sehr fein!“
(@Leeliedeath: Gerne doch!)
102 - Ein Duellchen, Krieger gegen Krieger
Lagartha setzte sich schmunzelnd neben Kügelchen hin, lehnte sich an ihn und beobachtete das Treiben.
„Was meinst du, wer wird hier gewinnen?“ Fragte der Gnomjäger sie. Sie antwortete kichernd: „Na, der Krieger. Ganz sicher.“
„Ja, natürlich. Aber WER? Georg oder Flix? Sprengkommando Neun oder Drei?“ Wollte er wissen.
Die Priesterin stand neben ihnen und brachte sich in die Diskussion ein: „Egal wer es sein wird, ich möchte niemanden zusammen flicken und verbinden müssen.“
Die beiden Krieger lieferten sich also ein Duellchen. Flix Zitterklinge wollte sich vergewissern, dass er der Stärkere der Beiden ist, und Schildchen war nach dem Anker-Starkbier gestern Abend noch zu sehr betäubt, um ihm das Duellchen zu verwehren. Dieses verlief dennoch ungleich, denn Flix Zitterklinge tänzelte um ihn herum, forderte ihn immer wieder auf, sich zu verteidigen, doch Schildchen tat nichts. Er stand einfach da, parierte ab und zu einen Hieb, aber machte keine Anstalten, selbst anzugreifen.
Reas stand etwas abseits, lehnte sich gegen ein Fass und schüttelte verständnislos den Kopf während er murmelte: „Gnome…wie soll ich als einfacher Mensch nur jemals aus euch schlau werden?“ Ya stand neben ihm und flüsterte ihm kichernd etwas ins Ohr. Der Seefahrer musste schallend lachen, beherrschte sich dann wieder und verfolgte schweigend das Treiben.
Das Duellchen ging so weiter, ohne dass etwas Spektakuläres passierte. Zitterklinge mühte sich ab, doch es war ihm anzusehen, dass er nicht wirklich ein geübter Krieger war. Schildchen war abgeklärter, erfahrener, müder aber auch verkaterter.
„Das hatte ich schon einmal! Wehe, ich erwische dich. Ich mach Dir die Kniechen kaputt, oder die Beinchen, oder die Ärmchen…oder alles in dieser Reihenfolge!“ Rief Zitterklinge zornig als er bemerkte, dass seine Angriffstaktik keinen Erfolg zeigte. Er wollte sich auf keinen Fall zum Gespött beider Sprengkommandos machen.
„Bist du dir immer noch sicher, dass hier ein Krieger gewinnt?“ Meinte Kügelchen kichernd zu Lagartha. Diese kicherte ebenfalls: „Oder es gibt einfach ein 1:0 für Nichtgnome. Ist ja peinlich, was wir hier erleben!“
Flix Zitterklinge unterbrach das Duellchen und blickte die Schleicherin zornig an: „Hey, das ist nicht peinlich. Das stimmt so nicht! Ich kämpfe hier in allen Ehrchen, aber dieser…dieser…dieser…“ Es fiel ihm nichts weiteres an, und Sofinchen führte den Satz fort: „Dieser Krieger sorgt immerhin dafür, dass ich nach dem Duellchen nichts zu tun habe. Wär mir auch lieber, wenn meine Verbände im Kästchen bleiben können. Aber ich verspreche dir, wenn ich DICH versorgen muss, rührst du nach meinen Verbindungskünsten kein Fingerchen mehr, und das für mehrere Tage!“
Schildchen nuschelte unter dem Helm hervor: „Dffffffmmmmssssss……vsssssst!“
„Äh wie?“ Fragte Zitterklinge.
„DFFFFFFMMMMSSSSSS….VSSSSST!“ Wiederholte Schildchen. Und Flix Zitterklinge wurde es jetzt zu bunt. Er holte aus zu einem wuchtigen Schlag und rief: „ATTTTAAAACKKKKÄÄÄÄÄÄHHHHHH“
Und im nächsten Moment verwandelte er sich in ein harmloses Häschen, das an Ort und Stelle herum hoppelte. Spektralia war zur Stelle und verantwortlich für den Verwandlungszauber. Sie verdrehte ihre Augen und rief: „Genug gekämpft jetzt! Wir haben Wichtigeres zu tun, Sprengkommandos!“
Die Anwesenden lachten kurz und wurden dann wieder ernst. Kügelchen reagierte: „Ja, du hast recht. Aber…äh….was haben wir denn grad Wichtigeres zu tun?“
„Der nächste Rat der Allianz ruft. Wir wurden gerufen. Ich brauch‘ eure Ideen, Anregungen, Kritiken und Fiiii…äh….Fiiiidings!“
„Fiii…was bitte?“ Wollte Reas wissen.
Spektralia räusperte sich und wiederholte: „Na, diese Fiiiipäxx!“
Auch Ya wusste nicht, was sie meinte: „Päx? Ich kenne unterdessen eure Sprache, aber dieses Wort kenne ich noch nicht!“.
„Das gibt’s auch nicht. Unsere Zauberin meinte Feedback.“ Sagte Sofinchen, und die Zauberin nickte.
Und Flix Zitterklinge sprang immer noch als verwandeltes Häschen hin und her…
Dankeschön…freu
103 - Die Entscheidungen der Sprengkommandos
Nach all dem Feiern und der Freude über das Wiedersehen der Sprengkommandos über die spektralen Dimensionen hinweg, stellte sich natürlich irgendwann die schicksalshafte Frage nach dem Verbleib und der Organisation der beiden Sprengkommandos in Zukunft. Nachdem Spektralia und Kügelchen sich gegenseitig abgesprochen hatten, dass Jael Spektralia, Zauberin und spektrale Expertin das Kommando über das Sprengkommando DREI behalten sollte, hatte Kügelchen sich aber ebenfalls dazu entschieden, im Sprengkommando Drei zu verbleiben und nicht zurück zu reisen. Auch Lagharta hatte sich dazu entschieden, in der für sie zwar noch neuen Welt zu verbleiben. Aber da sie in der alten Welt irgendwelche Problemchen hatte, die sie nicht länger lösen wollte, kam ihr der „Weltenwechsel“ sehr gelegen.
Sofinchen und Serpentin entschieden sich aber anders. In einer hitzigen internen Diskussion wogen sie die Pros und Kontras ab, kamen aber eindeutig zum Schluss, retour reisen zu wollen. Kurt Kügelchen wollte zwar unbedingt, dass Sofinchen hier bleibt, aber die Priesterin liess sich davon nicht abbringen.
„Tut mir leid, unser Entscheid steht fest. Auch das Sprengkommando Neun da drüben braucht uns. Ihr könnt uns ja immer rufen, wenn was ist, und wir sind für euch da.“ Sagte Sofinchen.
Der Gnomjäger fuchtelte mit seinen Ärmchen und vertrat seinen Standpunkt: „Aber hier werdet ihr DRINGENDER gebraucht. Diese Welt hier ist….“
„Nicht anders wie die Welt beim Sprengkommando Neun. Dort werden wir auch gebraucht. Gnome werden überall gebraucht.“ Mischte Serpentin sich ein und verteidigte den Standpunkt der Priesterin.
„Georg, wie schauts bei Dir aus?“ Fragte Lagharta und blickte den Gnomkrieger an, der ausnahmsweise nüchtern war.
„Ich bin und bleibe, wo Sofinchen ist. Wir sind ein Duo, und somit nicht zu trennen. Ihr habt einen Schildträger, und Flix ist echt gut. Er wird sich steigern. Er hat gute Ansätze und ist mutig. Er muss nur mehr trainieren.“
Flix Zitterklinge stellte stolz sein Brüstchen und fühlte sich geehrt: „Danke. Von mir aus könnt ihr aber gerne bleiben. ZWEI Schildträger heisst, dass wir ZWEI Gegner gleichzeitig angreifen könnten.“
Lagharta blickte zwischen Sofinchen und Kügelchen hin und her. Dann sagte sie zu Kügelchen: „Sei doch froh, dass ICH bei euch bleibe. Mich zieht es nicht zurück. Aber es ist jedes Gnomes eigener Entscheid, zu bleiben, wo es ihm gefällt. Wir können niemanden zwingen.“
Reas und Ya hielten sich etwas abseits, beteiligten sich nicht an der Diskussion, und verfolgten sie aber aufmerksam. Spektralia ergriff das Wort und hielt ein offizielles Statement: „Nun gut. Grämen wir uns nicht. Sofinchen, Schildchen und Serpentin kehren zurück, aber wir können jederzeit mit ihnen in Kontakt treten. Das Sprengkommando Drei und Neun stehen sich gegenseitig bei, wenn Hilfe gebraucht wird. Sofinchen wird das Sprengkommando Neun anführen. Ich bin froh, haben wir dieses Thema klären können. Es kann nicht für alle von uns passen, aber es ist ein gutes gnom-typisches Kompromisschen.“
Daraufhin segnete Sofinchen nochmals die ganze Gruppe und sie verabschiedeten sich alle voneinander. Spektralia führte sie dann in den Portalraum in Boralus, wo sie in einem separaten Zimmer ein spektrales Portal formte, welches das Sprengkommando Neun zurück in ihre Welt brachte. Danach wurde Lagharta feierlich ins Sprengkommando Drei aufgenommen. Die Zauberin übergab ihr den Gildenwams, den die Schleicherin mit folgenden Worten anzog: „Ich gelobe, meine Schatten dem Sprengkommando Drei zu verpflichten und fortan für unsere Sache einzustehen.“
Kügelchen wirkte glücklich und begeistert und meinte zu Reas: „Sie ist eine begabte Schleicherin, wirst schon sehen. Ihr zwei werdet euch gut ergänzen. Aber lass deine Finger von ihr, ja?“
Der Seefahrer schaute ihn erstaunt an und schüttelte den Kopf: „Ich denke nicht im Traum daran, keine Sorge. Aber ich werde mit ihr sprechen müssen. Irgendwas scheint auf der anderen Seite vorgefallen zu sein, das MICH betrifft.“
Lagharta blickte ihn an und nickte: „Ein Gespräch von Schleicherin zu Schleicher wäre ganz gut. Aber nur weil DU drauf bestehst.“
104 - Das Sprengkommando an der Kapelle und ein Angebot für Reas
Die Zauberin des Sprengkommandos, Jael Spektralia, erreichte den neutralen Ort mit dem Gnomjäger und Reas, dem Seefahrer erst spät am Abend, als bereits die Nacht angebrochen war. Sie waren froh, den gesicherten Ort in den Pestländern erreicht zu haben, und von den Streitern der Argentumdämmerung wurden sie herzlich empfangen und in ein kleines Zelt in der Nähe des Kommandaten eingeladen.
Die Geisterklinge Alyndra war rasch bei ihnen und bedankte sich bei ihnen für ihr Erscheinen. Sie verriet dem Sprengkommando, dass sie möglicherweise nicht gebraucht würden, war aber froh um ihre Präsenz dort, wenn es doch erforderlich wäre. Jael wollte sich bei der Geisterklinge nach dem Grund erkundigen, doch Alyndra winkte ab, es ginge bloss um ein familiäres Thema. Das Sprengkommando würde es früh genug erfahren, wenn es ihrer Hilfe bedürfte. Die Leerenelfe lud das Sprengkommando Drei schliesslich zu einem üppigen Nachtessen ein, an dem sie selbst aber nicht teilnahm.
Kügelchen liess es sich aber trotzdem nicht nehmen, ausgiebig zu tafeln und zu zechen. Beim grossen Lagerfeuer gleich unterhalb der Kapelle setzten sie sich also hin und liessen es sich auf Kosten der Leerenelfe gut gehen. Jael entdeckte die beiden Blutelfen, die ebenfalls bei der Kapelle waren, sich aber im Hintergrund hielten. Eine der Blutelfen trug eine blutelfische Robe und hatte markante, goldene Haare. Der Zauberin kam sie bekannt vor.
„Kurt, schau dir die goldgelockte Elfe mal an. Fällt dir was auf?“ Fragte Jael den Gnomjäger. Dieser blickte auf, während ihm der Saft eines Bärenburgers von den Lippen tropfte, und er musterte die Sin’Dorei lange. Aber dann schüttelte er sein Köpfchen: „Was soll mir an dem Elfchen auffallen? Die sehn doch alle gleich aus. Und die sind auch nicht mehr unsere Freunde.“
Reas fügte hinzu: „Bestimmt eine Zauberin, eine Hexe oder sowas. Ihre Kollegin jedenfalls scheint kräftiger zu sein. Aber wen kümmern schon die Blutelfen?“
„Mich. Denn das Elfchen hat uns doch vor ein paar Jahren zur Freiheit verholfen. Weisst du nicht mehr, Kügelchen?“ Präzisierte Jael.
Dem Gnomjäger blieb ein Stück Burger im Hälschen stecken, und er musste es mit ein paar Schlückchen Zwergenstarkbier herunterspülen. Als er sein Stimmchen wieder hatte, blickte er die Zauberin erstaunt an: „Wie bitte? Das, das war doch diese Priesterin, die ihren Namen nicht nennen wollte. Ja natürlich, ich erinnere mich an diese Geschichte.“
Reas zuckte mit seinen Achseln: „Welche Geschichte denn? Ihr Gnome sprecht mir einfach zu oft in Rätseln.“
„Eine lange Geschichte mit Lepragnomen in Silbermond, die keine waren. Und ein Lepragnom war unsere Zauberin. Und dank einer Priesterin haben wir sie befreien können. Uiui, das war ein gefährliches Abenteuerchen!“ Verkündete Kügelchen und klatschte in seine Händchen. Und Jael fügte hinzu: „Und ich denke, das war diese Elfe dort drüben.“
Die besagte Blutelfe spürte, dass die Gnome über sie sprachen, blickte kurz auf und musterte sie, aber wandte sich gleich wieder ab, um mit ihrer Kameradin weiter zu diskutieren.
„Merkwürdig, dass sie uns nicht erkennt. Hach, ich Dummchen!“ Sagte die Zauberin und klatschte sich mit ihren Händchen an die Stirn. „Das war ja nicht hier, das war in der anderen Welt.“
„Stimmt, das war drüben beim Sprengkommando Neun!“ Fügte Kügelchen hinzu.
Reas wurde es zuviel. Er runzelte die Stirn, leerte seinen Starkbierbecher und stand auf: „Bitte verzeiht mich. Gewisse Themen hier sind mir einfach zu viel. Eure rübergeholte Schleicherin benahm sich so merkwürdig als sie mich sah. Aber ich muss nicht alles wissen. Ich werde mich hier noch kurz umsehen, und danach ziehe ich mich zurück.“
Jael blickte ihm sorgenerfüllt nach, doch liess sie ihn gehen. Der Seefahrer schlenderte durch den befestigten Ort und sah sich um. Schliesslich erklomm er eine Befestigungsmauer, stand zwischen den Zinnen und blickte ins Dunkel der Nacht hinaus. Nach einer Weile vernahm er eine Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien: „Ein wunderbarer Ort, nicht wahr? Auch ich bin gerne irgendwo oben und überblicke die weite, weite Welt. Wir sind uns sehr ähnlich, Reas.“
Neben ihm trat die Leerenelfe Alyndra aus den Schatten und verbeugte sich vor ihm.
„Nein, das sind wir definitiv nicht. Nur unsere Art zu kämpfen ist ähnlich. Ich kämpfe gesetzlos, und Ihr meuchelt. Aber mehr Gemeinsamkeiten sind da nicht.“ Sagte Reas und tippte sich zum Grusse gegen die Stirn. Er musterte die Leerenelfe, die enganliegendes Leder trug, das ihre schlanke Figur betonte. Ihre leuchtenden, leeren Augen musterten ihn eindringlich und blickten gleichzeitig ins Nichts, während sie ihn anlächelte.
„Das lassen wir so stehen. Reas, ich werde Eure Hilfe brauchen, und ich werde Euch für Eure Hilfe selbstverständlich grosszügig bezahlen.“ Sie trat einen Schritt auf ihn zu, während der Seefahrer unbeirrt stehen blieb.
„Meine Hilfe? Wobei sollte ich schon von Nutzen sein?“
„Als meine rechte Hand. Ich bin daran, meine Familie, mein Haus auf Seiten der Allianz wieder aufzubauen, wo es auch hingehört. Ich brauche Eure Hilfe, damit das Haus Sternglanz dem König von Sturmwind mit all seinen Kräften dienen kann. Die Allianz braucht alle Hilfe, die sie kriegen kann. Das seht Ihr doch genauso?“ Verkündete Alyndra. Reas überlegte einen Moment und nickte dann wortlos.
„Wissst Ihr, meine jüngere Schwester, die Blutelfe Alween Sternglanz ist hier. Ich habe sie hierher bestellt. Sie muss das Erbe des Hauses an mich abtreten, es gehört nicht ihr. Ich bin gekommen, um es zurück zu fordern. Sie weiss es noch nicht, aber ich werde sie Morgen hier treffen. Ich gehe davon aus, dass die Verhandlungen erfolgreich sein werden, auf die eine oder andere Weise. Danach werde ich Euch brauchen, Reas.“
„Tut mir leid, aber dabei kann ich Euch nicht helfen. Thalassische Geschichten gehen mich nichts an.“ Doppelte der Seefahrer nach, doch die Leerenelfe quittierte mit einem Kichern.
„Die Gnome brauchen Euch noch weniger. Eure Dienste als Beschützer des Oberhauptes des Hauses Sternglanz würden besser zu Euch passen, als Botengänger für die «Kurzen» zu spielen. Ich habe Erkundigungen eingeholt. Ihr wart Sibella Kaufmann im Holzfällerlager eine grosse und zuverlässige Hilfe. Zu schade, dass es niemand zu würdigen wusste. Aber ich verspreche Euch, ich werde es zu schätzen wissen. Ich werde EUCH zu schätzen wissen.“ Sie trat näher auf ihn zu, nahm seine Hand die er zwar zurück ziehen wollte, sie aber dann gewähren liess. Sie musterte seine Hand und sagte: «Ihr habt starke, flinke Hände. Ein begabter Schleicher.»
Reas zog seine Hand zurück, und wie durch ein Wunder lag ein kleines Geldbeutelchen in seiner Hand. Er musterte es kurz und wollte es ihr zurück geben, doch sie schüttelte ihren Kopf.
„Nein, behaltet es bitte. Ein kleiner Beitrag für Euch. Ihr braucht mir heute nicht zu antworten, ich will keine übereilte Entscheidung. Ich bitte euch nur um Eines: Seid bitte Morgen mein drittes Auge und behaltet die Blutritterin Seradane Sternenstaub im Auge, ja? Ich werde mit meiner Schwester verhandeln, und die Ritterin wird sicherlich mit dabei sein.“
Reas überlegte einen Moment und nickte dann langsam: „Aye, ich werde es mir überlegen.“
Die Geisterklinge lächelte ihn nochmals an, und trat dann zurück in die Schatten. Reas öffnete das Geldbeutelchen und entdeckte 50 Goldmünzen darin. Er überlegte nochmals einen Moment, verschloss das Beutelchen dann und liess es in seine Gürteltasche wandern. Erst dann bemerkte er, dass sein eigener Giftbeutel verschwunden war. Dort hatte er stets seine persönlichen Gifte aufbewahrt, all die Pflänzchen, Ranken und Pilze aus dem Schlingendorntal und aus Drusvkar. Und der war weg. Bestimmt war es die Geisterklinge, und die 50 Goldstücke waren das Entgelt dafür, als sogenannte «Ehre unter Schurken». Er biss sich verärgert auf die Unterlippe, denn er liess sich nicht gerne selbst beklauen. Und er würde Alyndra Morgen zur Rede stellen.