Was Spiele u.a. so unglaublich interessant macht ist, wie tief man mit ihnen in psychologische/soziologische Prozesse einsteigen kann und analysieren kann, wieso sich Menschen verhalten, wie sie sich eben verhalten (siehe dazu auch die Spieltheorie).
WoW ist da insbesondere interessant, weil es nicht nur einen großen Pool an Spielern über die Jahre hatte, sondern wei viele der Spielenden (u.a. auch ich) mit dem Spiel gealtert sind was eine ganz eigene Dynamik zur Folge hatte. WoW ist hierbei quasi auch parallel mit dem Internet richtig „groß“ geworden und hatte damit auch maßgeblichen Einfluss auf die Internetkultur an und für sich.
Es kam exakt in dieser einzigartigen Zeitepoche der 00er Jahre in der sich die Technologie insbesondere was Internet und auch Smartphones betrifft rasant entwickelt hat. Letztlich war das für viele ein einziges großes und i.d.R. auch sehr unbeschwertes Abenteuer, weil die meisten auch noch recht jung waren. Ich war da 12 oder so.
Einfach alles in sekundenschnelle nachlesen war eben für viele nicht drin bzw. oft nicht möglich. Alles war neu, aufregend und insbesondere in WoW teilten viele gewissermaßen diese kollektive Ahnungslosigkeit. Die Spieler waren zu gefühlt 80 % hoffnungslose Noobs.
Was auch massiv unterschätzt wird: WoW war, insbesondere in den frühen Jahren so etwas wie ein echtes soziales Netzwerk nur zusätzlich noch mit Spielweltumgebung. Die „echten“ sozialen Netzwerke nahmen dann natürlich auch irgendwann richtig Fahrt auf.
Was man dann über die Jahre hinweg aus meiner Sicht eben gut verfolgen konnte war die Zeitkomprimierung innerhalb der Gesellschaft welche dann direkte Auswirkungen auch auf Spiele wie WoW hatte, ist ja auch klar.
Buchstäblich alles wurde schneller. Entwicklungen, die erwähnte Informationsbeschaffung, aber auch die Leben der Leute selbst: Arbeit, Termine, Kinder/Familie. Es war also weniger Zeit vorhanden. Die steigende Vernetzungsmöglichkeiten führten dann auch u.a. dazu das die Rolle von WoW als ein soziales Netzwerk immer weniger wichtig wurde.
Über die Jahre wurden dann auch immer kleinere Raidgrößen realisiert bis hin zum LFR. Und viele Leute sind heute komplett raus aus diesem klassischen 2-3x pro Woche raiden, weil sie diese Form der zeitlichen Bindung einfach nicht mehr wollen oder es nicht können.
Dabei muss man sich nur mal vor Augen führen das es zuvor Zeiten gab wo man Bewerbungen (!) für Gilden in WoW geschrieben hatte. Kann man sich heute kaum mehr ausdenken.
Da die Spieler nach und nach mit dem Spiel alterten, die Hardware und die Kommunikationstechnologien immer besser wurden, wurden auch die Spieler immer besser. Dieses kollektive Gefühl, wo die meisten keinen Plan hatten wirst du so nie wieder bekommen, da es eine ganz spezifische, einzigartige Zeitepoche war in der das Internet gerade zum Mainstream wuchs. Quasi die Wild-West-Phase die aber viele WoW Spieler eben maßgeblich mit geprägt haben.
Was uns zur Moderne bringt. Heute sind einem in WoW, aber auch anderen Spielen, viele grundlegende Mechaniken & Systeme in „Fleisch & Blut“ übergegangen. Man sieht die Fläche, man läuft raus. Man sieht Animation X und weiß gleich passiert was. Man weiß genau wo man schauen muss für Information X. Guides & Videoanleitungen entstehen noch vor der Veröffentlichung von Content und Spieler versuchen für sich die effizientesten Methoden herauszufinden.
Die gesamte Handhabe wie mit Games umgegangen wird hat sich hier also dramatisch verändert in eigentlich nur sehr wenigen Jahren. Die Spiele müssen jetzt auch nicht mehr „perfekt“ kommen, sondern Fehler können schließlich bequem per Hotfix nachgebessert werden.
Wenn man also über dieses Thema spricht ist es mir wichtig quasi zu begreifen das wir hier im Grunde eine dramatische zeitliche & technologische Entwicklung mit durchlebt haben und man diese Dinge unmöglich vom zeitlichen Kontext trennen kann in den Debatten.
Ist effizientes Denken nun schlecht?
Ja & Nein. Prinzipiell wende ich mich grundlegend gegen die Vorstellung, eine bestimmte Art ein Spiel zu spielen oder überhaupt irgendetwas zu nutzen würde das Spiel „zerstören“. Weil aus meiner Sicht jeder so spielen sollte, wie er oder sie Spaß hat.
Wenn ein Spiel eine Spielweise X ermöglicht besteht die Aufgabe des Spiels darin die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass dies eben nicht belohnt wird oder möglich ist, wenn es diese Spielweise denn als Problem ansieht.
Manche Leute haben Spaß z.B. am Min-Maxen. Ich richte mich komplett gegen die Vorstellung sozusagen diese Denkweise anderen vorzuschreiben wie das Spiel aber richtig zu spielen sei. Somit gilt das also auch andersherum. Wenn ein Elite-Spieler jemanden meint belehren zu müssen, obwohl dieser jemand völlig andere Ansätze hat das Spiel zu spielen lehne ich das auch ab.
Das Spiel schafft komplett die Rahmenbedingungen. Was innerhalb dieser Rahmenbedingungen & Regeln auch möglich ist, dass kann auch aus meiner Sicht ausgelebt werden.
Dennoch kann ich es dabei auch nicht belassen. Diese Effizienzdenke hat nämlich viel mehr Ebenen als nur Vorliebe. Hinzu kommt nämlich auch, dass eben unsere ganze Gesellschaft zunehmend um das effiziente Denken aufgebaut wurde und so auch unsere gesamten wirtschaftlichen Systeme und somit eben auch oft unsere Lebensweisen.
D.h. alles ist darauf ausgerichtet, wie wir etwas erreichen mit möglichst geringem Aufwand. In nahe zu jedem Lebensaspekt. Sei es in der Produktion von etwas, sei es bei der Arbeit an etwas (möglichst wenig Zeit etc.).
Dies hat aber die unweigerliche Begleiterscheinung, dass eben mitunter eig. wichtige Dinge hinten runterfallen. Bei der Arbeit ist es typisch die Überarbeitung, Stress. Denn man will ja effizient sein, es zählt eben nicht das ein Ziel erreicht wird, der Zeitfaktor ist entscheidend.
Im Kontext von WoW kann das im schlimmsten Fall eben auch zu Abstrichen beim Spaß führen, weil dieser Tunnelblick gegeben ist auf eben die Effizienz und dabei das bewusste, genussvolle Erlebnis hinten runterfällt und quasi alles diesem aus der Wirtschaft kommenden Effizienzdenken untergeordnet wird.
Und deshalb finde ich das auch so spannend, wie man von so etwas vermeintlich Einfachem wie ein Computerspiel auf dieses komplexe Thema kommen kann bei näherer Betrachtung.
Nach meiner persönlichen Vorstellung ist die Ausrichtung der gesellschaftlichen Systeme auf Effizienz in dieser Dimension ein Fehler. Besser wäre die Ausrichtung auf Effektivität: D.h. die richtigen Dinge tun und dennoch zum gewünschten Ergebnis kommen. Es geht vielleicht nicht am schnellsten, aber es ist mitunter nachhaltiger, sei es beim Spiel für den eigenen Spielspaß, sei es beim Arbeiten durch ausbleibenden Stress und sei es z.B. bei der Produktherstellung dadurch, dass z.B. auf eig. schlechte Bestandteile verzichtet wird, nur weil diese billiger sind als aber vorhandene, gute Alternativen.
Wie gesagt ist alles prima, solange man selbst wirklich Freude hat am vollen Ausschöpfen des Effizienzdenkens in Games. Aber es kann eben auch ins Negative ausschlagen und letztlich ist das ja auch nicht im luftleeren Raum. Denn wie ich schrieb leben alle unsere Systeme das ja eben vor.
Man kann vielleicht an der Arbeit entscheiden jetzt effektiv zu sein statt effizient, nur wird man eben dann leider nicht mehr lange seine Stelle haben, weil man dann natürlich selbst ineffizient wird.
Im Spiel wiederum: Natürlich kann man selbst entscheiden effektiv statt effizient zu spielen. Andere werden es aber nicht tun und zwischen diesen Reibungspunkten muss man dann eben am Ende selbst entscheiden wo man sich in einem Spiel dort einordnen will. Zumindest im Spiel hat man hier noch die relativ unbeschwerte Wahl.
Um also zu der Ausgangsfrage zurückzukommen. Ich denke nicht das eine bestimmte Spielergruppe dazu in der Lage ist, das Spiel einfach so kaputt zu machen, zumal das für jeden was anderes heißt.
Aus meiner Sicht sind viele Dinge die heute in WoW so sind, wie sie eben sind das ganz konkrete Ergebniss gesellschaftlich-kultureller Entwicklungen für die es nicht unbedingt den einen Schuldigen gibt oder die eine Gruppe an Schuldigen.
Ich denke die Ausrichtung eig. aller vom Menschen geschaffener Systeme aus Effizienz ist ein fundamentaler, da für mich zu Ende gedacht, selbstzerstörerischer Kurs, was aber völlig unabhängig davon steht, ob man in einem Videospiel effizient sein möchte.