Mittlerweile sind einige Tage seit des letzten Unterrichts in der Hervorrufung des Feuers vergangen und seither kann sie nicht anders, als ihre Gedanken stetig zu den Worten ihrer Lehrmeisterin zurückzuführen. Stolz ist mitunter auch ein starkes Gefühl, andauernde Wut zu fühlen, um Emotion in Zauber zu weben, kann tatsächlich auf den Geist schlagen. Es ist tiefste Nacht, alle waren in ihren Häusern oder Zimmern, während Mjorna im Hauptraum des Ordenshaus sitzt und ihre beiden Motten beim Flug durch die gedämpften Lichtverhältnisse beobachtet. Mit einer gewissen Leichtigkeit fliegt der Neuling, die Motte mit dem rotem Körper und weisroten Flügeln, durch den Raum, nur um schließlich auf einem Feuerblütentopf inne zu halten und an diesem zu sitzen. Vor nicht all zu langer Zeit verhielt sich ihr heutiger Familiar nicht sonderlich anders. Genau so simpel sahen die Bewegungsmuster aus, genau so simpel waren die Verhaltensweisen.
Heute aber beobachtet die schneeweiße Motte alles mit einer gewissen Ruhe und Neugier, verhält sich wesentlich weniger instinktiv wie ein gänzlich „normales Tier“. So auch jetzt. Während Mjorna auf einem der Holzstühle bequem sitzt und den Kopf in den Nacken liegen hat, um alles zu beobachten, sitzt die schneeweiße Motte unweit von ihr auf dem Geländer und wendet den Kopf nicht viel umher. Ihr weitreichender Blick der Facettenaugen braucht kein dauerndes Herumfuchteln mit dem Kopf… und somit entgeht dem Wesen wenig. Kurzerhand blickt die junge und blasse Dunkeleisenzwergin länger auf ‚Puderchen‘ und hebt sacht die Mundwinkel empor.
Mittlerweile versteht sie ihren Familiar stetig besser und besser, dementsprechend erfasst man kleinste Gefühlsregungen schneller… vor allem, wenn Familiar und ,Meisterin, nahe aneinander sind.
Lange entgegnet sie den Blick, lange scheinen beide grüblerisch zu wirken und nonverbal irgendwie zu kommunizieren… ehe die Dunkeleisen sich erhebt und die helle weißgraue Robe glatt streicht und sich die Kapuze über das Haupt streift. Rasch erhebt sie sich und ohne ein Kommando zu benötigen, fliegt auch die Motte auf die Schulter der Zwergin.
Mjorna atmet tief durch und geht die Treppe hinauf, nur um in dem düsteren Viertel zu stehen und das gedämpfte Licht zu genießen, das hier in Eisenschmiede war. Langsam und entspannt bewegt sie sich durch die Stadt unter dem Berg, während ihre Gedanken weiterhin recht unruhig sind.
Sie soll stolz sein, auf einiges. Stolz sein, dass sie schon so weit in der Pyromantie gekommen ist… sie muss stolz sein, dass sie auf ihrem Weg geblieben ist und stolz sein, dass sie bisher auch in realen Gefechten ihr Wissen anwenden konnte und dadurch überleben.
…und dennoch ist es so viel leichter auf negative Emotionen in der Zauberei zurückzugreifen. Es ist so viel leichter sein Herz wieder mit Trauer zu durchtränken, es ist viel leichter seine Gedanken mit Wut zu durchfluten und Hass gegenüber anderen zu spüren, die einem die Kindheit geraubt haben. Sie brauchte nicht lange bei ihrer ersten Beschwörung des Leys, um wütend zu werden. Der ganze damalige Grund Pyromantin zu werden hing an negativen Emotionen.
Trotz allem hatte ihre Lehrmeisterin Recht - wie gefühlt immer. Es kann für jemanden nicht gut sein, wenn man seiner Seele keine Ruhe genehmigt. Umso wichtiger war es nun, dass Mjorna wieder die neue Hürde in ihrer Ausbildung annimmt und nicht weiterhin auf alte Muster vertraut, nur weil sie gewohnt waren. Es war an der Zeit für erneute Veränderung… und mittlerweile sieht sie sich wieder in dem Militärviertel von Eisenschmiede. Einer der Orte, an denen sie sich so viel aufhält. Nicht nur zum üben, auch zum meditieren am Kohlebecken des Viertels. Unzählige Stunden wurden hier verbracht und unzählige Stunden werden noch folgen. Kurz blickt sie auf die Seite, wo der Familiar mit stolz erhobenen Flügeln sitzt und auffordernd zirpt.
„Ja, ja… ich versuche es.“, murmelt sie leise und linst aus den Augenwinkeln zu den Wachzwergen der Stadt. Mittlerweile kannte man hier die grauen Zwerge, die stetig an den Attrappen ihre sonderbaren Zauber üben. Somit war es nicht verwunderlich, dass der Soldat misstrauisch die in weiß gehüllte Zwergin mit der blassen Haut, weißroten Haaren, feurigen Augen und Motte auf der Schulter musterte und schlicht einige Schritte Abstand nahm. Mjorna zaubert ihr üblich freundliches Lächeln auf die Züge und neigt höflichst ihr Haupt, wobei sie nicht umhin kommt doch einen Mundwinkel schiefer empor zu heben. Er wird im Laufe der nächsten Übung ohnehin seinen Abstand noch erweitern, wie jedes Mal.
Mjorna atmet tief durch und im nächsten Augenblick weicht ihre freundliche Miene gänzlich, stattdessen blickt sie aber konzentriert auf eine der Holzattrappen. Sie schüttelt ihre Arme aus und hier und da zieht sie wütend die Brauen nach unten, räuspert sich aber und zuckt diese wieder hinauf. Die schneeweiße Motte zirpt ein Mal auf und fuchtelt mit den Beinen umher, was wie ein „auf die Schulter klopfen“ ulkigerweise aussehen könnte.
Mjorna atmet ein weiteres Mal tief durch und geht in ihre übliche Haltung für das Zaubern. Rasch schiebt sie ein Bein zurück und geht leicht in die Knie, um sicherer zu stehen. Sie betrachtet die Attrappe ausnahmsweise nicht so, als wünsche sie dieser ewige Verdammnis, sondern lediglich konzentriert. Schließlich hebt sie leicht ihre Hände, um in den Reagenzienbeutel zu greifen und sich zwei Reagenzien in beide Hände zu legen.
Sowohl Eisen- und Schwefelbröckchen werden fest umfasst, ehe sie die Finger anspannt und abspreizt, bis die Reagenzien unter leyblauem Schimmer im Nichts entschwinden und aufgelöst werden. Rasch leitet sie den arkanen Fluss in die Höhe empor und führt noch unsichtbar aber vor dem inneren Auge das Feuer auf diesen Pfad entlang über Füße hinweg durch den ganzen Körper bis an die Fingerkuppen. Sobald die Reagenzien gänzlich von dem Arkanen verschlungen wurden, beginnt ein ruhiger und beschwörender Singsang, die grollenden Worte klingen wesentlich netter als bei den anderen Zaubern, auch hält Mjorna weiterhin ihre Miene unter Kontrolle und wirkt nicht wie ein blasses Monstrum. Langsam wird das Kribbeln an den Fingern immer heftiger… und immer intensiver wird sie kontrolliert und bedacht das Gefäß für Magie und Feuer. Weit oben in der Luft beginnt es verhängnisvoll zu Züngeln… leise, aber stetig nimmt das Geräusch zu.
Genau so, wie man außen sieht, dass etwas gleich geschieht, so leitet Mjorna auch ihre Gedanken. Ihr größter Feind und dennoch mächtigste Waffe. Vor Augen führt sie die unzähligen Lehrstunden, das gute Gefühl und die Genugtuung, wenn Zauber wirken und tun was sie sollen, das Gefühl nie aufgegeben zu haben trotz diverser Hürden. Ebenfalls durchlebt sie auch das Gefühl für das Erlernte gelobt zu werden von ihrer Mentorin und ihrem Vorbild. Nach und nach wird das Gefühl im Inneren stolz sein zu können immer stärker, was auch nach außen getragen wird und in den Zauber gewoben wird… man hört das Züngeln immer lauter. Es faucht plötzlich auf, ehe es wieder grollt über den Attrappen hinweg.
Es beginnen Funken zu sprühen und lose hinab zu regnen… und nach der langwierigen Beschwörung senkt sie ihre Finger hinab, während die beschwörenden Hände oben verbleiben. Urplötzlich wirken ihre Hände wie Krallen, die eine Geste anmuten… und das kleine Inferno beginnt.
Knallend und klingelnd peitschen einige Dinge aus der Höhe hinab. Unzählige lodernde und brennende Eisensplitter prasseln auf den Grund und beginnen Kerben in das Holz zu schlagen. Unnachgiebig hält Mjorna mit Konzentration und ihrer mittlerweile durchaus langjährigen Erfahrung als Zauberlehrling die Kanalisation weiterhin an. Immer wieder regnet es Flammen mit „Inhalt“ und dies aus einigen Schritten Höhe. Das Feuer zischt und setzt das Stroh der Attrappen in Brand, während die Eisensplitter womit Wucht weiterhin das Holz bearbeiten, sofern sie nicht zu den Splittern gehören, die lediglich außen herum nur auf den Steinboden treffen.
Der Feuerregen tut das, was er soll, auch, wenn Mjornas Zauber noch wesentlich kleiner ist als der ihrer Mentorin. Ihre Eisensplitter sind noch kleiner, das Feuer um diese herum ist noch weniger lodernd. Trotz allem versucht sie mittlerweile mit Schweißperlen auf der Stirn die Kanalisation anzuhalten und aufrecht zu erhalten… zumindest für wenige Sekunden.
Immer wieder knallt es auf den Boden hinab, immer wieder werden die Attrappen getroffen und sind zum Glück nicht lebendig, wenn man die tiefen Kerben besieht.
Schließlich vergeht der Zauber als Mjorna den arkanen Fluss beendet und ihre Hände hinab senkt. Als wäre nie etwas gewesen, verstummt alles augenblicklich. Es knallt nicht mehr, alles ist ruhig, wenn man vom Knarzen des Holzes absieht, welches knackend vom Feuer verschlungen wird.
Erschöpft senkt sie die Arme, richtet sich aber wieder ordentlich auf und strafft den Rücken wieder, ehe sie schlicht und ordentlich wie eh und je die Arme hinter dem Rücken verschränkt und die Zerstörung mit gewissem Stolz betrachtet. Es geht voran, auch wenn es viel Kraft und Änderung braucht… und selbst das Zaubern hier und da neu definiert werden muss. Ihr „mottenhafter“ Familiar verharrt ebenfalls ruhig auf der Schulter und beobachtet das Brennen, ohne… zum Licht zu fliegen.