Hoch oben sitzt sie, als die Türe des Ordenshauses sich endlich langsam öffnet. Doch Freude spürt sie nicht, da sie bereits aus der Entfernung genauestens die Gefühlswelt ihrer sogenannten „Meisterin“ erspüren konnte. Leichte Schmerzen waren zu spüren, Scham und Unwohlsein. Warum? Der schneeweiße Familiar wackelt mit seinen beiden Antennen und richtet die Facettenaugen erneut auf sie blasse Zwergin aus. Körperlich wirkt sie erschöpft, blaue Flecken sind am Leib. Muskelkater ebenso. Am stärksten schmerzt der Rücken. Die übermüdete Zwergin schleppt sich angestrengt voran, achtet hierbei nicht auf die Umgebung, wobei sie sich glatt ein weiteres Mal unbeholfen an einer Ecke des Steinhauses anstößt, gerade als sie die Kapuze vom Haupt streifen wollte. Puderzucker streckt ihre Flügel aus und die sechs Beine bewegen sich etwas voran, um sie weiter zu beobachten. Geradewegs niederzustarren. Warum reagiert sie nicht auf ihren Familiar! Auf Puderzucker - das prachtvollste, was Mjorna doch besaß! Pah. Der schneeweißen Motte reicht es nun endgültig. Ein erbostes Zirpen ertönt vom obersten Geländer, ebenfalls richtet sie ihre Flügel weit in die Höh‘ und blickt wieder aufmerksamer zu ihr. Mjorna hatte nicht einmal ein Geschenk dabei, wie nach der letzten Reise! Keine exotischen Blumen! Nichts! Nur sich selbst und das nicht einmal ganz gesund, das geht doch nicht. Eine Zumutung.
Der feurige Blick huscht schnell zum magischen Wesen, immerhin spürte Mjorna ohnehin wo im Raum sich dieses aufhielt. „Freu mich dich zu sehen, Puderchen.“, kommt uneuphorisch von ihr. Sie meint es nicht ganz so! … Glaubt zumindest die Motte zu spüren. Puderzucker wusste, dass man irgendwann richtigere Konversationen zwischen Familiar und Meister haben könnte, statt wie bisher lediglich die gegenseitigen Gefühle zu spüren. Leider war das Band hierfür aber noch zu jung. Zu schwach und dementsprechend war diese Welt den beiden noch leider verschlossen. Das hatte man über die Lehrmeisterin von Mjorna samt ihren Kauzfamiliar erfahren. Aber… Puderzucker wäre nicht Puderzucker, wenn sie nicht den ein oder anderen Trick auf Lager hätte.
Puderzucker streckt sich ein weiteres Mal aus, richtet sogar hierfür ihr Gewicht auf die hinteren Beine, sodass sie mit den vorderen Beinen einige Male in der Luft „winken“ könnte. Wobei es eher ein aufgeregtes Fuchteln, gepaart mit unzufriedenem Zirpen war. Mjorna sollte sie beachten und ihr klarmachen, warum sie aktuell war… wie sie war. Das würde sie bei dieser Geste gewiss verstehen. Ganz sicher. Immerhin fuchtelt der schneeweiße Familiar mit dem magisch gezeichneten Flügeln diese einige Male ohne abzuheben, und die fluffigen Beine wackeln ebenfalls voller… Eleganz!..Und… Pracht!
Mjorna starrt nun stutzig zu Puderzucker: „Was ist denn mit -Dir- los?“, fragt sie mit erhobenen Brauen und schüttelt sogar den Kopf leicht, ehe sie schlicht den Weg hinab in Angriff nimmt und dementsprechend das Innere des Ordenshauses aufsucht. Das Licht der vielen Öllampen war recht düster und die vielen Feuerblütentöpfe und deren unmittelbare Umgebung waren voller Blütenstaub, geschuldet von den beiden Motten.
Puderzucker hält inne. Stutzig. Hat Mjorna es gerade gewagt sie zu ignorieren und weiter zu gehen? Nun reicht es! Es reicht endgültig! Puderzucker erhebt sich mit lautlosen Flügelschlägen in die Lüfte, steuert hierbei geradewegs ihre Meisterin an. Wütend zirpt sie dabei, als hätte man sie in ihrem Kern verletzt. In ihrem ganzem „Sein“. Rasch landet der Familiar auf dem verwuschelten schneeweißem Haar der Dunkeleisenzwergin und begann wieder ihr lautes Beschweren. Zur Krönung fuchtelt sie mithilfe ihrer sechs Beine abwechselnd am Körper, sodass sich der Mottenstaub löst und Mjorna geradewegs umhüllt. Wie eine staubige Blase.
Mjorna beginnt heftig zu niesen und fuchtelt wild mit den beiden Händen umher, in der Hoffnung, dass das „Puder“ der Madam Puderzucker damit endlich verfliegt. Wütend stiert sie schließlich nach oben zur Motte: „Hör auf damit!“.
Ein weiteres Mal wirkt Puderzucker stutzig und versucht nun mit aller Kraft irgendwie weiterzuquasseln. In der Hoffnung, dass man sie verstehen würde. Mjorna blinzelt einige Male, aber offenbar versteht sie in diesem Moment Ihren eigenen Familiar weiterhin nicht ganz. Ein fragender Blick auf den blassen Zügen. Das emphatische Band war noch zu frisch. Viel zu frisch… erst seit wenigen Monaten hat sie die Welt von Familiar zu Meister für die beiden geöffnet und seither braucht es viel Arbeit, um diese gänzlich zu verstehen und damit auch klarzukommen. Die Hüterin sagte bereits, dass es mit der Zeit besser wird, aber dies benötigt konstante Arbeit. Mjorna seufzt schwer und schleicht auf leisen Sohlen geradewegs weiter zur Waschkammer. Weiterhin mit zauberhaftem Hut. Dem Mottenhut. Langsam hört auch Puderzucker mit ihren wildem Zirpen auf und flattert schließlich zur Seite und lässt die Dunkle schlicht und ergreifend einfach ankommen. In ihrem Zuhause. Weiterhin steht aber die Frage im Raum, weshalb sie so viele blaue Flecken besitzt, fertig mit der Welt ist und sich sogar schämt… sobald sie Mjorna eine kurze Pause gegönnt hat, wird sie auch das herausfinden! Ganz gewiss!
…Genau wie sie herausfinden wird, warum keine neuen Blumen mitgebracht wurden! Zufrieden mit ihrem -perfektem- Plan wirbelt die schneeweiße Motte, die ursprünglich von den Azurmythosinseln stammt, einige Male mit den Fühlern umher und beobachtet aufmerksam „ihre“ Mjorna, welche bestimmt nur einmal kurz durchschnaufen und sich frisch machen muss, ehe sie endlich ihrem Familiar alles erzählen würde… und… dies hoffentlich auch verständlich für beide.