„Kinder, ich bin wieder zu…“ Luzula hatte bis zu dem Zeitpunkt geglaubt, wo sie Eisenschmiede den Rücken gekehrt hatte, um die Magiermesse zu besuchen, dass die anstrengenden Tage vor ihr lagen. Fast bis zur letzten Stunde hatte sie über den eigenen Vortrag gebrütet, Sätze geändert, Floskeln gestrichen und den Hirnschmalz bemüht ein rundes Gesamtbild zu erschaffen. Mehrere Tage in hohe Gesellschaft zu verweilen und unter den wachsamen Augen studierter Magier zu stehen, war nicht unbedingt stressfrei. Immerhin war sie die Pyromantin, eine emotionale Zauberin, die trotzallem nicht das falsche Bild ihrer eigenen Zunft vermitteln wollte - auch wenn es die eine oder andere berechtigte Sorge gab. Das Zaubern mit Emotionen hatte nunmal seinen… eigenwilligen Ruf. Nicht zu unrecht, doch die Gedanken wischte Luzula beiseite. Der Stress war ihr erst von den Schultern gefallen, als der Vortrag überstanden war und scheinbar auch gut aufgenommen wurde. Jetzt musste sie nur noch Magus von der Quell einen Brief schreiben, um noch eines der magischen Objekte zu erstehen, die zum Tausch standen, und mit etwas Glück bekam sie das auch noch in die Finger!
Mit diesem beflügelnden Gefühl, den erfolgreichen Tagen im Rücken und einem krönenden, wundervollen Tanzball zum Abschluss einer ereignisreichen Messe, der noch ein wenig dröhnend in ihrem Kopf nachhallte, hatte die hagere Dunkeleisenzwergin nun die Haustür aufgedrückt und starrte auf, „… zu Hause.“
Der Kristallstab fiel ihr aus der Hand und schepperte gen Boden. Wenigstens nahm die kristalline Spitze dabei keinen Schaden, denn eine Barrikade aus Kissen und Stühlen dämpften den Sturz. Ihr kleiner Wohnraum war ein Schlachtfeld. Die Windspiele, welche von der Decke hingen, hatten Gesellschaft bekommen. Aufgerollte Wollverbände baumelten herab und hingen wie Lianen im Dschungel im Zimmer. Der wuchtige Esszimmertisch war zur Seite umgekippt worden und dahinter befand sich nun ein kleines Zelt. Anstatt das Stövchen in der Kochnische zu benutzen, wo sich schmutziges Geschirr stapelte, hatte sich wer offenbar gedacht, dass der geflieste Steinboden auch ein echtes Lagerfeuer aushalten könnte. Nun glotzte die Zauberin entsetzt auf die erloschene Glut, eine verdreckte Pfanne mit Speckresten und ein paar Stahlspieße, wo irgendeine klebrige, verbrannte Masse dranklebte und mit dem Boden scheinbar eine Einheit bilden wollte. Es roch nach Karamell…
… und dann war da noch das Schlachtfeld an sich. Mehrere Spielfiguren und das eine oder andere Stofftier lagen ‚erschlagen‘ am Boden. Kochutensilien säumten ebenfalls den Grund, wie auch zwei aufgeplatzte Kissen, deren federweiche Füllung sich explosionshaft im ganzen Raum verteilt hatte. Die Wände waren bis zu ihrer Brusthöhe vollgeschmiert mit mehr oder weniger abstrakten Zeichnungen von Bäumen - einem sumpfigen Urwald nahekommend. Bücherstapel hielten wiederum einen Holzpfahl aufrecht, auf welchem der blanke Trollschädel thronte und Luzula ausdruckslos anglotzte.
„Nein.“
Die Dunkeleisenzwergin beugte sich weit über die Barrikade, schob einfach ein paar Bücher im Regal beiseite und zerrte dahinter eine Flasche Sulfuronwasser hervor mit welcher sie schnurstraks zurück auf ihre kleine Veranda stapfte. Die Tür fiel hinter Luzula krachend zurück ins Schloss, bevor sich die Zauberin auf einen knarzenden Hocker setzte und die Flasche entkorkte. „Nein! Keine Chance.“
Offensichtlich war ihre Brut aktuell nicht im Haus, denn diese verdächtige Stille war bezeichnend, aber früher oder später kämen die Jungs wieder…
Und sie hatte verdammt nochmal Geduld. Und genügend Sulfuronwasser, um den Frust zu ertränken. Wahlweise betrat sie das Haus erst in einer Woche, nachdem sie an einer kleinen Meditation über Frust teilgenommen hatte… Wer wusste das schon so genau. Im Moment war der Zauberin nur eines klar: Sie würde dieses Chaos nicht aufräumen.
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