Es war einmal in Sanktuario... Erzählungen

Die Suche nach der Zukunft - Teil 1

Das Knistern des Feuers klang unnatürlich laut in dieser finsteren Nacht. Ab und zu erhoben sich Funken, welche kurz darauf im pechschwarzen Nachthimmel einfach verschwanden. Nur widerwillig schien der Schnee sich von der Feuerstelle entfernen zu wollen und genauso wenig wollte die Nacht dem Schein des Feuers weichen.

Auf einem Fels neben dem Feuer hockte ein Mann, den man bei dem schwachen Licht auch fast für einen Bären halten könnte. Er trug einfache Lederkleidung kombiniert mit Fellen, um der Kälte zu trotzen. Neben ihm ruhte an den Fels gelehnt jedoch eine schwere Rüstung aus hart glänzendem Metall, die viele Spuren von Kämpfen aufwiesen. Offenbar war er in das Schärfen einer gewaltigen Streitaxt vertieft, doch der Schein war trügerisch.

All seine Sinne waren geschärft. Er lauschte in die Dunkelheit, spürte jede Veränderung des Luftzuges und der Temperaturen um sich herum und seine dunklen Augen tasteten unauffällig die Umgebung ab, soweit er nur sehen konnte.

Einen Moment hielt er inne und lauschte intensiver. Hatte dort etwas in dem Schnee geknirscht? Er konzentrierte sich jetzt mehr auf die Richtung, aus der er glaubte das Geräusch gehört zu haben. Nach einem Moment begann er wieder seine Axt zu schleifen.

Plötzlich knirschte es wieder und diesmal etwas näher am Lager des Mannes. Er konnte es viel deutlicher hören und war sich jetzt sicher, dass er es sich nicht nur eingebildet hatte. Jede Faser in seinem muskulösen Körper begann sich zu spannen, aber er versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

Als es ein drittes Mal knirschte und wieder viel Näher an seinem Lager, sprang der Mann mit einer schnellen Bewegung auf und hielt seine Axt für einen Angriff bereit.

„Wer ist da?“ brüllte er mit harter Stimme in die Nacht, „Komm heraus, zeige und erkläre dich! Ansonsten wird es wirklich unschön!“

„Zum Schutze bestimmt, doch betrogen sie waren!“ rief eine männliche Stimme aus der Nacht zurück.

Sofort lies der Mann seine Streitaxt sinken und entspannte sich. Kurz darauf trat ein gealterter, aber kaum weniger muskulöser Mann aus der Dunkelheit in den Schein des Feuers. Er hatte langes, ergrautes Haar. Sein Gesicht war von Falten bedeckt und eine Augenklappe zeigte ein ihm fehlendes Auge an. Auch war er schwer gerüstet und ein mächtiger Bihänder war auf dessen Rücken geschnallt.

„Beltrak, du alter Schweinehund!“ rief der Mann dem Grauhaarigen entgegen. „Du hast dir ja wirklich Zeit gelassen!“

„Wenn sich einer Zeit gelassen hat, dann du, Tolos.“ grinste Beltrak zurück „So langsam, wie du reagiert hast, hätte ich dich schon 3 Mal überfallen können.“

„Alter Angeber!“ lachte Tolos, während er auf Beltrak zueilte, um ihn in die Arme zu schließen. „Lass dich ansehen! Wie lange ist es jetzt her? 10 Jahre?“

„15, seit du dich auf die Suche gemacht hast.“ erwiderte Beltrak. „Du hast dich seit deiner Ausbildung kaum verändert.“

„Du aber schon. Wann bist du so grau geworden?“ lachte Tolos und machte dann eine einladende Handbewegung, „Komm, setz dich mit ans Feuer. Die Wärme wird deinen Knochen sicher gut tun.“

Gerne kam Beltrak der Einladung seines Freundes und ehemaligen Schülers nach. Mit einem leisen Seufzen lies er sich auf einem Baumstamm nieder, während Tolos wieder auf seinem Fels Platz nahm.

„Möchtest du etwas essen?“ fragte Tolos. „Das Kaninchen sollte fast durch sein.“

„Hast du vergessen, dass ich allergisch auf Kaninchen bin?“ entgegnete Beltrak stirnrunzelnd. „Lieber wäre mir ein Stück von dem Bären, der weiter unten im Tal erschlagen herumliegt.“

„Glaub mir, von dem Bären willst du nicht essen.“ lachte Tolos „Hast du nicht seine linke Flanke gesehen? Er war von dämonischer Fäulnis befallen. Es hatte ihn rasend und absolut unberechenbar gemacht. Trotzdem war er ein überraschend guter Gegner.“

„Ich dachte mir schon fast, dass du ihn erschlagen hast.“ meinte Beltrak lächelnd. „Die Schnittwunden und der zertrümmerte Schädel haben mich sofort an dich erinnert.“

„Natürlich habe ich nicht vergessen, dass du auf Kaninchen allergisch bist.“ sagte Tolos, während er in seinen Lederbeutel griff und ein großes Stück geräucherten und gepökelten Schinkens herauszog. „Darum habe ich den hier dabei. Hier, lass es dir schmecken.“

Dankend nahm Beltrak den Schinken entgegen und nahm sofort einen großen Bissen. Inzwischen holte Tolos eine große Flasche mit schwarzem Ale heraus.

„Ischt dasch Ale nasch Arreat Art?“ nuschelte Beltrak mit vollem Mund, worauf er ein Nicken erntete. „Scher gut. Esch gibt kein bescheresch Ale!“

„Deine Nachricht hat sich dringend gelesen.“ fuhr Tolos nun mit ernsterer Stimme fort, „Auch wenn du nicht geschrieben hast, worum es geht, bin ich hier her geeilt. Wie kann ich meinem alten Freund und Lehrmeister helfen?“

„Nischt Lehrmeischter!“ nuschelte Beltrak, bevor er den Bissen herunter schluckte, „Aus dieser Zeit sind wir beide heraus. Und du kannst nicht nur mir helfen, sondern dir selbst und unserem gesamten Volk!“

„Jetzt hast du meine volle Aufmerksamkeit.“ entgegnete Tolos und beugte sich nach vorn.

„Ich habe etwas gefunden.“ sagte Beltrak leise und beugte sich ebenfalls nach vorn, „Eine Spur auf etwas, das wir seit Generationen für verloren hielten. Das Ziel, zu dessen Suche du dich verschrieben hast. Es könnte sich auch nur um ein Teil oder eine Sackgasse handeln.“

„Du meinst …“ begann Tolos, brachte dann aber kein weiteres Wort mehr über die Lippen.

Beltrak nickte.

„Meine Quelle ist sehr zuverlässig. Ich arbeite seit Jahren mit ihm zusammen.“ erklärte Beltrak und fügte hinzu, „Er hätte mir nicht davon berichtet, wenn er die Informationen nicht mehrfach geprüft hätte.“

„Jetzt spann mich nicht auf die Folter!“ drängte Tolos, "Was hat er herausgefunden?

„Eine alte Mine in Kehjistan“ antwortete Beltrak, „Er fand Schriftstücke, die es beschrieben hatten und darauf hin hatte er alte, noch lebende Minenarbeiter befragt. So senil die Leute auch sein mögen, viele Beschreibungen dieser Leute hatten sich gedeckt. Sie beschrieben den Kopf einer Statue, die selbst abgetrennt noch Ehrfurcht erzeugte und dem eine fast spürbare Macht innewohnen soll.“

„Könnte der Kopf einem von ihnen gehören?“ wollte Tolos wissen, „Warst du dort?“

„Es könnte sein.“ erwiderte Beltrak nickend, „Den Beschreibungen nach sogar sehr wahrscheinlich. Sollte es wirklich der Fall sein, dann könnten auch mehr Teile der Explosion von damals widerstanden haben.“

„Stell es dir vor, Beltrak!“ forderte Tolos „Wir finden nicht nur einen Kopf, sondern auch den Rest. Wir könnten die uralten Wächter wieder herrichten und unser Volk endlich wieder einen. Stelle dir vor, was es für kommende Generationen bedeuten würde!“

„Du hast Recht.“ nickte Beltrak, „Jetzt verstehe ich langsam auch, warum du seit damals so von dieser Suche besessen bist. Genau deshalb habe ich diese Mine nicht selbst aufgesucht. Ich möchte, dass du, mein ehemaliger Schüler und Freund, das Ziel deiner Suche aus eigener Kraft erreichst.“

Damit griff Beltrak in seine Tasche und zog ein Pergament heraus. Auffordernd nickend hielt er es Tolos hin.

„Das ist eine Karte, auf der die Mine eingezeichnet ist.“ erklärte Beltrak, „Doch ich muss dich warnen. Meine Quelle berichtet von Dämonen in der Mine und anderen Gefahren. Wenn du tatsächlich nach dem Kopf suchen willst, solltest du dich auf alles vorbereiten.“

„Ich danke dir, mein Freund!“ sagte Tolos, der die Karte an sich nahm, „Ich werde deinen Rat berücksichtigen. Jetzt lass uns aber erst einmal diese Neuigkeiten feiern! Ich fühle, dass die Zukunft der Barbaren unter einem aufsteigenden Stern und dem wohlwollenden Blick von Bul Kathos steht!“

Den Rest der Nacht verbrachten die Freunde mit dem Austausch alter gemeinsamer Erinnerungen und den Geschichten ihrer Erlebnisse aus der getrennten Zeit. Beltrak konnte Tolos regelrecht ansehen, wie sehr dieser nach dem Aufbruch zu dieser Mine gierte. Seinem alten Freund zuliebe versuchte Tolos seinen Drang allerdings zu unterdrücken.

Am nächsten Morgen machte Beltrak es seinem noch schlafenden Freund leicht. Ohne ein Wort des Abschieds packte er seine Sachen und verließ das Lager in den verschneiten Bergen seinen eigenen Abenteuern entgegen. Nur ein zurückgelassenes Bündel hervorragend geschmiedeter Wurfäxte zeugte noch von Beltrak’s Anwesenheit, als Tolos wenig später erwachte.


To be continued …

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