Die Wilderer (Eine Druiden Story)
Túr Dúlra, die legendäre Akademie der Druiden. Vor vielen Jahren war sie bei einem Angriff von Asteroth eingenommen und zerstört worden. Für unserem Druidenorden war es ein harter Schlag, von dem viele sich nicht mehr erholten.
Jahre später war es Helden gelungen den Fluch, der seit jenen Tagen auf Túr Dúlra lastete, zu brechen und die magischen Kräfte dieses Ortes neu zu erwecken. Das Zeitalter des Neuerwachens war eingeleitet.
Ich zähle mich zu den Druiden, die das Land nach der Rückeroberung schützen, von den wiedergefundenen Lehren Túr Dúlra’s profitieren und beobachten können, wie das Leben sich wieder erholt.
Und es erholte sich ausgesprochen gut. Tiere, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr im Umland von Túr Dúlra gesehen wurden, siedelten sich wieder an. Bedrohte Bestände erholten sich und begannen zu gedeihen. Weit abgelegen von den großen Ansiedlungen der Menschen in Sanctuario, die auch Städte genannt werden, konnte die Natur sich weitestgehend ungestört erholen.
Eines Tages flüsterten mir aber einige Tiere zu, dass eine Gruppe von Menschen sich südlich von Túr Dúlra niedergelassen hatte und begann die Tiere der Wälder und Felder zu jagen.
Vielleicht zähle ich zu einen der wenigen Druiden, denen es nichts ausmacht, wenn Menschen ein paar Tiere jagen. Es muss nur eine gewisse Balance eingehalten werden.
Die Tiere berichteten mir jedoch, dass diese Wilderer nicht jagten, um Nahrung zu finden. Sie jagten die Tiere nur, weil sie deren Felle erbeuten wollten! Dabei machten diese Wilderer keinen Unterschied zwischen Predatoren und Pflanzenfressern. Sie machten keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Tieren. Alles wurde gnadenlos gejagt, erlegt und gehäutet.
Die Tiere berichteten von zahllosen Kadavern, die einfach liegengelassen wurden. Die darin entstehende Fäulnis befiel Pflanzen, das Wasser und damit auch andere Tiere, die krank wurden und elendig verendeten.
Diese wundervolle Natur, die von Asteroth schon einmal fast vernichtet wurde, und Jahre zur Erholung gebraucht hatte, war einmal mehr in Gefahr. Diesmal war es kein Dämon, der der Hölle entsprungen war, sondern die Menschen!
Obwohl ich geschworen hatte das Leben zu schützen, sah ich keine andere Wahl, als dem Treiben ein Ende zu setzen. Ich MUSSTE dem ein Ende setzen. Diese Welt war zu wertvoll, um sie untergehen zu lassen!
Bevor ich aufbrach, holte ich mir in Túr Dúlra noch die Segen der Geister, die meinen Weg ebnen und meinen Glauben an die bevorstehende Mission festigen sollten. Dann brach ich auf, um das Nest dieser „Invasoren“ zu finden.
Unweit von Túr Dúlra fand ich die ersten Spuren dieser Wilderer. Sie hatten diverse Fallen aufgestellt, in denen sich Hasen, Schlangen und andere kleinere Tiere verfangen sollte. In einigen Fallen lagen tote Tiere. Die Erde im Umfeld anderer fallen war blutig und in der Nähe fand ich mehrere Kadaver. Mein Herz schmerzte.
In anderen Fallen hatten sich gerade erst Tiere verfangen, die ich natürlich befreite. Diesen teilte ich mit, wie diese Fallen zu erkennen waren und bat sie es anderen Tieren zu berichten.
Die Spur der Wilderer war leicht zu finden. Sie gaben sich keine Mühe sie zu verschleiern. Scheinbar waren sie der Meinung, dass Nichts ihnen ebenbürtig sein würde oder eine Gefahr darstelle. Ihre Spur führte nach Süden und ich folgte ihr.
Je weiter ich kam, desto mehr schmerzte mein Herz. Da war aber nicht nur Schmerz, sondern auch wachsender Zorn. Immer wieder traf ich auf Kadaver von Rehen, Hirschen, Füchsen, Wölfen und sogar einigen Bären. Je mehr ich von dieser rücksichtslosen Ausbeute der Natur sah, desto mehr geriet ich in Rage. Ich wollte diese Wilderer nicht mehr nur vertreiben, ich wollte sie bestrafen!
Die Luft war geschwängert von Fäulnis und Verwesung. Die Bäume und Pflanzen hatten ihr gesundes Grün verloren. Das Laub hing in krankhaftem Grau und Braun von den Ästen der Bäume herab. Blumen verwelkten und verdorrten. Ich konnte nur hoffen, dass die Natur sich später wieder erholt. Wenn nicht, würde es die Hilfe einiger meiner Druidenbrüder und der Magie Túr Dúlra’s bedürfen, um die Schäden zu heilen.
In den Hügeln südlich sah ich Rauch aufsteigen. Es war nur eine kleine Säule, also konnte es sich nicht um einen größeren Brand handeln. Es musste demnach das Lager der Wilderer sein. Ich entschied die Lage erst einmal auszuspähen, um zu sehen, mit wievielen Wilderern ich es zu tun haben würde … Nicht, dass es etwas ändern würde. Sie mussten verschwinden!
Als ich mich der Rauchsäule weiter genähert und einen Hügel erklommen hatte, konnte ich endlich das Lager sehen und es schürte meinen Zorn.
Überall waren gestelle aufgebaut, auf denen sie die Felle der Tiere aufgespannt hatten. Es waren weit mehr Opfer, als ich es erwartet hatte. Die Wilderer schienen sich auch fest niederlassen zu wollen, denn sie hatten verschiedene Hütten und Werkstätten errichtet.
Einige Wilderer konnte ich in dem Lager erspähen. Es waren Männer und auch Frauen, die dort in voller Jagdmontur ihren Aufgaben nachgingen. Es bestand also kein Zweifel, dass auch diese Frauen an den Gräueltaten beteiligt waren. ich zählte mindestens 10 Wilderer, aber da waren sicher noch mehr. Bevor ich sie bestrafe, musste ich wissen, wieviele es waren.
Also wartete ich in einer guten Deckung auf den Abend. Wie ich vermutet hatte, kamen zu dieser Zeit viele Wilderer zurück ins Lager, die über den Tag irgendwo gejagt hatten. Abermals spürte ich meinen Zorn steigen, als ich sah, wieviele Felle sie von ihrem Raubzügen mitbrachten und lieblos auf einen Haufen warfen.
Irgendwo bei 35 Wilderern verlor ich aber den Überblick. Zugegeben, das Zählen zählte nie wirklich zu meinen Stärken. Klar war nur, dass ich mit einfachen Mitteln nicht viel erreichen würde. Ich würde also auf meine Wandler-Fähigkeiten zurückgreifen müssen. Die Frage war nur, sollte es ein Wolf mit tödlicher Geschwindigkeit, oder ein Bär mit brachialer Gewalt und dickem Fell sein?
Ich entschied mich für den Bären. Bei dieser hohen Anzahl war es die logischere Wahl, auch wenn mir die Bärengestalt nicht sonderlich lieb war. Aus irgendeinem Grund hatte ich in der Bärengestalt oft nicht die volle Kontrolle.
Als die Sonne den Horizont berührte, begannen die Wilderer sich um das Feuer in der Mitte des Lagers herum zu versammeln. Ich konnte hören, wie sie miteinander redeten udn ich vernahm den Geruch von verbranntem Fleisch, das sie offenbar über dem Feuer rösteten. Es schien der perfekte Zeitpunkt.
Ich verlies meine Deckung auf dem Hügel, stieg hinab und näherte mich im Schatten der Bäume und Büsche dem Lager. Hier konnte ich die Schatten der Gebäude benutzen, um mich der versammelten Menge unbemerkt zu nähern. Glücklicher Weise waren sie zu beschäftigt und abgelenkt, so dass ich mich auch unbemerkt über längere offene Strecken bewegen konnte.
Die Sonne war fast hinter dem Horizont verschwunden und die einzigen Lichtquellen waren jetzt das große Feuer in der Mitte des Lagers, sowie einige kleine Laternen an den aufgebauten Hütten. Die einbrechende Nacht veränderte auch die Geräuschkulisse. Es wurde definitiv stiller. Nur das Knacken der Holzscheite im Feuer und die Stimmen der Wilderer waren noch zu hören. Der Rest der Natur schien den Atem anzuhalten, als wenn Tiere und Pflanzen genau wussten, was passieren würde.
Erst als ich den Lichtkranz des Lagerfeuers erreicht hatte, wurde ich bemerkt. Die Wilderer sprangen auf. Einige zogen sofort ihre Waffen, während Andere überrascht und etwas verängstigt drein blickten. Offenbar hatte die für uns Druiden typische Kleidung noch immer einen einschüchternden Effekt auf außenstehende Menschen.
„Wer bist du? Was willst du hier?“ rief mir einer der Männer entgegen.
Ich machte einen Schritt nach vorn, worauf hin einige der Wilderer zurückwichen.
„Ich bin eure Nemesis.“ antwortete ich knurrend „Und ich bin gekommen, um euch eurer gerechten Strafe zuzuführen!“
Einen Moment lang starrten sie mich einfach nur ungläubig an. Blicke wurden untereinander ausgetauscht und plötzlich begann einer der Männer lauthals zu lachen.
„Soll das ein Witz sein?“ fragte er und fügte mit ausholender Armbewegung hinzu „Hast du gesehen, wieviele wir sind? Und du bist allein! Was willst du also ausrichten? Verschwinde lieber, solange wir es dir noch erlauben!“
„Wir Druiden machen keine Witze.“ antwortete ich knurrend, während ich mental schon meine Wandlung vorbereitete. „Ich habe gesehen, wieviele ihr seid und es ist mir egal. Das Einzige, was mir nicht egal ist, ist was ihr der Natur an Schaden zufügt. Es wird hier und jetzt enden!“
Meine Worte zeigten Wirkung. Die Wilderer verspannten und hoben ihre Waffen bedrohlicher an. Meine Sinne waren geschärft. Ich vernahm jedes Geräusch, sogar das leise Knirschen des Holzes von den Bögen, die gespannt wurden und deren Pfeile auf mich gerichtet waren.
Mein Blick wanderte über meine Gegner und ich schätzte ab, wer von ihnen eine größere Bedrohung war, und wer nicht. Sie dachten ich würde nicht merken, wie sie mich langsam einkreisten, aber durch meine Sinne wusste ich ganz genau, wo jeder Einzelne war. Jetzt schien sogar das Knistern des Holzes im Feuer zu verstummen. Da waren nur noch die Wilderer und ich.
Jemand stieß einen Schrei aus und stürzte sich mit erhobener Axt auf mich. Durch meine Instinkte wich ich dem Angriff aus und verpasste dem Mann mit bloßer Hand einen Hieb, so dass er einige Meter zurückgeschleudert wurde. Einen Moment lang starrten seine Freunde das Wer ungläubig an, bevor sie von Zorn ergriffen wurden und sich jetzt gemeinsam auf mich stürzten.
Mein Gebrüll brachte ihren Ansturm ins Wanken. Der Boden und die Hütten schienen zu beben, während die Wandlermagie meinen Körper durchströmte. Meine Gestalt wurde größer und stämmiger. Meine Hände wurden zu Pranken mit messerscharfen Klauen. Mein Mund wurde zu einem todbringenden Schlund voller scharfer Zähne.
Einige Wilderer taumelten bei dem Anblick zurück, ließen erschrocken die Waffen fallen und fielen ihnen folgend selbst zu Boden.
Mein bestialisches Knurren lies die Luft erzittern.
Einige Pfeile flogen jetzt auf mich zu. Es war egal, ob sie absichtlich abgeschossen wurden, oder aus Reflex durch meinen Anblick. Mit schnellen Hieben pflückte ich die Pfeile aus der Luft, nur um mich in der gleichen bewegung auf die ersten Wilderer zu stürzen.
Die Stille der Nacht wich jetzt schmerzerfüllten Schreien, meinem Gebrüll und dem Geräusch von Waffen aus Metall, die auf meine Klauen trafen. In wilder Raserei pflügte ich durch ihre Reihen und streckte Einen nach dem Anderen nieder.
Meine druidische Magie breitete sich aus, wie Schockwellen. Sie brachte nicht nur Wilderer zu Fall, sondern riss auch die Eine oder andere Hütte ein.
Wie im Rausch machte ich weiter, bis ich mich nur noch einem Gegner gegenüber sah. Es war ein riesiger Kerl, der mit zwei schweren Keulen daher kam. Selbt in meiner Bärengestalt waren wir auf Augenhöhe.
„Dafür wirst du bezahlen!“ brüllte er mich an. „Komm her, du gottverdammte Bestie! Ich werde dich zerlegen und dein Fell an den Meistbietenden verkaufen!“
Meine Antwort bestand nur aus einem zornigen Brüllen und ich preschte vorwärts, um ihn mit meinen mächtigen Hieben niederzustecken. Da geschah das, was ich befürchtet hatte:
In meinem Vorsturm war mein Blick auf ein Bienennest gefallen, das an einer der Hauswände klebte. Ich verlor die Kontrolle. Wie von selbst bewegte sich mein Körper zu dem Nest und ich begann es aufzureißen. Genüsslich brummend begann ich jetzt den Honig aus den Waben zu schlecken.
„Was soll das denn jetzt?“ hörte ich den Anführer der Wilderer sagen „Ich dachte, du willst kämpfen? Willst uns bestrafen? Jetzt sitzt du einfach da, wie ein kleiner Teddybär, und frisst?“
Gott, war mir das peinlich. Honig war schon immer meine Schwäche und ganz besonders in Bärengestalt. Die Fähigkeit diesen Instinkt zu unterdrücken, hatte ich noch nie gemeistert. Jetzt saß ich tatsächlich da, der Feind hinter mir und bereit mich zu erschlagen, und labte mich an diesem süßen Nektar!
„Bist du bald fertig?“ hörte ich den Anführer sagen. „Es würde mir keine Genugtuung geben, wenn ich dich jetzt so erschlage. Ich will dich für meine Freunde leiden lassen!“
Er musste tatsächlich einige Minuten waren, während ich meine Mahlzeit beendete. Ich hörte, wie er ungeduldig hinter mir auf und ab lief. Es war mir so unangenehm erst einen Angriff auf das Lager zu starten, nur um dann kurz vor dem Ziel meinen Appetit auf den Honig zu stillen.
Als ich endlich fertig war, wischte ich mir Reste des Honigs mit dem linken Vorderlauf vom Maul ab, richtete mich wieder auf und wandte mich dem Anführer zu.
„Na endlich!“ sagte er. „Ich dachte schon, ich könne für den Rest der nacht schlafen gehen, bevor ich dir den Rest gebe.“
Ich trat meinem letzten Feind gegenüber. Wir sahen einander lange in die Augen. Er hob die Arme mit seinen beiden Keulen und brüllte mich an. Natürlich brüllte ich zurück, wobei sich Reste des Honigs von meinen Zähnen lösten und meinem Gegner in die Augen flogen.
Augenblicklich lies er die Keulen fallen und begann sich schreiend die Augen zu reiben. Ich wartete einen Moment, bis er sich etwas erholt hatte, holte aber schon aus, nur um ihm dann mit einem, gewaltigen Hieb den Kopf von den Schultern zu schlagen.
Den Rest der Nacht erholte ich mich wieder in Menschengestalt vor dem Lagerfeuer. Als ich mich am nächsten Morgen auf den Rückweg nach Túr Dúlra machte, dachte ich noch:
„Ein Glück kann niemand von meinem Ausrutscher mit dem Honig berichten!“
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