Es war einmal in Sanktuario... Erzählungen

Die Suche nach der Zukunft -Teil 9

Etwa 5 Tage, nachdem sie sich von Máirín getrennt hatten, erreichten Beltrak und Tolos die Druiden-Akademie Túr Dúlra. Vor ihnen lag eine lange, steinerne Brücke und dahinter ein gewaltiger Gebäudekomplex, der schon wesentlich bessere Tage gesehen hatte.

Vor der Brücke zogen einige riesige Bären ihre Runden, die sich wie auf ein Kommando in einer Reihe vor der Brücke aufstellten, als sie Tolos und Beltrak sahen. Die beiden Barbaren befürchteten schon gegen die Bären in einen Kampf ziehen zu müssen, aber dann vernahmen sie die Stimme von Máirín, die auf ihrem Elch über die Brücke geritten kam.

„Beltrak! Tolos! Ihr seid wirklich gekommen.“ rief Máirín ihnen entgegen und dann wandte sie sich an die Bären. „Es ist in Ordnung. Die Zwei sind Freunde.“

Die Bären blickten kurz zu ihr nach hinten und dann machten sie tatsächlich den Weg frei. Wieder einmal war Tolos von Máirín’s Verbindung mit der Natur beeindruckt.

„Máirín! Es ist gut ein freundliches Gesicht zu sehen.“ grüßte Beltrak, bevor er auf die Zerstörungen an Túr Dúlra wies," Was bei Bul Kathos ist hier geschehen?"

„Das ist eine lange Geschichte.“ antwortete Máirín, „Jetzt kommt doch erst einmal mit. Ich zeige euch alles.“

Zu Fuß begannen sie die lange Steinbrücke zu überqueren. Máirín lief voraus und ihr Elch lief ohne jedes weiter Zutun neben ihr her. Tolos und Beltrak mussten ihre Pferde an den Zügeln führen.

„Vor uns liegt das Haupttor von Túr Dúlra und dahinter liegt der Hain mit unserer heiligen Eiche.“ erklärte Máirín auf dem Weg, „Es gibt Hallen für Studien und Meditation. Die Höhlen unter Túr Dúlra sind alle mit dem Netzwerk der großen Eiche verbunden. Man könnte es sich wie ein riesiges, natürliches Gehirn vorstellen. Dann haben wir noch den Geisterhain, wo wir den Rat der Geister einholen und ihnen Opfer darreichen.“

„Das ist wirklich beeindruckend.“ sagte Tolos, während sie durch das Haupttor gingen, und dann sah er die Eiche im Zentrum von Túr Dúlra, „Ich habe noch nie einen so großen Baum gesehen! Wie alt ist er?“

„Das kann niemand ganz genau sagen.“ entgegnete Máirín, „Einige behaupten er steht schon seit dem Anbeginn der Zeit hier.“

„Warum ist Túr Dúlra in einem solch schlechten Zustand?“ hakte Beltrak nach, „Das war doch sicher nicht immer so.“

„Túr Dúlra wurde einst von Asteroth und seinen dämonischen Schergen überfallen.“ erklärte Máirín und schüttelte seufzend den Kopf. „Bei diesem Überfall wurde ein Großteil unseres Ordens vernichtet. Erst Jahre später wurde Túr Dúlra von der dämonischen Verderbtheit befreit. Die Eiche hat sich noch lange nicht davon erholt und weil wir so wenige sind, dauert der Wiederaufbau an.“

Wieder erkannte Tolos die Parallelen zum Schicksal seines Volkes. Es stimmte in traurig und es war wohl ein reiner Impuls, dass er seine Hand auf die Schulter von Máirín legte. Máirín blickte ihn an, ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen und sie legte ihre Hand auf die von Tolos. Tolos bekam einen Schreck, als er die Wärme ihrer Hand spürte, weshalb er seine schnell zurück zog.

„Ich schätze diese Geste.“ sagte sie. „Das Ereignis war katastrophal für unseren Orden, aber es hatte auch etwas Gutes. Die Verbindung zu den restlichen Bewohnern von Scosglen wurde gestärkt. Man hat sich verbündet, um Asteroth letztendlich stoppen zu können.“

„Das ist eine traurige Geschichte, gepaart mit Hoffnung.“ meinte Tolos, „Man hat in Marowen auch gemerkt, dass du bei den Einwohnern gern gesehen bist.“

„Was hast du über die Hohle mit dem Artefakt herausgefunden?“ mischte Beltrak sich ein.

„Nicht viel.“ gab Máirín zu, „Die Zahl der Druiden in unserem Orden ist gering und durch den Überfall damals ging viel Wissen verloren. Die Ältesten berichten aber von wiederholtem Auftauchen von Dämonen in der nördlichen Höhle. Sie werden zwar immer wieder zurückgedrängt, aber es scheint, als wenn sie dort nach etwas suchen. Einer der Ältesten erinnert sich an ein halb verbranntes Schriftstück aus der Zeit vor dem Überfall. Es wurde eine Art Stab oder Speer mit einer sehr spezielle Aura erwähnt. An mehr Details kann er sich aber nicht erinnern.“

„Könnte es DIE Lanze sein?“ fragte Tolos an Beltrak gewandt, welcher nur mit den Achseln zuckte. „Das hilft uns schon etwas weiter, Máirín. Wir würden uns gern in dieser Höhle umsehen.“

„Und was sagen deine Geister?“ wollte Beltrak wissen. „Die haben doch sicher mehr Kenntnis über die Vergangenheit von Túr Dúlra.“

Máirín lachte.

„Die Geister sagen nichts.“ erklärte sie. „Man trägt ihnen ein Anliegen vor und entweder geben sie einen Segen dafür, oder eben nicht. Ihre Weisheit ist aber in jedem Fall unumstritten.“

„Also gut.“ sagte Beltrak. „Haben wir den Segen der Geister, damit wir die Höhle untersuchen können?“

„Ich habe sie bereits befragt.“ bestätigte Máirín, „Sie scheinen zu spüren, dass euer Vorhaben in guten Absichten erfolgt. Darum haben sie ihren Segen gegeben. Ich müsste euch aber begleiten, sofern es euch nichts ausmacht.“

„Natürlich!“ entgegnete Tolos, „Sollten wir wieder auf druidische Schriftzeichen stoßen, wären deine Kenntnisse von Vorteil.“

„Wir können sofort aufbrechen.“ sagte Máirín, „Es ist wirklich nicht weit. Kommt, ich weise euch den Weg.“

Bevor sie aufbrachen, konnte Tolos noch einen Blick nach unten auf den Geisterhain werfen. Er erkannte die Gestalten von vier tierischen Geistern, die jeder auf einem eigenen Altar saßen. Der Anblick erinnerte ihn stark an seine Begegnung mit Korlic in der Mine, wo er dessen Kopf gefunden hatte. Einen Moment lang bekam er das Gefühl die Geister würden ihn anblicken, aber als er genauer hinsah, schienen sie sich wie normale Tiere zu verhalten.

Máirín führte die beiden Barbaren durch die zerstörten Gebäude von Túr Dúlra. Aus einer Brücke war ein großes Stück herausgebrochen, so dass sie die Kluft nur mit einem Sprung überwinden konnten. Ein steiniger Pfad führte sie an einem Hang hinab zur sandigen Küste. Hier konnte Tolos die verstreuten Überreste von Dämonen erkennen.

Als sie endlich vor der Höhle standen, wirkte alles viel stiller, als man es erwartet hätte. Es war kein Vogel mehr zu hören und das Rauschen der Brandung war ebenfalls verschwunden. Es war bedrückend und eine dunkle Vorahnung machte sich in ihnen breit.

Die Höhle selbst war wie eine andere Welt. Ab und zu brachen gewaltige Stränge aus Holz durch die felsigen Wände. Tolos vermutete, dass diese Stränge ein Teil des Wurzelnetzwerkes sein mussten, das Máirín erwähnt hatte. Die Stille, die sie vor der Höhle schon bemerkt hatten, setzte sich hier fort. Man konnte nicht einmal die eigenen Schritte oder das eigene Atmen hören.

Als hätte sich ein gewaltiger Wurm durch den Fels gefressen, schlängelte sich der Gang in den Fels hinein. Kleinere Gänge zweigten sich zwar ab, aber Máirín führte die kleine Gruppe immer den Hauptgang entlang.

Schließlich erreichten die Drei eine größere Kammer. Neben dem Hauptgang führten auch kleinere Gänge in diese Kammer, in deren Mitte eine Art Schrein aufgebaut war. Einen ähnlichen Schrein hatte Tolos auch nahe der Eiche in Túr Dúlra gesehen. Sie mussten also miteinander verbunden sein.

„Ich kann mich irren, aber wenn es einen versteckten Bereich gibt, dann sollten wir ihn hier finden.“ sagte Máirín, „Ich war zwar schon unzählige Male hier unten, aber ich könnte etwas übersehen haben.“

„Wenn wir uns trennen, finden wir schneller irgendwelche Hinweise.“ sagte Beltrak.

Máirín und Tolos nickten zustimmend. Sie trennten sich und begannen die Wände, den Boden und die Decke der Kammer zu untersuchen. Es gab zwar druidische Schriftzeichen, aber laut Máirín stünden sie in keiner Verbindung mit einem möglichen Versteck.

„Ich glaube, ich hab hier etwas.“ rief Beltrak plötzlich und winkte die Anderen zu sich.

Er stand vor einer riesigen Platte, die nur durch einen sehr schmalen Spalt vom Rest der Wand abgetrennt war. Auf der Platte gab es zahllose druidische Schriftzeichen. Máirín versuchte sie zu entziffern, musste aber zugeben, dass sie kaum einen Sinn ergaben.

„Ich vermute, die Tafel wurde nachträglich hier eingesetzt.“ meinte Beltrak und stich mit seiner Hand über die Ränder. „Sie soll etwas verbergen, das dahinter liegt.“

Tolos legte sein Ohr an die Tafel und klopfte sie an verschiedenen Stellen ab.

„Dahinter ist zumindest ein kleiner Hohlraum.“ meinte er, „Können wir die Tafel herausnehmen?“

„Ich weiß nicht, ob das im Sinne der Geister wäre.“ gab Máirín zu bedenken. „Die Tafel scheint zu gut in den Fels eingepasst, als dass man sie schadfrei entfernen könnte.“

„Du hast selbst gesagt, dass die Schriftzeichen auf der Tafel kaum einen Sinn ergeben.“ erwiderte Beltrak, „Würde euer Orden an einem heiligen Ort etwas platzieren, das keinen Sinn ergibt?“

„Deine Geister haben ihren Segen gegeben, weil sie spürten, dass unser Vorhaben etwas Gutes ist.“ warf Tolos ein. „Ich würde es so interpretieren, dass sie auch mit dieser Aktion einverstanden sind.“

Máirín blickte eine Weile nachdenklich auf die Tafel, bis sie letztendlich tief seufzte.

„Ihr habt ja Beide Recht.“ sagte sie. „Zugegeben, ich bin auch neugierig auf das Geheimnis, das sich hinter der Tafel verbirgt.“

„Dann macht mal Platz!“ forderte Tolos und nahm seine Streitaxt vom Rücken.

Máirín und Beltrak traten zurück und sahen zu, wie Tolos am Anfang versuchte die klinge der Axt in die kleinen Spalten zu bekommen, um die Platte heraus zu hebeln. Als dies misslang, schlug er mit der Breitseite der Axt gegen die Tafel. Zur Überraschung aller war die Tafel kaum 2 Zentimeter dick und ein großes Stück brach durch den Aufprall heraus. Dahinter offenbarte sich ein finsterer Schacht, der tiefer in den Fels führte.

Jetzt waren Máirín und Beltrak zur Stelle. gemeinsam brachen sie die Reste der Tafel aus der Fassung im Fels, bis der Durchgang vollends freigelegt war. Die Luft, die ihnen entgegen schlug, wirkte alt und aufgebraucht.

„Ich spüre, dass wir ganz dicht dran sind!“ sagte Tolos und hielt seine Fackel in den Schacht.

Der Teil des Schachtes, der mit der Fackel erleuchtet wurde, wirkte gerade breit genug, damit sie hintereinander hindurch gehen konnten. Die Wände, die Decke udn der Boden hatten einen feuchten Glanz, welcher einen Abstieg mit Vorsicht gebot.

Tolos blickte zurück zu seinen Gefährten und erntete ein Nicken. Jetzt war er es, der sie alle tiefer in den Fels führte. Je weiter sie vordrangen, desto kräftiger pochte sein Herz in der Brust. Das Gefühl war irgendwie vertraut und erinnerte ihn etwas an die Mine, wo er den Schädel von Korlic gefunden hatte.

Der Schacht mündete schließlich in eine größere Kammer, in der sie zwei Feuerschalen vorfanden, welche sie auch gleich entzündeten. Jetzt standen sie vor einer Art Tor, das mit Symbolen und Schriftzeichen übersät war.

„Das ist jetzt aber nicht druidisch!“ bemerkte Máirín.

„Natürlich nicht.“ erwiderte Beltrak, „Das sind Runen unseres Volkes. Sie sind aber aus dem Kontext gerissen, als wenn derjenige, der sie eingraviert hat, deren Sinn nicht verstanden hat.“

„Es ist definitiv ein Tor.“ sagte Tolos, „Jetzt müssen wir nur herausfinden, wie es geöffnet wird.“

Die Drei begannen sich umzusehen und tatsächlich entdeckten sie an den Seitenwänden der Kammer zwei Vorrichtungen, die an Hebel erinnerten. Máirín versuchte eine Vorrichtung zu betätigen, aber sie hatte keinen Erfolg.

„Vielleicht ist das nach all der Zeit kaputt gegangen?“ sinnierte sie.

„Vielleicht gibt es einen Schutzzauber, der verhindern soll, dass die Falschen das Tor öffnen?“ gab Beltrak zu bedenken, „Lasst uns das mal ausprobieren. Tolos, du nimmst den Hebel dort.“

Beide nahmen ihre Positionen vor den Vorrichtungen ein. Sie legten ihre Hände auf die Griffe, sahen einander an und auf ein gemeinsames Nicken hin begannen sie zu ziehen. Mit einem dumpfen Grollen setzten sich die Vorrichtungen in Bewegung und auch das Tor begann zu zittern.

„Weiter!“ forderte Beltrak, „Wir müssen weiter ziehen!“

Unter angestrengtem Keuchen und mit aller Kraft zogen die beiden Barbaren jetzt an den Vorrichtungen. Es funktionierte. Das Tor wanderte ein Stück nach hinten und dann verschwand es seitlich in der Wand. Erst als das Grollen der Vorrichtung stoppte, erlaubten es sich Beltrak und Tolos sie loszulassen.

Hinter dem nun offenen Tor sahen sie eine schmale Kammer. Kleine Feuerschalen an den Wänden entzündeten sich und erleuchteten die Kammer bis in den hintersten Teil. Dort sahen sie ein Podest, auf dem eine Lanze ruhte. Auf die Entfernung war es schwer zu erkennen, aber auf der Lanze waren Runen eingraviert.

„Die Lanze von Korlic dem Beschützer!“ hauchte Tolos, „Sie ist tatsächlich hier!“

„Die Druiden müssen damals die Bedeutung erkannt haben.“ sagte Beltrak, „Sie haben sie hier versteckt, damit sie nicht in die falschen Hände gelangt.“

Tolos ging los, um die Lanze zu holen. Gerade als er in den Bereich des offenen Tores trat, knirschte plötzlich der Boden unter ihm. Er blickte nach unten und sah, dass eine der Steinplatten gebrochen war.

„Eine Falle!“ rief er noch und da begann sich auch schon das Tor zu schließen.

Sofort sprang Beltrak ihm zur Seite. Gemeinsam versuchten sie das Schließen des Tores zu verhindern.

„Verdammt!“ keuchte Tolos. „Wir können es nicht lange halten. Máirín, bitte! Wir brauchen die Lanze!“

„Alles klar, ich bin dran.“ antwortete Máirín, „Haltet nur noch etwas aus!“

Máirín stieß ein kurzes Geheul aus und plötzlich veränderte sich ihre Gestalt. Ihre Hände wurden zu Pfoten mit messerscharfen Klauen und der Wolfsumhang, den sie trug, schien mit ihrem ganzen Körper zu verschmelzen.

Mit einem Knurren nahm sie Anlauf und sprang dann über Tolos und Beltrak hinweg. In nur wenigen Sekunden hatte sie die lange Kammer durchquert, ergriff die Lanze mit ihren Fängen, drehte sich herum und eilte zurück. Noch im Sprung machte sie eine Kopfbewegung, mit der sie die Lanze durch das Tor schleuderte, bevor sie selbst durch den immer enger werdenden Spalt schlüpfte. Sofort sprangen auch Tolos und Beltrak aus dem Weg, um nicht von dem Tor zermalmt zu werden.

Máirín hatte sich wieder zurückverwandelt und streckte ihre Hand nach der Lanze aus. Kurz bevor sie sie berührte, griff eine andere Hand zu und entzog ihr die Lanze.

„Sheital!“ stieß Tolos aus, der sich gerade noch aufrappelte.

„Ich danke euch für die Hilfe!“ sagte Sheital grinsend, machte eine leichte Verbeugung und verschwand darauf im Schacht.

„Wir müssen die Lanze zurückholen!“ rief Beltrak, „Ich werde diesem Kerl einprügeln, was Manieren sind!“

Die Drei rappelten sich so schnell auf, wie es nur ging. Hintereinander eilten sie den engen Schacht hinauf und in die Kammer mit dem druidischen Schrein. Hier mussten sie feststellen, dass Sheital in irgendeinem der Gänge verschwunden war.

„Das ist das zweite Mal!“ fluchte Tolos, „Ich hasse diesen grinsenden Wicht!“

„Wir haben größere Probleme!“ keuchte Máirín und deutete auf den Hauptgang.

Beltrak und Tolos zogen ihre Waffen und Máirín verwandelte sich wieder in einen Wolf, als sie eine Horde schreiender Gefallener aus dem Gang auf sich zu stürmen sahen. Begleitet wurden die kleinen Dämonen von Gebietern und einigen Schamanen. Schnell hatten sie die Kammer soweit gefüllt, dass auch sämtliche Nebengänge von ihnen versperrt waren.

„Wir müssen uns den Weg wohl freikämpfen.“ sagte Tolos noch, bevor er einen mächtigen Kriegsschrei ausstieß und auf die Horde zustürmte.


To be continued …

Wie immer begrüße ich jedes Feedback. :slight_smile:

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

1 Like