Es war einmal in Sanktuario... Erzählungen

Die Suche nach der Zukunft - Teil 10

Máirín, Beltrak und Tolos hatten es mit einigen kleinen Schnittwunden, Kratzern und Blessuren aus der Höhle heraus geschafft. Beltrak war trotz des Kampfes so in Rage, dass er es sich nicht hatte nehmen lassen zu seinem Pferd zu eilen und Sheital hinterher zu jagen. Zum Glück war Túr Dúlra nahe und so konnten Máirín und Tolos dort ihre Wunden versorgen lassen.

Beltrak war seit Stunden unterwegs. Máirín hatte sich zu den Geistern zurückgezogen, um dort Rat zu finden. Tolos hatte etwas die Akademie erkundet und fand einen Aussichtspunkt, von wo aus er einen grandiosen Blick auf die Küste und das Meer hatte. Hier ruhte er sich aus, hing seinen Gedanken nach und vergaß völlig die Zeit.

„Tolos, da bist du ja!“ hörte er irgendwann die Stimme von Máirín hinter sich und drehte sich zu ihr um.

Máirín, die ihr Wolfsgewand abgelegt hatte und dadurch mehr, wie eine gewöhnliche Frau wirkte, kam gerade auf den Aussichtspunkt. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass ihr einige Dinge Kopfzerbrechen bereiteten.

„Wie ich sehe, hast du meinen Lieblingsplatz gefunden.“ fügte sie hinzu und nahm neben Tolos Platz.

„Eine wirklich gute Aussicht.“ meinte Tolos, musterte Máirín etwas und fügte hinzu, „Deine Wunden scheinen gut versorgt.“

„Mach dir wegen den paar Kratzern keine Sorgen.“ entgegnete Máirín, „Zum Schutze der Natur habe ich schon schlimmere Wunden davon getragen. Wo ist Beltrak? Jagt er noch immer Sheital hinterher?“

„Ich vermute es.“ antwortete Tolos, „Der alte Herr verfolgt seine Ziele oft recht verbissen. Diese Angewohnheit hat ihn schon ein Auge gekostet.“

„Eigentlich wollte ich euch Beide sprechen…“ begann Máirín.

„… aber nur ich bin hier.“ beendete Tolos ihren Satz, „Ich hab schon gesehen, dass dich etwas beschäftigt. Was brennt dir auf der Seele?“

„Seit ich euch begegnet bin, sind viele Fragen aufgekommen.“ sagte Máirín und blickte nachdenklich auf das Meer hinaus. „Wir haben einiges erlebt. Wir haben den Unterschlupf von Sheital gefunden und den versteckten Bereich in der Höhle. Die Frage über das Alter von Sheital kannst du mir sicher nicht beantworten. Dafür vielleicht andere Fragen.“

„Ich gehe nirgends hin, solange Beltrak nicht zurück ist und ich mich mit ihm beraten habe.“ entgegnete Tolos, „Nach all deiner Hilfe hast du dir ein paar Antworten verdient.“

„Ich möchte wissen, worum es eigentlich geht.“ sagte Máirín, „Um eine geprellte Frau mit Kind geht es ja nicht, das habe ich schon in Sheital’s Unterschlupf erkannt. Was hat es mit diesen Artefakten auf sich und welche Rolle spielt Sheital dabei?“

Das ist eine lange Geschichte…" begann Tolos und atmete tief durch.

Máirín saß schweigend da und hörte Tolos zu, wie er über die Zerstörung des Arreat berichtete, die Zerstreuung seines Volkes, die Hinweise auf einen uralten Schädel, die Erlebnisse in der Mine, seine Begegnung mit dem Geist von Korlic und den Verrat durch Sheital.

„Du scheinst eine besondere Verbindung zu den Geistern deiner Urahnen zu haben.“ sagte Máirín schließlich, „Ganz ähnlich der Verbindung von uns Druiden mit unseren Geistern, nur dass unsere Geister nicht sprechen.“

Tolos nickte.

„Das war eine völlig unerwartete Erfahrung.“ sagte er, „Ich habe aber ein Ziel bekommen. Eine Möglichkeit mein Volk in eine bessere Zukunft führen zu können.“

„Nur Sheital steht dir dabei im Weg.“ folgerte Máirín, „Er hält dein Volk für durch und durch kriegerisch, fürchtet ihr Barbaren könntet die Welt in einen Krieg stürzen und deshalb will er eure bessere Zukunft verhindern.“

„Ich schätze, das ist sein Beweggrund, ja.“ nickte Tolos, „Im Moment weiß ich auch nicht, wie man ihn vom Gegenteil überzeugen kann.“

„Irgendwann wirst du ihn stellen.“ sagte Máirín, „Dann wird er entweder verstehen, oder du wirst ihn im Kampf besiegen müssen.“

„Leicht würde ein Kampf gegen ihn nicht werden.“ entgegnete Tolos, „Ich habe ihn kämpfen gesehen. Habe gesehen, was er nur mit einem kleinen Dolch anrichten kann. Ganz egal, wie alt er ist, man darf ihn nicht unterschätzen.“

„Ich danke dir für die ehrlichen Antworten. Jetzt verstehe ich eure Motive viel besser.“ lächelte Máirín und erhob sich, „Es ist aber auch viel, worüber ich nachdenken muss. Ich hoffe Beltrak kehrt bald zurück und ihr könnt klären, wie ihr weiter vorgehen wollt. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich mich nun zurückziehen.“

Tolos nickte ihr zu und blickte ihr hinterher, als sie den Aussichtspunkt verließ. Irgendwie beschlich ihn das Gefühl, dass sich ihre gemeinsamen Wege hier trennen würden.

Beltrak kehrte erst gegen Abend nach Túr Dúlra zurück und sein Gesichtsausdruck verriet, dass er äußerst unzufrieden war. Grummelnd nahm er neben Tolos Platz, nahm einen Stein und schleuderte ihn zum Meer hinaus.

„Dieser Sheital ist gut.“ sagte er, nahm einen weiteren Stein und zerbröselte ihn in der Hand, „So ungern ich es zugebe, er ist wirklich gut. Ich habe alles abgesucht, aber nicht eine Spur gefunden. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, er ist ein Geist!“

„Irgendwann werden wir ihn stellen.“ wiederholte Tolos die Worte von Máirín, „Jetzt müssen wir aber überlegen, wie wir weiter vorgehen.“

„Das wird nicht einfach.“ entgegnete Beltrak den Kopf schüttelnd. „Der Kerl ist viel listiger, als ich dachte. Ich vermute sogar, er hat die Briefe, Notizen und die Karte absichtlich in seinem Unterschlupf zurückgelassen, damit wir sie finden. Sicher weiß er ganz genau, wo die ganzen Teile verborgen sein könnten und er wird uns dort auflauern.“

„Du hast Recht.“ nickte Tolos, „Wir waren einfach zu unvorsichtig. Bei einem Gegner, wie Sheital, müssen wie viel vorsichtiger vorgehen. Einfach drauf hauen und gut, hilft uns hier nicht weiter.“

„Überall kann dieser Kerl doch aber nicht sein.“ meinte Beltrak, „Er wird Späher haben, die ihn über unsere Bewegungen auf dem Laufenden halten. So kann er sich ausmalen, wo wir als Nächstes hin wollen.“

„Dann müssen wir die Späher überlisten.“ nickte Tolos, „Wir suchen uns ein Ziel aus und tun so, als würden wir dort hin aufbrechen. Wenn wir sicher sind, dass uns niemand folgt, ändern wir die Richtung und steuern einen ganz anderen Ort an.“

„Das könnte klappen.“ sagte Beltrak, griff in seine Tasche und zog die Karte heraus, die sie aus dem Unterschlupf mitgenommen hatten, „Mal sehen … Wir sind hier in Túr Dúlra. Einer der nächstgelegenen Orte wäre dort, im Norden der zersplitterten Gipfel.“

Irgendwo hier könnten wir unbemerkt die Richtung ändern." sagte Tolos und zeigte auf eine Gebirgskette, „Bis die Späher bemerken, dass wir hinter der Zeit sind, haben wir sie schon abgehängt.“

„Wo wollen wir stattdessen hin?“ fragte Beltrak.

„In die entgegengesetzte Richtung!“ meinte Tolos, musterte die Karte und wies auf einen ganz anderen Fundort, „Dort. Da setzen wir unsere Suche fort.“

„In Kurast?!“ keuchte Beltrak, „Das ist aber wirklich sehr weit weg und du weißt, wie sehr ich diese hölzernen Ungetüme hasse, die übers Wasser reiten.“

„Ja, in Kurast.“ nickte Tolos bestätigend, „Wenn es gut läuft, können wir die ganze Ecke dort absuchen, ohne dass Sheital uns in die Quere kommt.“

„Trotzdem müssen wir vorsichtig sein. Sicher hat Sheital auch dort Späher.“ gab Beltrak zu bedenken.

„Sehr wahrscheinlich sogar.“ nickte Tolos wieder, „Doch bis Sheital erfährt, dass wir dort sind, und selbst dort hin gekommen ist, haben wir sicher schon Fortschritte gemacht, die er uns nicht mehr nehmen kann!“

„Dann soll es Kurast sein!“ nickte auch Beltrak jetzt, „Wenn mir die Reise übers Meer aber nicht bekommt, wirst du meine Revanche fürchten müssen!“

Tolos lachte über die Bemerkung.

„Deine Revanche wäre mir einhundert Mal lieber, als noch ein Teil an Sheital zu verlieren.“ sagte er und klopfte seinem Freund auf den Rücken, „Du solltest jetzt aber die Heiler von Túr Dúlra aufsuchen und deine Wunden versorgen lassen. Ich gedenke unseren Plan gleich Morgen in die Tat umzusetzen.“

Beltrak nickte zustimmend, erhob sich und machte sich auf die Suche nach den Heilern. Tolos blieb noch eine Weile sitzen und beobachtete den Sonnenuntergang. Erst dann zog er los, um einen Druiden zu finden und nach einem Lager für die Nacht zu fragen.

Als er an dem Lager ankam, lag Beltrak schon im Tiefschlaf da und schnarchte vor sich hin. Er legte sich dazu, konnte selbst aber kaum Schlaf finden. Es lag weniger am Schnarchen seines Freundes, als an seinen stetig wandernden Gedanken.

Am nächsten Morgen holten die beiden Barbaren ihre Pferde und machten sich auf ihren Weg in Richtung der zersplitterten Gipfel. Immer wieder erwähnten sie, dass sie dort hin unterwegs wären, damit eventuelle Späher es auch mitbekamen.

Am Ende der langen Brücke hielten sie einige Minuten inne und blickten zurück. Sie hatten gehofft Máirín noch einmal zu treffen, um sich bedanken und verabschieden zu können. Von der Druidin war aber weit und breit nichts zu sehen.

Nachdem sie einige Zeit gewartet hatten, ritten die zwei Barbaren los. Sie folgten ihrem Plan und änderten auf den verschlungenen Pfaden des Gebirges die Richtung, als sie der Meinung waren, kein Späher würde es bemerken.

Es dauerte einige Tage und bedurfte einiger Umwege, bis sie schließlich wieder den Küstenort Marowen erreichten. Hier, so hofften die Zwei, könnten sie ein Schiff finden, das sie nach Kurast übersetzen könnte. Tatsächlich hatten sie Glück und fanden einen Kapitän, der sich für ein entsprechendes Sümmchen an Gold dazu bereit erklärte.

Als sie den Hafen betraten, um auf das Schiff zu gehen, wartete aber eine Überraschung auf sie. An einem hohen Fass voller Fische lehnte eine in einen Wolfsumhang gehüllte Gestalt.

„Máirín!“ entfuhr es Tolos, „Was tust du denn hier?“

„Das Gleiche könnte ich euch fragen.“ entgegnete die Druidin zwinkernd, „Das wirkt jetzt, wie ein Déjà-vu, richtig? Ganz ähnlich sind wir uns das erste Mal begegnet.“

„Wusstest du, dass wir hier her wollen?“ fragte Beltrak.

„Ich habe es an jenem Abend gehört.“ bestätigte Máirín, „Nachdem Tolos mir die ganze Geschichte erzählt hat, musste ich bei den Ältesten und den Geistern um Rat suchen. Die Ältesten sind der Meinung, wir könnten mit eurer Hilfe das Netzwerk der Druiden ausbauen und die Geister haben es abgesegnet.“

„Soll das heißen …“ begann Tolos.

" … dass ich euch begleite?" vervollständigte sie seinen Satz, „Ja, ich komme mit euch. Es sei denn…“

„Du bist uns willkommen!“ lachte Beltrak, „Wir haben Seite an Seite gekämpft und wir können jede Hilfe gebrauchen.“

„Dem kann ich nur zustimmen.“ sagte Tolos, „Dann lasst uns an Bord gehen, bevor dieser Kapitän seine Forderung nach Gold erhöht!“

Somit betraten die Drei das Schiff und ihre lange Reise nach Kurast begann.


To be continued …

Ich würde sagen, der 2. Akt ist damit abgeschlossen.

Wie immer begrüße ich euer Feedback. :slight_smile:

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