Terizza sieht sich in dem frisch renoviereten Gasthaus in Southshore um, bestellt einen Melonensaft und setzt sich an den Tisch. Drei Bögen Papier legt sie sich bereit, ehe sie die Feder in das mitgebrachte Fass Tinte taucht und mit gerunzelter Stirn rasch zu schreiben beginnt.
Werte Fynrah,
es ist einige Zeit seit meinem letzten Brief vergangen. Es ist ziemlich viel geschehen seitdem.
Der Liliengarten ist wieder um eine Blüte reicher, die edle Eldrin ist zu uns gestoßen und bezaubert uns alle mit ihrer katzengleichen Anmut.
Da der Frühling vor der Tür steht und die Romantik den Menschen ihr letztes bisschen Verstand aus dem Kopf saugt, wollte Deidra ihren Geschichtenabend am neunten dieses Monats machen.
Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass er in Dunkelhain stattfinden sollte, in dieser Lichtung zwischen den hohen Hügeln, die genau in der Mitte zu finden ist. Ihr kennt den Ort vielleicht, es gibt ein Holztor, Bäume mit rosa Blättern und rosa Blüten im Gras, ein bisschen wie in Ashenvale.
Doch zu ihrem Entsetzen war an diesem Abend ein Drache in eben jenem Hain unterwegs, sodass sie rasch verbreiten ließ, dass sie nach Darnassus ausweichen würden.
Dort schien zum Glück die Sonne, denn die Blumenwiese gleich unterhalb der Terasse der Krieger war genau richtig für Geschichten um „Liebe, Blüten und Magie“. Sie traf auch auf zwei sehr freundliche Kaldorei, eine liebenswerte Dame, die sogar mit den zahmen Rehen sprechen konnte irgendwie und einen grünhaarigen gut erhaltenen uralten Hainhüter, der sie freundlich begrüßte.
Doch neben diesen beiden liebenswerten Fast-Ewigen stießen nur noch wenige Zuhörer dort zu ihr. Der treue Dolkin und ein weiterer Zwerg, sowie einige Menschen aus den Reihen der Lilien. Die kleine Gruppe scharte sich um ein Lagerfeuer und lauschte nicht den vorbereiteten Geschichten, sondern spontanen Erzählungen. So erzählte Konstantino ein unglaublich dramatisches Reiseabenteuer mit Kultisten und Dämonen und Dolkin berichtete von den Geschehnissen rings um Southshore. Dort hatte sich inzwischen so Einiges getan, über das ich später noch berichten werde. Der greise Hainhüter schloss den Abend mit einer kurzen Erzählung und wunderbar poetischen Zeilen über den Regen. Deidra, die erst sehr unglücklich war, war am Ende doch versöhnt mit dem Geschehen und ist jetzt auf der Suche nach einem neuen Zeitpunkt, um den Abend so nachzuholen, wie sie es eigentlich geplant hatte.
Ich habe Southshore schon erwähnt und die Ereignisse dort sind etwas aus dem Ruder gelaufen, wenn man so sagen kann. Seit eine Nachricht die Runde machte, dass die Untoten den Ort überfallen wollen, wurden schon Tage vor dem vermuteten Überfalltermin Vorbereitungen getroffen. Dolkin, Torgar von den Schildbrechern und ein Mensch namens Thomas haben das ganze vorangetrieben und so sah man dem Überfall gespannt entgegen. Die Aufrufe an Helden der Allianz zur Verteidigung von Southshore hatten ein Echo, mit dem niemand gerechnet hatte. Es waren so viele Leute da, dass man nicht einmal dazu kam, alle zu begrüßen. Ich bin hin und her geflitzt, habe Taiirii dabei beobachtet, wie er Kühe und Hühner zählte, mich mit Schildbrechern und der großartigen Zholak unterhalten und auch zwei Bekannte Deidras entdeckt, den edlen Ritter Vírion und Freiherr Hernandell, den Herrn von Deidras Verlobtem Kuno Weisenstein. Ich war noch nicht mal fertig damit, sie einander alle vorzustellen, da kamen ein paar goldrotfunkel Menschen auf Pferden geritten, Wappenröcke mit roten Flammen auf der Brust, und einem Gehabe, da knirscht jedes Zahnrad mit den Zähnen. Als die Untoten am Fluss gesehen wurden, stürmte alles los und es gab ein hin und her, denn obwohl in der Unterzahl erwiesen sie sich als geschickt.
Trotzem war den Allianzkräften der Sieg sicher, so sicher, dass diese blutdurstigen Scharlachroten sogar nach Tarrens Mühle aufgebrochen sind, um dort alles und jeden niederzumetzeln. Ein Verhalten, das ihren Wahnsinn nur unterstreicht.
Ich habe dann den Fehler gemacht, mir in der Taverne etwas zu Trinken zu gönnen und wurde dort von einem Untoten überrascht und fiel in Ohnmacht. Deidra trat an meine Stelle, doch für sie gab es kaum noch etwas zu tun, die Streitkräfte hatten alles unter Kontrolle bis die Taverne in Flammen stand. Zu dem Zeitpunkt lag ich noch bewusstlos im Gras neben dem Friedhof.
Was die arme Deidra so schockierte, dass sie nicht einmal zur Feier des Sieges bleiben wollte, war das Verhalten einiger Kämpfer der Allianz. Ein Priester übernahm einen angeschlagenen Feind und zwang ihn, sich zu heilen, entließ ihn dann aus der Kontrolle, sodass die umgebenden Freunde von ihm diesen wieder fast tot prügeln konnten, übernahm ihn wieder, zwang ihn zur Selbstheilung und so weiter bis der einzelne Gegner, umzingelt von Allianzkämpfern endgültig sterben durfte.
Ich habe so meine Zweifel, dass des sich bei dem von den Menschen und Zwergen verehrten „Licht“ über eine Persönlichkeit voll Gnade und Liebe handelt, wenn es solche Dinge zulässt. Es dürfte sich eher um eine kosmische Entität handeln, die sich von allen benützen lässt, die über ein bestimmtes Talent und die nötigen Zauberformeln verfügen. Irgendwie enttäuschend.
Vielleicht wird das Konklave, das auf einem Anschlagbrett verkündet wird, Licht in diese Frage bringen, obwohl Gnome nicht geladen sind.
Ich werde Euch bald wieder berichten.
Ihr fehlt uns immer noch.
Eure
Terizza
Schwarze Lilie