In meinen Augen sind wir an dem Punkt noch gar nicht angekommen, um das wirklich sicher sagen zu können. Also zumindest teilweise nicht.
Man muss dabei immer wieder bedenken, warum Blizzard für Classic die Layering-Technologie eingeführt hat.
Nein, Layering sollte nicht die Zahl der Server einsparen. Die sind - wie man mittlerweile kapiert haben sollte - eh virtuell und es macht keinen Unterschied ob auf einer Hardware viele kleine virtuelle Server rennen oder ein großer. Am Ende zählt nur, wieviele Spieler (egal ob auf einem (virtuellen) Server oder auf mehreren) auf einer Maschine bedient werden können.
Layering wurde aus einem ganz anderen Grund eingeführt: Blades könnte euch das jetzt in einem 20-seitigen Thread haarklein erklären. Es geht nämlich darum, dass viele Spieler zwar unbedingt Classic spielen woll(t)en, ein gewisser Teil dieser Spieler aber nachweislich unterschätzt hat, wie aufwändig das Leveln damals war, was für ein unsäglicher Grind das manchmal war, wie wenig Endcontent Classic tatsächlich bot, etc.
Mit anderen Worten: Es war (und ist immer noch) davon auszugehen, dass ein gewisser Teil der Spieler, die total gehypet mit Classic angefangen haben, sich nach einer gewissen Zeit nur noch langweilen und Classic wieder den Rücken kehren werden. (Ich selbst kenne einige alte Gildenkollegen, die mit mir Classic wieder angefangen hatten, und die aber seit 2 Monaten doch nicht mehr online waren.)
Das ist schade, aber wie - mehrfach betont - zu erwarten.
Blizzard musste also (und da lagen sie goldrichtig) damit rechnen, dass ein bestimmter Teil der Classic-Spieler früher oder später wieder abspringt. Zurück bleibt am Ende ein „harter Kern“, der sich von den Classic-Widrigkeiten nicht abschrecken lässt und angesichts solcher Mißbildungen wie „BfA“ weiß, was er an Classic hat.
Und dieser harte Kern soll eben nicht auf Geisterservern spielen. Wie schafft man das, ohne Server zusammenlegen zu müssen? (Blizzard scheint hier immer noch eine Heidenangst vor zu haben. Vermutlich aus mehr als einem Grund.)
Nun, man schafft es, indem man zu Beginn einfach mehr Spieler auf einen Server lässt, und darauf baut, dass irgendwann die Gelangweilten abspringen und der „harte Kern“ genau in der Größe zurückbleibt, der für einen WoW-Server eine „gesunde Population“ darstellt.
Da Blizzard aber - genauso wie ihr und ich - weiß, dass die Welt nicht für 20.000 Spieler ausgelegt ist, denken sie sich die Geschichte mit den Layern aus. Also Kopien der Welt, die zusammen wie ein Server funktionieren, die Resourcen aber in Parallelwelten mehrfach vorhalten, um der erhöhten Spielerzahl gerecht zu werden. Layer eben.
Bis hierhin ist alles logisch und klar. Ab hier allerdings fängt der Blick in die Glaskugel an: Noch nie hat Blizzard (oder überhaupt ein MMORPG zuvor?) eine alte Spielwelt wiederbelebt und Erfahrungen sammeln könne, wieviele „Möchtegern-Nostalgiker“ nach wie langer Zeit wieder abspringen, weil sie sich wider Erwarten doch nur langweilen. Wie hoch würde die Abbrecher-Quote bei WoW Classic sein? 50 Prozent? 90 Prozent? Oder doch nur 20 Prozent? Keiner wusste das. Man konnte (und kann) nur schätzen.
So im Nachhinein würde ich sagen, Blizzard hat mit einer sehr hohen Abbrecherquote gerechnet. Ich tippe auf 80 Prozent. Sprich: Sie gingen (vermutlich) davon aus, dass von 1000 Spielern auf lange Sicht nur 200 Spieler übrig bleiben. Hochgerechnet auf die Kapazität eines (Vanilla-)Servers könnte man auch rechnen: Von 12.500 Spieler bleiben am Ende ca. 2.500 Spieler als „harter Kern“ übrig.
Also haben sie jedem Server bis zu 5 Layer spendiert, damit 12.500 Spieler Platz haben und am Ende 2.500 Spieler übrig bleiben. Und dann kam die Phase für die Namensreservierungen und Blizzard musste das erste Mal auf die harte Tour lernen, dass sie sich bei dem Ansturm auf Classic gewaltig(!) verschätzt hatten.
Warum und mit welchem Hintergedanken Blizzard dann aber die Kapazität der Layer erhöht statt zusätzlich Server bereitgestellt hat, darüber kann man ebenfalls nur spekulieren. Ich spar mir das hier und verweise einfach nur darauf, dass ab da deutlich mehr Spieler auf einen Layer gelassen wurden um die Server-Kapazität nach oben zu schrauben. Vornehmlich um Wartezeiten zu verringern.
Jetzt ist Classic 3 Monate alt und es hat - wie erwartet - ein großer Teil der Spieler Classic wieder aufgegeben. Ob das jetzt daran lag, dass sie Classic wirklich nur überschätzt haben, oder ob sie einfach nur genervt von den Warteschlangen durch Blizzards Fehleinschätzungen abgezogen sind, auch das wird man wohl nie endgültig erfahren.
Zurück bleiben mehrere Probleme. Zwei davon wären:
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Die Kapazität pro Server ist jetzt, ohne Layer, gegenüber Vanilla deutlich zu groß, vermutlich als Nebeneffekt davon, dass Blizzard hier etwas zu voreilig die Layer-Größe deutlich erhöht hat. Die Folge: Egal wo man questet, überall kloppen sich teilweise bis zu 10 oder noch mehr Spieler um Questmobs, Erze, Kräuter, etc., wo man früher zu Vanilla vielleicht nur alle paar Minuten mal einem Mitspieler über den Weg lief. (Besondere Farmpunkte wie Tyrs Hand und Co. mal ausgenommen.)
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Die Zahl der Abbrecher, von der Blizzard mutmaßlich ausgegangen ist bei der Berechnung, wieviele Spieler sie intial auf einen Server lassen, damit er nach der Abwanderungswelle dennoch ausreichend voll ist, war wohl deutlich zu hoch angesetzt oder ist bisher immer noch nicht erreicht. Es sind entgegen Blizzards Glaskugel deutlich zu viele Spieler dem Classic-WoW treu geblieben und bei weitem nicht so viele abgesprungen wie zuvor angenommen.
Erschwerend kommen jetzt noch ungleichgewichtige PvP-Server hinzu, weil die Horde auf Lucifron und Venoxis allein gelassen wird, während alle Allis nach Hearstriker flüchten (die einzige Möglichkeit, abzuhauen und dennoch seinen Main weiterspielen zu können) und dort ihrerseits eine Übermachtfraktion entstehen lassen.
Der langen Rede kurzer Sinn: Vermutlich sind wir einfach noch nicht an dem Punkt angekommen, dass der „harte Kern“ übrig geblieben ist. Vermutlich gibt es noch einige Spieler unter uns, die noch zunehmend Langeweile verspüren werden und kurz- bis mittelfristig Classic an den Nagel hängen werden.
Wirklich wissen, ob die Entscheidungen über die Servergröße nun falsch oder genau richtig waren, werden wir wohl erst in ca. zwei Jahren, wenn Classic sozusagen seinen „Vanilla-Zyklus“ endgültig zu Ende durchlebt haben wird und nur noch dadurch am Leben gehalten wird, dass immer wieder Spieler Classic für sich neu entdecken oder den zigsten Twink hochspielen, um zu genießen, wie toll das alte WoW früher war im Vergleich zu diesem unsäglichen Spiel namens „BfA“, das aus WoW heute geworden ist.