Vor ein paar Tagen
Die vom Regen geschwängerte Luft hing schwer in den grünen Wipfeln des Jadewalds. Nichteinmal der leichte, wenn auch stetige, Wind mochte das leicht klamme Gefühl vom Pelz des alten Pandaren wehen. Im Gegenteil. So saß er alleine an seinem Reiseofen und studierte im flackernden Licht der Flammen eine Schriftrolle. Schwere Schritte und ein zweiter, die Dunkelheit der Nacht durchbrechender, Lichtkegel zogen jedoch seine Aufmerksamkeit von dem Papier. Vor ihm stand ein junger Pandaren, gehüllt in einen dicken Kapuzenmantel.
“Ist das hier das Flammenbanner?” fragte der Bote mit vorsichtiger Stimme. Der Blick huschte mit Argwohn in den Augen über die Jurten der Yaungol und die schlafende Viehherde.
“Ja…” antwortete Jin Cao, doch bevor er den jüngeren Artgenossen an sein Feuer einladen konnte, hielt ihm dieser einen versiegelten Brief entgegen. Ungewöhnlich für die Pandaren, Briefe und keine Schriftrollen zu schicken. Selbst für die Huojin auf pandarischem Territorium. Es musste also eine Nachricht Seitens der Horde sein, schlussfolgerte der Alte, als er seine Pfote nach dem Brief ausstreckte und mit einem dankenden Nicken entgegen nahm. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren wandte der Bote sich um und verschwand wieder in der Nacht.
So blieb Jin Cao also mit dem versiegelten Brief zurück. Doch erst jetzt, aus der Nähe, erkannte er das Siegel, welches den Brief verschloss. Das Siegel des Kriegshäuptlings. Nicht, dass Sylvanas dem Khan persönliche Briefe schrieb. Es waren bestimmt Befehle, die irgendetwas mit diesem Krieg zutun haben werden, geschrieben und versiegelt von irgendeinem Adjutanten eines Generals. In einem sanften Rythmus reibt der alte Pandaren seinen Daumen über das Wachs. Nicht um es zu verformen, sondern zu erhitzen. Nach einer Weile konnte er so das Siegel entfernen und später wieder aufkleben, ohne das der Khan Verdacht schöpfen würde.
Erst überflog der den Text lediglich. Doch mit einem plötzlich aufkeimendem Schrecken hielt er inne, die Worte nochmals lesend. Dieses Schreiben war etwas, wovor sich Jin Cao schon eine Weile gefürchtet hatte. Die rebellischen Kräfte in der Horde sind zur Tat geschritten und haben sich mit der Allianz verbündet, um gegen Orgrimmar zu ziehen. Nun befahl der Kriegshäupling alle loyalen Kräfte in die Hauptstadt, um die Verteidigung zu unterstützen. Und Jin Cao wusste auch, auf welcher Seite der Khan und das Flammenbanner stehen würde.
Ohne weiter zu zögern, warf er den Brief in den Ofenschlund. Das Flammenbanner hatte gerade erst seine Schlachten an der Seite der Horde ruhmreich geschlagen und war zur Erholung der eigenen Kräfte und des Materials nach Pandaria zurückgekehrt. Sie hatten ihre erste berühung mit den Truppen der Horde, doch wussten sie noch zu wenig über die Horde insgesamt. Wie sollten sie da eine gute Entscheidung fällen können, wenn es zu einer Rebellion kommt? Von daher wäre es besser, wenndas Flammenbanner vorerst keine Seite wählt.
Davon abgesehen, dass das Flammenbanner nicht bereit für diesen Konflikt gewesen wäre. Auch hätte es dort weder Ruhm noch Beute für den Khan gegeben. Orgrimmar würde enden wie Teldrassil und Unterstadt. Mit Leid und Tod. Für alle.