Kurzgeschichte des Beschädigten
„Sollen wir es einfach zusammennähen?“
„Nein, dann beschwert er sich, dass er seinen Arm noch immer nicht bewegen kann.“
„Was ist wenn wir einen dritten Arm annähen?“
„Nein, dann beschwert er sich, dass er seinen Arm noch immer nicht bewegen kann.“
„Welchen?“
„Den Zweiten.“
„Den Neuen?“
„Der Alte.“
„Welcher?“
Ellerey räuspert sich. „Ich bedanke mich für Eure Hilfe, Apotheker, ich wäre Euch trotzdem verbunden, wenn Ihr meinen Arm wieder zur Funktion verhelft, jenem Arm, welcher sich nicht bewegen lässt, keinen dritten oder gar vierten Arm.“
Die beiden Apotheker, man würde gar meinen es sei der eine die Kopie des anderen, sehen sich kurz durch die abstrakten Masken in die Augen, danach wieder nach unten auf den OP-Tisch, welcher im Grunde genommen nur ein üblicher Holztisch ist. Die linke Schulter des Schützen wurde durch den Schwerthieb schwer geschädigt, Fleisch und Knochen liegen offen und die Bewegungsfähigkeit des Arms ist gänzlich verloren gegangen. Seltsame zähflüssige Masse fließt aus dem offenen Körper durch die Spalten im Holztisch auf den Boden.
„Wir könnten Knochen aus den Lagerbeständen einsetzen, und mit ein wenig Leichenkleber fixieren, es dürfte aber einige Wochen dauern, bis der Arm wieder funktioniert.“
„Ja, macht es, aber macht es rasch.“, erwidert der verwundete Verlassene.
„Der Dritte Arm ist keine Option?“
Der Blick des verletzten Schützen lässt den Apotheker die Antwort erahnen.
„Ja, ja, wir machen schon.“
Mit Beil und Säge, Messer und Meißel, machen sich die Apotheker ans Werk. Deren „Arbeit“ an der Schulter von Ellerey würde wohl aufgrund der Schmerzen einen jeden Sterblichen in den Tod treiben, den Schatten sei Dank, dass Ellerey bereits mit dem Tod verflucht wurde, und das grüne Gebräu der Apotheker jeglichen Rest von Schmerzempfinden verschwinden ließ.
Während die Apotheker ihr Werk tun, lässt Ellerey die vergangene Nacht Revue passieren.
Weder er, noch seine Künste als Schütze, sorgten für sein weiteres Dasein, nein, vielmehr war es sein treuer Begleiter und die restlichen Mitglieder des Klerus, die sein Unleben sicherten. Der Schlag des Ritters traf ihn hart auf die Schulter, die Knochen zerbarsten, die Kontrolle über den Arm ging verloren. Hätte ihn der Klerus und Seuchenmaul, sein treuer Begleiter, nicht beigestanden, er hätte nicht weiterkämpfen können. „Mit einem Gewehr wäre das nicht passiert.“, überdenkt er den hypothetischen Verlauf, „mein Ziel wäre nicht das Beste gewesen, dennoch hätte ich auch mit einem Arm weiter feuern können.“
Ellerey wird kurz aus Gedanken gerissen, als der Apotheker freudig lacht. „Was für ein Werk, als wäre es von Professor Seuchenmord persönlich!“ „SSSHHHHT, erwähnt doch nicht den großen Meister, man darf ihn nicht mehr erwähnen!“, ermahnt der zweite Apotheker. „Ach, hin oder her, wem er gedient hat, ist unerheblich, ein genialer Operateur war er.“
Ellerey betrachtet seine neue Schulter. Was in seine Schulter genau gesetzt wurde, kann er nicht sagen, das Fleisch, die Haut, setzt sich mit der grünlich-braunen Farbe jedenfalls deutlich von seiner restlichen schwarzen Haut ab. Belgeitet von einem leisen Stöhnen hebt er leicht den Arm.
„Nicht zu viel bewegen, es ist noch frisch, die Nähte können reißen, der Kleber verrutschen. Versucht den Arm nicht allzu viel zu bewegen, sonst liegt Ihr bald wieder hier, und dann bekommt Ihr einen Dritten Arm, nochmal repariere ich das nicht.“
Ellerey richtet sich auf, „Ich danke Euch Apotheker, ich stehe in Eurer Schuld.“
„Ja, ja, und jetzt raus hier, wir haben noch anderes zu tun.“, sind die abschließenden Worte des Apothekers, während er Ellereys Arm grob in eine Halsschlinge steckt, um den Arm vor weiteren Bewegungen zu schützen.
Tags darauf verlässt Ellerey die Unterkunft in Tarrens Mühle, mit Seuchenmaul an seiner Seite verlässt er den Ort in Richtung Norden. Der Wache am Tor reicht er einen Brief.
„Gebt diesem Brief Jarad Drughn, oder Kommandant Sagosh Maladan, sollte ich nicht vor deren Rückkehr hier eintreffen.“ Der Wächter nickt, und verstaut den Brief in seiner Jacke.
„Hochgebietender Herr Kommandant,
Hochverehrter Herr Drughn,
ich gestatte mir diese Zeilen an Euch zu richten:
Meiner schwacher Verdienst, welcher nur allzu rasch ein Ende fand, im Versuch Euch, Hochwohlgebietender Kommandant, zurück in unsere Reihen zu holen, fand ein jähes Ende.
Auch wenn ich mein unwertes Unleben geben würde, so wäre ich in meinem Zustand doch weder Hilfe, sondern nur Mühe, würd ich mich nun zu den Reihen der Truppe zurück begeben.
Wohl wissend, dass ich Eurer Erlaubnis bedarf, ich diese jedoch nicht einholen kann, begebe ich mich zurück zu meiner ehemaligen Heimat in Ostwald. Üblicherweise wären hier wohl Worte der Hoffnung angebracht, dass ich an jenem Ort meine alt gediente Waffe finde würde, um jene Lebende von ihrem Leiden das man Leben nennt zu erlösen, wären diese nicht der erste Schritt auf dem Weg zur Enttäuschung.
Meine Schritte werden rasch sein, meine Wege verdunkelt.
Die Schatten wachen.
Gehorsamst
Adept Ellerey“
Mit Seuchenmaul an seiner Seite macht sich Ellerey auf in Richtung Norden, die Pestländer sind wohl sein Ziel. Nur einen Wimperschlag hat es gedauert, und der geübte Jäger ist gemeinsam mit dem untoten Bären im Walddickicht verschwunden.