[A-RP] 🍷 Gut Löwenbrück

Dunkelheit

Die Schlotternächte kamen und gingen. Viele Bewohner des Guts bemerkten sie nur durch die Süßigkeiten, die im Guts-und Gardehaus in großen, kürbisförmigen Töpfen zu finden waren, oder weil sie die Strecke nach Sturmwind auf sich nahmen, um Erinnerungsstücke am Weidemann zu verbrennen. Viele hofften auf einen milden Winter, günstige Arbeit für die Verwandten in der Stadt und im nahen Goldhain. Die Alten kamen zusammen, um den Kindern Gruselgeschichten zu erzählen.

Andere hatten eine etwas… direktere Begegnung mit den Schatten und den Gestalten, die in der Dunkelheit lauerten. In den letzten Tagen wurde es still auf den nächtlichen Straßen. Die Murlocgefahr hielt Reisende davon ab, dem Pfad nach Westen zu folgen und die noch immer unbekannte Gefahr sorgte dafür, dass Lampen und Laternen an jeder Straßenecke brannten, von den tapferen Gardisten angebracht, die selbst dabei beobachtet wurden, wie ihre Augen immer wieder nervös in die Dunkelheit zwischen Baumwipfeln wanderten.

Am Tag nach den Schlotternächten, als die Hausmädchen und Diener die Kürbislaternen, Girlanden und Süßigkeiteneimer entfernten, wisperte es im Gutsgelände. Über den Geisteszustand des Hausherren, der einen Kobold in der Kapelle leben ließ, wo dieser sich an den vielen brennenden Kerzen erfreute und mit außergewöhnlicher Höflichkeit beiseite rückte, wenn ihm ein Knappe mit dem Besen zum Ausfegen des Gebetshauses zu Leibe rückte. Der Kobold namens Grauhaar befand sich im Greisenalter, auch wenn das bei der grundlegend runzligen Visage, die Kobolde zu Eigen war, nur schwer zu sagen war. Er war kein beliebter Gast.

Die Stalljungen warfen Steine nach ihm, wenn er seine knollige Nase aus der Kapelle streckte, und die Gardisten behielten die Waffen stets in Reichweite. Niemand traute sich aber, ihn ehrlich zu verletzen oder die Entscheidung anzuzweifeln, dass er für‘s Erste in der Kapelle lebte – jedenfalls nicht laut. Geflüstert wurde viel. Mehr als einmal fiel, wie so oft, der Name von Sir Barath. Nostalgische, alte Männer fluchten um die Hälse ihrer Pfeifen über den Niedergang der Sitten, doch auch sie duldeten zähneknirschend, als Grauhaar mysteriöse Symbole an ihre Hauswände zeichnete. Schutz, angeblich.

Aber wovor?

Heute, am Tag der Toten, bereitete man sich auf einen Fackelzug zum Waldfriedhof vor. Jeder Gutsbewohner erhielt ein Lichtmittel – Erwachsene Fackeln, Kinder kleine Lampen oder lange Kerzen. Herbstliche Gestecke, schon Wochen zuvor geflochten, wurden bereitgelegt, frische Blumensträuße gepflückt oder kleine Säckchen mit Gaben gefüllt, die man auf die Grabeserde auflegen würde.

Die Gardisten waren nervös. Man wollte spät abends losziehen – unmöglich, den Leuten diese Gelegenheit zu verwehren. Aber riskant. Die Dunkelheit lauerte noch immer, und niemand wusste, worum es sich genau dabei handelte. Doch schon bald wurden die Zweifel vom Geruch von Gebäckstücken und Zuckerschädeln verbannt. Man sammelte sie in großen Körben und bewachte sie vor diebischen Leckermäuler.

Selbst die tiranischen Bewohner des Guts nahmen an den Vorbereitungen teil. In Kul Tiras ehrte man die Gefallenen mit Sternenmoos und dem salzigen Geruch verbrannten Treibholzes, mit selig-traurigen Liedern und dem Geläut von Glocken.

Hochländer mochten von ihren Ahnen erzählen, Sturmwinder sich auf die Standhaftigkeit und die Ehre der Gefallenen berufen, andere nur an den Süßigkeiten und einem Abend an einem gruseligen Ort interessiert sein. Vielleicht hoffte gar jemand, eine vergangene Liebe oder ein verlorenes Familienmitglied wiederzusehen. Wieder einmal zeigte sich, dass der Tod – oder der Gedanke daran – vor niemandem Halt machte. Er klopfte an jede Tür, stellte keine Fragen und machte letztlich jeden gleich.

Wie die Dunkelheit.

Ihr guten Bürger von Elwynn und Löwenbrück!
Der westliche Forst unseres Lehens ist bis auf Weiteres nachts nicht alleine und nur mit einer Lichtquelle zu betreten! Es wird empfohlen, Laternen an den Grenzen der Höfe und an den Ställen brennen zu lassen!
Lampenöl und Leuchtmittel werden am Gardehaus ausgegeben! Wer des Nachts Geräusche vernimmt, die an Gesang erinnern, ist angehalten, in den sicheren vier Wänden zu verweilen.Die Garde kümmert sich um diese Angelegenheit und wird Entwarnung ausrufen, sobald es möglich ist.
gez.
Wachtmeister Humphrey Oxberg
Sir Riordan Löwenbrück

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Alte Freunde

Ein kurzer, prüfender Seitenblick nach links, dann nach rechts. Der Ritter hielt Ausschau nach blonden oder schwarzen Haaren, die jederzeit unvermittelt um die Ecke biegen mochten, während eine Hand raschelnd im kleinen Lederbeutel am Gürtel herumwühlte. Zwei schwielige Finger zerrieben ein paar der Kräuter, als sie eine gute Prise umfassten, die andere Hand klopfte über die Weste und ihre Taschen (ungewohnt, ein paar Tage lang weder Kettenhemd noch Wappenrock tragen zu müssen) und zog etwas ebenso Raschelndes, Bräunliches hervor. Wieder ein prüfender Blick. Seine Frauen – der Gedanke brachte ihn zum Schmunzeln – waren nirgendwo zu sehen, also arbeiteten die Finger schneller, drehten, entzündeten ein Schwefelholz am Daumennagel und hielten still. Rauch stieg in den von Sturmwolken durchzogenen Himmel über Boralus, während Riordan gegen den vermaledeiten allgegenwärtigen Wind die Augen zu Schlitzen zusammenkniff, um den Tabak nicht auch visuell aufzunehmen. Die braunen und grauen Häuser der Stadt, die er durch das eingeschränkte Sichtfeld sehen konnte, die Anker überall und die eigenartig prävalente Tintenfischästhetik waren seltsam. Aber es war die Heimat seiner Ehefrau, und zumindest zu vagen fünfzig Prozent von seinem Sohn. Und anderen, weniger blutsverbundenen Kindern.

Paffend wie die Schlote, die er in der Ferne, dort, wo einst Aschenwinds Fabriken gewesen waren, die nun vermutlich anderen, marginal weniger raffsüchtigen Geschäftsmännern gehörten, gesehen hatte, drückte sich Riordan wie einer dieser übertrieben lässigen, dabei aber vor allem lächerlich aussehenden Protagonisten der Romantikromane, die seltsamerweise ständig aus der Bibliothek verschwanden, gegen die Reling des Schiffs, auf dem sie vor einigen Tagen angekommen waren. Sogar den Kragen des Mantels hatte er hochgestellt, ließ ihn aber verwegen offen flattern. Die Haare, locker zu einem Zopf gefasst, peitschten um seinen Kopf, als wollte er eine kastanienbraune Flagge gegen das allgegenwärtige Prachtmeergrün hissen. Alles war salzig hier. Die Luft, das Essen, sogar die Gedanken schienen sich, je länger man auf die vielen Galgen und Schaffots, auf die allgegenwärtige Präsenz der Wache, auf die Schlaglöcher in den Straßen und die teils abgemagerten Kinder blickte, die durch die Straßen huschten, zu verkrusten und auszutrocknen.

Kul Tiras war – wie Riordan, der sich wie alle Touristen anmaßte, fundierte Urteile über seinen Besuchsort zu fällen – nicht viel anders als Sturmwind. Die Löwen waren eben Kraken, wenn man ihn fragte. Tat man aber nicht.
Das Geräusch von Schritten wurde lauter – nicht schwer und trampelnd, das ließ einige der bekannten Gesichter ausschließen – sondern leise und verhuscht. Ehe er sich versah, stand ein Junge vor ihm, die Hosenträger, obwohl eng gefasst, immer noch wabbelnd auf dem dreckigen, graubraunem Hemd. Eine flache Mütze schützte den fransigen Haarschopf des vielleicht Zehnjährigen.
„Ein Brief für Euch, Sir!“, quakte der Kurier und hielt Riordan eine trotz der schludrigen Erscheinung des Jungen nicht einmal leicht geknickte Pergamentrolle hin. Der Löwe darauf, sowie das blaue Band mit den goldenen Elementen sorgte dafür, dass der Ritter die Augenbrauen zusammenschob, bis sie fast eine kontinuierliche Linie bildeten.
„Danke“, murmelte Riordan und griff mit der freien Hand nach dem Schreiben. Bevor er es öffnete, klopfte er wieder seine Weste ab und fischte ein paar Silberne hervor, die er in die erwartungsvoll erhobenen Hände des Knaben fallen ließ. „Woher kommt das?“
„Vom Hafen hier, Sir. Ging über‘s Büro des Hafenmeisters und kommt aus der Allianzhauptstadt.“
„In Ordnung. Sollst du eine Antwort zurückbringen, Kleiner?“
„Nuh-huh, Sir. Der Mann meinte, wenn ihr‘s lest, kommt Ihr selbst. Gezeiten mit Euch, Sir!“

Auf eine wischende Geste und ein skeptisches Stirnrunzeln des Ritters sowie leise, verabschiedende Worte rannte der Kurier die Planke nach unten und entschwand irgendwo in den Gassen, wo tausende seiner Art herumliefen. Riordan blickte sich kurz zu allen Seiten um, nickte ein paar Schiffsarbeitern zu, die an ihm vorbeizogen, irgendwelche Warenkisten mit der Münze auf der Woge – vermutlich Seonis Salz, bei ihr war alles Salz – und entrollte das Schreiben. Während die Augen über die Zeilen tanzten, passierte etwas sehr Eigenartiges mit dem Gesicht des Rebenritters: Die Mundwinkel zogen sich nach unten, dann nach oben. Die Augenbrauen gesenkt, als hätte er schlechte Nachrichten erhalten, lächelte er, als würde er sich freuen. Mit deutlich weniger Sorgfalt als der Botenjunge bewiesen hatte, stopfte er das Pergament irgendwo in seine Westentasche, streckte den Arm aus und ließ die ritterliche Pranke auf die erste Schulter sinken, die ihm entgegenkam.
„Sag meiner Frau, dass ich heute Abend weg bin und sie Biarne vorher noch ein bisschen Zielwasser ausgeben soll. Sie weiß, was ich meine.“ Schwungvollen Schrittes, flatternden Mantels und mit einem Gesicht, als wären die Sturmwolken und die eisig kalten Nieselregelntropfen, die ab und zu wie kleine Mittelfinger aus den Wolken fielen, strahlendster Sonnenschein und angenehmer Sommerregen, beeilte sich Riordan durch Boralus‘ Straßen.

Irgendwo nach den ersten Metern fiel der Glimmstängel aus seinen Fingern und schwelte zwischen Bordstein und Kante, vergessen, bis eine Kutsche einen Schwall Brackwasser über ihn ergoss und die Glut erlosch.

War fast schon Zeit für die Flut.

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Pilgerzeit

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Vielleicht ist der Anblick der grünen Wiesen und Baumhaine des Elwynnwaldes nicht unbedingt das Abenteuerlichste, was den Pilgern und Ordensgeschwistern auf ihrer Reise zu geschichtsträchtigeren und gefährlicheren Orten begegnen wird. Aber sind es nicht gerade die friedlichen Etappen, die einen auf das Unbekannte vorbereiten? Liegt im wilden Surren der Bienen, die sich über die Friedensblumen und Königsblütler hermachen, nicht das murmelnde Versprechen von Spannung und Gefahr? Scheint es nicht, als würden die Apfelbäume zum Abschied winken, wenn der Wind ihre Zweige zucken lässt?

So nahe am Schwarzfelsgebirge ist die Luft warm, verheißungsvoll für die brennende Steppe, die ihren Namen nicht umsonst trägt. Ein wenig Feuchtigkeit liegt im Wind, der einen Teil des Nordhainflusses, des Steinhügelsees und des Klosterbaches mit sich nimmt und einem das entfernte Gurgeln von Murlocs um die Ohren wirbelt, deren kleine Hütten versteckt zwischen Ufergras hin und wieder hervorblitzen.

Wenn einem die mit dicken Fässern beladenen Karren, begleitet von fröhlich quatschenden Bauern auf den von Rädern und Hufen plattgemahlenen Wegen entgegenkommen, scheint dieser Fleck Land sich in den paradiesisch sicheren Schatten zu kuscheln, den Sturmwind als Ankerpunkt der Allianz und des Königreiches über seine nahen Lehen wirft.

Aber nicht alles ist immer so, wie der Schein es verspricht. Die Karren werden von Männern in den Uniformen des Königreichs Sturmwind begleitet, die höflich, aber ernst sind und sich immer einmal wieder umsehen. Vorbei an den quietschenden, sich träge drehenden Mühlrädern der Höfe kommen die verkohlten Überreste eines Kornspeichers in Blick, die sich neben einer Baustelle wie warnende, von Gras überwachsene Finger aus dem Boden heben. Der Grünweidehof, ein kleines Bauernhäuschen mit einem Stall für Arbeitstiere, Kühe und Hühnerverschlägen, hat offenbar ähnliche Schäden erlitten.

Verblasste Kratzer sind an den Hauswänden zu sehen, teilweise von Kletterrosen kaschiert. Die Scheune ist beinahe vollständig zerstört worden - am Tage sind Männer zu sehen, die auf das Dach klettern und Schindeln legen, während sie sich gegenseitig Dinge zurufen, deren Inhalt im Wind verloren geht.

Die Leute sind höflich, aber interessieren sich bis auf neugierige Blicke kaum für die Pilgersleute - sie sind, wie die Bewohner des Königreiches es oft sind - beschäftigt mit ihren eigenen Arbeiten und lassen sich nicht beirren. Grüße des Lichts (und manchmal, sollte sich ein Zwerg unter den Pilgernden befinden, auch ungeschickte Grüße an Berge und Minenstollen, man weiß ja nicht) begegnen den Reisenden, die ihre Rast ohne größere Zwischenfälle von Seiten der Gastgeber auf der Wiese verleben konnten.

Das entfernte Wolfsgeheul und das Zischen von Spinnen gehört zur Kakophonie des Elwynn ebenso dazu wie zuschlagende Fensterläden und der Laternenschein der Grenzer, die vielleicht etwas öfter als eine gewöhnliche Patrouillenroute es verlangen würde, um das Lager der Pilger streifen.

Wenn die Sonne sich am nächsten Morgen über das Rotkammgebirge schiebt, kommen allmählich auch die Weinberge in Sicht, wenn auch noch etwas vom hügeligen Terrain überdeckt. Zu dieser Jahreszeit sind sie von Klee in grün und gold überwuchert und zeigen keine Reben, dafür aber Knospen und Blätter, die eine reiche Ernte versprechen. Hübscher anzusehen sind dafür die Apfelbäume und ihre Haine. Über und über von weißen Blüten bedeckt, kämpfen nektartrinkende Insekten um die Vorherrschaft an den Blumen. Kommt ein Windhauch auf, scheint es beinahe zu schneien, wenn die weißen Blütenblätter durch die Luft tanzen und sich erbarmungslos auf alles legen, was sich ihnen in den Weg stellt.

Um die Vormittagszeit herum sind in den Blumenwiesen Kinder zu sehen, die sich mit Holzschwertern zu Leibe rücken (die Rollenverteilung der Gegner ist hierbei sehr divers: Murlocs, Gnolle, Wölfe und sogar Horde ist dabei!). Andere flechten mit nicht weniger Konzentration Blumenkränze, langweilen sich beim Hüten von Schafen und Hühnern oder starren unentwegt gen der Pilgernden, in der Hoffnung abenteuerliche Geschichten abzugreifen, wenn die Ohren und Augen einfach nur groß genug sind.

Zur vollen Mittagsstunde ist das entfernte Läuten einer Kapellenglocke zu hören - Bauern auf den Feldern, Arbeiter an den Höfen und an Zäunen am Wegesrand nehmen dies zum Zeichen, um sich zu stärken. Ungefähr zu dieser Zeit kommt ein mit Körben beladener Karren zum Lager der Pilgernden. Interessierte Reisende erhalten frisch gebackenes Brot und Rosinenzöpfe von drei jungen Damen, die, sollte man sie danach fragen, sich als Hausmädchen des Gutshauses offenbaren, während die Organisation der Pilgerreise von der ältesten Magd - ihr Name ist Anna Grünweide - eine Wegbeschreibung zum Gut und einen Abriss der Abendplanung erhalten - immer nordwärts, bis die Mauern in Sicht kommen. Schließlich, sollten die Körbe ordnungsgemäß geplündert worden sein, machen sich die Hausmädchen wieder auf dem Weg zum Gutshaus und überlassen die Reisenden ihren Gebeten, Gesprächen und Plänen.

Abenteuerlich ist es hier nicht. Aber irgendwo muss jeder einmal anfangen.


Siehe auch: [A] Silberschild Pilgerreise (29.4. - 30.5.) - abgeschlossen

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Kopfschmerzen

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Kopfschmerzen.

Diese elendige Geissel der Menschheit, die bei einigen Individuen nur dazu dient, damit sie zumindest anatomisch gesehen imstande sein sollten einen halbwegs Intelligenten Gedanken zu äussern, falls sie denn die dafür nötige Intelligenz besitzen sollten.

Und da fängt es bei den meisten schon an.

Hamilton hatte Kopfschmerzen, und zwar diejenige, die man normalerweise nur dann hat, wenn man entweder auf Alkoholentzug war, oder als krasses Gegenteil dazu, zuviel gesoffen hatte. Oder wenn man sich im Bauch eines Schiffes auf dem Weg nach Pandaria befand, in dem die Luft auf diese Weise stand wie sie es nur im Keller gewisser zweitklassiger Etablissements tat.

Er lag auf seiner dünnen Matratze auf dem blanken Boden und lauschte dem Rauschen der Wellen und dem knarzendem Schiffsrumpf, welches sich durch den Ozean pflügt. Die Welt könnte so ein schöner Ort sein, umhüllt von diesem beruhigenden Geräusch, würde es nicht in regelmässigen Abständen vom Schnarchen einer Horde Expeditionsteilnehmer und Besatzungsmitglieder äussert lautstark unterbrochen.

Menschen.

Ebenfalls eine leidige Geissel. Zumindest war seine Abneigung gegenüber anderen Personen bisher nicht zum Vorschein gekommen. Zum Glück, musste man sagen, denn auf solchen Expeditionen war man leider gezwungenermassen auf seine Mitmenschen angewiesen. Er wollte doch nur wieder einmal irgendwas so dermassen verprügeln, dass man dessen Existenz nicht einmal mehr im wirbelnden Nether nachweisen konnte.

Aber das würde bestimmt noch kommen. Entweder das, oder das brechen seiner Fassade, die alleine dem puren Egoismus entsprang.

Mit viel Schwung, und etwas Hilfe der schwankenden Betty, richtete er sich auf, schlüpfte in ein bequemes paar Hosen und stampfte an Deck, nachdem er die Taschen nach seinen Kippen durchsucht hatte. Oben angekommen, lehnte er sich an die Reling und lauschte nichts weiter, ausser dem beruhigenden Rauschen des Meeres. Der salzgeschwängerte Wind fuhr durch sein Fell und brannte leicht in der Nase. Als hätte er einen Glutfunken eingeatmet.

Das einzige was die Ruhe für einen kleinen Moment zerriss, war das bekannte Knistern seines Taschenfeuerzeugs als die Flammen die ersten Tabakblätter zerfrassen und die dunkle Nacht mit einem kleinen aufflackernden Lichtpunkt erhellte. Er nahm einen tiefen Zug, raunte und blies den Rauch durch seine Nüstern, wie eine grosse pelzige Dampflok. Ein zufriedenes Brummen drang aus der kohlegeschwärzten Kehle des Schmiedes, gefolgt von einem für ihn typischen tiefen Raunen.

Mit gespreizten Krallen, rieb er sich über die Augenbrauen und lies seine Gedanken schweifen.

Vielleicht war es an der Zeit wieder mehr unter Menschen zu gehen, vielleicht würde dann seine Sozialphobie etwas weniger werden. Vielleicht sollte er auch einfach zurück in seinen Laden kehren und seiner Arbeit nachgehen. Vielleicht wäre es auch eine gute Idee, etwas freundlicher zu den Menschen zu sein, damit… Nein, ach was für eine bescheuerte Idee. Er rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf.

Freundlicher zu den Leuten zu sein, nur damit keine Gefühle verletzt werden? Bei Goldrinn nein, da stirbt er eher an einem stressbedingtem Herzinfarkt, bevor er sich ernsthaft um das Seelenheil seiner Mitmenschen kümmert. Das ist die Aufgabe anderer, er war Schmied und kein Seelsorger und schon gar kein Heuchler. Soweit kommt’s noch, William Hamilton ist freundlich? Nur wenn er muss. Der Erste Eindruck ist schliesslich wichtig, das musste sogar er lernen. War er aufgrund dessen nicht auch ein Heuchler?

Heuchler…

Eine weitere Geissel der Menschheit. Er hatte sie, jeden Einzelnen von Ihnen. Und er schämte sich für jeden Augenblick, an dem er gezwungen war, sich auf dieses Niveau herab zu begeben nur um seinen eigenen Vorteil willen. Diese elendigen Speichellecker, die nur ein Rückgrat besitzen, damit sie beim Akt des in den Hintern kriechens nicht in sich zusammenfallen wie der Haufen Kodomist, die sie nun mal darstellten!

Sein steigender Blutdruck verriet ihm, dass es wohl besser war weniger nachzudenken. Denn immer wenn er zu viel nachdachte, passierte sowas! Er seufzte schwer und zog nochmals an seiner Kippe und wieder leuchtete ein kleiner roter Punkt in der Dunkelheit der See. Wieder rieb er sich mit den rauen Fingerkuppen über die Augenbrauen. Er wusste nicht ob es eine gute Idee war, her zu kommen, alleine schon wegen der Phiole. Insgeheim hoffte er, dass man sich aufeinander verlassen konnte. Aber sicher war er sich nicht.

Was aber fest stand war, dass diese Expedition eine gute Gelegenheit darstellte, sich unter Leute zu bringen. Womöglich hatte die Gesellschaft ja doch noch Platz für einen brummigen, schlecht gelaunten Schmied und eskapistischen Teilzeitsäufer wie ihn. Vielleicht… das wird die Zeit zeigen.

Siehe auch: [A-RP] Jäger des verlorenen Szepters

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Stratholme, vor einigen Wochen…

Leise knirschte das, was einst eine Straße war, unter den schweren Stiefeln des Argentumtrupps. Seit mehr als einer Stunde war alles ruhig und nichts deutete in diesem Teil von Stratholme auf unmittelbare Gefahr hin, dennoch blieben die drei Gestalten wachsam bei jedem Schritt.
Erst als sie den alten Viehmarkt erreichten, blieben sie einen Moment stehen um durchzuatmen.

„Hier ist nichts als Staub und Geröll. Zeitverschwendung! Wir sollten an einen Ort gehen, wo mein Hammer wenigstens etwas zu tun bekommt!“ grollte der Bärtige, nachdem er einen tiefen Schluck aus seiner Feldflasche genommen und diese an die Schildträgerin weitergereicht hatte.
„Oder zurück ins Lager. Ich bin müde und morgen ist ein neuer Tag.“ gab diese von sich, trank und reichte die Flasche zurück, während sie ihren Blick auf den Gelehrten richtete. „Oder nicht?“ rief sie ihm fragend zu, doch der Angesprochene blickte nur geistesabwesend auf eine der vielen Ruinen. Erst als der Bärtige laut hustete, riss ihn das aus seinen Gedanken und er blickte fragend zu den anderen beiden. „Sollen wir zurück?“ wiederholte die Schildträgerin ihre Frage.

„Wir sind hier noch nicht fertig.“ antworte der Gelehrte mit ruhiger Stimme. „Dort… ist irgendwas.“
Sein Blick wanderte kurz wieder zu der Ruine, dann zurück zu seinen beiden Begleitern, die bereits ihre Waffen gezogen hatten. Er hob abwehrend die Hände. „Keine Untoten, keine Gefahr.“ erklärte er schnell. „Und doch… ich spüre etwas.“
Seine beiden Begleiter warfen sich einen Blick zu und atmeten lang und ein wenig genervt aus, während sie ihre Waffen wieder wegsteckten. Schließlich ergriff der Bärtige das Wort: „Also schön. Sehen wir mal was Ihr da spürt. Vielleicht habe ich dann wenigstens endlich was zu tun.“ gab er von sich und marschierte los, die anderen beiden folgten ihm gemessenen Schrittes.

Vor einem alten Getreidesilo blieben sie stehen. „Hier. Hier ist es.“ meldete sich der Gelehrte zu Wort. „Getreide in Stratholme, wir müssten verrückt sein um…“ konnte die Schildträgerin noch sagen bevor der Bärtige begann die Klappe mit seinem Hammer aufzuschlagen. „Seid wenigstens vorsichtig, beim Licht!“ rief sie ihm noch zu.
„Ich bin immer…“ wollte der Bärtige gerade antworten als die Tür vor ihm nachgab und ein Schwall aus Geröll, rostigem Metall und Holzteilen sich über ihn ergoss und ihn begrub. Schnell waren die anderen beiden bei ihm und begannen ihn hastig aus dem Haufen zu befreien, der sich über ihm gebildet hatte. Seinem Schimpfen und Fluchen nach war er zumindest einigermaßen unverletzt geblieben. „Ich spüre hier etwas… hier muss es sein…“ knurrte er vor sich hin, als genug von ihm frei gelegt war und er selbst mit anpacken konnte seine Beine zu befreien. „Was zum Henker ist das hier überhaupt alles?“ fragte er schließlich. „Eine Art Hort? Oder eine Müllhalde?“ versuchte sich die Schildträgerin an einer Erklärung, als sie sich aufrichtete und zum Gelehrten blickte.

Dieser war immer noch oder besser wieder dabei zu graben. Ihr Blick wanderte eine Weile hin und her zwischen ihren beiden Gefährten und der Umgebung. Als der Gelehrte etwas aus dem Schutt zog, blieb ihr Blick aber wieder bei ihm hängen. „Was ist das?“ Fragten sie und der Bärtige gleichzeitig.
Der Gelehrte antwortete nicht, sondern zeigte ihnen einfach nur wortlos seine Beute.
„Kennt Ihr dieses Wappen?“ fragte die Schildträgerin schließlich, nachdem alle einen Moment geschwiegen hatten. Der Gelehrte nickte und verstaute das Fundstück sicher in seinem Beutel. „Das hier gehörte Anna Rothfeld.“ Die anderen beiden blickten sich kurz an und der Bärtige sprach aus, was beide dachten: „Wem?“. Der Gelehrte schüttelte den Kopf und lächelte entschuldigend. „Eine große Tote, deren Vermächtnis ich verloren glaubte. Doch vielleicht kann es wieder gefunden werden.“ Einen Moment blickte er in die ratlosen Gesichter seiner Begleiter, dann deutete er mit seinem Kinn in Richtung des Lagers. „Gehen wir zurück. Später sollt Ihr alles erfahren, was Ihr wissen wollt.“

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